Volltext Seite (XML)
aber öffentlich erklärt, daß er sich nie gegen die Enzyklika ausgesprochen habe. — (Die bayrischen Reservatrechte.) Aus München wird geschrieben: DaS Defizit von 17 Millionen, mit dem der bayerische Staatshaushalt für 1908-09 abge schlossen hat, verdient noch nach einer anderen Seite hin beleuchtet zu werden. An den Mindercrträgnissen ist die bayerische Post mit 5 Millionen, die Eisenbahn mit 19 Millionen und die Malzsteuer mit 8 Millionen beteiligt. Den unvorgesehenen Uberschuß von 11 Mil lionen, den die Erbschaftssteuer, die Slaatssorsten und die besonderen Staatsbetriebe (Bergwerke, Hütten und Salinen) ergeben haben, ist in dem Riesendcfizit von L7 Millionen spurlos verschwunden, daS Bayern allein seinen Reservatrechten für die Eisenbahn, Post und Biersteuer verdankt. — Dafür hütet aber auch die re gierende Partei, das Zentrum, eifersüchtig diese Reser- vatrechtc Bayerns, „damit man draußen (!) sieht, daß Bayern noch existiert", wie sich der Zentrumsprälat Datier einmal bei der Verteidigung der bayerischen Sonderpostmarken voll Stolz über die Isolierung der bayerischen Großmacht ausgesprochen hat. — (In einem Artikel „Ohne Fühlung",) der nicht ohne Grund den Mangel der Fühlung unserer Reichsregierung mit den Parteien und großen Wir:- schaftSgruppen lebhaft beklagt, bemerkt die von dem nationalliberalen Dr. Böttger herausgegebene „Deut sche ReichSkorrespoNdenz": „Ebenso notwendig ist aber auch angesichts der steigenden roten Flut die Vermitt lung der Regierung in dem Sinne, daß die bürgerlichen Karteien von den über das Maß erbitterten Kämpfen gegeneinander ablassen und die größere Gefahr wie der respektieren lernen. Hier pflegte in noch nicht allzu weit zurückliegenden Zeiten der Chef der Reichskanzlei Gelegenheit zu nehmen, sein politisches und diplomati sches Geschick zu zeigen. Heute bemerkt man an dieser Stelle nur ein hohes Maß von Gleichgültigkeit und Unbeholfenheit gegenüber gerade dieser Aufgabe, deren Bedeutung der Regierung doch allmählich klar geworden sein muß." — Mit Herrn Bassermann hat der Reichs kanzler bekanntlich im Eisenbahnabteil eine längere Un terredung gehabt. Von einem Wunsch des nationallibera- lcn Führers, die bürgerlichen Parteien möchten von den über das Maß erbitterten Kämpfen gegeneinander ablassen, war freilich in seiner Hamburger Kundge bung nichts zu spüren, eher vom Gegenteil. Ausland Newyork. Das letzte über das Befinden dies Bürgermeisters Gaynor um 10 Uhr abends veröffent lichte Bulletin besagt, daß der Bürgermeister sich bei Bewußtsein befindet. Es besteht keine unmittelbare Ge fahr. Die Ärzte nehmen an, daß sich die Kugel in der Gurgel befindet. — Anläßlich des Attentats auf Bürgermeister Gaynor schreibt die „Evemngpost": Der Wert seines Wirkens als Bürgermeister ist geradezu als einzig in seiner Art zu bezeichnen. Tas ganze Laud bedauert das Attentat und erkennt an, daß die Art und Weise, wie Gaynor sein Amt verwaltet hat, ge radezu ein Ideal von Regierung darstellt. — „Evening Sun" schreibt: In wenigen Monaten hat Bürgermei ster Gaynor es verstanden, sich die öffentliche Ächtung zu gewinnen. — „Evening Mail" schreibt: Gaynor toar gewöhnt alle seine Schlachten zu gewinnen, und die Stadt Newyork und die Vereinigten Staaten wün schen, daß er auch diese Schlacht, in der er beinahe ge fallen wäre, gewinnt. Aus Rah uud Fern. Licht-»steix, 11. August 1910. * — Lie Wettervorhersage für morgen lautet: Westwind, zunächst wolkig, später aufheiternd, meist trocken. * — GtxdttXd. Wassertemperatur für heute: 22« C. * — DaS schöne Erntewetter, das seit Sonn tag herrscht, ist von den Landwirten uno Feldbcsitzern fleißig zum Einfahren der Roggen- und Wrizenernte benutzt worden. Es wurde freilich auch die höchste Zeit, denn die Körner fingen in den Garben infolge der Feuchtigkeit schon zu keimen an. *— Ann» Parkfeft, das uns bei einigermaßen gün stigem Wetter gewiß eine große Zahl auswärtiger Be sucher zuführen wird, gedenkt auch die in Chemnitz be stehende Landsmannschaft ehem. Lichtenstein-Callnber- ger zu kommen und zwar werden die uns lieben Gäste am Sonntag früh um 8 Uhr in ihrer Heimatstadt ein treffen. Um 10 Uhr soll ein gemütlicher Frühschoppen im „Johannisgarten" stattfindcn, um 2 Uhr erfolgt dann der gemeinschaftliche Besuch des Festplatzes. Hof fentlich nehmen die Landsleute nach vergnügt verleb ten Stunden bei der Heimfahrt angenehme Erinnerungen von hier in ihren jetzigen Wirkungskreis mit. * — Der König! Sachs. Militärverein begeht, wie schon mehrfach erwähnt, am 11. und 12. September dieses Jahres sein SOjähriges Vereinsju biläum in großem Umfange. Wie wir hören, haben schon viele auswärtige Vereine ihr Erscheinen, zum Feste zugesagt, sodaß sich also bei günstigem Wetter am 1l. September in unserer Stadt ein reger Verkehr abspielen dürfte. Die Feier ist in ungefähr folgender Weise geplant: Sonntag, den 11. September vor mittags: Reveille, Kirchenparade, Feier auf dem Gottesacker und am Kriegerdenkmal; nachmittags: Em pfang der Ehrengäste und Vereine im GoGnen Helm, daselbst Gartenkonzert bis 1/2 5 Uhr, anschließend kurzer Fcstzug und sodann großer Kommers im Krystallvalast. Montag, den 12. September vormittags: Früh- schoppenkonzert im Stadtpark-Restaurant; nachmittags von 4 Uhr an: Festtafel und Ball im Neuen Schützen haus. * — Eine Morgenmufik wurde heute früh Herrn Oberpfarrer Seidel anläßlich seines 30 Geburts tages vom Posauncnchor des Ev. Jünglingsvereins gebracht. * — Ium zweiten Male blüht in diesem Iah re im Garten des Herrn Schmicdemeister Schubert, Zwickanerstraße hier, ein sog. Vogelbeerbaum, der ne ben den schönen gelblich-roten Beeren eine ganze An zahl Blüten trägt. * — Die Post spart mit Hilfe des Publikums, sie schiebt einen Teil des Schreibwerkes dem Publi kum zu. Ein Beweis dafür sind schon die seit dem 1. Juli ausgegebenen neuen Postanweisungs-Formula re, mit welchen gleich die vom Publikum auszufüllende Empfangs-Bescheinigung verbunden ist-. Früher mußte der Schalter-Beamte die Bescheinigung ausschreiben, heute hat er nur Namen und Stempel darunter zu setzen. Anzuerkennen ist, daß damit die Abfertigung des Pub- lekums bedeutend schneller wie früher von statten geht. In diesem Sparsystem wird weiter fortgefahren. Vom 1. Januar 1911 ab kommen die neuen Nachnahme-For mulare, die mit einer Postanweisung für die Rücksen dung des nachgenommenen Betrages verbunden sind, allgemein zur Einführung. Der Absender bat dann Nachnahme- und Anweisungs-Formulare LuSzufüllen, für die Post bleiben nur kurze Vermerke. Natürlich hat nun wieder das Publikum mehr zu tun, aber im In teresse der Schnelligkeit der Schalter-Abfertigung und für die Post, die ja nun doch immer die populärste Be hörde bleibt, wird das gern geschehen. Dieser Reform- Weg dürfte wohl mit großem Eifer weiter beschritten werden. ' * — Die Seife wird teurer! Die den Seifen fabrikanten früher als alleinigen Verarbeitern zur Ver fügung stehenden Ole und Fette werden jetzt zum größ ten Prozentsatz von den Butterfabriken zur Herstel lung von Margarine und anderen Pflanzenfetten ver wendet. Durch die dadurch entstandene gewaltige Nach frage sind die Preise der Rohmaterialien enorm ge stiegen, sodaß eine wesentliche Erhöhung der Seifen preise nicht ausbleiben kann. Es ist daher zu empfehlen, die billigen Seifenanpreisungen zu benutzen, wenn man dabei die Garantie hat, prima Qualitäten zu erhalten! Nicht jedes billige Angebot gibt die Gewähr für gute Ware, deshalb prüfe jeder und dein wirklich Guten gebe man den Vorzug. Turnerisches. Der 14. Deutsche Turntreis (Königreich Sachsen) umfaßt nach den Ergebnissen der diesjährigen amtlichen Erhebung 1185 Turnvereine an 980 Orten mit 144 594 Mitgliedern, von denen ins gesamt 77 692 praktische Turner sind, darunter 8079 Vorturner. Der Turnkreis gliedert sich in 26 Gaue und 5 Vereine mit Gaurechten. Barunterstützungen zur Tilgung der Schulden des Turnhallenbaues erhielten folgende Turnvereine im Königreiche Sachsen: Colmitz 300 Mark, Klein-Rückerswalde 300 Mark, Leipzia- Schleußig 400 Mark, Lengenfeld i. V. „Gut Heil" 400 Mark, Oberlungwitz „Germania" 400 Mark, Pleißa bei Chemnitz 300 Mark, Thurm bei Glauchau 300 Mark. * — Gegen das Borgunwesen. Einen prak tischen Schritt zur Bekämpfung des Borgunwesens hat jetzt die Handwerkskammer zu- Halle getan, indem sie den Handwerkern kleine Zettel zur Verfügung stellt, die auf die Rechnungen aufgeklebt werden und folgen den Wortlaut haben: „Nach einer Aufforderung der Handwerkskammer besteht für mich die Pflicht, bei je der Lieferung, spätestens aber monatlich (viertcljähr- lichf Rechnung auszuschrciben. Die sofortige Rech nungszustellung erfolgt wesentlich auch im Interesse der Kundschaft zur Vermeidung von Irrtümern Rekta-» mationen müssen innerhalb 14 Tagen erfolgen." r. Heinrichsort. (Gute Lust.) Trotz des öfters eingetretenen Witterungswechsels und der zuweilen sehr starken Winde ist hier in der Zeit vom 17. Mai bis 8. August dieses Jahres nur ein 2 Tage altes Kind verstorben. Es ist das ein Beweis, wie gesund unser Ort liegt und wie wesentlich der nahe große Wald die Gesundheit fördert und erhält. — (Inspizierung.)' Kommenden Sonntag Vormittag 11 Uhr findet hier Inspizierung der freiwilligen Feuerwehr statt. — (Bei der hiesigen Pfennigsparkasse), die alle Einlagen mit 3s^ go verzinst, haben an zwei im Juli abgc- haltcnen Spartagen 313 Personen gespart. Mülsen St. Jacob. (Der Vcreinsschrank) des Gesangvereins „.Harmonie" hier, der seinerzen guf recht sonderbare Weise von seinem Aufstellungsplatze ver schwand, ist jetzt wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegebcn worden. Laut Verfügung der Kgl. Amts- hauptmannfchaft Glauchau fand gestern im Beisein der Gendarmerie die Rückgabe des beinahe zur Berühmtheit Im engen Kreis Originalroman von Martin Bauer. 68 (Nachdruck verboten. „Wir gehen zusammen, Kind, und kein Mensch wird Sie behelligen, ich verspreche es Ihnen." Sie konnte Evas Scheu begreifen, daß sie jeder Begegnung mit Menschen auszuweichen suchte. Aber das mußte überwunden werden, je eher, desto besser. Es war nicht möglich, auf die Dauer Eva wie eine Treibhauspflanze vor jedem Luftzuge zu behüten, fie mußte es lernen, Menschen und Ereignissen die Stirn zu bieten. Edith selbst tat freilich das Herz ein bißchen weh, wenn sie daran dachte, daß Eva zurück mußte in die Försterei, unter die Botmäßigkeit ihres Vaters. Aber daran war wohl kaum etwas zu ändern, denn die Toch ter gehörte zum Vater, das war ja ein unumstößliches Naturgesetz. Die Tage der Försterei waren freilich gezählt. El- berding hatte beschlossen, Lukaczyk zu pensionieren. Dann konnte er fortziehen, und je früher das geschah, um so besser. Der ihm unterstellte Forst war grausam ver nachlässigt; daß da Wandel geschaffen wurde, tat not. Elberding hatte das schon lange beabsichtigt, aber es war beim Wollen geblieben, sein Arbeitseifer, seine Tat kraft war in Schlummer gewiegt gewesen, Möwus aber hatte für den alten Mann noch immer eine Entschul digung zu finden gewußt. Edith dachte darüber nach, was alles sich geän dert hatte, seitdem sie ihren Einzug in Marnow gehal ten hatte. — Gerade ein Jahr war seit jenem Tage > vergangen — und yms nun? Was brachte >br diie ' Nächste Zukunft? s Wie eine Antwort auf diese Frage konnte es gel len, als eben Möwus kraftvolle Gestalt in ihrem Ge-, sichtskreis auftauchte. Sie bog sich hinter den Vorhang zurück, sie wollte nicht gesehen sein, wenn seine Augen! etwa zu dem Fenster cmporschweifen sollten. Richtig, I da ging sein Blick hoch, kurz, aber forschend und ein-1 dringlich. Edith bog sich noch weiter zurück, sie fühlte, daß ihre Wangen heiß wurden, und nun bemerkte sie — sie hatte scharfe Augen und täuschte sich nicht — daß ein Lächeln um seinen Mund zuckte. Er hatte sie also bemerkt und lächelte nur darüber, daß sie sich wie ein Backfisch hinter die Gardine verbarg. Sie erhob sich hastig und stellte sich hoch aufgerichtct möglichst auffällig an das Fenster. Schade, daß sein Blick schon wieder abgeschweift war, daß er somit nicht mehr wahrnahm, daß sie sich eines Besseren besonnen hatte, eingesehen hatte, daß solches Versteckspielen ihrer nicht würdig sei, nicht würdig des Verhältnisses, in dem sie zueinander standen. Ja, in welchem Verhältnis standen sie^enn eigent lich zueinander? Die Frage war leicht aufgeworfen, schwer beantwortet. Auf eine Frage, wieder eine Frage! Damals, als Eva den Unfall hatte, mar auch eine Frage an sie gestellt worden, ihre Antwort hatte das Schicksal verhindert. Welche Antwort hätte sie gegeben? Der Zufall, ein ganz eigenartiger tückischer Zu fall hatte sich ins Mittel gelegt und ihre Antwort ver tagt. Vielleicht für immer vertagt. Sie Halle schon oft die Erfahrung gemacht, daß das Sprichwort : „Auf geschoben ist nicht aufgehoben", nicht die Wahrheit be sagt, daß im Gegenteil aufgeschoben, zumeist aufge hoben für immer bedeutet. Sollte sie das bedauern? Sic war wohl lange genug steuerlos in der Welt umhergetrieben morden, um eine starke Hand, die die ihrige fürs Leben festhielt, schätzer zu können, und eine ruhige, auf Achtung und Sympathie begründete Zuneigung war einer Himmel- stürmenden Neigung gewiß vorzuziehen. Sie brauchte nur an Adele und die überschwengliche Seligkeit deren erster Ehejahre zu denken. Sie stand noch immer am Fenster und lehnte die I Stirn gegen das Holzkrcuz. Eine Schar weißer Tau- I bcn stolzierte umher, Körner aufpickcnd. Dazwischen mengte sich das bunte Hühneroolk. Ter Hahn krähte lustig unkd schlug mit den Flügeln, sah zu, wie es seinen Hennen schmeckte, ohne sich doch selber an der Mahlzeit zu beteiligen. Auch ein paar Enten wünWyk ihren Anteil und watschelten hurtig herbei. Da ward Hundegekläff laut, in tollen Sprüngen rasten Elberdings beide Hunde ihrem Herrn cHoran, und das gefiederte Volk stob init großem Geschrei aus einander. Der buntschillernde Hahn, der sich noch eben in majestätischen Bewegungen gefallen hatte, rannte da von wie ein dummer ungezogener Gassenjunge. Alle Majestät war ihm abhanden gekommen in der Todes angst. An Ejlberdings Arm hing Annemarie. Sie wiar zierlich und nett gekleidet, ihr Flechtenkrönchen schim merte silbern, denn sie trug keinen Hut. Sie legte dis Hand über die Augen und sah blinzelnd nach dem Fenster, an dem Edith stand. Sie machte eine deutende Bewegung nach der Sonne und winkte Edith zu. Das hieß wohl ungefähr: „Das Wetter ist herrlich, komm' herab." Es war verlockend, und Eva konnte ganz gut schon ein Stündchen allein bleiben. Edith wollte schon zu stimmend nicken. Da trat Möwus aus der Speicher tür, die er hinter sich verschloß. Er grüßte, Elberding grüßte wieder, dann gingen die Augen der beiden Her ren in der Richtung von Annemaries Blicken. Beide lüfteten die Müßen, Edith dankte höflich, aber ihr schön gefaßter Beschluß ward wieder verworfen. Sie wollte sich Möwus nicht in den Weg stelle«, um sein Erinnerungsvermögen aufzufrischen. Bon Wt mußte es ausgehen, wo er so jäh abgerissen warb. Wer weiß, ob er das wollte? Sie trat vom Fenster zurück, nachdem sie aaf 1 einen wiederholten Wink Annemaries mit einem ent schiedenen Kopffchütteln geantwortet hatte. (F« f !