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Schmach bewahren werde, seinen Einiger auf der An klagebank zu erblicken in einem gerichtlichen Verfahren, welches den Zweck hat, ihn des Landes- oder Hochver raths zu überführen." Wir führen diese Stimmen der angesehendsten Zet- tungsorgane aus den verschiedensten Theilen des deutschen Reiches an, um nachzuweisen, wie von demjenigen Theile des deutschen Volkes, welcher von jeher zu den ge treuesten Anhängern des Reichsgedankens sich gezählt hat, die Haltung der gegenwärtigen Regierungsvertreter beurtheilt wird. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Nordlandretse unseres Kaisers, welche der selbe von Kiel aus angetreten hat, geht zunächst nach Drontheim. Der kaiserlichen Dacht „Kaiseradler" giebt das Panzerschiff „Siegfried" das Geleit. Von Dront- heim geht die Fahrt nach den Lofoten. Kaiser Wil helm hat, wie aus Christiansund gemeldet wird, da selbst Erkundigungen wegen der im Juli stattfindenden Fischerei-Ausstellung einziehen lasten. Man will dar aus schließen, daß der Kaiser auf der Rückreise einen Besuch in Christiansund plane. Dem Kaiser werden am 2. Juli zwei Torpedoboote als Depeschenboote fol gen und in Drontheim den Monarchen antreffen. Der Bundesrath des Deutschen Reiches hielt am Donnerstag eine Plenarsitzung ab. Genehmigt wurde u. A. die Vorlage betr. die Viehzählung. Aus bester Quelle verlautet bezüglich der neuen Mtlitärvorlage, daß eine definitive Fertigstellung derselben noch nicht erfolgt ist; nur das Princip des neuen Entwurfes steht fest, nämlich: Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie und -nt- sprechende Erhöhung der Friedensstärke. Um wieviel Mann der Präsenzstand erhöht werden soll, das ist die große Frage, um die es im Reichstage sich han deln wird. Aus München berichten die dortigen Neuesten Nach richten, daß die Meldung, die städtischen Behörden hät- ten die Ernennung des Fürsten Bismarck zum Ehren bürger der bayerischen Hauptstadt abgelehnt, auf Er findung beruht. Die Sache ist überhaupt nicht im Gemeindrkollegtum zur Sprache gebracht worden. Fürst Bismarck in Kissinger, stattete am Dienstag dem russischen Botschafter in Constantinopel, von Ne- lidow, einen Besuch ab und lud denselben zu sich zur Tafel ein. In einer Centrumsversammlung des Freisinger Wahlkreises bezeichneten die Abgeordneten Soden, Orterer und Datier die Aeußerungen des Fürsten Bismarck gegenüber dem Berichterstatter der Wiener N. Fr. Pr. als an Landesverrath streifend. Durch die Bismarck tage werde das Zusammenarbeiten mit den National- liberalen in manchen Zeitfragen erschwert. Gegenüber der Socialdemokratie sei die Gemeinsamkeit der staatS- erhaltenden Parteien erforderlich und ermöglicht. Auch in einer Centrumsversammlung in Köln sprach der Abg. Sieber gegen des Fürsten Bismarck neuestes Auf- treten. Ein Staatsmann, der unter Fürst Bismarck Sehnliches gethan hätte, säße längst in Spandau. „Wir stehen bei Kaiser und Reich hinter dem vom Kaiser ernannten Kanzler." Auch hier zeigt sich der Bund der Centrumsleute mit Caprivi. Die „Neuesten Nachrichten" veröffentlichen die Unter redung eines ihrer mit dem Fürsten Bismarck im Extrazug nach Ktsfingen gereisten Redacleurs in dem i Arbeitszimmer des Fürsten in Kissingen. Danach habe ; der Fürst gesagt, ihm liege jede Rachsucht fern. Sein i Nachfolger habe ihm nie etwas zu Leide gethan, er ! wolle nur die der gedeihlichen Entwickelung des s ; Vaterlandes hinderlichen Handlungen der gegen- ' j wärttgen Regierung corrigiren. Die Handelsverträge ! j bezeichnete Bismarck als den deutschen Interessen i ! widersprechend, so besonders die Festsetzungen über i j die Vieh-, Käse- und Weinzölle, sowie die Lahmlegung - < der Papierfabrikatton zu Gunsten Oesterreichs. Die s ' äußere Form im Verkehr mit dem Parlament habe - er dem Reichstag gegenüber stets gewahrt. Parlament ' und Presse seien ein nothwendiges Correctiv für die ! Regierung. Der Particularismus werde in Deutsch- land nimmer eine den Bestand des Reiches gefährdende Form annehmen. Bismarck wiederholte, daß er bei dem Czaren das größte Vertrauen genieße, daß tm Jahre 1889 demselben seine bloße Versicherung genügt habe, daß die bewußten Schriftstücke gefälscht seien. Das Bünd- niß mit Oesterreich sei ja lediglich ein Dcfensiv-Bündniß. i Er sei bet dem Kaiser in Ungnade gefallen; wenn dieser dieselbe aufhebe, so sei das Verhältniß wieder das alte. Jntriguen seien da untergeloufrn. Das Ausscheiden aus dem Amt hätte ihn weniger geschmerzt, j tief dagegen die Form, wie dies geschehen. r Ueber die Reise des Kultusministers vr. Bosse ' durch die Provinz Posen wird von dort berichtet, daß i die Jnspictrung einer Anzahl Volksschulen in durchaus ? polnischen Landesthetlen zur Feststellung vortrefflicher Ergebnisse des deutschen Unterrtchtssystemes ge führt hat; polnische Kinder in solchen Landestheilen haben Vorzügliches im Deutschen geleistet. In Pofen empfing der Kultusminister eine polnische Deputation, ( welche eine Denkschrift über die Bedürfnisse der pol- f Nischen Bevölkerung überreichte. Dem K. P. zufolge hätte der Minister erwidert, daß er in der wohl wollendsten Absicht nach Posen gekommen sei, um sich persönlich zu informiren und die Mittel ausfindig zu machen, dem Staatsministerium eine bezügliche Vorlage zu unterbreiten. Einem Privatbriefe des Geheimraths Kayser, der vom 6. Juni aus Dar es-Salaam datirt ist, entnimmt die V. Z., daß es ihm mit seiner Gesundheit bis jetzt sehr gut gegangen sei. Geh. Rath. Kayser beabsichtigte, , die verschiedenen Außenplätze zu besuchen und schließlich ' die Plantage Lewa der deulsch-ostafrikanischen Plantagen gesellschaft und die Plantage Ktrlokre der deutsch-oft- afrikanischen Gesellschaft zu besichtigen. Anfang Juli will Geh Rath Kayser dann wiederum auf dem „Kai ser", auf dem er auch von Neapel abgegangen ist, die ( Rückreise nach Europa antrcten. Herr Kayser macht Feuilleton. Um Gold und Liebe. Roman von O. Holzhauer. Nachdruck orrdatru. (Fortsetzung.) Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als fie erwachte, und das Frühstück war schon aufgetragen, als fie herunterkam. Frau Davenant blickte lächelnd auf. „Du schaust wieder ganz wohl aus, meine Liebe," sagte fie. „Rathe, von wem dies ist," fie hielt ein beschriebenes Blatt in der Hand. „Es ist von Fräu lein Bell. Sie ist sehr böse, daß Du gestern Abend davon gelaufen bist. Wie ein Vogel seist Du davon geflogen, und fie habe Dich erst vermißt, als man ihr gesagt, daß Du schon abgefahren." Una erröthete. „Es war unartig von mir?" fragte fie. „Es thut mir sehr leid." „Es macht nichts, meine Liebe; fie hat Dir schein bar verziehen oder fie will es thun, wenn Du heute an einer Wafferpartte theilnehmen willst." Wieder erblaßte Una. »Ich?" sagte fie athemloS. »Ja, Fräulein Bell will keine Ablehnung annehmen. Sie wollen nach Richmond fahren und Dich unterwegs obholen. Willst Du mitgehen, meine Liebe?" Una dachte einen Moment nach; dort mußte Sie ja auch mit Hermann zusamwentreffen. Sie schwieg und Frau Davenant hielt ihr Schweigen sür eine Zustimmung. „Eine Antwort ist da gar nicht erforderlich, meine Liebe," sagte fie, freundlich lächelnd. „Fräulein Bell wird keine Abweisung annehmen; da ist die Einladung" und fie reichte dieselbe über den Tisch hinüber Una zu. Diese laS den freundlich befehlenden kleinen Brief und seufzte. „Es ist freundlich," sagte fie. „Ich, ich will gehen, wenn eS Ihnen nicht unangenehm ist, daß ich Sie allein lasse." Nach dem Frühstück hielt Frau Davenant mit Jo hanna, ihrem Dienstmädchen, eine Berathung über das heutige Kostüm Una's, welcher diese mit einem ruhigen Lächeln zuhörte. Endlich war es entschieden, daß ein Atlaskleid gewählt werden solle, und dann bestanden Beide, trotz des Protestes Una's darauf, bei ihrer Toilette Hülfe zu leisten. Endlich war dann auch diese Tortur überstanden, als gleich darauf das Vorfahren von Wagen hörbar wurde, und Frau Davenant eilte rasch die Treppe hinab. Fräulein Bell war schon im Gesellschaftszimmer und zog Una in ihre Arme, als ob fie ein Kind sei. „Ich komme, um mit Dir zu zanken; aber ich bin schon überwunden!" Sie hielt Una noch bei den Hän den und blickte bewundernd zu ihr auf. „Fast möchte ich ohne Dich fahren. Was wird aus mir? Denken Sie nicht auch, Frau Davenant, daß es thöricht von mir ist, mich so sehr verdunkeln zu lassen?" Frau Davenant lächelte, blickte in das hübsche Antlitz Fräulein Bells und schüttelte freundlich den Kopf. Una war in Gedanken versuchen. Ob er wohl draußen vor der Thür sein werde? Sie horchte, ob nicht auch seine Smme unter denen sei, die dort ziemlich lebhaft ertönten. Dann folgte fie Fräulein Bell hin aus und fie stiegen ein. Der Wagen war nahezu be setzt. Im ersten Augenblicke sah Una nur eine ver worrene Gruppe von Damen und Herren; dann aber bemerkte fie, daß Hermann nicht dort war. Als sie am Wagen erschienen waren, verstummten die Stimmen und das Lachen und alle dort Versam melten wandten sich staunend nach ihr um. „Komm, Una," sagte Fräulein Bell freundlich. „Fanny, wollen Sie etwas Platz machen sür Fräulein Rolfe?" Die Angeredete lächelte. „Wie geht es Ihnen, Fräulein Rolfe?" sagte fie anmulhtg. „Ich höre, daß Sie gestern Abend mit bet u. A. auch die folgend« Bemerkung: „Das Land hat auf mich einen überraschenden Eindruck gemacht. Die zahlreiche Bevölkerung lebt in tiefem Frieden." Spä tere Nachrichten von anderer Seite melden dagegen das Gegentheil. Aus Deutsch.Ostafrika berichtet Eugen Wolff: Der Vormarsch Les Chefs Johannes nach dem Kili mandscharo stößt auf Schwierigkeiten; es ist zu einem Conflict mit dem Häuptling Simbovja von Mafinde gekommen, Letzterer nimmt eine feindliche Haltung an und verweigert die Stellung von Trägern. Chef Johannes kann in Folge dessen nicht weiter vor wärts marschiren. Die Kiltmandscharostation ist auf gegeben. Inwieweit sich diese Nachrichten bestätigen, bleibt abzuwarten. Die wichtige Station Mpuapua in Deutsch-Ost afrika hat in Herrn von Sivers, einem der erfah- rendsten deutschen Offiziere, einen neuen Commandanten erhalten. Erklärlich erscheint die Ernennung dadurch, daß wohl der Gouverneur nach den letzten Mißge schicken den verantwortungsvollen Posten in Mpuapua mit einem der erprobtesten Offiziere besetzen will. Im Londoner Bezirk Nord-Lambeth candidirt nun auch Stanley um einen Parlamentssitz. Als er nun in einer Wahlversammlung auftrat, wurde er so ver höhnt und verspottet, daß er flüchten mußte; nur mit knapper Noth entging er körperlicher Mißhandlung. Die beiden ehemaligen Gesinnungsgenossen, Rechts anwalt Stein und Rector Ahlwardt wohnen tm Berliner Untersuchungsgefängniß Wand an Wand. Stein hat gegen Ahlwardt eine Prtvatklage erhoben, weil Ahlwardt behauptet, Stein habe sich seinen Aus tritt aus der antisemitischen Partei bezahlen lasten. Ahlwardt hat wegen Veröffentlichungen in einer Stein- schen Brochüre über den Antisemitismus Wiederklage erhoben. Die Deutschen in Rußland werden, wie der Köln. Ztg. aus Thorn gemeldet wird, neuerdings etwas besser behandelt. Bet Ausweisungen wird milder verfahren, in einzelnen Fällen sollen derartige Ver fügungen sogar zurückgezogen worden sein Ob die Sache wohl von Dauer sein wird? Ueber einen ersten Versuch tm größeren Umfange, chinesische Kulis zum Tabakbau in Deutsch-Ost- afrtka heranzuztehen, wird berichtet: Nachdem es be kannt geworden war, daß die deutsch - ostafrikantsche Plantagen Gesellschaft für ihre Tabakskultur In Lewa chinesische Kults etnführen wollte, geht soeben dte tele graphische Nachricht ein, daß der hierfür von der Ge sellschaft gecharterte Dampfer „Flintschtre" am 28. Junt mit 500 Kulis an Bord den Hafen von Stngapore verließ, um nach Tanga zu dampfen. Die Plantagen- Gesellschaft leitet diese Ueberführung der Kulis im Ein vernehmen mit der Deutsch-ostafrtkantschen Gesellschaft, welche einen Theil derselben übernimmt. Die von verschiedenen Seiten gemachten Versuche, die Erlaubntß der Regierung für das Engagement preußischer Militärkapellen für dte Weltausstel lung in Chicago zu erwirken, find vergebliche ge- Fräuletn Bell waren. Warum ließen Sie sich so von ihr verborgen halten?" Una schwieg. Glücklicherweise machte Lord Grey während der Abfahrt solch ein Geräusch und einen Lärm, daß jede Konversation unterbrochen werden mußte, und ehe diese Störung vorüber, hatte Una ihre Fassung wieder gewonnen. Unbefangen schaute fie umher und erkannte mehrere der Damen, welche sie am vorhergehenden Abende ge sehen hatte. Neben Lord Grey, welcher seine volle Beschäftigung fand, die vier munteren Pferde tm Zügel zu halten, saß natürlich sein Freund Helley, während noch zwei andere Herren bei den Damen Platz genom men hatten, von denen fie den Einen Vicomte anreden hörte. Es war eine muntere Gesellschaft, und obschon der höchsten Standesklaffe der Gesellschaft angehörend, waren in derselben weniger Zurückhaltung und Förmlichkeiten bemerkbar, als man solche in einer der Mittelklaffe angehörenden Gesellschaft anzutreffeu pflegt. Sehr bald fand sich Una tm Gespräche mit der einen oder anderen ihrer Nachbarinnen; die natürliche leichte Röthe ihrer Wangen war zurückgekehrt, ihr Herz schlug leichter und mit dem Schwinden der anfänglichen Befangen heit erwachte ihr kindlicher Frohsinn immer mehr, während die ungeduldigen Rosse in fliegender Hast durch die herrlichen Fluren der Grafschaft Kent dahin- eilten. Fast schon hatte Una vergessen, daß Hermann nicht erschienen war, als fie unwillkürlich zu Fräulein Bell htnüverblickte und dieselbe träumerisch vor sich nieder« schauend fand. Womit mochten sich ihre Gedanken in diesem Augenblicke beschäftigen? Im nächsten Augen blicke war sich Una bewußt, daß sie es nicht allein sei, welche dte Abwesenheit des nicht erschienenen Hermann empfand. Was ihr an scharfsinniger Welt- und Lebens- erfahrung mangelte, ersetzte ein natürliches Gefühl, eia kindlich unschuldiges Herz. (Fortsetzung folgt.)