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Schönburger Tageblatt Mittwoch, den 11. August 1926 Nr. 185 48. Jahrgang. Ueberreichung eines deutschen Memorandums in Paris Zugleich weit verbreitet in den Ortschaften der Standesamtsbezirke Altstadt Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenleuba- Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Langenchursdorf, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Anzeigen bis vorn,. S Uhr am Ausgabetag erbeten Ausgabe nachmittags '/,Z Uhr in der Geschäftsstelle in Waldenburg Sa., Obergaffe 38. Erfüllungs ort Waldenburg. Filialen in Altstadt Waldenburg bei Lerrn Otto Förster; in Callenberg bei Lerrn Friedr. Lermann Richter; in Langenchursdorf bei Lerrn Lermann Esche; in Wolkenburg bet Lerrn Linus Friedemann; in Penig bei Firma Wilhelm Dahler; in Ziegelheim bei Lerrn Eduard Kirsten. 2m Aall« höherer Lewalt. Krieg, Streik, «ulsperrung, MaschtE- bruch, Störungen im Betrieb der Druckerei oder unser Lieser«» hat d«r L«zi«h«r leinen Anspruch aus Erhalt der Zeitung od«r Rückzahlung d«« Bezugspreise». Aür Richtigleit der durch Kern- spr«ch«r ausgeg«b«nen Ln,«Ig«n Lb«n«hm«n wir leine SewSH» Dieser Versuch Clümcnceaus, noch in 12. Stunde Amerika zu einer Aenderung seiner 'Schuldenpolitik zu bestimmen, hat in Washington stark verschnupft. Ueberraschend schnell hat Präsident Coolidge auch dar auf geantwortet, und diese Antwort dürfte auf Cle menceau gewirkt haben wie ein Eimer kalten Wassers. Der Präsident läßt ganz kurz erklären, daß die Dis kussion über die Kriegsschulden für Amerika seit der Ratifikation durch Senat und Kongreß endgültig ge schlossen sei. Man erwarte noch immer die fran zösische Ratifikation. Habe Frankreich neue Momente vorzubringen, so müsse es dies durch seine offiziellen Diplomaten tun. Eine weitere Erörterung werde der Appell des Privatmannes Clemenceau nicht finden. Etwas anderes, als eine schroffe Ablehnung, war in der Tat von Washington kaum zu erwarten. Dar über war man sich auch in der Pariser Presse klar. So äußerte „Echo de Paris" starke Zweifel, ob sich die öffentliche Meinung Amerikas durch diese Straf- Predigt beeinflussen ließe. Dabei warf das Blatt Clemenceau vor, daß Frankreich nur infolge der Last, die er ihm auferlegt habe, jetzt schwere Zeiten durch mache. In ähnlichem Sinne erklärte der „Quo- tidien" den Bries für eine Wirkung später Gewissens bisse; Frankreich würde jetzt keine Amortisationskasse brauchen, wenn Clemenceau nicht in seinem Hochmut den Vertrag der Täuschungen geschahen Hätte, der Frankreich den Alliierten auslieferte. Dieser vollkommen verunglückte Versuch Clömen- ccaus, eine neue Orientierung Amerikas in der Schul denfrage herbeizuführen, dürfte das Kabinett Poin- care nur noch in seinem Entschluß bestärken, die Rati- sizlerung des Washingtoner Schuldenabkommens vom Parlament zu fordern. Vielleicht hat der kalte Was serstrahl aus Washington auch auf gewisse Heißsporne in der Kammer abkühlend gewirkt, so daß sie nun mehr eher geneigt sind, der unvermeidlichen Ratisi- jierung zuzustimmen. . ., . Der Sausdesitz zum Wohnungsproblem. Das Wohnungsproblem, das heute zu einer der wichtigsten Fragen unseres Wirtschaftslebens gewor den ist, bildete den Gegenstand einer großen Kund gebung des zur Zeit in Düsseldorf tagenden 47. Ver bandstages des Zentralverbandes deutscher Haus-und Grundbesitzervereine. Da die für die Kundgebung vorgesehene Nheinhalle die 6000 De legierten nicht zu fassen vermochte, mußte noch eine Parallelversammlung im Kaisersaal der Tonhalle statt finden. In der Versammlung in der Rheinhalle sprach als erster Redner Reichsgerichtsrat Dr. Linz über die Gefahren der Wohnungszwangswirtschaft. Er führte dabei u. a. aus: Die Wohnungszwangswirtschaft weist alle Nachteile auf, die mit jeder Ausnahmcgesetzgelmng verbunden sind. Ihre Vorschriften lassen sich mit den anerkannten Nechtsgrund- sätzen und der Neichsverfassung nicht in Einklang bringen. Sie stellt weder Mieter noch Vermieter aus einen sicheren Rechtsboden. Wie jede Zwangswirtschaft neigt sie in weit gehendem Moste zu Ucbertretungen und Gesetzesverletzungen zum Nachteil der Nechtscmvfindung des Volkes und der Ach tung vor dem Gesetz. Sie stellt die Grundlage unseres Vec- tragsrechtes, auf der das gesamte Wirtschaftsleben beruht, auf den Kopf und schädigt damit in einer Zeit, die einer He bung des Rechts- und Gerechtigkeitsgefühls doppelt bedarf, notwendige Interessen deS Rechtsstaates, indem sie die ihr Unterstellten, und das ist das ganze Volk, zu einer falschen Nechtsauffassung führt, die ihrerseits wieder auf andere Zweige der Rechtsbewegung übergreifen must. Wenn eine sittliche Erneuerung unseres Volkes herbeige führt werden soll, dann ist eine völlige Aushebung der Zwangswirtschaft unbedingt geboten. Die Zwangswirtschaft bedroht nicht nur den Vermieter, sondern auch den Mieter in seinen lebenswichtigsten Interessen. Die Zwangswirtschaft und ihre Fortsetzung hat das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern vergiftet und das ganze Volk zu den vielen anderen Parteien in zwei weitere große zerrissen. Das Staatswohl und bas Wohl des Volkes erfordert dringend eine baldige Beendigung dieses Zustandes. Das Haupthin dernis war bisher der Raummangel. Der Staat hat sich bisher außerstande gezeigt, diesen zu beheben. Auch die Verwendung der Hauszinssteuern beweist, daß der hierzu er forderliche starke Wille nicht vorhanden ist. Zu Helsen ist also nur durch private Bautätigkeit. Rechtsanwalt Kohlmann-Dresden sprach dann Erscheint Werktag!. Nachm. Bezugspreis monat lich im voraus 1KO R.-Psg. freibl., ausschl. Träger!. Einzelne Nr. 10 Reichspf., Sonntags-Nr. 20 R.-Pf. Anzeigenpreise: 6 gesp. Petitzeile O,1ü R.-Mark, v. außerhalb des Bezirkes 0,20 R.-Mark, 3gesp. Retlamezeile 0,45 R.-Mark, Linweise auf Anzei gen und Eingesandte 0,10 R.-Mark, Nachweise- und Offertengebühr 0,20 R.-Mark, Rabatt nach Tarif. Schwieriger Satz (Tabellen) mit Aufschlag. - S»rn,pr«ch«r Nr. 9. PofUchMbsach Nr. 8 Bostscheckkonto Amt L«ipztg Nr. 443S. Bankkonto: Ber«In»bank K AUtal« Waldenburg Stadtgirokont» Waldenburg tk. kusche a»U«n nur bei pünktlicher Zahlung, b«i zwangsweiser Wtntretbung dir Nechnung«b«»rLg, wird jeder Nachlaß hinsüllig. unö Walieilburger Anzeiger Vies«» Bian enthLU die amtliche» Bekanntmachungen de» Amtsgericht» rmd de» StadtratS z» Waldenburg. Ferner veröffentliche» zahlreiche andere staatliche, städtische «. Gemeinde-Behörde» ihre Bekanntmachungen im Schönburger Tageblatt. Verantwortlich für Redaktion, Druck und Verlag E. Kästner in Waldenburg Sachsen. MItgNrd d«» Süchstschin und dl» L«utsch«n L-itungtoirligir-B.r.tn» («. B.) — Birla,gor» Waldillburg Elchs«». über „Bodenreform". Seine Ausführungen gipselter, in folgendem: Die Bodenreform erstrebt, wenn auch für viele ihrer Anhänger noch unklar, als letztes Zie- dis Beseitigung des privaten Eigentums zum mindesten an Grund und Boden. Schließlich sprach noch noch Stadtrat Hu mar- München über das Thema: „Der Hausbesitz als Grund lage von Wirtschaft und Kultur." Er gelangte in sei nem Vortrag zu folgenden Feststellungen: Von dem auf fünf Milliarden geschätzten Mietsertrag gesamten deutschen Hausbcsitzes seien nicht weniger als 73 Prozent an Steuern und Zinsen aufzuwenden, während 26,3«! Prozent für die Wiederinstandsetzung benötigt würden. Der Hausbesitz habe keine anderen Sorgen mehr als die Her einbringung der Miete und die Erhaltung des Steuerobjek^ icS. Durch die Wiederinstandsetzung, die 1,3 Milliarden be trage, sünde das deutsche Handwerk größtenteils sein Broü während der Hausbesitzerstand selbst leer ausgehe, und dabe- stelle doch das im Hausbesitz angelegte Kapital wohl das ^U.Aermögensobjekt bar, das i» der Vorkriegszeit aus 120 Milliarden geschätzt worden sei. Zweierlei Mß in Paris und Genf. Ern deutscher Vorstoß in der Entwaff nungsfrage. Genf, 10. August. Die militärische Unterkom mission der vorbereitenden Abrüstungskommission in Genf hat mit neun gegen zwei Stimmen bei sechs Enthaltungen einen deutschen Antrag abgelehnt, der als Kennzeichnung defensiver Rüstungen, entsprechend dem Versailler Friedensdiktat, festsetzen wollte, daß der Typus einer defensiven Armee weder Flugzeuge noch schwere Artillerie, noch Tanks, noch Mobilisierungs- Vorbereitungen oder Kriegsvorräte besitzen darf. Sie darf nur wenig Munition besitzen, nur sehr wenig Sol daten jährlich ausbilden, über fast gar keine Reservisten verfügen und keine Reserveübungen abhalten. Ihre Marrne darf keine schweren Kriegsschiffe und keine Un terseeboote oder Flugzeugmutterschiffe haben. An Stelle dieser Bestimmungen, die seinerzeit von ihren Verfassern in Paris als der „erste Schritt zu einer all gemeinen Abrüstung" bezeichnet wurden, legte die Un terkommission als Kennzeichnung einer defensiven Or ganisation nur fest: Es muß sich im Verlaufe län gerer Beobachtung ergeben, daß ein Staat seine Rü stungen ständig vermindert, indem er fein Militär budget herobsetzt, seine aktive Dienstzeit verkürzt, seins Reservistenübungen vermindert, sein Kriegsmaterial langsam ergänzt usw. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Reichskanzler vr. Marx und Reichsaußenminister vr. Stresemann sind nach Berlin zurückgekehrt und haben die Dienftgeschäste wieder übernommen. Der deutsche Botschafter in London, Sthamer, hat eine mehrwöchige Reise nach dem Kontinent angetreten, auf ber er auch nach Berlin kommen wird. Das Amtsgericht München hat auf Antrag der Staats- anwallschaft die Sonnabendausgabe der kommunistischen »Neuen Zeitung" wegen eines darin enthaltenen, für den Justizminister Gürtner beleidigenden Artikels beschlag nahmt. In Düsseldorf erfolgte am Sonntag ein Ueberfali roter Frontkämpfer auf einen Schühenverein. Der rote Frontkämpferbund Düsseldors-Unterrath hatte Banner weihe. Als der Zug an der Restauration Tannenhof vor beikam, standen die Mitglieder eines Schühenoereins auf der Straße, um sich den Zug anzusehen. Hierbei drangen die roten Frontkämpfer ohne jeden Mund in den .Saal und schlugen auf die Schützen ein. Bei der Schlagerei wurden 30 Personen verletzt, ? mußten in das Marien- hospittal eingeliefert werden. Die Polizei nahm viele Verhaftungen vor. In Charlottenburg kam es am Sonnabend zu schweren kommunistischen Ausschreitungen. Das Reichs- donner hatte eine Verfassungsfeier veranstaltet. Als die Feier mit dem Gesang des Deutschlandliedes schloß, pfiffen j und johlten Mitglieder des roten Frontkämpserbundes. Amtlicher Teil. Die städtischen Dienststellen, einschl. der Spar- und Giro- lasse, lind anläßlich des Verfaffungstages morgen Mittwoch NUk bis 12 Uhr mittags geöffnet. Waldenburg, den 10 August 1926. Der Stadtrat. Donnersag, den 13. August 1926, vorm. 10 Uh^ sollen im gerichtlichen Psandraume 1 Klavier, 1 Schreibtisch, 1 Schreibmaschine, 1 Büfett, echt Nußbaum, 1 Kredenz, I vierecktgerÄus rugtisch, 1 Landauer, 1 Halbchaise mit Gummirsdem, d) nachm. 3 Uhr In Altstadt Waldenburg 1 Bücherschrank, hellbraun Licht meistbietend gegen sofortige Barzahlung versteigert werden. Zu b Sammeln der Bieter im Schützenhaur. Der Gerichtsvollzieher des Amtsgericht» Waldenburg, den 10. August 1926. Der ReichSpr»fi-e«t reift a« 1». «"«"ft «ach P-mmern. Reichskanzler vr. Marx und vr. Stresema«« st«d «ach Berlin zurück-ekehrt. Reichspräsident vr. Schacht stattete vr. Strtsewa«« i« Bad Wilb««,e« eine« Besuch ab. Lie Haftbefehle gegen »e« Lire«-» HaaS, Schriftsetzer Karl Fischer ««d -eu Schoffeur Reuter wurde» «ufgetzobeu. I« Charl-tteubur, kam es z» r-mmnnistische« ««». schreitunge«. An Lilffeldarf sau- ei« NeberM roter Krsnttämpfer auf eine« Tchützeuverri« statt. Polnische BtLtter bri«,e« Mel»««ge« vo« «i«er Militär- rebalte i« Rabl"- ««ter Kkhru«, Trotzkis. zwische« R«tzla«S ««d R«w»nie« erhöht sich die Gpa««««>. I« Tsingtau wurde ei« Deutscher ermordet. 'Waldenburg, 10. August 1926. Der alte „Tiger" Cü-menceau, der im nächsten Monat sein 85. Lebensjahr vollendet, gibt nach lan gem Stillschweigen wieder einmal ein Lebenszeichen von sich. Während des Krieges war bekanntlich Cle menceau die Seele des Widerstandes, der seine Lands leute immer wieder aufrüttelte, wenn sie verzagen wollten. Jetzt tritt er noch einmal in die Schran ken, um sich gegen die finanzielle Versklavung Frank reichs an Amerika zu wenden. In einem offenen Brief an den Präsidenten Coolidge beschäftigt er sich mit der Frage der französischen Kriegsschulden an Ame rika. Das Schreiben geht davon aus, daß die Regelung der Schuldenfrage zwischen den drei alliierten und asso ziierten Ländern Meinungsverschiedenheiten geschaffen habe, die die Zukunft der zivilisierten Welt schwer be drohten. Die technischen Sachverständigen der Finan zen und der Diplomatie, die am Werke seien, gefielen sich allzu oft darin, das Problem zu isolieren. Die vorgeschlagenen Lösungen hätten keine gute Geistes verfassung in den in Betracht kommenden Ländern ge schaffen. Gebe es nicht eine andere Auffassung als die, daß Frankreich Schuldner und Amerika Gläu biger sei? Die europäische Politik Englands habe bisher dar in bestanden, die Volker des Kontinents gegeneinander durch Interventionen in Schach zu halten. Heute richte sich die Sorge Frankreichs vor allem auf Amerika. Wenn die Nationen nur Geschäftshäuser wären, so könn ten Lie Geschicke der Welt durch Banknoten geregelt werden. Amerika verlange keine Handelsschuld, son dern eine Kriegsschuld zurück, und es wisse daß die französischen Kassen leer seien. Im ersten Falle un terzeichne der Schuldner Wechsel. Aber in diesem Falle sei es das Geheimnis der Komödie, daß es sich nur um angebliche Verfalltermine handele, um zu einer Hypothek auf die territorialen Güter Frankreichs zu kommen. Weiter heißt cs dann in dem offenen Brief wört lich: „Herr Präsident! Ich muß Ihnen sagen, daß wir dies niemals annehmcn werden. Frankreich ist nicht zu verkaufen, auch nicht für seine Freunde. Wir haben cs unabhängig erhalten und wir werden et nnnbgangig verlassen. Fragen Sie sich nach dem Vor' .Präsidenten Monroe, ob Sie anders sür den r.werrkannchen Kontinent empfinden würden."