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Schönburger Tageblatt Sonnabend, den 3. Juli 1926 Nr 152 48 Jahrgang Die Sozialdemokraten fordern Auflösung des Reichstags Zugleich weit verbreitet in den Ortschaften der Standesamtsbezirke Altstadt Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenleuba- Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Langenchursdorf, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Ler Frauke« ist abermals ««stürzt. LaS spanische Söni-Spaar ist in Landon eingelroff««. Der Führer der spanischen Liberalen, Graf RamanoneS, hat sich seiner Berhaftnng wegen Teilnahme an den rebalntianüre« Bestrebung«« dnrch die Flucht «ach Frank- reich entzöge«, Der Reichstag beschloß die Verlängerung des Sperrge- fetzeS bis zam 31. Dezember. Der Stahlhelm hat an di« national«« Parteien »inen Aufruf gerichtet zum Zusammenschluß gegen links. I« der französischen Sammer wird bereit« der Sturz des Sabinetts i«S Ange gefaßt. Franken tiefer und neser sarir». sieht man in Paris der auf nächsten Dienstag vertag ten Interpellationsdebatte entgegen. In den Kammer fraktionen beschäftigt man sich schon jetzt mit ^er Frage, wie das nächste Kabinett aussehen soll. Dabei wird auch Caillaux als kommender Ministerpräsident ge nannt. Aas Komplott gegen König AisonS. Die Borbereitungen der Pariser Anarchisten. Der „Matin" bringt aufsehenerregende Einzel heiten über das Komplott, das gegen das spanische Königspaar anläßlich seines Pariser Besuches geschmie det worden war. Die restlose Aufdeckung der Ver schwörung war umso schwieriger, als es sich um Ver brecher handelte, die bereits eine sehr belastete Ver gangenheit hinter sich haben. 48 Stunden vor Ein treffen des spanischen Königspaares in Paris befanden sich die- beiden Haupträdelssührer in den Händen der Polizei. Zu Beginn der letzten Woche war die Pariser Polizei bei der Ueberwachung der spanischen Anarchistenkreise in Paris aus die Spur des Komplotts gekommen. Die Behörden waren benachrichtigt worden, daß fünf Individuen, die in den ersten Tagen des Mai von Buenos Aires nach Cherbourg gekommen wa ren, die Anwesenheit des spanischen Königspaares in Paris dazu benutzen wollten, um ein Attentat aus- zusühren. Es gelang der Polizei sehr bald, die Verbrecher zu verhaften. Ter eine von ihnen ist ein bekannter Anarchist «nd einer der Mörder des Erzbischofs von Saragossa, des Kardinals Romero, der im Juli 1923 ermordet wurde. Sein Begleiter war ein nicht we niger bekannter Bandit, nämlich der Anarchist und Hochstapler Duretti. Die Verhaftung geschah am vergangenen Freitag, abends '7 Uhr. Man fand bei den beiden Verbrechern mehrere Selbstladepistolen und Patronen vor. In ihrer Wohnung beschlagnahmte man drei Präzisionskarabiner und 240 Patronen. Unter der Wucht des Anklagema terials legten die beiden Verbrecher ein umfassendes Geständnis ab. Sie gaben zu, daß sie nach Paris ge kommen seien, um den König von Spanien zu töten. Der Führer des Komplotts erklärte: „Seit eineinhalb Jahren sind wir in Paris und bereiten das Attentat gegen den König vor. Wir hat ten zu diesem Zweck siir 10V9V Franken ein Auto ge kauft, «m uns an die letzte Station vor Paris zu be geben, die der königliche Zug passieren sollte. Tort hätten wir versucht, König Alfons entweder mit Re volverschüssen oder mit dem Karabiner «iederzuschietzen. Hätten wir unsere Absicht nicht ausführen können, so würden wir die Ermordnng in Paris versucht haben." Der Verbrecher gab ferner zu, daß er der Mörder des Erzbischofs von Saragossa sei. Die drei Kompli cen der beiden Verhafteten konnten sich den Nachfor schungen der Polizei entziehen und sind bisher noch nicht verhaftet worden. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Bundesleitung des Stahlhelms hat an die Frak tionen der Deutschnatlonalen, der deutschen Voikspartei, der deutschvölkischen Freiheitspartei und der Wirtschafts partei des deutschen Mittelstandes einen Aufruf zum Zusammenschluß und zu einer festeren Zusammenarbeit mit dem Ziele der Rettung des deutschen Volkes durch eine nationale starke Regierung veröffentlicht. Der Stahl helm bittet die Parteien, mehr als bisher die Unterschiede fallen zu lassen und sich zu der Ausnahme der gemein- samen Arbeit zur Rettung von Staat und Volk zu be kennen. Von offizieller deutscher Seite ist in den letzten Tagen in der Frage der Verminderung der Besatzungs truppen eine neue Maßnahme am Quai d'Orsay in Paris unternommen worden. Anzeige« p.v 8 uyr am Ausgabetag erdete» Ausgabe nachmittags '/,3 Ahr in der GeschäftSstKlr in Waldenburg Sa., Obergaffe 38. Erfüllungs ort Waldenburg. Filialen in Altstadt Waldenburg bei Lerrn Otto Förster: in Callenberg bei Lerrn Friedr. Lermann Richter; in Langenchuredorf bei Lerrn Lermann Esche; in Wolkenburg bei Lerrn Linus Friedemann; in Penig bei Firma Wilhelm Dahler; in Ziegelheim bei Lerrn Eduard Kirsten. In: Zoll« höherer Lewalt. Krieg. Streit. Äu»Iperrung, Maschlne»- druch. Storungen im Betrieb der Druckerei oder unser Liefer«, hat der Bezieher keinen Anspruch aus Erhall der Zeitung oder Rückzahlung de« Bezugspreise« gür Richtigkeit der durch Fern sprecher ausgegebenen Anzeigen übernehmen wir keine Bemüh« Wie eine Berliner Wirtschaftskorrespondenz mitteilt, ha Iwan Kutis Ker vom Herbst vorigen Jahres bis zum Frühjahr 1926 seine Netze in der deutschen Wirtschaft ausgeworfen, um die Interessenten am Russengeschäft in geradezu großzügiger Weise auszuplündern. Kutiskel hat mit 22 zum Teil erstklassigen Firmen Verträge abge schlossen, in denen ihm diese auf 5 Jahre ihre Vertretung bei Geschäften mit Rußland übertrugen. * Der Streit um die Lübecker Senatoreuwahk. Wie aus Lübeck berichtet wird, beschäftigte sich eine von etwa 1500 Personen besuchte Versammlung des neuen Grundeigentümervereins mit dem Verhalten dreier Mitglieder der Fraktion für Hausbesitz anläßlich der Senatorenwakl und nahm mit 620 gegen 70 Stim men eine Entschließung an, in der das Verhalten von Dr. Geistep, Dietrich, Schlosser und Rickmann bei den Senatswahlen mißbilligt wird, weil diese ohne Wissen des Vereins mit der Sozialdemokratie verhandelt ha ben und bei der Senatswahl die Bindung nach Links eingegangen sind. Die Herren Dr. Geister, Dietrich, Schlosser und Rickmann werden aufgefordert, sofort ihr« Bürgerschaftsmandate dem Verein zurückzugeben und außerdem aus dem neuen Grundeigentümer-Ver ein auszutreten. Gleichzeitig wird Dr. Geister auf- gesordert, aus dem Senat wieder auszuscheiden. Ter Reichspräsident an die Königin der Nieder lande. Anläßlich des Besuches des holländischen Ge schwaders in Kiel hat der Reichspräsident an die Kö nigin der Niederlande folgendes Telegramm gerichtet: „Der Besuch des niederländischen Geschwaders in Kiel ist in ganz Deutschland aufs freudigste begrüßt wor den. Ew. Majestät gestatte ich mir zugleich mit dem Ausdruck meines Dankes für die Entsendung der präch tigen Schiffe meine Glückwünsche zu dem vorzüglichen Eindruck, den das Geschwader und seine Besatzung gemacht haben, zu übermitteln." Reichskanzler a. D. Cuno 50 Jahre alt. Der ehemalige Reichskanzler Dr. Cuno, jetzt wieder Vor sitzender des Direktoriums der Hapag, feiert am heu tigen Freitag seinen 50. Geburtstag. Cuno, der im Weltkrieg die Bearbeitung kriegswirtschaftlicher Fra gen in mehreren wichtigen Aemtern übernommen hatte, trat 1917 in das Direktorium der Hapag ein. Mil seiner Ernennung zum Reichskanzler am 22. November 1922 schied Dr. Cuno aus dem Vorstand der Hamburg- Amerika-Linie aus. Nach seinem Rücktritt als Reichs kanzler am 12. August 1923 unternahm er zunächst ein« Amerikareise. Am 15. April 1926 übernahm Herr Geheimrat Dr. Cuno wieder das Amt des Vorsitzenden des Direktoriums. Frankreich. Die französisch-russischen Schuldenverhandlunge« sind auf dem toten Punkt angelangt. Die Vertreter der Sowjetregierung weiden nach Moskau zurückkehren und möglicherweise im Oktober oder November zur Wieder aufnahme der Verhandlungen zurückkehren. In der Kammer wird bereits die Möglichkeit eines Sturzes der Regierung für die kommende Woche ins Auge gefaßt. Tardieu als Führer der Gemäßigten will Sturm gegen das Kabinett laufen. England. . Das spanische Königspaar ist, von Paris kom mend, in London eingetroffen. Es wurde auf dem Lahnhof von der Königin, dem Prinzen von WalLs, dem Herzog von Uork und einer Anzahl spanischer und englischer Persönlichkeiten, darunter auch Austen Chamberlain, empfangen. Ein Gerücht will wissen, der Prinz von Wales werde sich nächstens mit der Infantin Beatriz, der ältesten Tochter des spanischen Königspaares, verloben. Während des Aufenthalts des spanischen Königspaares in London werde die Verbin dung im einzelnen geregelt. Man nehme an, daß die erste offizielle Zusammenkunft in San Sebastian statt- sinden werde. - Am Sonnabend finden in Hendon die diesjährigen englischen Flugmanöver statt. Ueber 150 Flugzeuge werden sich daran beteiligen. Neben zahlreichen Mit gliedern des Kabinetts und des Unterhauses werden sich auch der König und die Königin von England und das spanische Königspaar unter den Zuschauern befinden. unö Val-enburger Anzeiger Diese« Bla« e-thält die amtliche« Bekam»tmachuugerr de« Amtsgericht« and de« Stadtrat« z« Waldenburg. Ferner veröffentliche« zahlreiche andere staatliche, städtische «. Gemeinde-Behörde» ihre Bekanntmachungen im Schönburger Tageblatt. Verantwortlich für Redaktion, Druck und Verlag E. Kästner in Waldenburg Sachsen. ""»"«8 d«4 Sächfisch«n und d«» D«mich«n Z«i1ung»v«ll«g«r-B«r«tn4 <E. P.) — S.r-a,»ori Wald«nburg Sachs,». Erscheint werktägl. Nachm. Bezugspreis monat lich im voraus 1K0 R.-Psg. freibl., ausschl.Trägerl. Einzelne Nr. 10 Reichspf., SonntagS-Nr. 20 R.-Pf. Anzeigenpreise: 6 gesp. Petilzeile 0,1k R.-Märk, v. außerhalb des Bezirkes 0.20 R.-Mark, 3gesp. Retlamezeile 0,45 R.-Mark, Linweise auf Anzei gen und Eingesandte 0,10 R.-Mark, Nachweise- und Offertengebühr 0,20 R.-Mark, Rabatt nach Tarif. Schwieriger Satz (Tabellen) mit Aufschlag. »«gründet 1878. Fernsprecher Nr. g. Postschließfach Nr. 8 Postscheckkonto Ami Leipzig Nr. 4438. Bankkonto: Beretniban! Bl Colditz Filiale Waldenburg Siadtgirokonio Waldenburg Ik. Rabatte gelten nur bet pünktlicher Zahlung, bet ,wang4weis«r Eintreibung d,r R,chnung«b«lr»ge wird i«d«r Nachlaß dinsüllig. "Waldenburg, 2. Juli 1926. Neichstagsferienoder Auflösung — das ist die große Schicksalsfrage, vor der heute der Reichstag steht. Das Schicksal des Fü r st e n g e setz e s ist bis zuletzt ungewiß geblieben. Die wechselnden Mehrheiten, mit denen in der zweiten Lesung die einzelnen Para graphen — mit Ausnahme von Par. 2 — angenommen worden sind, geben keine Gewähr dafür, daß das Ge setz auch bei der Schlußabstimmung in der dritten Lesung überhaupt eine Mehrheit finden wird; noch geringer ist aber die Aussicht auf eine Zweidrittel mehrheit, wie sie für Verfassungsänderungen vorge schrieben ist. Scheitert die Vorlage, 7« gehen wir aufs neue politisch bewegten Zeiten entgegen, ganz gleich gültig, ob cs zu einer Reichstagsauflösung kommt oder Nicht. Am Mittwoch sind die beiden großen Sensations- Prozesse zu Ende gegangen, die seit Monaten deut sche Gerichte beschäftigten: Der Kutisker-Pro- zeß und der SPritweber-Prozetz. Am gleichen Tage haben sie begonnen und am gleichen Tage geendet. Sie haben an stch nichts miteinander zu tun, und doch sind sie auf demselben Boden gewachsen. Nur bei der Seelenverfassung des deutschen Volkes in der Nachkriegs- und Inflationszeit waren solche Dinge möglich, wie sie sich in diesen Prozessen enthüllten. In erschreckender Weise zeigte sich hier die Unter höhlung unserer Beamtenmoral. Im Falle Kutisker unterlagen die Beamten der preußischen Staatsbank dem suggestiven Einfluß dieses Mannes, der in der Urteilsbegründung als der größte Schwindler seit der Zeit Cagliostros bezeichnet wird. So gaben sie Kre dite her, die sie einem reellen Kaufmann niemals ge geben haben würden. Spritweber arbeitete nicht mit dem Mittel der Suggestion, sondern dem der Be stechung, und dabei fand er in der Person des Krimi nalkommissars Peters ein besonders geeignetes Objekt. Ob Iwan Kutisker jemals die ihm zudiktierten Zuchthaus absitzen wird, erscheint recht ^weuelhaft. Man hat ihn zwar nach seiner Ver- neue verhaftet, mit Rücksicht auf seinen ^.^»i^'Nustand mußte er aber zunächst in die Cha- werden. Wie er es in der Inflationszeit hat, sich „gesund zu machen", so scheint er ^i-^i^stehen, sich nach Bedarf krank zu machen. ^?rer M^nen Mark Geldstrafe, die Kutis- ker ^ohwn soll, haben nur den Wert der Wechsel, die Kutivkcr unter Verpfändung des Hanauer Lagers aus die Staatsbank zu ziehen pflegte. Die Hochwassergefahr im Gebiet der Elbe und der Oder hot infolge der Besserung der Wetterlage nachgelassen. NoAaber s,nd weite Strecken von Wiesen und Ackerland überflutet, und der Umfang des Scha vens läßt sich noch gar nicht übersehen. Es wird um fangreicher Hilfsmaßnahmen des Reiches, der beteilig ten Länder und der Gemeinden bedürfen, um wenigstens die dringendste Not zu beseitigen. Darüber hinaus sollte man Vorsorge treffen um für die Zukunft solche Katastrophen nach Möglichkeit zu verhüten. Hier würde sich auch Gelegenheit bieten, durch Inangriffnahme von Notstandsarbeiten zur Linderung der Arbeitslosigkeit beizutragen. .Das neue französische Kabinett Briand- Caillaux hat zwar nach seiner Vorstellung in der ^o^mer ein formales Vertrauensvotum erhalten, seine Aussichten werden gleichwohl sehr gering eingeschätzt. Das kommt auch in der Stimmung der Börse zum Aus druck. Trotz aller.Stabilisierungspläne sieht man dxn