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poincarL vor der Kammer. Erhöhung der direkten und indirekte« Steuern. Am Dienstag hat Poincarä in der Kammer die Regierungserklärung verlesen und lm unmittelbaren Anschluß daran die Finanzpläne vorgelegt. Im Senat erfolgte die Verlesung der Regierungserklärung durch den Justizminister Barthou. viaymond Poincarö. Las Finanzprogramm besteht aus zehn Artikeln. In den ersten Artikeln werden die indirekten Steuern behandelt. In bezug auf die direkten Steuern hält sich die Regierung an die seinerzeit gemachten Vorschläge des Sachverständigen- komitces. Man erwartet auf Grund dieser Vorschläge eine Erhöhung der Eingänge an Steuern für das zweite .Halbjahr 1926 um zweieinhalb Milliarden Franken. Dieser Betrag soll auf folgende Weise erzielt werden: 1. Durch Erhöhung der Einfuhrzölle für Kaffee, Tee. dicls und Vanille. Hierdurch soll der Betrag von eineinhalb Milliarden Franken eingehen. 2. Durch Vereinheitlichung der Umsatzsteuer auf zwei Prozent. Hierdurch sollen 606 Millionen Franken eingehen. 3. Durch Erhöhung der Zölle. Hierdurch sollen 400 Millionen Franken erzielt werden. 4. Durch Erhöhung der Transportkosten. In welchem Umfange diese erhöht werden sollen, steht noch nicht fest, doch soll hierdurch der Haushalt der Eisenbahnen ausge glichen werden. Weiter ist eine wesentliche Erhöhung der direk ten Steuern, insbesondere der Einkommensteuer und der Erbschaftssteuer beabsichtigt. * Im ganzen waren in der Kammer acht Inter pellationen eingegangen, deren Ablehnung von der Re gierung beantragt wurde. Vier davon bezogen sich aus die allgemeine Politik, die vier anderen auf die Er höhung des Brotpreises. Apolitische Rundschau. Deutsches Reich. Die kommunistische »Neue Zeitung" in Jena ist auf Grund der 88 8, 17 und 20 des Gesetzes zum Schutze der Republik auf die Dauer von 14 Tagen wegen Ab bruchs des Gedichts »Achtung, Hunde!" aus der „Roten Fahne" verboten worden. ' Am Montag fanden in Berlin an verschiedenen Plätzen ProtestkundgebungenderKommunistengegendasVer- bot der .Roten Fahne" statt. Auf der Koppenstraße kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Polizei nahm zwei Personen fest. Eine große Anzahl von Demonstran ten versammelte sich vor dem Polizeirevier, so daß die Beamten schließlich Verstärkungen Herbeirusen mußten, um die umliegenden Straßen zu räumen. Nach einer Mitteilung des Afabundes hat sich die Zahl der arbeitslosen Angestellten seit der amtlichen Er hebung im Juli v I. von 65,000 auf 300,000 vermehrt. Darunter befinden sich Zehntausende, die bereits zwei Jahre und länger arbeitslos sind. Der Asabund fordert Verkürzung der Arbeitszeit, um diese Angestellten wieder in Beschäftigung zu bringen. Ler saarländische Landesrat lehnt die neuen Stenern ab. Der saarländische Landesrat befaßte sich mit der neuen Steuervorlage der Regierungskommission über 1. die Erhöhung der Umsatzsteuer, 2. die Er höhung der Stempelsteuer, 3. die Erhöhung der indi rekten Steuern. Die mehrstündige Aussprache erbrachte die einmütige Ablehnung der neuen Steuervoriage. Ab geordneter Becker (Zentrum) unterzog das Steuerge- bahren der Regierungskommission schärfster Kritik. Er betonte, daß im Saargebiet die höchsten Steuern der Welt gezahlt werden müßten, und forderte Wiederein führung der Markwährung. In ähnlichem Sinne spra chen sich die Redner der übrigen Parteien aus. Frankreich. Nach Darlegungen, die Poincari selbst in einem Blatt über das elsaß-lothringische Problem veröffentlicht hat, führt er die Unzufriedenheit in Elsaß Lothringen auf Machenschaften der im Lande verbliebenen Alldeutschen zurück. Wie der „Motin" mittelst, wird entgegen den letzten Nachrichten Abdel Krim nicht auf Reunion, sondern auf Madagaskar interniert werden, und zwar in der Gegend von Tananorivo. Der Franken ist von neuem gefallen. Das Pfund Sterling, das gestern amtlich 190 notiert hatte, zog nach börslich auf 196,5 an, der Dollar von 38,97 auf 40,40 Das neue Fallen des Franken wird damit erklärt, daß die nächsten Verfallstermine in Devisen, besonders in Pfund und Dollar, zu begleichen sind. Man nimmt an, daß die Regierung gestern größere Mengen Devisen an- kaufte. Der amerikanische Botschafter in Paris, Herrick, hat in den letzten Tagen zweimal Briefe erhalten, in denen ihm der Tod angedroht wurde. Die Briefe stammen von Kommunisten, die wegen der Hinrichtung der italienischen Anarchisten Sacco und Vanpetti, die in Boston wegen Mordes zum Tode verurteilt worden sind, Rache üben wollen. England. Im englischen Unterhaus erwiderte der Unter- staatsfekretär im Auswärtigen Amt, Locker Lampson, auf die Frage nach den englisch-italienischen Verhand lungen über Abessinien, daß die englische Regierung am 24. Juli vom Generalsekretär des Völkerbundes die Abschrift einer Mitteilung erhalten habe, in der die abessinische Regierung die Aufmerksamkeit des Völker bundes aus die kürzlich zwischen England und Italien ansgetauschten Noten lenkt. Die Abrüstungserklärung Chamberlains bildete den Gegenstand einer Anfrage im Unterhaus. Auf die Frage, auf Grund welchen Berichtes Chamberlain zu seiner Erklärung über die „ungenügende" deutsche Ab rüstung gekommen wäre, erwiderte der Unterstaatssekre tär Locker Lampson im Namen des Außenministers, daß wohl noch einige Punkte in der Entwaffnungsfrage der Regelung bedürften, jedoch seien diese Punkte größten teils sekundären Charakters. Nur aus diesem Anlaß habe Chamberlain am 21. Juli festgestellt, daß die deut sche Abrüstung noch nicht befriedigend durchgeführt wor den sei. Dem Außenminister habe es aber völlig fern- gelegen, mit seiner Erklärung die Meinung zu ver breiten, daß die englische Regierung die deutsche Ab rüstungsfrage mit irgendwelcher Unruhe betrachte. In der Berqbaukrise ist noch keine Besserung einge- trelen. Der Sekrelär des Bergarbeiierverbandes, Cook, erklärte, die Konferenz der Bergarbeiterdelegierten am nächsten Freitag bedeute keine Kapitulation, sondern sei nur einer Prüfung der Lage gewidmet. Infolge einer Rede, die Cook gegen die Streikbrecher gehalten hatte, arbeiteten gestern in Warwickshire 300 Bergarbeiter weniger. Ruhland. Laut Bericht des Zentralgewerkschaftsrates sind vom Mai bis 20. Juli 4,900,000 Rubel (9,8 Millionen Mark) für die streikenden Bergarbeiter in England einge- gongen. Rumänien. Der Chef des Sicherheitsdienstes hat im Zusammen hang mit der Aufdeckung einer großen bolschewistischen Spionage-Organisation, die für die Sowjetunion ar beitete, zahlreiche Verhaftungen in der Bukowina und im alten Königreich, sowie in einzelnen Regimentern der Bukowina durchgesührt. Aus dem Muldentale. "Waldenburg, 28. Juli 1826. Die Sense rauscht. Mit der Ernte wurde dieser Tage auch in unserer Gegend begonnen. Von der Höhe am Forsthaus sieht man schon die ersten Puppen stehen und auch anderorts sind die Schnitter tätig, die dieses Jahr besondes schwere Arbeit haben, da sich das Getreide durch Sturm und Regen verwirbelt und meist gelagert hat. Sonnentage werden nun gebraucht, um das köstliche Gut der Natur, die Broifrucht zu bergen. Vorführung der Überlandmotorspritze. Die für den Bezirk Glauchau beschaffte Uberlandautomobilspritze kommt morgen Donnerstag Abend hier in Waldenburg zur Vorführung, um die hiesigen Wasserverhältnisse zur Speisung dieser Spritze auszuproben. Das Fahrzeug, das von der Freiwilligen Feuerwehr in Glauchau bemannt und bedient wird, hat bei Bränden innerhalb des Bezirks auf Anforderung auszurücken, soweit die Wasserverhältnisse am Brandort eine Tätigkeit möglich machen. Zu diesem Zwecke werden jetzt in den einzelnen Gemeinden des Ausrückungsberelches, der hier nördlich bis Bräunsdorf und Ziegelheim reicht, die Wasserverhältnisse ausgeprobt. Die Motorspritze ist auf einem 40-50 ?8. leistenden Benz Wagen montiert und leistet in der Minute 1000 bis 1200 Liter Wasser. Eingehender werden wir nach der Vorführung noch auf die Spritze zurückkommen. Straßensperrung. Wegen Jnstandsehungsarbeiten wird die Staatsstraße von der .Katze" in Obertirschheim bis zur Bismarckhöhe in Glauchau vom 30. Juli ab bis auf weiteres für den gesamten Durchgangsverkehr gesperrt. In Kurven bars nicht überholt werden! Der Verband der Automobilbesitzer Deutschlands e. V. Dres den-Berlin teilt uns mit: Viele Automobilisten können von der Unsitte nicht lassen, selbst in Kurven andere Wa gen zu überholen. Schon auf offener Landstraße stellt ein Überholen bei erhöhter Geschwindigkeit große Anfor- Edith Bürkners Liebe. Roman von Fr. Lehne. S. Fortsetzung. „Wird mir eine Ehre sein! Ich habe extra fleißig gearbeitet und auf den Nachmittagsbummel verzichtet, um mich heute abend ein Stündchen bei euch ausruhen zu können." Während des ganzen Abends hatte Martha ge hofft, Waldow zu sehen, weswegen sie eigentlich nur gekommen war. Und nun sollte diese Hoffnung uner füllt bleiben — zu ärgerlich! L Aber sie sollte doch noch Glück haben. Es hatte gerade halb zehn geschlagen, als es klin- gelte^-2 °>Das kann niemand anders als Herr Waldow Mn," sagte Frau Bürkner lebhaft. „Vater hat doch sei nen Schlüssel, wer sollte um diese Zeit sonst zu uns kommen! Nun wirst du ihn auch noch kennen lernen, Marthachen!" - » Sie war darüber "erfreut; denn sie bemühte sich, mit ihren Verwandten gut zu stehen und ärgerte sich manchmal über die abfälligen Urteile ihrer Kinder. „Wer weiß, wo ihr Hildebrandts noch mal brau chen könnt; man muß sich mit niemandem unnötiger weise verfeinden," pflegte sie zu sagen, und sie war im- me? sehr um die verwöhnte Nichte herum, zum stillen Aerger ihrer Kinder. l „So spät kommt Herr Waldow noch zu euch?" fragte Martha, sich gleichgültig stellend, obwohl ihr das Herz bei dem Gedanken klopfte, den heimlich ange- 'schwärmten Mann im nächsten Augenblick zu sehen. ' . Sie lauschte auf seine Stimme; er sprach auf dem Vorsaal mit Thankmar, der ihm geöffnet hatte. < Jetzt schien er aber wieder gehen zu wollen, als er hörte, daß Besuch da sei. Da stand Frau Bürkner schnell auf, öffnete die Tür und rief: , „Aber bitte, Herr Waldow, treten Sie doch naher!" „Ich störe ja — wie ich höre, haben Sie Besuch." „Nur meine Nichte, sonst niemand —" „Ich will Sie nicht vertreiben," ries Martha Lu cian zu, als sie ihn an der Türschwelle stehen sah. „Bin ick» denn io schreckenerregend?"/,. . Da trat er ins Zimmer. „Wenn Sie das denken, gnädiges Fräulein, möchte ich Sie doch vom Gegenteil überzeugen." Frau Bürkner wollte vorstellen; doch Martha sagte: „Das ist nicht nötig, Tantchen, ich lernte Herrn Waldow schon gestern durch Edith kennen — das heißt, ich weiß nicht, ob er sich meiner noch erinnert!" „Aber ich bitte, gnädiges Fräulein, Sie verkennen mich," protestierte er. Dann reichte er Edith die Hand. „Guten Abend, Fräulein Edith; wie schaut's heut' gemütlich bei Ihnen aus!" „Vielleicht trinken Sie eine Tasse Tee mit uns, Herr Waldow," meinte Frau Bürkner. „Meine Toch ter hat erst vorhin noch einmal frischen aufgebrüht." „Wenn es nit zu unbescheiden ist? Nach der „Mai kühle" draußen wird sie mir sicher gut tun!" Geschäftig bediente Edith den Geliebten, der sich das duftende Getränk gut schmecken ließ. Nun hatte Martha mit einem Male Zeit; sie ver wickelte Lician in ein Gespräch, so daß er sich ihr wid- men und seine anfangs geäußerte Absicht, gleich wieder zu gehen, aufgeben mußte. Sie kokettierte ziemlich ungeniert mit ihm und warf ihm die vielsagendsten Blicke zu. Er merkte Wohl ihre Absicht, und ward nicht ver stimmt, sondern amüsierte sich darüber. Außerdem schmeichelte es auch seiner Eitelkeit, die er in reichlichem Maße besaß. Und Edith wurde immer blasser und stiller. Um ihren feinen, roten Mund zuckte es. Waldow sah es wohl und da verglich er im stil len die beiden Kusinen miteinander. Warm strömte es zu seinem Herzen, als er die Geliebte in ihrer blon- den Anmut dasitzen sah und in ihrer Einfachheit, die doppelt neben der eleganten Martha hervortrat. Was war aber der goldene Hintergrund der an deren gegen Ediths lebensvolle Schönheit? Daneben verschwand Martha vollkommen, wenn.sie. auchZsonst nicht häßlich war. Sie hatte eine gut gewachsene, etwas zur Fülle neigende Figur und hübsches, dunkelblondes, seh: sorg fältig frisiertes Haar- Das Gesicht war grob geschnit ten, mit breiten Backenknochen und großem Munde. Die Ltzhne.wKren ziemlich arob. und gerade die Vor derzähne wiesen Goldplomben auf, die beim Sprechen und Lachen ziemlich ausdringlich wirkten. „Ich freue mich sehr auf die Mittwochskonzerte, Herr Waldow," sagte Martha da. „Wann sangen sie eigentlich wieder an?" , „Am ersten Mittwoch nach dem ersten Oktober, also in einigen Tagen." ., „Und Sie werden da natürlich auch wieder als So list glänzen?" „Ich denke." Wie ein Kind klatscht« Martha in die Hände „O, wie ich mich freue! Ich habe Ihre Kunst immer schon bewundert; Must! rst doch etwas Herrli ches, Einziges." „Sie sind sicher sehr musikalisch, gnädiges Fräulein?" „Nicht so, wie ich es wohl gern sein möchte." „Ah, das liegt wohl in der Familie? Fräulein Edith spielt ja auch sehr schön Klavier." Etwas pikiert sah Martha bei diesen Worten vor sich hin. Sie konnte es nicht gut vertragen, daß an- dere, und besonders Edith, vor ihr gelobt wurden. „Ja, das glaube ich wohl," entgegnete sie, „aber sie macht ihre Kunst sehr rar." „Ich möchte nicht lästig damit fallen," bemerkte Edith ruhig. „Uebrigens, gnädiges Fräulein, was haben Sie da für eine aparte Nadel? Ich kann sie nit genug bewun- dein," sagte Lucian zu Martha. „Wirklich? Finden Sie?" Martha löste die Bro- sche vom Kleide und reichte sie ihm zur näheren An- sicht. „Sie ist ganz hübsch und auch teuer; ich habe sie mir aus Ostende mitgebracht." „Auch mir gefällt sie sehr, Martha. Selten habe ich so etwas Originelles gesehen. Wie sein ist das Köpfchen der Eidechse mit dem Krönchen ausgeführt," meinte Edith. „Ja, wenn du sie magst, behalte sic doch. Hier, nimm sie." „Martha, du scherzest!" „Nein, nein, im Ernst! Ich bin glücklich, wenn ich dir mal eine kleine Freude machen kann! So nimm doch!" „Ich danke dir, Martha, ich danke dir herzlich, aber die Broicbe iü viel zu kostbar kür mick." (Fortsetzung folgt.)