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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt ««. Jahrgang 4. Beilage zu Nr. 275. Sonntag, den 27. November 1910. Der Siadtrat läßt Ms auf das gestern verteilte Flugblatt der Zwickauer Elektrizitätswerk- und Straßenbahn-Aktiengesellschaft folgende Berichtigung zugehen: I. Es entspricht nicht den Tatsachen, das- das Be stehen des Olsnitzer Leitungsnetzes in keiner Weise gehindert sei, vielmehr ist gemäß dem am gest rigen Tage vom Lichtensteiner Amtsl-latte aus- gegebenen Extrablatte der Widerruf der dem Ols nitzer Werke erteilten Erlaubnis zur Abgabe elek trischer Energie bereits erfolgt. Wird gegen diesen Widerruf von Seiten des Olsnitzer Werkes Re kurs nicht erhoben bezw. der Rekurs zurückge- wiescn, so kann nach dem Ablauf der dem Werke gestellten Frist (30. Juni 191 l) elektrische Ener gie von Ölsnitz aus in Lichtenstein nicht mehr abgegeben werden. 2. Ter der Stadt von der Zwickauer Elektrizitäts werk- und Straßenbahnaktiengesellschaft angebo tene Konzessionsvertrag ist nur aus dem Grunde abgelehnt worden, weil die Stadt bei den dama ligen Verhandlungen die Absicht hatte, die Ver sorgung mit elektrischer Energie in eigener Regie zu betreiben und weil überdies der angcbvtenc Vertrag unannehmbare Bedingungen enthielt. Aus den im Nachfolgenden ausführlich wiedcrgegcbe- Nen Verhandlungen ist zu ersehen, daß der Stadt von feiten des Olsnitzer Werkes nicht das min deste Entgegenkommen erwiesen worden ist. 3. Es ist unwahr, daß die Stadt im „Geheimen" einen Konzessionsvertrag abgeschlossen hat. Tie Ver handlungen wurden vielmehr ordnungsmäßig von den berufenen Instanzen durchgeführt. 4. Es ist unrichtig, daß „der der Zwickauer Elektrizi tätswerk- und Straßenbahnaktieugesetlschast wie derholt abgelehnte Konzessionsvertrag anderweit abgeschlossen" wurde, vielmehr ist der jetzt mir der Sächsischen Elektrizitätslieferungs-Gesellschaft vollzogene Vertrag in allen Punkten bei weitem günstiger, wie ebenfalls aus der nachfolgenden Darstellung erhellt. 5. Wenn jetzt die Zwickauer Elektrizitätswerk- und Stra- ßcnbahnaktiengcscl'schäft nach Abschluß des Ver trags mit der Sachs. Elektrizitäts-Lieferungs-Ge- sellschaft den Konsumenten ein Angebot unter breitet, das zu erreichen sich der Stadtrat so lange vergeblich bemüht hat, als die Elektra in sicherer Position sich zu befinden glaubte, so ist die Absicht eines derartigen Vorgehens so klar, daß das Urteil hierüber jedem billig Denkenden üher- ' lassen werden kann. Im folgenden sei der Gang der Verhand lungen wiedergegeben: -MM 4. Aeptbr. 1908 Beschluß der Städt. Kollegien, ein städtisches Elektrizitätswerk zu errichten bezw. mit dem Erzgebirgischen Elektrizitätswerk in Verhandlungen über den Ankauf des Leitungs netzes einzutreten. 19. Septbr. 1908 Antwort von Olsnitz mit Empfehlung eines Konzcssionsvertrages bezw. des Strom bezuges eu bloc von feiten der Stadt. 1. Oktbr. 1908 Ablehnung des Konzessionsvertrages und Anfrage über den Preis des Leitungs netzes von feiten der Stadt. 29. Oktbr. 1908 Angebot von Olsnitz, zum Ankäufe des Leitungsnetzes und zwar einschl. Kabel, . > Hausanschlüssen,"Zählern, eigner Jnstallat S Nen undch-nmeteten Motoren zuin Preise von 110000 Mark. Preis .o Kilowattstunde hochspannseitig 12 Pfg hierbei ist zu bemerken, daß dann die StaR Infolge der Verluste in den Trans formatoren für die wirklich abgegebene Ki lowattstunde 2—SA Mg mehr zu bezahlen gehabt Me.) Novbr. 1908 Abschätzung des Leitungsnetzes durch einen Sachverständigen im Auftrage der Stadt. Schätzungswert 51600 Mark (gegen Mark 110000!!) 18. Dezbr. 1908 Sitzung des Etektrizitäisausschusses im Beisein des Sachverständigen, Herrn Ober ingenieur Mehlhorn und des Herrn Direk tor Roth, Olsnitz. 12. März 1909 Verhandlung des Elektrizitätsausschus ses im Beisein des Sachverständigen, sowie der Herren Direktor Roth, Dr. Stößel und Dr. Elb, letztere als Aufsichtsratsmitglieder. Dr. Stößel teilt mit, daß der Stadtvertretung das Leitungsnetz zu einem Gesamtpreise von 100000 Mark und bei Abschluß eines Strom lieferungsvertrages auf mindestens 15 Jahre und bei einem Strompreise von 11 Pfg. pro Kilowattstunde hochspannseitig gemessen (o. h. in Wirklichkeit ca. 13,5 Pfg.) käuflich über lassen werden solle. 17. April 1909 Wiederholte Empfehlung eines Kon zessionsvertrages von Olsnitz und Verheißung eines Bezeichungsgeldes von 15 00 Mark pro Jahr für die kostenlose Überlassung der Stra ßen in den vergangenen Jahren (1904—1908). Wesentliche Bestimmungen dieses Vertrages 1. Konzession für den gesamten Stadtbezirk auf die Dauer von 40 Jahren. 2. Ausschließlichkeit für die ersten 10 Jahre. 3. Nach Ablauf der ersten 10 Jahre hat die Stadt gemeinde das Recht, neben der Elektra eine eigene elektrische Anlage zu betreiben oder ein Konkur renzunternehmen zuzulassen unter Weiterbestand der Konzession für weitere 30 Jahre und unttr Einräumung des Rechts an die Elektra, in einen ev. von der Konkurrenz angeborenen Vertrag' ein zutreten. Die Stadt darf im Falle der Errichtung eines eigenen Elektrizitätswerkes die Strompreise nicht niedriger als die Elektra stellen. 4. Der Preis beträgt 50 Psg. für Licht und 20 Pfg. für Kraft. 5. Übernahmerecht der Stadt inbezug aus das Lei tungsnetz nach den ersten 10 Jahren. Tas Netz besteht aus Verccilungsnetz, Anschlußleitungcn, Hochspannungsleitung, Transformatoren, Haus anschlüssen, Zählern sowie mietweise abgegebenen Lichtanlagen uno Motoren. Der Preis des Lei tungsnetzes bleibt 85000 Mark, der Wert wei terer Zugänge wird durch Sachverständige fest gesetzt. 6. Verpflichtung der Stadt, bis zum Ablauf des 40. Jahres Strom nur von der Elektra zu bezechen. Der Strompreis ist so zu bemessen, daß von den Atromeinnahmen des vergangenen Gejchchts;ahrcs nach Abzug der .Strombezugs-, Reparatur- und Betriebskosten ohne Abschreibung eine Summe Übrig bleibt, welche eine Bruttoverzinsung von 5 o/o des Übernahmcpreises gestattet. (Also Ab schreibungsquoten werden der Stadt nicht zuge- billigt!) 7. Abgabe der Elektra an die Stadt, 3 gH dec Rohein- ncchmen und wenn letztere die Summe von Mk. 15000 .übersteigen, 10 °/o, ausgenommen ist der Strom, der unter 10 Pfg. pro Kilowattstunde verkauft wird. 4. Mai 1909 Ablehnung dieses Konzessionsvertragcs durch den Elektrizitätsausschutz. 21. Wai 1909 Beschluß des Elektrizitatsausschusscs, der Elektra ein Angebot von 75000 Marl für das Leitungsnetz mit Strombezug zu HüM niedrigere« Preise als bisher zu wachen. 21. Mai 1909 und 14. Oktbr. 1909 Beratung dieses Vorschlags von feiten der städtischen Kollegien. 22. Oktbr. 1909 Beschluß der städtischen Kollegien, nach dem Vorschläge zu verfahren. 12. November 1909 Verhandlungen zwischen dem Elek- trizitätsausschusse und der Elektra, welche bei den früheren Forderungen (85 000 Mark und 11 Pfg. pro Kilowattstunde) verbleibt, da gegen wird ein steigender Rabatt als wahr scheinlich in Aussicht gestellt. 21. Dezbr. 1909 Der von der Stadt eingereichte von ihrem Sachverständigen ausgearbcitete Ver tragsentwurf über den Ankauf des Leitungs netzes wird von der Elektra avgelchnt und ein neuer Vertrag eingercicht, der bei wei te m u n g ü n st i g e r e B e d i n g u n g e n s ü r die Stadl enthält als dre vorher gehenden. . .r / .' ' ' Die Bestimmungen lauten: 1. Die Stadt kauft das gesamte Leitungsnetz zum Ge samtpreise von 85 000 Mark jedoch ausschließ lich Hochspannungskabel (die früher in dem glei chen Preise enthalten waren.) 2. Die Stadt ist verpflichtet, auf die Dauer des Ver trags — 121/2 Jahr — die elektrische Energie nur von der Elektra und zwar zum Preise von 11 Pfg. (in Wirklichkeit ca. 13,5 Pfg.) für die ersten 100 000 Kilowattstunden und 10 Psg, (in Wirklichkeit ca. 12,5 Pfg ) für jede weitere Ki lowattstunde aus der Hochspaunungsseitc gemes sen, zu beziehen. 3. Im Falle der Preissteigerung oder -Erniedrigung der Kohlen um jede volle Mart erhöht bezw. er niedrigt sich der Encrgicpreis um 0,025 Pfg. pro Kilowattstunde (Kohlcntlausel). 4. Eine event. gesetzliche Eleltrizitätsstcuer hat die Stadt zu tragen. 5. Falts die Stadt einen Konsumenten an ihre Leitun gen nicht anschlicßcn wilt, so ist die Eleltra be fugt, den Anschluß durch eigene Leitung hcrbei- znführcn nnd die im Stadtgebiet gelegenen Ver- kehrsräumc ustv. zu benutzen. 6. Die Elektra verpflichtet fich, elektrische Energie nur soweit cs die vorhandenen Betriebs mittel gestatten, zu licstru. Ter in der Angelegenheit gehörte uuparmische Sach verständige der Stadt erklärte zu dem Vertrage: ^,Der begutachtete Vertragsentwurf enthält verschiedene Punkte, welche im Interesse der Stadt nicht zu em pfehlen sind und ist im allgemeinen für die Stadt ungünstiger als nach Len Verhandlungen zu erwarten wa c." Infolgedessen beschließt der Elektrizitätsausschuß in seiner Sitzung vom 21. März 1910 aic weiteren Verhandlungen mit der Elektra abzubrechen und mit Konkurrenzunternehmungcn in Verbindung zu treten. Die Sachs. Eiektcizitäts-Lieferungs-Gesellschaft hat dann sofort auf die Anfrage der Tladwerirctung 3 verschiedene Vorschläge unterbreitet und zwar: 1. einen Konzcssionsvcrlrag, . , 2. einen Pachtvertrag, . i 3. einen Stromlicserungsvertrag. Sämtliche Verträge enthielten von vornherein we sentlich günstigere Bedingungen als vorher »rotz langer Verhandlungen von Olsnitz angeboicn waren. Von des 3 vorgelegten Vertragsentwürfen ist die Stadt-