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in welcher vr. Förster über die jüdische Vaterlands liebe sprechen wollte, polizeilich aufgelöst. Die Grundsteinlegung zu der neuen Predigtstätte für den Hofprediger a. D. Stöcker, von den Freun den desselben erbaut, wird am 22. d. M. auf dem Johanntstisch in Berlin stattfinden. Das Saalgebäude wird auf dem Grund und Boden der Berliner Stadt- - Mission errichtet. Aus Ostafrtka wird dem „Berl. Tgbl." gemeldet: Der Oberhäuptling der Wahehe wird am 20. d. M. nach Dar-es-Salaam abretsen, um unter der Vermitt lung des Bischofs Monseigneur de Courmont milden Deutschen Frieden zu schließen. Morgen Donnerstag kommt Stokes mit einer Elfenbeinkarawane von 300 Waniamwesi in Saadani an. Oenerreich-RLgaru. In Pest droht ein Ausstand aller Industrie arbeiter. Di« Streitigkeiten find wegen einer Neu regelung der dortigen Krankenkafsenverhältniffe ent standen. Rußland. Die Kaiserin ist aus dem Kaukasus nach Peters burg zurückgekehrt. Ende der Woche soll die Reise nach Kopenhagen zur Beiwohnung der goldenen Hoch zeit des dänischen Königspaares angetreten werden. Türkei. Es geht etwas vor, man weiß nur nicht was! Das läßt sich auch von verschiedenen Dingen auf der Balkan- Halbinsel sagen, besonders von den räthselhaften Dynamit- und Bombenfunden, die in Rustschuck, sowie anderen bulgarischen und rumänischen Donau städten gemacht worden find. Man hat so viel Spreng- material entdeckt, daß damit halb Konstantinopel und ganz Sofia in die Luft gesprengt werden kann. Die erste Frage war nun: „Wem galt all' dies Höllen zeug?" Zunächst wurde vermuthet, dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien solle eine Extraüberraschung bereitet werden. Aber damit war es nichts, man hat hingegen herausgefunden, daß diese unheimlichen Vor bereitungen dem Sultan Abdul Hamid in Konstanti nopel galten und will zugleich entdeckt haben, daß eine über die ganze Balkanhalbtnsel verbreitete Verschwörung besteht, welche auf nichts Geringeres, als auf den Sturz und die Vernichtung der Türkei abzielt. Da mit kommt aber ein erneutes Räthsel, denn man kann doch ein paar Bulgaren, oder Serben, oder sonst An- gehörigen eines edlen Völkerstammes dort unten nicht die Courage zutrauen, aus eigen- Faust den Groß- türken aus Europa hinausbefördern zu wollen. So sehr leicht ist denn doch die Sache nicht, und solcher einiger weniger Verschwörer wegen brauchte Niemand eine hochnothpeinltche Untersuchung anzustellen. Irgend Jemand scheint hier die Hände im Spiel gehabt zu haben; vielleicht bringt auch hierüber die wettere Unter suchung noch Klarheit. Amerika. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist wieder einmal ein Rtesenstrrtk proclamtrt worden. 100,000 Granitarbeiter fordern een achtstündigen Arbeitstag, der von den Fabrikanten ihnen verweigert worden ist und legen deshalb die Arbeit nieder. Man glaubt aber nicht, daß der Ausstand von längerer Dauer sein wird. Aus Sem MuldeuLtzule. "Waldenburg, 18. Mai. Der hiesige Gewerbe, verein hat mit der gestern Abend abgehaltenen Ver sammlung seine regelmäßigen Winterfitzungen beendet. Nachdem der Vorsitzende, Buchdruckerelbefitzer Kästner dieselbe kurz vor 9 Uhr eröffnet und das Protokoll der letzten Sitzung verlesen worden war, kamen zunächst dw erfolgten Eingänge zur Mtttheilung. Es lagen vor Sitzungsberichte der Gewerbevereine zu Aue, Glauchau, Werdau und Zwickau, ferner Jahresberichte der Ge werbevereine zu Burgstädt, Crimmitschau, Glauchau und Werdau, sowie des HandwerkervereinS zu Chemnitz, rin Jahres- und Jubtläumsbericht über die Preusker- Sliftung, eine Einladung der Polytechnischen Gesellschaft zu Leipzig zum Besuche der dauernden Gewerbe Aus stellung daselbst, desgleichen vom Gewerbeveretn zu Freiberg zum Besuche des dortigen Gewerbehauses und endlich eine Broschüre vom Volksbildungsverein in Leipzig: „Von der Freiheit zur Gebundenheit" von Herbert Spencer. Außerdem lag noch eine Anmeldung zur Mitgliedschaft vor, über die statutengemäß der Ausschuß Beschluß faßt. Herr Oberpfarrer Thomas hier nahm alsdann das Wort zu seinem Vortrage über die Passtvnsspiele tu Oberammergau. Der Herr Vortragende gab zunächst eine historische Einlei tung über die Entwickelung der Pasfionssptele, schilderte dann seine eigenen Retse-Erlebmffe beim Besuche der Oberammergauer Passionsspiele und gab dann einen spectellen Ueberblick über das ganze Passionsspiel in seinen einzelnen Vorstellungen, die von morgens 8—12 und 1—'/»6 Uhr währten. Die Anfänge der sog. Mysterien, der dramatischen Darstellung der Ereignisse aus dem Leben Jesu gehen auf das 9. Jahrhundert zurück, sie wurden ursprünglich nur in den Klöstern zur Aufführung gebracht. Im 16. Jahrhundert be ginnt ihr Verfall; die Entartung brachte es mit sich, daß sie aus den Städten immer mehr verschwanden und sich in die Gebirgsdörfer der Schweiz, Tirols und Oberbayerns zurückzogen. Aber auch dort konnte der Verfall nicht aufgehalten werden, so daß sie schließ lich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ganz verboten wurden. Nur die von Oberammergau schei nen sich davon fretgehalten zu haben; im Jahre 1810 wurde für deren Fortsetzung ein besonderes Privile gium gegeben. Sie konnten damals bereits auf ein 200jähriges Alter zurücksehen. Von 1680 an wurden die Spiele aller zehn Jahre gegeben. Bis 1830 fand immer nur eine Vorstellung, 1840 fanden 3, 1850 schon 14, 1880 aber 40 Vorstellungen statt, die von 120,000 Personen besucht waren. Text und Musik der Spiele find im Heimatdorf selbst entstanden, auch die Mttwtrkenden find nur Einheimische, die vollkom men unbescholten sein müssen. Redner schilderte als- dann, was er bet seinem Besuche der Spiele am 22. Juni 1890 gesehen und erlebt hat, wobei er auch die Naturschönhetlen der dortigen Gegend nicht unberück sichtigt läßt, und ging dann auf die Spiele selbst nä her ein. Das Pasfionsspiel: „Das große LersöhnungS- opser aus Golgatha" zerfällt außer dem Prolog in 3 Abtheilungen und diese wieder in 18 Vorstellungen, von denen die ersten beiden je 7, die dritte vier umfaßt. Jede Vorstellung besteht wieder aus einem oder mehreren Vorbildern, welche für das Kommende vorbereiten sollen, und der Handlung, welche fortschrei tend die Leidensgeschichte Christi darstellt. Jede Vor stellung beginnt mit dem Auftreten des Chors der Schutzgeister, die durch ihren Gesang eine Handlung in die andere überleiten und die Vorbilder erklären. Die erste Abthrilung umfaßt die Zeit vom Einzüge Christi in Jerusalem bis zur Gefangennehmung. Die 1. Vorstellung führt den Einzug selbst vor Augen. Die 2. Vorstellung stellt die Anschläge des hohen RalheS dar, deren Vorbild der Beschluß der Söhne Jacobs, ihren Bruder Joseph aus dem Wege zu räumen, ist. Die 3. Vorstellung führt nach Bethanien, wo Jesus Abschied hält. Zwei Vorbilder leiten dieselbe ein: 1. der junge Tobias scheidet aus dem Vaterhause, 2. die Braut des hohen Liedes umgeben von 8 Töchtern Jeru salems in weißen Gewändern sucht den Bräutigam. Die 4. Vorstellung zeigt Jesu auf dem Wege nach Jerusalrm; etngeleitet wird das dem Volke bevorstehende Verderben mit der Erhebung der Jüdin Esther auf den Thron des Königs Ahasoerus. Hier tritt Judas in die Action. Die 5. Vorstellung stellt die Feier des Abendmahles dar. Zwei Vorbilder stehen der Handlung voran; das erste zeigt das Volk in der Wüste, das Manna erwartend und empfangend, das zweite dir mit den Trauven aus Kanaan heimkehrenden Kundschafter. Die 6. Vorstellung, die im Vorbild die Brüder Josephs zeigt, wie sie das Geld für den Verkauf des Bruders gierig zählen, führt den Beschauer in den hohen Rath hinein, bet dem Judas erscheint und um 30 Silberlinge den Aufenthaltsort des Meisters zu verralhen zusagt. Die 7. Vorstellung wird wieder durch 2 Vorbilder eingeleitet. Das erste führt Adam vor, wie er aus dem Paradiese vertrieben in harter Arbeit seinen Lebensunterhalt sucht, das zweite greift in die spätere Geschichte Israels, Jacob durchbohrt Amasa, indem er ihm heuchlerisch den Kuß giebt. Die Handlung eröffnet Judas, der mit den Häslern und Pharisäern am Oelberge erscheint und nochmals das verabredete Zeichen des Kusses ihnen mitthetlt. Dann erscheint Jesus mit seinen Jüngern: er redet offen von dem, was ihm beoorsteht. Nachdem sich Christus zurückgezogen und gebetet, erscheint er wieder und findet die Seinen schlafend. Da erscheint der Engel und stärkt ihn mit dem Hinweis auf die Seligkeiten, die aus dem Kampfe hervorgehen werden. Damit ist die erste Abtheilung zu Ende. Die 8. Vorstellung, etn geleitet mit dem Vorgänge, daß der Prophet Micha von einem der Höflinge Ahabs um der Wahrheit willen, die er geredet, einen Backenstreich erhält, zeigt den Hohenpriester Hannas, der mit einigen Vertrauten auf dem Balkon seines Hauses erscheint, sehnsüchtig den Ausgang des Planes, Jesum zu fangen, erwartend. Da erscheint Judas, um das Gelingen zu melden. Christus wird vorgeführt, seine Antworten bringen ihm den Backenstreich von einem der Diener des Hohen priesters ein. Die 9. Vorstellung bringt das Verhör Jesu vor Kaiphas. Die beiden Vorbilder stellen 1. die Steinigung des Nabah und 2. Hiob, hilflos vor einem Hause liegend und von seinem Weibe und seinen Freunden verhöhnt, dar. Die 10. Vorstellung zeigt die Sitzung des hohen Rathes, in welche Judas hinein stürmt und Christum zurückfordert, und als ihm die Anwesenden nur mit Hohn begegnen, wirft er ihnen das Geld vor die Füße und stürzt mit einem schreck lichen Fluche davon. Die 11. und 12. Vorstellung behandeln Christus vor Pilatus und HerodeS, die 13. zeigt die Geißelung und Dornenkrönung, eingeleitet durch 2 prächtige Vorbilder, die Heimkehr der Brüder Josephs zu ihrem Vater Jacob mit der Botschaft, ein wildes Thier habe jenen zerrissen, und die Opferung ; Isaaks durch Abraham darstellend. Die 14. Vor stellung enthält die Verurtheilung zum Kreuzestode mit dem Vorbilde der Erhebung Josephs zum Landes- Vater Aegyptens. Nach einer Pause geht das Spiel über zur 3. Abtheilung von der Verurtheilung bis zur Auferstehung. Die 15. Vorstellung zeigt den Kreuzweg, die 16. die Kreuzigung, die 17. die Grab legung und Auferstehung und die 18. die Himmelfahrt Christi. Mit einigen Schlußbetrachtungen endete der Herr Vortragende seine fesselnden Schilderungen, die den lebhaftesten Beifall der Anwesenden ernteten. Nachdem der Vorsitzende den üblichen Dank zum Aus druck gebracht und die Versammlung demselben durch Erheben von den Plätzen sich angeschlossen hatte, wurde die Sitzung geschloffen. Der Fragekasten war ohne Inhalt. *— Infolge grundhafter Instandsetzung wird die Wegestrecke vom Oberw'nkler Dorfwege ab bis an die herrschaftliche Flurgrenze entlang des Zscherpe'schen Ziegeleigrundstücks bis zum 20. d. für den Fährver kehr gesperrt. *— Vielfach kommen Klagen von Gartenbesitzern vor, daß Hühner rc. in fremde Gärten laufen und die Anpflanzungen abfressen. Es sei deshalb darauf auf merksam gemacht, daß sich eines strafbaren HutungS- vergehens schuldig macht, wer unbefugter Wette auf fremden Grundstücken Gänse oder anderes Federvieh hütet, treibt oder laufen läßt. Gleiche Bestimmungea gelten übrigens auch für das unbefugte Hüten, Treibe« und Laufknlaffen von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen. — In Ptttig fand am Sonntag ein PreiSschießen der Vereinigung der Freihandschützen statt, das recht zahlreich auch von auswärtigen schießenden Schützen be sucht war.. Aus dem GachseRLMrde. — Der Ertrag aus der Obstnutzung an den fiska lischen Straßen in Sachsen hat sich in den letzten 10 Jahren gerade verfünffacht. Er betrug 1880 im Ganzen 33 421 Mk, tmJahre 1891 aber 162,493 Mk. — Im Monat März d. I. wurden bei den sämmtlicken 230 Sparkaffen im Königreich Sachsen 10,150,701 Mk. eingezahlt und 10,923,703 Mk. zurück geholt. Der Baar« bestand der Kaffen betrug am Schluffe des Monats 5,139,183 Mk- Zusammen genommen wurden in den drei ersten Monaten dieses Jahres 40,995,488 Mk. ein« gezahlt, 34,691,203 Mk- zurückgebolt; das ist Mr diese« Jahr gegenüber den drei ersten Monaten des Vorjahres ein Mehr von 3,553,148 Mk. Ersparnissen. — Im April hat die Zahl der Concurseröffnungen etwas nachgelassen. Es wurden von den Gerichten de« Dcutschen Reiches 557 Concurse eröffnet gegen 708 im März und 797 im Februar d. I. Das Jahr 1892 ist bisher weit ungünstiger verlaufen, als alle Vorjahre. In den ersten 4 Monaten desselben wurden eröffnet 2902 Concurse gegen 2550 im entsprechenden Zeitraum 1891, 2108 1890, 1804 1889 und 1830 im Durchschnitt 1880 bis 1889. — Nach den endgiltigen Feststellungen bezifferte sich die Verkehrsemnabme der sächsischen Staatseisenbabnen im Jahre 1891 auf 84,831,392,55 Mk. gegen 82,693,173,98 Mark im Jahre 189^. Es ist somit eine Mehreinnahme von 2,138,218,56 Mk. zu verzeichnen. Die Betriebslänge der sächsischen Staatseisenbahnen war Ende 1891 um 11,06 Kilometer größer als im Vorjahre. — Einer statistischen Zusammenstellung über die Aus fuhr des Königreichs Sachsen nach Nordamerika entneh men wir dem „L. Tgbl.", vag letztere gegen das Vor jahr 1891 in diesem Jahre um 141,000 D. zugenommen, während im übrigen Norddeutschland ein allgemeiner Rückgang zu verzeichnen gewesen ist. Was nun speciell den Chemnitzer Bezirk anbelangt, so sind im I. Quartal 1891 für 460,547 D Kleiderstoffe, 47,904 D- Tricotagen und 2684 D. Tricotstoffe versandt, in 1892 nur für 10,420 D. Der Ausfall ist übrigens verschwindend ge gen das erste Quartal 1891, welches mit 2,326,510 D. Ausfuhr, gegen 1890 um nicht weniger als 874,822 D. zurückblieb. Dieser Rückgang eines Quartals um 1 Mill. Dollars in 2 Jahren ist zu groß, um ihn allein der Mode zuzuschreioen, hier haben die Zölle stark mitge holfen, wie sie überhaupt Chemnitz besonders hart trafen, ging doch der amerikanische Export im Kalenderjahre 1891 auf 8,454,023 D- oder um 3,500,436 D. zurück. Lange ist kein so schlechtes Jahr vorgekommen. — Einem Bahnbeanuen tu Dresden brachte man am Montag Mittag, als er sich an seinem zur Ab fahrt bereit stehenden Zuge befand, ein Telegramm; er erschrak darüber, öffnete eS schnell und las die Mit- theilung, daß er ein Zehntel des großen Looses ge« Wonnen habe. Er entfärbte sich und vermochte da« Telegramm kaum in den Händen zu halten. Der Schreckens-Anfall ging natürlich aber bald vorüber, und tn wenigen Minuten dampfte der plötzlich zum wohl- habenden Manne gewordene Beamte mit dem Zuge nach Leipzig weiter. — Das Kgl. Ministerium des Innern hat der in Leipzig ihren Sitz habenden deutschen Fachschule für Drechrler und Bildschnitzer abermals eine ordentliche Unterstützung von 6000 Mk., sowie eine außerordent liche Unterstützung mn 2000 Mk. bewilligt. — Eine geradezu romanhafte ErbschaftSgeschichte hat ein in Leipzig in Dienst stehendes Mädchen plötzlich zu einer reichen Erbin gemacht. Sie war das unehe liche Kind eines Grafen, der auf seinem Sterbebette seine frühere Geliebte, um welche er sich nie wieder