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B-U-g« zu Nr 187. ZWWkM Tageblatt und WMnllUM AoMtt Freitag, d 13. August 1928 Sie Verfassungsseier im Reichstag. In Gegenwart des Reichspräsidenten. ' Im festlich geschmückten Reichstagssaale fand Mitt woch mittag in Gegenwart des Reichspräsidenten von Hindenburg, sowie der Mitglieder der Reichsregierung und der preußischen Regierung die offizielle Verfas sungsfeier der Reichsbehörden statt. Vor dem Reichs tagsgebäude waren zwei Fahnenmasten errichtet wor den, links mit der Reichsflagge, rechts mit der Marine flagge. Im Sitzungssaal wurde die Mitte der Haupt wand durch den großen Reichsadler bedeckt, den links und rechts Bänder in den Reichsfarben einfaßten. Dar unter waren über die ganze Breite des Saales die Wap pen der einzelnen Länder angebracht. Tannengrün um rahmte den Präsidentensitz, die Rednertribüne und die Ministerbänke. Schon lange vor Beginn der Feier hatte sich der Saal gefüllt. Neben zahlreichen Volks vertretern und den. Reichs- und Staatsministern hatten sich zahlreiche Vertreter der Wirtschaft, Kunst und Wis senschaft eingefunden. . - M Lie Ankunft Hindenburgs. Mit klingendem Spiel zog gegen 12 Uhr mit tags die braunschweigische Kompagnie Reichswehr aus und nahm vor dem Reichstagsgebäude, vor dem sich bei dem herrlichen Sommerwetter große Menschenmassen versammelt hatten, Aufstellung. Bald darauf roll ten zwei Kraftwagen heran. Dem ersten entstiegen, von der Menge stürmisch begrüßt, Reichspräsident v. Hin denburg und Reichskanzler Marx. Im zweiten saßen die Staatssekretäre Meißner und Pünder. Der Reichspräsident wurde vom Reichstagspräsidcntcn Loebe und dem Direktor des Reichstages empfangen und in die reservierte Mittelloge des Plenarsaales geleitet. Beim Eintritt des Reichspräsidenten erhoben sich die Versammelten von ihren Plätzen. Zu Beginn des Festaktes trug der Staats- und Domchor unter Leitung von Professor Hugo Rüdel ein altes Volkslied „An die deutsche Nation" vor. Dann folgte die Festrede des Reichsinnenministers Dr. Külz. Der Minister führte u. a. aus: ' Der Gedenktag der Verfassung von Weimar trage das ernsteste Gepräge, sei ein Tag der Einkehr, der Selbstbesin nung und der nationalen Sehnsucht. Erst eine spätere Zeit werde die letzten Maßstäbe für die Zeit seit 1914 finden. Er hoffe, daß dann von unserem Volke geschrieben stehe« Durch Not und Nicderbruch empor zu neuer Höhe! Wenn ein Volk sich in der Zeit des Nicderbruchs eine neue Verfassung gebe, so müsse in ihr verkörpert sein der Wille zur nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Wie dergeburt. Die Verfassung von Weimar erfülle dieses Er fordernis. Man könne nicht leugnen, daß der hohe ethische Gehalt der Verfassung von Weimar in weiten Kreisen des deutschen Volkes verkannt werde. Dies sei darin begründet, daß die Verfassung des Kaiserreichs der Abschluß einer über viele Jahrzehnte sich erstreckenden geschichtlichen Ent wicklung gewesen sei, geboren in dem Augenblick, als der alte deutsche Traum von der Einheit eines Deutschen Reiches Edith Bürkners Liebe. Roman von Ar. Lehne. 22. Fortsetzung. Ein t -ckenes Schluchzen erschütterte ihren Körper, k Mitleidig streichelte der Bruder ihren blonden Kopf. sWÄ „Und vor ein paar Tagen erst, da war er da — und war so lieb zu mir — und so eigen — jetzt weiß ich's — da hat er Abschied genommen —" , „Sei stark, DUa, vergiß ihn!" »Als ob das so leicht wäre — so von heute auf morgen — das sagst dul Du weißt ja nicht — kannst es nicht wissen, was er mir war —' s .Er ist deiner Liebe gar nicht wert!" »Ich wußte ja, das; er viele Fehler hatte, aber ich liebte ihn. Ach, Thankmar, er sagte mir, daß er drük- kcnde Schulden hatte. Darum war er in letzten Zeit immer so verstimmt, und da hat ihn Martha sich ein- gefangen, weil sie schon lange ein Auge auf ihn ge- worsen hatte! Du hättest nur sehen sollen, wie trium. phierend sie vor mir stand! Sie will alles sür sich haben, was ihr gefällt: ob andere bereits ein Recht darauf Haben, ist ihr gleich. Wie oft hatte sie ihm schon geschrieben «ud ihm Blumen geschickt — Lucian hat cs nnr m gesagt!- Die Worte überstürzten sich fast von ihren Lippen; sie sprach hastig' abgerissen — es war ihr eine Wohl tat, sich aussprechcn zu können. „Ich werde dich begleiten," sagte Thankmar, als sie bereit zum Gehen war. ' ' " „Nein, nein, Thankmar,-- wehrte sie, „du hast ge nug zu arbeiten. wußi mich ja schon abholen! O, wie ich Martha hasse, brach es leidenschaftlich von ih ren Lippen. ,Hch , wr das Schlimmste antun u. wünschen — ich hatte kein Erbarmen mit ihr! Ach, wenn ich ihr das hcunzaylen könnte — mit Wonne würde ich es tun — Ihr liebliches Gesicht war ganz verändert; sie hatte die feinen Brauen fest Mammengezogen, und aus ih- ren Augen brach ein Strahl des Hasses, daß der Bru der sie erschrocken ansah mahnend sagte: „Edith, besinne dich auf dich selbst! Du mußt groß sein! Du weißt doch: nicht mitzuhassen, mitzu- lieben bin ich da —" Wenn du so ins Innerste getrosten warst, wie ich dann dächtest du ebenso! Und man arm »st, Thankmar, dann empfindet man attes doppelt schwer da wird man bitter. Ich habe doch ^ch«n Recht auf Glück. Und Lucian war meine ganze Seligkeit. Hatte sich erfüllt habe. Die Verfassung von Weimar dagegen sei entstanden in der Zeit der tiefsten nationalen Not und sei gekommen als Abschluß der Revolution. Eine Verfassung fei nichts Unvergängliches; aber ihr Bestand werde umso gefestigter sein, je stärker ihr Inhalt die politischen, sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte des Volkes der Gesamtheit dienstbar mache. Die Verfassung von Weimar tue das. Sie gebe neuen Inhalt der StaatS- idee, der Bolksidee und der Menschheitsidee. In dem Satz, die Staatsgewalt gehe vom Volke aus, sei der neue deutsche StaatSgedanke gegeben. Seinen Inhalt zu erfüllen, sei nicht Sache der Verfassung, sondern des Volkes. Uebcrall in der Verfassung zeige sich das Streben, dem inneren Frieden zu dienen und den einzelnen Menschen unter die Idee der Pflicht gegenüber dem Volke und gegenüber der Menschheit zu stellen. Auch das deutsche Volk als Ganzes stelle die Ver fassung hinein in den Kreis der Pflichten gegen die Mensch heit. Es müsse das Ziel der Menschheitsentwicklung sein, daß Völkervereinende stärker wirken zu lassen, als das Völkertrennende. Dieses Ziel habe die Verfassung erkannt, Wenn sie den Geist der Völkerversöhnung als Erziehungs ziel aufstelle. Man habe diesen Geist als Pazifistische« Geist ' ' gescholten, aber es komme darauf an, was man unter Pazifismus verstehe. Wenn Pazifismus eine Weltanschau ung sei, die kein Verständnis dafür habe, daß der natürliche Selbsterhaltungswille eines Volkes auch seine Wehrhaftigkeit bedinge, daß es eines Menschen und eines Volkes unwürdig sei, sich ohne Widerstand knechten zu lassen, dann verkörpere ein solcher Pazifismus keine berechtigte Idee. Wenn aber der Pazifismus eine Menschheitsbewegung sei, die darauf abziele, daß der Krieg immer mehr verschwinde, daß im Zusammenleben der Völker immer mehr die Macht des Rechts und nicht das Recht der Macht das bestimmende Ge setz werde, dann sei dieser Pazifismus die größte Mensch heitsidee, die es gäbe. Noch auf Jahre hinaus werde das deutsche Volk einen dornenvollen Weg wandern müssen: aber wenn am Ende dieses Weges die innere und äußere Freiheit stehe, dann dürfe keine Mühe zu groß, keine Ar beit zu schwer sein. Der alte Staat sei gestürzt, ein neuer Staal sei gekommen; aber das deutsche Volk sei geblieben Eine Ansprache des Reichskanzlers. Nach der Rede des Reichsinnenministers ergriff Reichskanzler Marx das Wort zu einer kurzen An sprache, in der er u. a. ausführte: i Wenn heut überall in deutschen Landen der Geburtstaa der Verfassung in schlichten, aber eindrucksvollen Feiern begangen wird, so geschieht dies nicht nur, um dankbar der Schöpfer der Verfassung zu gedenken und ein offenes Be kenntnis zu ihr und ihren ethischen Grundsätzen abzulegen. Es geschieht zu gleicher Zeit, um der Liebe und Treue Aus druck zu verleihen, die uns alle mit unserem deutschen Rater- land verbindet. Noch immer trennen gewaltige Klüfte weite Kreise unseres Volkes. Noch immer stehen große Volksteile ablehnend dem neuen Staate gegenüber. Aber wie auch die Einstellung des Einzelnen sein mag, darin sind wir alle einig: Dem Wohl unseres Vaterlandes und unseres Volkes er mir doch nur ein Wort gesagt, daß ich nicht so ganz unvorbereitet gewesen wäre!" Sie schauderte in sich zusammen, als sie an die Minuten dachte, in denen ihr Stolz und ihre Liebe einen so tödlichen Streich empfangen. „Und dann, Thankmar, noch solche Beleidigungen anhören zu müssen —" „Was für Beleidigungen? Hat Martha es ge wagt —" „Später davon, später —" Edith eilte die Treppen hinab, und fast gierig at mete sie dis kalte Winterlust ein. Es war sehr nebe lig, und man konnte kaum einige Schritte vor sich se hen. Sie hatte sich etwas verspätet und strebte schnell vorwärts. Da schien es, als ob jemand sie verfolge —, im mer waren gleichmäßige Schritte hinter ihr. Es wurde ihr unheimlich hier in dieser wenig belebten Gegend. Schließlich ging sie auf die andere Seite, die Schritte folgten ihr nach. Da blieb sie stehen, um den unwillkommenen Ver folger an sich vorüber zu lassen — und erkannte in ihm Lucian Waldow! Alles Blut strömte ihr bei sei nem Anblick zu Herzen. Er blieb vor ihr stehen. Sie sah ihn kalt an und ging weiter. „Edith, Ditele — so warte dock!" Sie hörte nicht auf ihn. Da faßte er ihre Hand. Aber unwillig entzog sie sie ihm. „Ditele, ich möchte dir 'was sagen —Ihm war sehr unbehaglich zumute; denn an Ediths Verhalten hatte er soeben gesehen, daß sie schon um seinen Treu- bruch wußte. Da hielt sie ihre Schritte an und sah ihm starr ins Gesicht. „— Wohl, daß du ein wortbrüchiger Gesell bist, der seine Miu siospiluli» nur als angenehmen Zeit- vertreib betrachtet und sich im geheimen eine reiche Braut geangelt hat! Das wolltest du mir doch sagen, nicht wahr? Wie du siehst, weiß ich alles!" Voller Hohn klangen ihre Worte und sielen ver nichtend wie Keulenschläge auf ihr nieder. Schuldbewußt senkte er den Kopf und zerrte an seinem hübschen Bärtchen. „Ditele, so lasse dir doch erklären — ich —" „Wir haben uns nichts mehr zu sagen," schnitt sie ihm das Wort ab, „denn die Tatsache kannst du doch nicht ableugnen, daß du Martha Hildebrandts Bräuti gam geworden bist, wie sie mir vor kaum mehr als einer Stunde triumphierend versichert hat. Es ist doch so? Nun kannst du ja dein Schauspiel in Ruhe schrei ben und dir einen neuen Wintermantel kaufen! Geld genug bekommst du ja jetzig" zu dienen, soll Inhalt und Ziel all unseres Denkens und Handelns sein! Mit dem gemeinsamen Gesang der ersten und drit ten Strophe des Deutschlandliedes schloß die Feier. « Der Reichspräsident betrat wenige Minuten sp^ ter mit seiner Begleitung die große Freitreppe des Reichstags, wo ihn die versammelte Menge mit Hoch rufen empfing. Er schritt die Front der Ehrenkom pagnie ab, während die Reichswehrkapelle das Deutsch landlied spielte. Unter erneuten Hochrufen fuhr der Reichspräsident in geschlossenem Auto in sein Pa lais zurück. , Die preußische Verfaffungsfeier fand am Mittwoch abend in der Hochschule für Musik statt. In ihrem Mittelpunkt stand die Festrede des Ministers Hirtsiefer. Der Minister führte darin un ter anderem aus, daß wir heute vielfach noch Vie! stärker landsmannschaftlich eingestellt seien, als deutsch. Dte Weimarer Verfassung habe sich bisher als eine durchaus geeignete Grundlage gezeigt, um in stärkerem Maße als bisher in allen Deutschen dieses Volksbewußt sein Hervorzurusen und dadurch das deutsche Volk zu gestalten zu einer wirklichen Nation. Die Weimarer Verfassung ist insbesondere des wegen viel bekämpft worden, weil sie an Stelle deS deutschen Kaisertums die Republik gesetzt hat. Dies« neue Form des Staates sagt vielen nicht zu, und des wegen bekämpfen sie den Staat. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß auch bisher noch dec größte Teil des deutschen Volkes die jetzige Staatsform als die für Deutschland gegebene Staatsform ansieht, und wi, bekennen uns freudig und aufrichtig z« dieser Staatsform, weil wir sie als die für Deutschland richtige Form ansehen. Wir sehen in der deutschen Republik besonders aber auch deshalb die für Deutschland richtige Staatsform, weil sie allen Schich ten des deutschen Volkes die Mitarbeit am Staat, di« Mitarbeit am Wohle des Volkes ermöglicht und Mcht nur einzelnen Bevorzugten das Recht gibt, das Volk zu regieren. Wir wollen im Volksstaat die Volks demokratie. Der Minister ging dann des Näheren auf die so zialen Fürsorgemaßnahmen im neuen Deutschland ein und schloß mit folgenden Worten: „Zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhalten, Einigkeit und Recht und Freiheit sollen auch im neuen Deutschland unsere Leitsterne sein, damit der Aufstieg des deutschen Volkes aus der gegenwärtigen Notzeit zu einer besseren Zukunft verbürgt wird." Allerlei aus aller Welt. * Ueber eine Biertelmillion Mark «nterschlagen, Große Unterschleife wurden seit Ostern vorigen Jah res bei einem bekannten Berliner Bankhause verübt. Der Ungetreue ist ein seit einigen Jahren dort an- Edith war so voller Erbitterung und Groll, so aufgewühlt im Innersten, daß sie ihre Worte nicht wägte. „Ein Frage noch, Lucian — hast du zu Martha gesagt, ich — ich hätte mich dir an den Hals geworsen?" Halb erstickt klang ihre Stimmet „Wie kommst du daraus? Nein —" . „Martha hat so gesagt, — wenigstens mußte ich das ihren Worten entnehmen —" „Nein, Ditele, bei Gott nicht!" beteuerte er. „Al lerdings hat Martha versucht, mich auszusorschen; ich habe aber geschwiegen. Sie hat demnach gelogen, und ich werde sie zur Rede stellen." ' Seine Stimme bebte in ehrlichem Unwillen. ' Durchdringend sah sie ihn an. Lasse es lieber; es hat doch keinen Zweck. Ich glaube dir auch so, und ich danke dir dafür, daß du mich wenigstens nicht in den Schmutz gezogen hast! Nun gehe, Lucian, gehe zu deiner Braut; sie erwartet dich gewiß längst. Ich bin überhaupt verwundert, dich hier zu sehen." „Ich weiß doch, daß du heut' zur Stunde mußt! Ich hab' dich erwartet, um dir eben zu sagen, daß ich nit mehr ein noch aus wußte und in meiner Ver zweiflung nach der Hand griff, die mir so bereitwil lig geboten wurde. Ach, Ditele, was hab' ich gelitten." „Spare jedes Wort, du kannst dich nicht entschul digen. Gehe —" „Nit eher, als bis du mir verziehen hast! Wenn du mich nur anhören wolltest! Meine Kunst litt schon unter all den Sorgen — noch einmal — verzeihe mir." Traurig schüttelte sie den Kopf und übersah seine bittend ausgestreckte Hand. „Wenn ich dich weniger giliebt hätte, dann viel leicht — so aber nicht! Ich kann nickt! Du mußt l« wissen, was du tatest! Glück kann ich dir mcht wun- scheu, wie das wohl sonst üblich ist. . dich sehr lieb gehabt, Lucian —" ihre Stimme brach fast — „aber das muß nun vorüber sern. Du hast mir mehr genommen, als du ahnst — meine ganze unbefangene Lebensfreude ist dahin : Ihre Worte schnitten ihm ins Herz. „Du mein lieb's Mädele — Weiter brachte er nichts hervor. In seinen sonst immer so fröhlich blickenden Augen funkelten Tranen. Er fühlte genau, was sür eine erbärmliche Rolle er spielte, und er schämte sich dessen. Aber er fand doch mcht die Kraft, sich von Edith ru trennen; es war sicher das letzte Mal, daß er sie allein vor sich sah. „Was willst du noch, Lucian? So gehe doch — zwischen uns ist dock nun sür immer alles zu Ende!" (Fortsetzung folgt.)