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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.06.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191006050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100605
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-05
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.06.1910
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Ma, Hafer stetig. Mat« fest. La Plata S7.V0. Wetter: Schön. »»,««,»«. Breme«, S. Juxt. Ofst-irll« Notierunaen der Baumwollbörse. Lendrnz: Stetig. kpl. middl loro 7v^b. rivevpovl, 3. Juni. Umsatz 8000 Ballen, davon für Spekulation und Export — «allen. Amerikaner stetig, 1 Punkt niedriger. Egypter träge, unverändert. Lieferungen stetig. Juni 7,68, Juni>Jult 7,V6, August- Sept. 7,20, Oktoorr-November 6,b7, Dezember-Jan. 6,46 Deutsche «ürgschaftSbank, r. G. m. b. H. in Liqu., Leipzig. Hugo Arthur Jonatha», Buchdruckereibesitzer, DreSden-Neustadt. Johannes Max Hähle, Kaufmann, Dresden. Alfred Meyer, Musikalienhandlung, Riesa. Johanne» Frenzel, KuhrwerlSbrsttzer, Bischoftwerda. E. M. Höhle, Lcdergeschäfisiubaber, Freiberg. Albin Rögner, Kohlenhändler, Erfenschlag-Chemnitz. Emil Bruno Steyer, Korbwarengcsch., Eppendorf-Augustusburg. Emil Hugo Bogel, Maschinenbauer, Crimmitschau. August Hermann Ramm, Schachtelmaler, Heidelberg-Sayda. Kleine Chronik. * Iuliu- Wolff s. Im Alter von 75 Jahren starb in Charlottenburg Iuliu» Wolff, der Dichter vieler in der deutschen Familie heimisch gewordener romantischer Epen. Iuliu» Wolff war kein „Neu» töner", im Gegenteil, er war ein Epigone Scheffel», neue Gedanken hatte er uns auch nichtzu sagen, aber wa» er in den alten Sagenstoffen vom Tann häuser, vom Rattenfänger, den er Singuff taufte, vom wilden Jäger, von der Lurlei usw. gehört hatte, das verstand er in gefälliger, einschmeichelnder Art vorzutragen. „Butzenpoesie" nannte Paul Heyse witzig seine Art, lyrische Gedichte in seine Epen einzuflechten; wie sehr aber das deutsche Volk sich an der herausbeschworenen Romantik deS Mittelalters erfreute, das bewies die Auflagenziffer der Werke Wolffs — eine so hohe hat selten ein deutscher Versedichter erreicht. * Zur Zeppeliusahrt «ach de« Nordea. Aus dem Dampfer „Mainz" deS Norddeutschen Llyod wird sich am 1. Juni die Borexpedition einschiffen, die bei Spitzbergen die Möglichkeit de» für den Sommer 1912 geplanten Zeppelinfluges nach dem Nordpol studieren wird. An der Expedition nehmen teil Prinz Heinrich von Preußen, Graf Zeppelin, Geheimrat Lewald, Professor Hergesell und Pro fessor DrygalSki. Auf Spitzbergen geht Prinz Heinrich aus den norwegischen Eisdampfer „Phönix" über, um die eigentliche Basis für die spätere Hauptex- pedition im hohen Norden zu erkunden. * Bou der Priuz Heturich-Kahrt. Die erste und zweite Etappe der Prinz Heinrich-Fahrt ist glatt verlaufen. In Braunschweig kamen am Donners tag abend 114 Wagen an. Auch die Tour Braun schweig-Kassel ging ohne Unfälle von statten. Heute werden die Prinz Heinrich-Fahrer die dritte Tages- tour von Kassel bis Nürnberg zurückrulegen haben. * BerhSuguisdolle Pulver explosiv» Im Keller eines aus dem Ringplatze in Przemysl (Galizien) gelegenen, dem Mühlenbefitzer Gchanzcr gehörenden Hauses ereignete sich, wie schon gestern kurz gemeldet, eine Pulverexplosion, wodurch zwei Stockwerke in die Luft flogen und das Haus vollkommen zerstört wurde. Durch die umherfliegcnden Trümmer und den Einsturz wurden sämtliche im Keller beschäftigten I Personen getötet L» gelang bisher noch nicht, sie zu bergen, auch konnte die Zahl der Opfer bisher nicht festgestellt werden. 20 Personen wurden meist schwer verletzt. Der Materialschaden beträgt >50000 Kronen. Man glaubt, daß sich große Dynamitvorräte in dem Keller befunden haben, wodurch die Heftigkeit der Explosion veranlaßt wurde. Zwei Nachbarhäuser wurden stark beschädigt. Weiter stürzten ein Teil eine- Hauses aus dem griechisch-katholischen Kirchhofe und daS Bureau eine» Advokaten ein. Im Umkreise von hundert Metern wurden alle Fensterscheiben durch den Luftdruck zertrümmert. * Schwere- Dampfstraheubahuuvglllck. Die Dampsstraßcnbahn von Oud nach Rotterdam ent gleiste unweit Oud Veyerland. Die Maschine wurde umgeworsen und bohrte sich Meter tief in den Sand hinein, ein Wagen wurde ganz zertrümmert. Zwei Heizer wurden getötet, der Lokomotivführer und der Zugführer schwer verwundet. Ein Dutzend Reisende erlitten mehroderwenigerschwereBerletzungen. * verheerende Feuersbrünste. In Alt-Schläwe sind gestern 29 Büdner- und Eigentümerstellen abgebrannt. DaS Feuer ist wahrscheinlich durch spielende Kinder entstanden. Menschen sind nicht zu Schaden gekommen. — AuS Pest wird gemeldet: Inder Ortschaft Hladovka wütete ein Brand,welcher 67 Häuser vernichtete. Zwei Frauen sind in den Flammen umgekommen. * Zu« Prozeß gegen Krau v. SchSuebeck- Wtber ist die „Deutsche Journalpost" gegenüber anders lautenden Mitteilungen in der Lage, feststellen zu können, daß der Prozeß bestimmt am Montag kommender Woche früh 9 Uhr vor dem Allensteiner Schwurgericht seinen Anfang nehmen wird. Frau v. Schönebeck-Weber hat allerdings am letzten Sonntag einen schweren Unfall erlitten. Während sie mit ihrem Mann eine Automobilfahrl unternahm, verfiel sie in einen Krampfanfall, der wahrscheinlich durch die Erregung über die bevorstehenden Verhandlungen ausgelöst wurde. Frau v. Schönebeck würde ohn mächtig und schlug mit dem Arm durch die Scheibe deS Automobil», wobei sie sich den Arm ausschnitt und einen großen Blutverlust erlitt. Sie wurde sofort nach Hemse gefahren und mußte von einem Arzte verbunden werden. Inzwischen haben sich aber die Erregungszustände gelegt und auch die Wundheilung nimmt einen normalen Verlauf. Frau v. Schönebeck-Weber hat selbst den Wunsch geäußert, daß der Prozeß aus keinen Fall ausgesetzt werden möge * Unglück bei frauzöfischtn Mnutver«. Bei den Manövern bei Ehalons sur Marne wurden zwei Soldaten des 1b. berittenen Jägerregiments von Kugeln getroffen. Ein Soldat ist bereits seinen Wunden erlegen. Bisher konnte nicht festgestcllt werden, ob diese Kugeln von einem Infanterie-Re giment herrühren, das in ziemlich weiter Ferne Schießübungen abhielt. * Die Cholera in Petersburg. In Peters burg ist die Cholera jetzt ebenialls ausgebrochen Es sind bereits 50 Personen erkrankt Der Chef deS Hygienischen Sicherheitsdienstes hat 60000 Rubel für Vorkehrungsmaßregeln verlangt. Im Innern Rußlands gelten fünf Bezirke als verseucht. * vom vlitz erschlage». In Benndorf bei Weißenfels erschlug der Blitz am Donnerstag nach mittag bei einem schweren Gewitter ein 15jährige- Mädchen, in Wüstung (Böhmen) eine 24jährige Fra« und in GöSzgraben (Obersteiermark) einen Landmann und seine Mutter. * Biel Arbeit hat der Scharsrichter in diesem Sommer Innerhalb weniger Tage wurde soeben die vierte Hinrichtung vollzogen. In Mainz wurde der 24jährige HauSbursche Selzer wegen Ermordung deS Lehrers Krüger aus Worms enthauptet. Bor dem Richtblock erklärte Selzer: „Meine Herren, ich habe eS nicht getan." * Bom Zuge zerstückelt. Der Infanterist Gerbig vom 118 Infanterieregiment in Worms ließ sich in der Nähe von Darmstadt auf der Strecke Mannheim- Frankfurt von einem Zuge überfahren. Gerbig wurde völlig zerstückelt. * Reiche Spende». Dreiviertel Millionen Mark sind in London seit dem 13. Mai für die notleidenden Hinterbliebenen der bei dem Brande der Wellington- Kohlengrube erstickten Bergleute gesammelt worden. Unter den Gebern figuriert als Erster der Besitzer deS Grund und Bodens, aus dem die Bergwerks gesellschaft ihre Kohlen abbaut, der Graf von Lonsdale mit 20000 Mk. Ebensoviel gab Mr. Carnegie, daS KönigSpaar zeichnete 3000, die Königin-Witwe 2000 und die Londoner Börse sammelte 60000 Mark. * Durch aufrührerische Arbeiter erschaffen. Am Donnerstag morgen wurde der Direktor Jele- niewicz von der metallurgischen Fabrik in Czenstochau von aufrührerischen Arbeitern in der eigenen Fabrik erschossen. * Beim Bibkllesen bom Blitz getötet. In Oberzwehren bei Kassel wurde die 59jährige Frau Weineck, während sie am Fenster ihrer Wohnung saß und in der Bibel las, vom Blitz getroffen und sofort getötet. * Die Jagd in der Kirche Das Bezirksge richt der russischen Kreisstadt Mosyr verhandelte gegen fünf Bauerngutsbesitzer, die im Jahre 1905 in einer orthodoxen Kirche, wohin sich Füchse ge flüchtet hatten, auf diese jagten. Dabei hatten sie in der Kirche geschossen und ein Heiligenbild be schädigt. Alle Angeklagten wurden schuldig be funden und zu Zwangsarbeit von 4 bis 8 Jahren verurteilt. Kirchenuachrichten. Mo« Müste«bra»d. Am 2. Sonntag nach LrinitatiS, den 8. Jimi 1SW, vormittags 0 Uhr Predigtgotte-dienst. Borm, halb ll Uhr Kindergottesdienst. Nachmittags 3 Uhr JahrcSkonsercnz der landeskirchlichen Vemcinschast im Basthos „Zum Kronprinz". Abends halb S Uhr Nersammlung des cvang JünglingS- vcrein». Donnerstag, den 9. Juni, abends '/iS Uhr B i b c I- stunde der landeSkirchl. Gemeinschaft im Pfarrhause. Mo« ^«»ie«ch»r»dorf «tt A«lte« Am S. Sonntag nach dem Dreieinigkcitsscste, den b. Juni 1910, vormittag» 9 Uhr Gottesdienst mit Predigt. Nachm. halb 2 Uhr kirchliche Unterredung mit den Jünglingen. ^a«ge»»erg «tt Wei«»borf. Am 3. Sonntag nach LrinitatiS, den S. Juni, früh » Uhr HauptgotteSdienst mit Predigt über 1. Joh. 8, 13—1». Nachmittags 3 Uhr Gustav Adolsfrst in Glauchau. Ueber 8 Lage Beichte und heilige« Abendmahl, sowie kirchliche Unterredung mit den Konfirmierten. Mo» Zter«sborf Am K Sonntag nach LrinitatiS, den d. Juni, vor«. 9 Uhr HauptgotteSdienst mit Predigt über I J-H3, 13-18. Nachmittags 60. Jahresfeier de« Schönkurgischen Zweig- verein« der Gustav Adols-Stistung in Glauchau (Z Uhr Fest- gotteSdienst, ü Uhr Nachversammlung im MeisterhauS). Fundamt Oberlungwitz. G<f»»ve«: '1 Unterrock, 1 Regenschirm, 1 Geldtäschchen, 1 Kletderstosfcest, 1 Fingerring, 1 Wagebalken. 1 Damenhandtasche, ' 1 Damengürtel. verlöre«: 1 Paket Anzugstoff, 1 Geldtasche, 1 Portemonnaie mit Inhalt. 1 Bund Schlüssel, 1 Damengürtel. Der Fund von Sachen ist unverzüglich im Rat« hauS Oberlungwitz zu melden. Im Fundamt Zimmer S de» Rathauses Hohe»ßei«.Er»stthal sind folgende Gegenstände als gefunden abgegeben worden: mehrere Portemonnaie- mit Inhalt, mehrere Schlüffe!, 1 Herrenfingerring, 1 Paar Handschuhe, 1 Halskette mit Anhängsel, 1 Geldstück, 2 Dutzend Strümpfe, 1 kleiner Handwagen, Barchentfioff (rötlich), 1 Kinderboa, 1 Kindecmütze, 1 Paar Kinderschuhe, 1 Pack Garn, 1 Säckchen mit Geld, 1 Bcosche mit Bild, mehrere Regenschirme, etwa Z«r. W-izen. U WN NU WWW etc. erwirken und vo-vr-ten L HU L HZ I Cbemnit-, Küni88tr7Z4 S bildet die westliche Ecke von Europa. Wie oft hatte ich daS in der Geographiestunde gehört und später Euch, meine Schülerinnen, gelehrt, und e» nun zu sehen, daS war mir doch sehr wichtig. Mir war, als strecke sich da von Europa auS, da» ja auch daS liebe, deutsche Vaterland umschließt, eine Hand uns grüßend entgegen. Ich erkundigte mich, wie weit eS wohl von Lissabon nach dem schönen Schlöffe Einlra sei, und als ich hörte, man führe mit der Eisenbahn nur etwa dreiviertel Stunden bis zum Städtchen Cintra, da nahm ich mir fest vor, auf den Felsen zum Schlöffe htnaufzuklrttern. Während ich mn do» überlegte, bog der „Feldmarschall" um da- Kap da Roca und fuhr in den MeereSteil ein, den man die Bucht von Lissabon nennt. Eine Glutwelle kam un» jetzt vom Lande her entgegen. Die Ufer, o, wie waren sie schön I Wir hatten Mühe, all daS Herrliche links und rechts zu sehen. Welche Farben! AuS dunkelgrünen Cypreffen (d. s. Bäume, ähnlich wie die LebenSbäum auf den Kirchhöfen) und stolzen Palmen l-uchteten die Häuser, die im Süden meist flache Dächcr haben, in allen Farben: gelb, rot, bläulich, grünlich und weiß. Die Felsen schimmerten ebenso, und ich hatte da» Gefühl, daß wir ein Märchen er« lebten und unter den frohen Klängen der Mustk in das Reich einer gütigen Fee einsühren. Im Herzen klang mir ein alteS, liebe- Lied: „Freuet euch der schönen Erde, denn fie ist wohl wert der Freud', o waS hat für Herrlichkeiten unser Gott da auSgestreutl" Bald fuhren wir in die breite Mündung deS Tajo ein. Der Tajo ist ein großer Fluß, an dem Lissabon liegt. Nun war um uns her ein Leben, daS fich schwer beschreiben läßt. Bunte Gondeln mit weißen und bunten Segeln gleiten über die blaue Flut um daS Schiff her. Sie tanzen wie Nuß« schalen auf den Wellen, die der „Feldmarschall" aarnicht spürt. Darinnen fitzen Gestalten mit bräunlichen Gesichtern, schwarzlockigem Haar und dunklen Augen. Sie find ander» gekleidet, als wir e» zu sehen gewöhnt find. Die Männer tragen weiß« Blusen, eine enganliegende bunte Hose und auf dem Lockenkopf eine farbige Kappe. Die Frauen sollten wir erst an Land zu sehen bekommen. Bald find die Gestalten an Bord. Sie klettern entweder die schmale GchtffStreppe herauf, die bi» zu ihrem Kahn heruntergelaffen wird, oder erklimmen die Reling gar nur an einem Seil. Da« werfen fie herauf, die Ma trosen fangen e» auf, binden e» an der Reling fest, und, gewandt wie ein Aeffchen, klettern die Burschen über da» Geländer. Wir find plötzlich von ihnen umringt. Ein Gewirr von fremden Lauten dringt an unser Ohr. Aber wir brauchen ihre Sprache garnicht zu verstehen, wir wissen schon, wa» fie wollen, denn sie halten un» Postkarten und allerhand Dinge, Ketten und bunte Tücher, entgegen, die wir kaufen sollen. Man hat Mühe, sich durch da» zudring liche Völkchen hindurchzud. äugen. Vor unseren Blicken liegt Lissabon mit schimmernden Palästen. E» scheint mir, als sei et die schönste Stadl, die ich auf der ganzen Reise gesehen habe. Sie ist an einem Bergabhang gebaut, die Häuser stehen wie auf den Stufen einer breiten Treppe, man sagt: die Stadt steigt terraffen« förmig auf. Ueber den in allen Farben schim- mernden Häusern liegt der Glanz der Abend« sonne, und bald geht der Mond voll und klar über der Stadt mit ihren Palmen und Eypreffen auf. Wir gehen an dem Abend nicht in die Straßen, daS hat Zeit bis morgen. Wir wollen un» erst recht satt sehen an dem lieblichen Bilde, da» unS die Stadt bietet. Mitten unter den vielen Häusern fällt uns besonders eins auf. ES streckt fich lang am Felsen hin und hat eine zackige Dachumgrenzung, als trüge es eine Krone. Wir erraten bald, daß e- der königliche Palast ist. Ich kann ihn nicht ohne Mitleid und ein leises Grauen ansehen, war doch vor kurzer Zeit so schwere» Leid dort eingekehrt: Der König und der jugendliche Kronprinz mußten, wie unS die Zeitungen berichteten, durch frecher Mörder Hand sterben. Man sagt un», wir könnten die ausgestellten Leichen noch sehen, wenn wir wollte». Aber ich will nicht, wozu fich die Freude an all dem Schönen durch so grausige Dinge verderben? Sie wurde un» am nächsten Morgen sowieso schon etwa» genommen. ES war Sonntag, und in festlicher Stimmung gingen wir in die Stadt. Zum Glück waren zwei Herren unter un», die portugiesisch konnten. AIS wir in die erste Straße am Hasen einbogen, stieg un» ein fürchterlicher Geruch von Schmutz und verdorbenen Speisen entgegen. Wir blieben stehen und schauten uns die Straße an. Wie sah fie auS? Sie war so voller Schmutz, daß man sich ekelte, weiterzugehrn. Aber eS war doch Sonntag, die Glocken läuteten; ob denn die Leute nicht wußten, daß an diese« Lage alle- besonder» sauber sein soll? Und waS war da- in den Türnischen und Straßenecken? Da hockten auf schmutzigen Lumpen elende, halb nackte Kinder und Bettler. Sobald fie un», die Fremden, sahen, liefen fie auf un- zu. Den Kindern hing da- dunkle Haar wild um da» von Schmutz starrende Seficht. Sie schrien un» nach um eine Gade. Einige v^n ihnen, etwa L—S Jahre alt, griffen gierig nach den Zigaretten, die die Herren rauchten, und da standen auch wirklich ein paar solche Knirpse und rauchten selbst! Niemand verbot e» ihnen, e» schien überhaupt, al» ob fich kein Mensch um diese Kinder kümmere. Arme, arme Kleinen! Wir gaben ihnen gern etwas, aber wir sagten unS auch, daß ihnen damit nicht geholfen sei. Bald mußten wir das Geben sein lassen, denn das Betteln nahm kein Ende. DaS also war daS schöne Lissabon, von innen gesehen? Schade, schade! Wie ganz ander« steht's da in unsern deutschen Städten auS! Freut Euch, Kinder, daß auch bei Euch Ordnung und Sauberkeit herrscht! Wie hübsch müßte die Kleidung der Portu giesen aussehen, wenn üe sauber wäre! Die Leutchen haben Freude an leuchtenden Farben. Die kurzen Röcke und kurzälmlichen Jacken der Frauen find meist hellgrün, -blau oder -rot. Ein geblumte» Tuch hängt dreizipflig über den Rücken, und vom Kopfe bis tief in den Nacken tragen sie auch ein buntes Stück Zeug, wahr scheinlich als Schmuck und zum Schutze gegen die Sonne, die auch an dem Morgen glühend heiß brannte. Trotz deS Sonntag- wurden auf den Straßen Gemüse, Fische und dergl. zum Verkauf seilgehalten. Die Frauen hatten auf dem Kopse eine kreisrunde Wulst au« Stoff, und darauf trugen fie geschickt alle diese Dinge in Körben oder flachen Holzgesäßen. Die Fische verbreiteten einen häßlichen Geruch, wir hätten keine kaufen mögen. Wir wollten zum Bahn hof, um nach Cintra zu fahren und gingen durch die Markthalle. Da war ein großes G.- dränge und Geschrei. Berge von zuckersüßen Apfelsinen, frischen Zitronen, oft noch am Zweig hängend, Riesenschoten und -bohnen, ebensolchen Kohl» und Krautarten, Feigen, Pfefferschoten, leuchtenden Kirschen waren da aufgeschüttet, und schöne Gebinde aus Feld- und Gartenblumen entzückten da» Auge. Wir waren aber froh, als wir uns hindurchgearbeitet und zwischen einer Menge zweirädriger Eselskarren bis zum nahen Bahnhof durchgezwängt hatten. Auch da herrschte ein seltsame- Treiben. Junge Burschen, mit bunten Lappen festlich geschmückt, jodelten, spielten Ziehharmonika oder ein Instru ment, da- man Dudelsack nennt. Einige zank- ten sich und lärmten schrecklich dabei, andre um kreisten unS beständig und schauten unS, wie«» manche Kinder tun, von allen Seiten an. End lich saßen wir im Zug, und nun, welch eine Fahrt! so schön, daß ich fie nie vergessen werde. Erst ging's freilich durch einen langen Tunnel unter einem Berge hinweg. Zu Fuß hätte man eine Stunde gebraucht, um hindurchzukommen. Dann aber fuhren wir an herrlichen Gärten vorüber und sahen unter tiefblauem Himmel mächtige Fächerpalmen, goldschimmernde Zitro nen-, mattgrüne Orlbäume, fremde, seltsame Sträucher und Blumen in leuchtenden Farben. Im Städtchen Cintra angel,ngt, fuhren wir im Wagen nach dem Schlöffe hinauf, denn der Weg dahin war steil, und die Sonne brannte heiß. Vor dem Eingang zum Schloßgarten stärkten wir unS durch ein köstliche- Naturfrüh, stück Zwei Frauen boten unS in rötlichen Tonkrügen frische- Wasser, Zitronen, Rotwein, trockne« Brot und frischen Käse zum Kauf an. Wir setzten un« auf die moosbewachsenen Steine, bedienten uns gegenseitig und ließen eS unS prächtig schmecken. WaS soll ich Euch nun vor dem Schlöffe erzählen? Innen hatte eS viele schöne Säle, ähnlich wie unsre säch sischen Schlösser in Meißen und Moritzburg, aber der Bau, in Marmor auSgesührt, war, von außen gesehen, ganz prächtig. Durch weite Bogen hindurch sah der tiefblaue Himmel, und am Fuße deS Berge» lag die lachende, «eite Ebene und weiterhin da» grünlich schimmernde Meer. Einsam ragten hier und da Felsen au» der Ebene empor Auf ihrem Haupte trugen fie den grünen Kranz der Palmen, durch den die Ruinen alter Festungen hindurchschimmerten. Unterhalb deS Schlöffe», auf dem Cap da Roca, stand ein riefige« Standbild au» Stein. E» stellt den berühmten Mann dar, der einst den Seeweg nach Ostindien sand: VaSco de Gama. Wie ein Sieger steht er da und zeigt mit ver goldetem Speer hinaus auf die wogende Ser. Sehr befriedigt kehrten wir von Tintra nach Lissabon zurück. Ich würde Euch gern noch viel mehr erzählen von dem, wat wir da noch bis zur Abfahrt erlebten, aber da werden «eine Brief« zu lang. Wir v«rließen Lissabon am Montag mittag, nachdem wir es am Sonntag abend vom Schiffe auS nochmal- in seiner ganzen Schönheit gesehen hatten. Zum dunklen Nachthimmel stiegen von Zeit zu Zeit Leuchtkugeln empor. DaS lustige Volk der Portugiesen schien Freudenfeuer ab- zubrennen, wie es bei unS daheim zum Schützenfest wohl auch geschieht. Di« Nacht war unerquicklich; denn, wie «S in den andren Häfen auch geschah, nahm der „Feldmarschall" neue Ladung von Frachtgut auf und die Ver lademaschinen machten einen Höllenlärm. Ge- rade über meinem Bett polterten die Kisten und Kasten so fürchterlich, daß ich mich wieder erhob und bi» spät in die Nacht hinein auf Deck blieb. Mild und weich umwehte mich die Seeluft. In den Häusern Lissabon» erlosch ein Licht nach dem andren, und nur der Mond und die Sterne ergossen ihren Ttlberschein über Port», gal» Hauptstadt, die un» so unvergeßlich schöne Stunden gab. (Fortsetzung folgt.)
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