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Beilage zu Nr. 278. KOMM TllgkblllN und WoMWtrAnMr Dienstag d so Noobr. 1926 Keine Entscheidung der Botschafter. Aber beschleunigte Erledigung zugesagt. Die Botschasterkonserenz hat sich erneut mit der Entwaffnungsfrage befaßt, ohne jedoch zu einem Be schluß zu kommen. In dem von Havas veröffentlichten Bericht heißt es lediglich, die Botschasterkonserenz habe Kenntnis genommen von verschiedenen Berichten über den Stand der noch in der Schwebe befindlichen Fragen betreffend die Entwaffnung Deutschlands, deren Stu dium sie, wie es in der amtlichen Auslassung heißt, mir dem Wunsche fortsetze, die Regelung soweit wie irgend möglich zu beschleunigen. Dem Vernehmen nach sollen die Berichte der Mi litärkontrollkommission u. a. auch eine Mitteilung über die von der deutschen Regierung neuerdings erlassenen Maßnahmen enthalten, die dazu bestimmt sind, den Be anstandungen der Alliierten über die noch nicht ge regelte Frage der Wehrverbände, des Kriegsmaterials und der Festungen im Osten Rechnung zu tragen. Ser Sch«- der Kleinen. Bölkerbuudsberatuugeu über Artikel 16. l Am 1. Dezember tritt in Genf das sogenannte Ratskomitee des Völkerbundes zusammen, um zu den Anträgen der französischen, polnischen und finnlän dischen Regierung Stellung zu nehmen, die eine be schleunigte Inkraftsetzung der Maßnahmen des Artikels 16 des Völkerbund-Spaltes im Kriegsfälle verlangen. Bon besonderem Interesse ist hierbei der finn- ländische Antrag, der dahin geht, daß der Völkerbund jederzeit weitgehende finanzielle Mittel zur Verfügung des Völkekbundsrates halten soll, um denjenigen klei neren Mitgliedstaaten des Völkerbundes, die von einem großen Nachbarstaat angegriffen werden und sie im eigenen Lande eine Waffenfavrkkaiion nicht be sitzen, den sofortige» Ankauf von Munition, Waffen und Kriegsmaterial z« ermöglichen. In dem Antrag Finnlands wird vorgeschlagen, daß die Beträge, die in einem solchen Falle dem an gegriffenen Staat vom Völkerbund zur Verfügung ge stellt werden sollen, der wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Lage dieses Staates, sowie der dem angreifenden Staat zur Verfügung stehenden Hilfs mittel entsprechen sollen. Je größer das Mißverhält nis zwischen militärischen Kräften des angegriffenen und des angreifenden Staates sei, desto größer solle die sofortige finanzielle Hilfe des Völkerbundes im Kriegsfälle sein. Mit diesem Antrag wird sich nun mehr das Ratskomitee des Völkerbundes und daran an schließend der Völkerbundsrat zu beschäftigen haben. Deutschland ist in dem Ratskomitee durch Ministerial direktor Goeppert vertreten. * . , . - Berliner OWund-Kundgebung. Die unmögliche deutsch« Ostgrenze. Die Berliner Tagung des Deutschen OstSundes wurde am Freitag abend durch eine große ostmär- kische Kundgebung im Berliner Konzerthaus eingeleitet. Nach einer Begrüßungsansprache des Bundespräsi denten, Geheimen Oberregierungsrats von Tilly, sprach Freiherr von Rheinbaben über „Locarno, Genf, Thoiry und die Ostfragen". In Locarno hätten wir, so führte der Redner aus, gegen bas Bestreben Frankreichs ge rungen, auch nach Osten hin sein ganzes politisches Ge wicht durch Garantierung des deutsch-Polnischen Schieds vertrages auszudehnen. Bezüglich des Artikels 16 des Versailler Vertrages hätten wir wenigstens die Gewähr von den Großmächten erhalten, daß Deutschlands Lage besonders berücksichtigt werde und vor allem ver hindert, daß Deutschland Kriegsschauplatz für andere Völker werde. Eine Garantierung der deutschen Ostgrenzen sei weder in Locarno noch in der Folgezeit in Frage ge kommen. Mit Gewalt nnd Drohung habe man «nS die jetzigen Grenzen im Osten anfgezwungen und damit ein solches Unrecht begangen, daß wir die Hoffnung nicht ausgeben dürften, daß die Geschichte dieses Urteil korrigieren werde. Die ostoberschlesische Abstimmung müsse ein Vor bild dafür sein, daß die Ostmarkenfrage keine Par teisrage, sondern eine Angelegenheit des ganzen deut schen Volkes sei. Die Vertretertagung des Ostbundes, die am Sonn abend vormittag begann, brachte eine eingehende Aus sprache über das „Sofort-Programm" der Reichs- und Staatsregierung. Vorher teilte Bundespräsident Ge heimer Oberregierungsrat v. Tilly mit, daß Berlin be absichtige, ein Ostbundhaus als Mittelpunkt aller ost deutschen Bestrebungen zu errichten, das den Namen „Hindenburg-Haus" tragen werde. In dem Hause solle unter anderem auch ein Hindenburg-Museum unter gebracht werden. Jeder Ostmärker solle wissen: „Das ist mein Haus und hier werden alle meine Bedürfnisse befriedigt."^, - Ungünstiger Emiem-fall. Dr. Haslinde über Vie Lage der Landwirtschaft. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirt schaft, Dr. Haslinde, hielt auf dem Bauerntag in Ulm einen Vortrag über den heutigen Stand der Landwirtschaft. Eingehend aus den Ausfall der Ernte führte er u. a. aus: Wenn die augenblickliche Lage der Landwirtschaft auch immerhin noch recht gespannt und ernst sei, so könne man doch dank der von der Landwirtschaft mit großer Energie in die Wege geleiteten Selbsthilfe in Verbindung mit den Nntcrstützungsaktioneu von Reich «uv Ländern gegenüber dem größten Tiefstand nach der Ernte des Jahres 1925 in mehr als einer Hinsicht von einer beginnenden Besser nng sprechen. Leider habe die diesjährige Ernte die in sie gesetzten Erwartungen enttäuscht. Sie dürfte nach der bisherige» Schätzung bei Brotgetreide um etwa 20 Prozent, bei Kartoffel» sogar um 25 Prozent hinter der Ernte des Borjahres Zurückbleiben. Dieser wenig günstige Ernteausfall habe zusammen mit anderen Ursachen die Preise für landwirtschaftliche Produkte, vornehmlich für Roggen und Wetzen, bisher auf einer Höhe gehalten, daß die Landwirtschaft sich im allgemeinen nicht beklagen könne. Es lägp indessen keineswegs im wohlverstandenen Interesse der Land wirtschaft selbst, wenn sich diese durch die Preisent entw icklung der letzten Zeit zu einer verfehlten SP^ kulation verleiten lassen und etwa Getreide künstlich zurückhalten würde, ganz abgesehen davon, daß die Ernährung unseres in weiten Schichten verarmten und, besonders in dem großen Heer der Arbeitslosen, not leidenden Volkes zu erträglichen Preisen sichergestellt werden müsse. Wohlfahrtspflege und GemeindehauS-alt. Krieg und Inflation haben den alten Reichtum des deutschen Volkes vernichtet. Das weiß ein jeder, das verspüren heute die meisten. Auf Schritt und Tritt begegnen wir dieser Tatsache. Sinnfällig tritt sie uns vor Augen: im Lebensmittelgeschäft, wo mehr „Partieware" gekauft wird, im allgemeinen Bedarfs- Leckungsgeschäft, wo auf „Abzahlung" gekauft wird, im Theater, wo man sich zur „Galerie" drängt, kurz überall, wo Menschen miteinander in Verkehr treten. Dort zeigt sich verminderter Wohlstand, aber noch nicht Armut. Diese zeigt sich in ihrer ganzen Größe und zahlenmäßigen Auswirkung wie auch Zusammenfas sung in dem finanziellen Aufwand für Wohlfahrts pflege in den gemeindlichen Haushalten, besonders der größeren Städte. Nach der Denkschrift des Deutschen Städtetages: „Städte, Staat und Wirtschaft", war der etatsmäßige Finanzbedarf der vom Städtetag untersuchten Städte im Jahre 1925 um 390 Proz. höher als im Jahre 1913. Auf den Kopf der Bevölkerung entfielen 1913 Mark 5,60, 1925 Mark 24,50 oder etwa 340 Proz. mehr; der Wohlfcrhrtsbedarf betrug 1925 mehr als die Hälfte des gesamten Finanzbedarfs von 1913 (Mark 45,70). Diese Zahlen wurden in Wirklichkeit überschritten. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Reichsfinanzstatistik für 1913 und 1925 stieg der Wohl fahrtsbedarf auf den Kopf der_ Bevölkerung nach den Rechnungen von 65 Städten auf das Achtfache. — Vom gesamten etatsmäßigen Finanzbedarf beanspruchte die Wohlfahrtspflege 1913 etwa ein Achtel, 1925 etwa ein Drittel; sie hat damit alle übrigen Verwaltungszweige überflügelt. Einen gewissen Anhalt für den gegenwärtigen Um fang der Wohlfahrtspflege bietet die Tatsache, daß in 156 Städten mit 22,4 Millionen Einwohnern be reits im November 1925 von 25 Einwohnern je einer in öffentlicher Fürsorge laufend unterstützt worden ist. Der Kreis der unterstützten Personen hat seit November 1925 noch beträchtlich zugenommen, so daß der Gesamtaufwand für Fürsorgezwecke auch im Etats jahr 1926 wesentlich gestiegen ist. Das sind Ziffern der Armut des deutschen Volkes. Sie sollten uns zu denken geben, vor allem in einer Richtung: daß alle diejenigen, deren nackte Existenz noch nicht durch obige Zahlen gehalten wird, mehr als bisher sich ihrer sozialen Pflichten gegenüber der not leidenden Gemeinschaft bewußt werden. In solcher Lage heißt es: Alle Mann an Bordl Ein jeder kann da helfen, Mann und Frau, durch Wort und Tat. Nachbarschaft und Berufsstand, das sind für jeden die nächsten nnd wichtigsten Stätten der sozialen Hilfs- tätigkeit. Einbruch in das alte Krkssminlsterium. Das Oeffnen eines G eh ei m a kt en sch r a n ke s mißglückt. Unerwünschten Besuch erhielt Vas ehemalige Preu- NNwe Kriegsministerium, jetzige Rcichswehrministerium, Landtagsgebäude her sind nach den Feststellungen Einbrecher über Vie Trennungsmauer gestiegen und so in de» Garten ves Ministeriums ge- l""9t- Bon hier aus vrangen sie Vann in ven frühe ren Wrntergarten ein, müssen aber gestört worven sein, denn es sind irgendwelche Behältnisse dort nicht erbrochen worden. Hierauf wandten sich die Einbre- cher der Botenmeisterei zu und entwendete» aus einem Schreibtisch für etwa 100 Mark Freimarken. Bon dort drangen die Diebe immer weiter vor nnd ge langten schließlich in -er Abteilung für Heeresnnter- kunst in das Zimmer eines Referenten, der gewisse Akten zu bearbeiten hat, deren Inhalt auch ven Beam ten -er Behörde nicht ohne weiteres zugänglich ist« Der Referent Pflegt jeden Abend das Material in den Tresor zu schließen, um es vor unberechtigten Zu griffen zu schützen. Das war auch jetzt geschehen. Die Diebe müssen offenbar einen Helfer aebabt haben, der Heimchen. Roman von Erich Ebenstein. Lepyri-Ht by Brun« L- Tomp., Bmlin W. 80. (Nachdruck verboten.) 65. Fortsetzung. „Nein, es ist völliger Ernst. Du kannst Auto oder eigenen Wagen nach Belieben haben, kannst dir die ele gantesten Toiletten bestellen und überhaupt jeden Wunsch erfüllen! Denke mal, wie hübsch das wäre — wo du doch bisher in deinem ganzen Leben immer nur sparen und verzichten mußtest!" „Ich habe das nie als schwer empfunden." „Na — das sagt man so. . . sich selbst zum Trost. Aber anders ist doch besser. Probier's nur erst mal. Ich bin überzeugt, in einem halben Jahr kannst du gar nicht mehr sein ohne Auto und all den Krimskrams, der das Leben erst schön und lebenswert macht!" „Ich werde ihn gar nicht kennen lernen, denn ich habe Mich entschlossen, überhaupt nie zu heiraten." „Blödsinn! Warum denn nicht?" .Serena wurde rot und schlug die Augen nieder. „Ich glaube, ich tauge eben nicht zum Heiraten, weil es mir so ganz und gar unmöglich erscheint. . . murmelte sie. Fredegild betrachtete sie aufmerksam. „Bist du etwa schon verliebt in jemand?" ftaate sie »ach einer Pause mißtrauisch. ' ' „Ich — o Gott, nein, gewiß nicht!" „Na dann hast du aber doch wirklich gar reinen Grund, eine so glänzende Partie aus Laune oder Eigen sinn abzulehnen! Direktor Herrlinger bietet dir, was wenige Männer bieten können, er besitzt viele Millionen, ist ein guter, liebenswürdiger Mensch, und bedenke doch auch das: durch diese Heirat ziehst du als Herrin in das Schloß deiner Vorfahren ein!" Serena starrte die Sprecherin in grenzenloser Ver blüffung an. „Herrlinger ist es? Woher weißt du das denn ... oah « mich zur Frau .. ." „Wahrscheinlich, weil er es mir gesagt hat! Uebrigens ' bat er mich direkt um meine Vermittlung, und die habe ich ihm zugesagt." „O Fredegild — wie konntest du das tun? Du hättest sofort ablehnen müssen. Herrlinger könnte mein Großvater sein! Und überhaupt... ich sagte dir ja, ich würde nie heiraten . . . nein, ganz bestimmt nie!" „Ich hoffe im Gegenteil, daß du, wenn er kommt, sehr nett und lieb sein wirst gegen ihn, und nachdem du dir die Sache erst überlegt hast, auch bestimmt ja sagen wirst." „Nie! Nie!" „Bah, steigere dich nur in keine Ueberspanntheiten hinein, und wenn dich schon die Vorteile für deine Person nicht locken, so bedenke doch auch, wie viel Gutes du als reiche Frau tun kannst! Wie viele Tränen.trocknen, wie viel Not lindern, wie viele Menschen vor Verzweiflung retten! Das ist ja dein Steckenpferd, dich für alle Welt zu opfern. Nun — so opfere dich doch auch hier!" „Ich kann nicht, Fredegild... ich kann es in biesein Fall wirklich nicht!" „Aber andern Leuten auf der Tafche liegen, das Kuckucksei im fremden Nest sein — das kannst du? Ach, mach kein so entsetztes Gesicht — es ist doch notwendig, baß dir einmal jemand die Wahrheit sagt... da du selbst es nicht tust! Du weißt, Mama muß für Geld arbeiten, um sich durchzuschlagen, du weißt auch, daß sie dich aus Pflichtgefühl nie freiwillig fortschicken wird, weil du zufällig das Kind ihrer Schwester bist. Aber wenn du sie wirklich so lieb hast, wie du immer sagst, ja, wenn du nur einen Funken Stolz oder Ehrgefühl hättest, würdest du schon um ihretwillen dankbar die Gelegenheit ergreifen, um wenigstens diese Sorge aus ihrem Leben zu nehmen! Glaubst du, sie würde nicht aufatmen, wenn sie dich so gut versorgt wüßte? Und wieviel könntest du ihr dann tun, als Herrlingers Frau! Ich bin überzeugt, er würde dir zuliebe Mama und Martha mit Freuden nach War- tenegg nehmen, wo beide ein schönes, sorgenloses Alter haben könnten. Das wäre dann dsch endlich eine Tat deinerseits. So aber sprichst du nur immer schöne Worte von Selbstlosigkeit, Dankbarkeit und Opfermuts und wenn du's. beweisen sollst — versagst du!" „Also überlege es dir nun in Ruhe und dann beweise, was du bist: Ob ein Kuckucksei, das sich auf fremde Kosten ausbrüten läßt, oder ein vernünftiger Mensch, dem es Ernst ist mit Liebe und Dankbarkeit!" Serena saß da wie erschlagen und starrte fassungslos nach der Tür, die sich hinter ihrer Kusine geschlossen. „Kuckucksei... Kuckucksei... wie Peitschenhiebe pfiff ihr das Wort um die Ohren, während in ihrem Kopf ein wirres Durcheinander von Gedanken kreiste. ' Dachten sie alle fo wie Fredegild? Herrlingers Frau! Nein — nein — nein, das konnte sie nicht werden... überhaupt keines Mannes Weib...! Das durften sie nicht von ihr verlangen... sie wärq ja lieber gestorben... Aber fort mußte sie natürlich. So bald als möglich. Irgendwohin, wo sie ihr Brot selber verdienen konnte..'. Serena brach plötzlich in wildes, lautloses Weinen aus. Wie war das Leben so schwer! Wie dunkel und ver worren alles in ihr selber! Schon die ganze letzte Zeit war es wie ein dumpfer Drua aus ihr gelegen... als ob sie ein Vorgefühl tom- menden Unglücks gehabt hätte... Draußen erklang die Klingel an der Wohnungstür. Serena hörte es nur wie im Traum- Erst als es ein zweites Mal lauter, stürmischer klingelte, schreckte sie auf und erhob sich mechanisch, um öffen zu gehen. An der Tür blieb sie einen Augenblick stehen. Ihr Gesicht war naß von Tränen, die mußte sie erst trocknen... Als sie dann die Wohnungstür öffnete, um hinaus zugehen, sah sie, daß Fredegild bereits aus ihrem Zimmer gekommen war und eben die Flurtür öffnete. 28. Kapitel. Serena hatte die Tür gleich wieder schließen wollen. Aber vor dem, was jetzt vor ihren Augen geschah, blieb sie wie gelähmt in sprachlosem Entsetzen stehen. Durch die von Fredegild geöffnete Tür war nämlich inzwischen Leo Aatory eingetreten. (Fortsetzung folgt.)