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Die Schuldenrückzahlungen des Kontinents würden nicht die Summe erreichen, die England an Amerika zu zahlen habe. Ter Briefwcchsci zwischen Churchill und Caillaux se» absichtlich so unklar gehalten worden, damit sich keine Partei an den Inhalt genau zu binden brauche. Für die Regierung ergriff Schatzkanzler Chur chill das Wort, um u. a. zu erklären: Die Sicher heitsklausel, gegen die sich die Regierung von Anfang an gewehrt hatte, sei nur auf den dringenden Wunsch Frankreichs in den Briefwechsel mit Caillaux hineinge nommen worden, jedoch nicht in das Abkommen. Die Regierung sei r ach wie vor der Ansicht, das; Frankreich für seine Schuldenzahlungen allein die Verantwortung trage. Cs sei völlig falsch, ans den Zu geständnissen des Briefwechsels übertriebene Schlüsse zu ziehen. Der Briefwechsel sei beiderseits Wort für Wort erwogen worden. Selbst wenn Frankreich einmal auf das ihm in dem Briefwechsel gewährte Recht zurück- greisen sollte, so würden die Vertragsbedingungen nicht auf einmal außer Kraft treten. Das Schuldenabkommen ser verschiedentlich so ausgelegt worden, als ob die eng lische Negierung mehr an öie finanzielle Sanierung Frankreichs als an die eigenen Interessen gedacht habe. DaS sei nicht der Fall, auch wenn der Gedanke an eine allgemeine Gesundung der europäischen Finanzen und an eine faire Schuldenregelung dabei eine wesentliche Rolle gespielt hätte. Darauf versuchte Churchill die Behauptung zu widerlegen, daß Frankreich an Ame rika nach dem Washingtoner Abkommen mehr zu leisten habe, als an England. politische Nkun-schau. Deutsches Reich. NoLstandsarbeiteu des Reiches im Gesamtbetrags von 28 Millionen Mark. Nach amtlicher Mitteilung sind von der Reichsarbeitsverwaltung Notstandsarbei- ten mit einem Gesamtaufwand von 28 Millionen Mark vorgesehen. Im einzelnen handelt es sich dabei um folgende Maßnahmen: In Preußen umfangreiche Stra ßenbauten, im Sorgethal-Kreis Hasenerweiterungen, in Wangen Regulierungen im Niederschlagsgebiet der Le seke und die Fortsetzung des Kanalbaus Kampe-Dörpen, in Bayern der Bau einer Bahn Viechtach-Blaibach, großzügige Krafterschließungsarbeiten an der mittle ren Isar und die Regulierung des Isen zwischen Am pfing und Erharting, in Sachsen Regulierung der Elster und der Bau einer Talsperre bei Weiterwiesen, in Thüringen große Meliorationsarbeiten in den Land kreisen Sonneberg-Meiningen und Hildburghausen, in Hessen die Fortführung der Ried-Entwässerung und in Oldenburg die Fortsetzung des Kanalbaus KamPe- Wedelsberg und die Regulierung der Haase-Gewässer. Zusammenschluß ser Bergarbeiter-Gewerkschaf ten? Der Bergarbeiterverband hat einen Beschluß ge faßt, in dem es u. a. heißt: Die kapitalistische Ent wicklung der letzten Jahre hat besonders im deutschen Bergbau durch Betriebszusammenschlüsse das Bild we sentlich verändert. An Stelle der selbständigen Ein zelbetriebe sind mächtige Wirtschaftsgruppen entstanden, die zum Teil bis zu 100 Bergwerksbetriebe beherrschen. Dem stehen Arbeiterorganisationen gegenüber, die sich in verschiedene Gewerkschaftsrichtungen spalten, was bei "dem Kampf um Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht von Vorteil ist. Deshalb fordert der Verband der Bergarbeiter Deutschlands den Zusammenschluß aller im Bergbau und in seinen Nebenbetrieben be schäftigten Arbeiter zu einem Bergbauindustrieverband: Er beauftragt den Vorstand, durch Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Organisationen diese For derung,zu vertreten. . . ... Tie Kriegsbeschltdigtcn-Tagnng. T>er zweite Lag der Hamburger Kricgsbeschädigten-Tagung wurde zum großen Teil durch die Erstattung der Geschäftsberichte äusgefüllt., Der Verband zählt zurzeit rund 130 000 zahlende Mitglieder. Der Kassenbestand betragt 218 679,81 Mark, der Gewinnzuwachs des letzten Jahres 131 386,36 Mark. Die Reichsregierung hat vorläufig den Beschluß über die Bestätigung Dorpmüllers vertagt. Er soll er neut zur Diskussion gestellt werden, wenn die von der Reichsregierung gewünschte Beteiligung an den Beschlüssen des Verwaltungsrales in aller Form gesichert ist. Uber die jüngste Note des Generals Walch hat die Reichsregierung den Bortrag vr. Geßlers entgegenge nommen. Or. Geßler Hot sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Stellung des Generalobersten v. Seeckt grund sätzlich und endgültig im Frühjahr geklärt worden ist. Das Reichskabinett ist der Ansicht, daß kein Anlaß vor liegt, die Diskussion über diese erledigte Frage noch ein mal aufzunehmen. Die Zahl der Arbeitsuchenden und Unterstützungs empfänger in Berlin ist wiederum um rund 2500 gestiegen, so daß bei den Arbeitsnachweisen gegenwärtig 276,000 Personen eingetragen sind. Frankreich. Der Sultan von Marokko traf am Montag in Straßburg ein, wo er von den Behörden feierlich begrüßt wurde. Am Dienstag besichtigte er das Rathaus und andere öffentliche Gebäude. Mit Rücksicht auf die gewaltige Erregung der Be völkerung und auf das Steigen der Devisen hat die fran zösische Postoerwaltung die Durchgabe der Devisenkurse durch den Rundfunk bis auf weiteres verboten. Der französische Franken stürzte gestern in London auf 237,50 für ein Pfund Sterling. Die Devise Brüssel notierte 219. Für einen Dollar wurden 47,25 Franken gezahlt, für 100 Reichsmark 1150 Franken. Belgien. Die belgische Regierung kündigt Gefängnis strafen von zwei Monaten bis zu zwei Jahren und Geldstrafen von 1000 bis 3000 Franken an für die Verfasser von Presseartikeln, die geeignet sind, den Kredit des Landes zu beeinträchtigen. Die Getreide ausfuhr ist verboten worden. Für die Ausfuhr von Brennstoffen müssen Ausfuhrscheine beigebracht wer den. Die Regierung erwägt ferner die Einführung eines Ausländeraufschlages von fünf Prozent für alle von Ausländern gekauften Waren. Polen. Der polnische Sejm hat am Montag mit Zwei drittelmehrheit die von der Negierung geforderten Ver fassungsänderungen angenommen. Diese besagen, daß das Budgetjahr nicht mit dem Kalenderjahr zusammen zu fallen braucht und daß der Präsident der Republik das Recht hat, beide Kammern aufzulösen, wenn die Regierung mit der Volksvertretung nicht übereinstimmt. Als dritte Verfassungsänderung wurde die Bestim mung genehmigt, daß jeder wegen eines Vergehens bestrafte Abgeordneter sein Mandat verliert. Alle an deren Verfassungsänderungen, die von der Sejm-Kom- mission beschlossen und dem Sejm zur Annahme vor geschlagen waren, wurden abgelehnt, darunter die Ein führung des Verhältniswahlsystems und die Herauf setzung des aktiven Wahlalters auf 25 und die des passiven Wahlrechts auf 30 Jahre. Türkei. Der Text des türkisch-russischen Handelsvertrages und eine Reihe anderer wichtiger Dokumente sind ver ¬ schwunden. Man nimmt an, daß die Schriftstücke während einer Reise zweier Beamter des Handelsministe riums von Konstantinopel nach Angora gestohlen wurden. Asien. Der Angriff der Truppen Tschangtsolins und Wupei- fus gegen die Nationalarmee im Nordwesten von Peking hat begonnen. Seit zwei Tagen bombardiert die Artillerie der Mukdenarmee die Stellung der Nationaltruppen bei Lung-Hu Schau. Nach Berichten aus Kalkutta ist es zwischen Hindus und Mohammedanern bei Gelegenheit der Hindu-Festlichkeiten zu neuen Zusammenstößen gekom men. Die Prozession bewegte sich mit dem Heiligen Wagen ohne Ruhestörungen an der Moschee vorbei, die schon am 11. Juli der Schauplatz heftiger Käinpse gewesen ist. Der Prozession lief plötzlich eine große Menge von Mohammedanern entgegen, die die Hindus mit Ziegelsteinen und leeren Flaschen überschütteten. Die Situation wurde so ernst, daß die Polizei auf die Ruhestörer schießen mußte. Aus dem Muldentale. 'Waldenburg, 21. Juli 1926. '— Freie Psarrstellen. Die unter Fürstlich Schön- burgischem Patronate stehenden Pfarrstellen in der Ephvrie Glauchau, und zwar Rödlitz Gehaltsgruppe X und Amts wohnung (neu vorgerichtetes Pfarrhaus), Gelegenheit zur höheren Schulbildung für die Kinder in der Nähe (infolge Wahl des bisherigen Inhabers in ein anderes Amt frei geworden) und Gersdorf (1. Pfanstelle) Gehaltsgruppe X und Amtswohnung (Pfarrhaus allein zur Verfügung stehend), gute Schulbildung für die Kinder in der Nähe leicht zu erreichen (infolge Emeritierung des bisherigen Inhabers frei geworden) sind neu zu besehen Bewer bungsgesuche mit Zeugnisabschriften sind bis 7 August 1926 an die Fürstlich Schönburgische Kanzlei Schloß Waldenburg zu richten. 2. Zwinger-Geldlotterie. In der 2. Geldlotterie zur Erhaltung des Dresdner Zwingers, die bereits einige Tage vor der Ziehung vollständig ausverkaust war, sind folgende Hauptgewinne zu verzeichnen: Die Prämie von 80,000 RM. fiel aus Nr. 349,928 mit einem Ge winn von 3 Ml, I. Hauptgewinn von 20,000 RM auf Nr. 76,3o2, 2. Haupigewinn von 10,> 00 RM auf Nr. 497,465, 3. Hauptgewinn von 5000 RM. auf Nr 437,043, 5 Gewinne von 1000 RM. auf die Nr. 40,766, 226,575, 233,706, 245,148, 455 175 '— Ferienheime für die erwerbstätige Jugend in Sachsen. Der Landesausschuß Sachsen der Deutschen Jugendverbände sieht es als seine vornehmste Aufgabe an, für die erwerbstätige (körperlich und geistig beschäftigte) Jugend Heime zu schaffen, in denen sie zu einem mehr wöchigen und billigen Ferienaufenthalt Aufnahme finden können. In der Erkenntnis, daß die Durchführung dieses Planes dem Landesausschuß allein nicht möglich sein würde, hatte er Vertreter des Arbeits- und Wohlfahrts- Ministeriums, der Landesversicherungsanstalt Sachsen, der Krankenkassenverbände, der Wohlfahrts- und Jugendämter, des sächsischen Berufsschulvereins, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zu einer Aussprache eingeladen, die zur Gründung einer .Gesellschaft sächsischer Jugend ferienheime m. b. H.f geführt hat. Dieser ist die Er richtung von Erholungsheimen für die erwerbstätige Jugend übertragen worden. Wie verlautet, soll das erste Heim schon in nächster Zeit eröffnet werden. '— Errichtung von Feimen. Durch die Errichtung von Getreide- oder Strohfeimen in der Nähe von Hoch- Edith Bürkners Liebe. Roman von Fr. Lehne. 3. Foitsetzung. „Ja, du bist eben anders als ich, Lucian; ich mutz manchmal soviel denken. Ich wollte, ich wäre nicht so schwerfällig." Sie blieb stehen, da sie an ihrem Ziel war. „Ein ander Mal mehr darüber, Lucian; ich möchte mich doch mal aussprechen. Mutter macht mir manchmal Sorge." „ — und ich finde sie jetzt bedeutend Wohler aus sehend, als im Sommer, als ich zu euch zog; sie klagt doch auch viel weniger," beruhigte er sie. „Wirklich?" Fast dankbar sah sie zu ihm auf. „Aber gewitz," beteuerte er, „würde ich es sonst sa gen? Schade, daß unser Spaziergang schon zu Ende sein mutz! Hoffentlich treffen wir uns öfter so zu fällig „Das bezweifle ich doch, Liebster. Du weißt, daß ich immer zu tun habe!" „Endgültig sage ich dir noch nit Lebewohl, Schatz. Nach dem Abendbrot komme ich doch noch mal 'rüber! Uebrigens muß ich noch meinen Kuß haben — drei Tage sind es schon her. Ach, Herzele, goldenes, ich hab' dich gar so lieb," sagte er innig, tief in ihre dunklen Augen sehend, aus denen ihm so unverhüllt ihre Liebe strahlte. Er drückte ihre Hand. „Weißt doch: „Deine Augen grüßen so heimlich, Deine Lippen küssen so sacht — . Noch einen Kuß bei der Türe, Herzliebste, gute Nacht!" Und ob sie es wußte! Hatte er ihr doch jenes kleine Gedichtchen in eine reizende, gefällige Musik ge setzt, was sie als ihr größtes Heiligtum verwahrte. Sie wurde rot. Noch klang ihm ihr leises, glückliches Lachen, mit dem sie ihn verlassen, in denOhren, als er weiterging. Sie war doch zu süß! — Es wurde ihm so warm, wenn er in ihre Augen sah und ihre Stimme hörte, die von wunderbarem Klang war — tief und voll und weich, schmeichelte sie sich seinem musikalischen Ohr un widerstehlich ein. Wenn nur der Mangel an dem nötigen Kleingeld nicht wäre, der vorläufig ihre Verbindung zur Unmög lichkeit machte! Sonst hätte er Edith Bürkner am lieb sten morgen schon als sein Weib heimgeführt. Aber er, ein Künstler, konnte und durfte sich nicht der Mi sere des Lebens aussetzen, wenn er künstlerisch auf der Höhe bleiben sollte; denn nur im Vollen, im Ueber- flutz konnte er arbeiten, fern von den gemeinen Sor gen des Daseins, sonst ging ihm alle Schaffensfreude verloren — und gerade jetzt — — — Zu dumm!! . 2. Es war schon sieben Uhr vorüber, als Edith mit oor Kälte geröteten Wangen nach Hause kam. Sie hatte sich sehr beeilt, fand aber doch den Abendbrottisch schon gedeckt, als sie in das Wohnzimmer trat. „Guten Abend, Mütterchen," rief sie fröhlich. „Ihr habt Wohl schon gewartet? Ich konnte nicht früher kommen; Frau Herbst hat mich so lange aufgehalten. Dafür bringe ich auch schon Stundengeld! Ah, du hast ein bißchen gefeuert? Das ist recht. Es ist doch ziem lich frisch draußen —" und fröstelnd rieb sie sich die Hände — „wo ist Vater?" „Vater hat schon gegessen; er ist heute abend bei Franzes, denen er bei den Büchern helfen soll. Sie werden allein nicht so recht fertig damit. Wenn du dich nur nicht erkältet hast, Edith! Dein Kleid ist zu leicht. Ich sagte dir doch, daß du dein Jackett anziehen solltest," meinte Frau Bürkner besorgt. „I wo, Mütterchen, ich bin doch jung! Das bissel frische Luft schadet mir nichts, und wenn du eine Taffe Tee hast, bin ich schnell durchwärmt!" Mittlerweile hatte Edith ihren Hut weggelegt, war flink in ihr Hauskleid geschlüpft und band sich eine Schürze vor. „Thankmar, komm — essen!" rief sie dann und setzte sich an den Tisch. Der Gerufene erschien. Es war ein schlanker, hüb scher Mensch von ungefähr achtzehn Jahren mit einem sehr klugen Gesicht, das dem der Schwester sehr ähn lich war. „Na, Dita, bist du da?" Zärtlich klopfte er Edith auf die Schulter, als er sich neben sie setzte. „Nun gib mir was zu essen; ich habe einen Bärenhunger!" „Was willst du haben, Käse oder Wurp?" Mit flinker Hand schnitt sie Brot und belegte die Scheibe, die sie für den Bruder bestimmt hatte, dick mit Wurst, während sie sich mit einer einfachen Butter- schnitte begnügte. „Ist dein Aufsatz fertig?" ' „Habe vorhin die letzte Seite geschrieben — bin froh, wenn ich eine Drei kriege! So ein blödsinniges Thema aber auch — wir haben alle geschimpft! Nicht in die ferne Zeit verliere dich — den Augenblick be greife! der nt dein!" Dabei biß er herzhaft in sein Brot und ließ es sich gut schmecken. , ... „Weißt du, Dria, du konntest mir eigentlich nach her beim Präparieren des Französischen noch ein biß chen helfen; das heißt, wenn du Lust hast — schreibst mir 'n paar Vokabeln 'raus. Du willst? Danke! Bitte, gib mir noch 'ne Tasse Tee. Ein weiteres Stück Brot wäre auch nicht zu verachten. So, danke dir, Schwe sterlein! Elende Plagerei!" „Na, Brüderchen, bist ja bald erlöst, in wenigen Tagen gibt's Ferien." „Und danach geht die Ochserei erst recht los. Ich danke! Wenn ich nur das nächste halbe Jahr hinter mir hätte!" „Du hast wohl Angst, daß du durchfällst?" „Das nun gerade nicht; aber bei Gott und beim Schniefke ist kein Ding unmöglich; da kann's schon Vorkommen, daß man glatt durchrasselt," meinte Thank mar, dabei aber in aller Gemütsruhe seinen Tee schlür-- send. „Das wäre ja schrecklich." Vor Bestürzung legte Frau Bürkner ihr Besteck aus der Hand und sah den Sohn ängstlich an. „Das wäre ja schrecklich! Um Gottes willen, was sollte da werden? Was würde der Onkel sagen?" „Der? Der kann mir den Buckel —" das andere unterdrückte er auf einen warnenden Blick der Schwe ster. (Fortsetzung folgt)