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WchMMtWer Metzer Tageblatt für Kohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Vemsdorf, Wüslenbrand, Urspmng, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund rc. Der »Lohenstein-Ernsttholtr" Anzeiger erscheint mit Ausnahme der Sonn» und Festtag« täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei sreier Lieserung ins Kaus Md. l.50, bei Abholung in der Geschäftsstelle Mb.1.LS, durch di« Posl bezog«» (außer Bestellgeld) Mb. I SV. Einzelne Nummern lv Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanslalten und die Landbrieflräger entgegen. Als Extra- beilag« «rhalten die Abonn«nten j«den Sonntag da» »Illustriert« Sonntagsblatt". — Anzeig«ngebühr sür die Sgespallene Äorpuszeile oder deren Raum 12 Psg., für auswärts 15 Psg.; im Reklametcil die Zeile 3V Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig Im »Oberlungwitzer Tageblatt' Ausnahme. Anzeigen-Annahme für die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr, grvtzere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Aufnahme von Anzeigen an vorgeschriebenen Tagen und Plätzen wird möglichst berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Rückgabe eingesandter Manuskripte macht sich die Redaktion AtSAAAAerALersLLrLLrtLiLeriLerLererererLerLrorerLerererLtLLer« nicht verbindlich. iSlLerertLtLlLiLiLLrLLtLtLtLeriLLrtLtLtLeLiLlLiLlLiLlLiLlHlSLLLLLiiLeLLLlLLlL Nt. 89. Fernsprecher Nr. 161. Mittwoch, den 2April 1910. B-h^. 8. 37. Jahrgang. Tagesgeschichte Der Kampf i« dentsche« Vangewerbe ist nicht einheitlich durchgeführt worden, woraus »an bi« Hoffnung schöpft, daß er nicht eist beige» legt werden wird, wenn «S zu spät ist, d. h. nach» dem unwiederbringliche Werte verloren gegangen find. Nach den neuesten Meldungen ist die Zahl der Streikenden mit über SOO 000 doch wesentlich zu hoch gegriffen. Während dl» schon perfekt ge wesene Einigung in Magdeburg leider wieder in di« Brüche ging, fanden z. B. in Bremen, N u» Münster, etwa der Hälft« der brandenburgischen Städte, zahlreichen süddeutschen Orten usw. über» Haupt keine Aussperrungen statt. In Königsberg i. Pr., Frankfurt a. M. u. a. Orten nahm nur ein Drittel der Arbeitgeber Aussperrungen vor. Und selbst in Nürnberg und München, die man bisher al- die Bororte der scharfen Richtung an sah, hat nur die Hälfte der Unternehmer die Ar- beiter entlassen. Dar Lärmt« der nächste« Reichst«,»wähle« ist angestchtt der heftigen Parteikämpfe und der erforderlichen starken Agitation ganz besonders wichtig. Da der Januar 1912 für die Wahlen deshalb ungünstig wäre, weil di« Agitation das Wethnacht-fest und da- Fest die Agitation stö.en würde, so hat man angenommen, die Neuwahlen würden schon Anfang- Dezember kommenden Jahre« erfolgen. DaS ist jedoch auS verfassungsrechtlichen Gründen nicht mö-lich, nach denen die Legislatur periode volle fünf Jahre zu dauern hat Wir werden also mit RrtchStagSwahlen im Januar und Wahlagitationen zu W.ihnachten so lange im deutschen Reiche zu rechnen haben, bis wieder einmal eine ReichStagSaustösung zu einer andern Jahreszeit erfolgt. Di« Kost«« ««» der »«««« ReichSverficher««-»- «rd»»», stellen sich nach einer Berechnung eines praktischen Kaufmanns und Mitgliedes der Berliner Handels kammer, Heinrich Grünfeld, in der „Trxitl'Woche" erheblich höher, als fie die Regierung veranschlagt. Während die RegterungSoorlage 858 Millionen für die Arbeiterverficherung auS der neuen Ordnung für ausreichend hält, berechnet der Artikel der ,Lextil-Woche- den Betrag auf 982 Millionen und sogar auf 985 Millionen, wenn noch die Ver sicherung der Privatbeamten hinzukommt. Die 982 Millionen würden sich so vert-ilen, dnß auf dir Arbeitgeber 503,5, nicht 416,5, wie die Re gierung annimmt, auf dir Arbeitnehmer 392 5 (nicht 864,5) und auf daS Reich 84, nicht 77 Millionen entfallen werden. Wird die BettraoS- leiflung zu den Krankenkassen geändert, sodaß Ar beitgeber und -Nehmer die Hälfte zu zahlen haben, daM hätten die Arbeitgeber 549,5, die Arbeit nehmer 346,5 Millionen jährlich zu zahlen. Glatt daß also, wie bisher, die Arbeitgeber 54°/o, die Arbeitnehmer 46'/, auszubringen hätten, würden in diesem Falle auf erstere 61'/,, auf die letztere 89'/<> kommen. DaS ist eine stark« Mehrbelastung der Unternehmer. Gi« «ufstteg der Luftfchiffe „A I" und „k II". Die lenkbaren Luftschiffe »Ll I- und „k II" stiegen gestern vormittag um 10 Uhr 45 Min. und 11 Uhr 10 Min. in Köln auf, machten einen Abstecher in die Eiffel und kehrten nach schöner Fahrt um 2*/, Uhr nachmittags zurück „2. 11" stieg 10 Uhr 15 Min. auf, war um 1 Uhr 35 Min. über Düren, fuhr nach Aachen, kreuzte dort und war schließlich um 6 Uhr wieder über Köln. Ar«ukretch. Die Einwohner von Villeneuve le rot bei Pari-, die seit Jahren vergeblich die Errichtung eines BahnhoseS fordern, veranstalteten am Tonntag unter der Führung deS Deputierten ArgckieS eine Kundgebung, indem sie daS Bahngelände besetzten und zwei Schnellzüge durch Schwenken von roten Tüchern zwangen, anzuhalten. Die Manifestanten überreichten sodann den Lokomotivführern Schrift stücke, in denen die Notwendigkeit der Errichtung eine- Bahnhofes begründet wird und ersuchten sie, diese Petitionen dem Direktor der Orleansbahn zu übergeben. Ei« Teewa«« alt Landesverräter. Au- Toulon wird gemeldet, daß der Torpedo maat Lemevrl sich inS Ausland geflüchtet hat. ES heißt, Lemevel habe die Pläne von mehreren Unter- seedooten mitgenommen. Nerwege«. Im Storthing wurde über den Gesetzvorschlag der radikalen Partei verhandelt, all« Orden und Ehrenzeichen abzuschaffrn. Die Abstimmung ergab zwar die Beibehaltung de- OcdenSwesenS in seiner jetzigen Form; aber nur mit 63 gegen 53 Stimmen. Rußland. Gegenüber dec Nachricht verschiedener Blätter von einem Attentat auf den Großfürsten N kolau- Nikolajewitsch berichtet die Petersburger Telegraphen- Agentur: Am 14 April wurde in dem Zuge, mit dem der Großfürst fuhr, einige Stationen vor Petersburg srstgestellt, daß in mehreren Wagen die Achsrnbüchsen brannten Dieser Vorfall wiederholte sich während der Writerfahrt noch einigt Male. Man vermutet, daß die Büchsen von einem Unter beamten mutwillig in Brand gesetzt wo den sind, der sich an seinem unmittelbaren Vorgesetzten rächen und ihm dienstliche Ungelegenheiten bereiten wollte. Ein Anschlag auf den Großfürsten ist je doch ganz und gar ausgeschlossen. Der Aufstand ia Lhi«a, daS heißt in der chinesischen Provinz Hunan im Flußgebiete dcS Jangtsekiang, ist ernster als bisher anzunehmen war. Dl« europäischen Konsule wurden von den chinesischen Behörden darauf aufmerksam gemacht, daß sie nicht sür daS Leben und die Sicherheit von Ausländern in der Provinz garan» tieren könnten. To melden Londoner Blätter. Dabei ist eS auffallend, daß gerade der englische Konsul Hewlett tn der Hauptstadt der Provinz Tschangscha zurückblieb und daß gerade daS eng lische Konsulat von der Zerstörungswut der Auf rührer verschont blieb. Der Gouverneur der P,o- vinz und scin Sohn wurden angeblich ermordet. Ganz Tschangscha befindet sich in den Händen der Aufständischen. ES handelt sich um ein« regelrecht« sremdenseindlich« Bewegung, wie wir sie vor Jahren in dem Boxeraufstande hatten. Im allge- meinrn sind die Nachrichten noch recht unzuver- lässig. Namentlich ist es auch noch ungewiß, ob wirklich das Boot, in dem sich drei auS Tschangscha geflüchtete deutsche Missionare befanden, von einem englischen Kriegsschiff umgerannt wurde, sodaß die Missionare ertranken. Deutscher Reichstag. 66. Sitzung vom 18. April. Präsident Graf Schwerin widmet dem ver storbenen Abgeordneten Grafen Ociola einen warmen Nachruf und teilt mit, daß Staatssekretär Delbrück durch Erkrankung abgehalten sei, zu erscheinen; aber sobald sich fein Zustand bessere, noch an der Beratung deS Gesetzes teilnehmen zu können hoffe. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung der ReichSversicherungSordnung. Abg. Gpahu (Ztr): Dir Vorlage bringt vor allem eine Ausdehnung der Krankenversicherung aus die Landarbeiter, sie bringt eine Arbeiter- Hinterbliebenenverficherung, außerdem aber auch den Versuch einer einheitlichen Organisation von Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung durch Schaffung eine- einheitlichen Unterbaue-. Ihre Tragweite auf sozialem und wirtschaftlichem Ge biete verpflichtet unS. die Vorlage noch vor dem 1. Januar 1910 zu verabschieden. Der lokale Unter bau soll in VerficherungSämtern bestehen, deren große Zahl am meisten angefochten ist. Wir stehen auch diesen BerficherungSLmtrr» sympathisch gegenüber, wenn ihre Kosten auch S'/. Millionen Mark betragen. Die Aemter nehmen dafür auch den staatlichen Behörden viel Arbeit ab. Redner weist da- im einzelnen nach. Den Arbeitern darf ihre bisherige Stellung tn den Krankenkassen nicht v/rkürzt werden. Ob das Verhältnis zwischen Kaffen und Aerzten richtig geregelt ist, bezweifle ich. Die Hinterbliebenenversicherung muß rück wirkende Kraft biS zum 1. Januar 1910 erhalten. Abg. Gchtckert (kons): Wenn der Entwurf die soziale Versicherung auf weiter« 7 Millionen Arbeiter au-dehnt, so fragt eS sich, ob die Kreise, denen diese neuen Lasten zugemutet werden, sie auch werden tragen können. Der Einbeziehung der ländlich«» Arbeiter in die Krankenkassen kann zu gestimmt werden, wenn di« Eigenart ländlicher Verhält« ss- Berücksichtigung findet. Die Ordnunß d°S KrankenkosttnwesenS ist im allgemeinen zu billigen. Von freier Aerztewahl kann kein« Rede sein. Wenn wir auch gegen din Entwurf im einzelnen erhebliche Bedenken haben, so hoffe ich doch, daß eS gelingen wird, ihn so zu gestalten, daß auch wir ihm zustimmen können zum Wohle der minderbemittelten Klaffen. (Beifall recht-.) Abg. Horm-Reuß (nall.): Die Reform wurde so allgemein verlangt und jetzt so scharfer Kritik auSgesetzt I Wir find mit der Versicherung-pflicht auch der ländlichen Arbeiter durchaus einverstanden, ebenso mit derjenigen der Hausgewerbetreibenden. Wünschenswert wäre ein« einfachere BeitragSer- Hebung al- die vorgeschlagene. Die namentlich von Aerzten erhobene Forderung, daß Personen mit über 2000 M. Einkommen nicht kraakenoer- sicherungSbertchtlgt sein sollen, ist unsozial. Darunter würden namentlich Kleingewerbetreibende leiden. Eine Zentralisation der Kassen ist mit Rücksicht auf die zuweilen ungenügenden Leistungen kleiner Kassen wünschenswert. Wir bitten die deutsche Aerzteschafl dringend, unS die Lösung unsrer Auf gabe nicht zu erschweren. Abg. Magda« (Fortschr. Vp.): Ein Schritt Kei Sonnenuntergang. Littauischer Nomau von M. von Wehren. 9) (Nachdruck Verbote».) Ob dies« verflachten Züge sich durch den Ernst bei Lebens nicht vertiefen würden, ob der spöttisch «erogene Mund je zu geistreichen feinen Gebilden sich öffnen würde, das müßte die Zukunft erweisen. Augcn- blicklich schien er noch weit davon entfernt zn sein, denn selbst das Lachen, mit dem er den andern aus das Jdpll »u ihren Füßen aufmerksam machte, hatte etwas Hohles^ Oberflächliches. Es lag wenigstens nichts darin, was den Eindruck von Gemüt bei ihm herausfiuden ließ. Beide Herren waren vor einer Stunde mit Mictnuhrwerk angekommen und hatten ihrem Diener das Gepäck und die Wohnungsangelegenbeit überlassen. Sie flanierten jetzt durch das Dorf, um sich den Reiscstanb abznnv cktcln. Das Rauschen des Baches, das Klappern der Mühlräder erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie bogen in die Dorf- Kraß«, die dorthin führte. Lon beiden Seiten faßte sie mit Buschwerk bewachsene Hügel ein, von denen der eine als Garten terrassenförmig «ngrlegt war. Bald zweigte ein schmaler Hahrweg ab, ben der stets wasserreiche Bach, jetzt noch durch tüchttgc Regengüsse bedenklich angeschwollen und unter der allen Eteinbrückt brausend nnd gurgelnd, an einzelnen Lie, en Steigung zeigte, zu überfluten. Er führte zu einem «eräumigen Hof. Vorne stand auf diesem die alte Mühle, «tu mächtiges Gebäude mit holländischem Dach und hohem Fundament, fast eine eigene Etage bildend: hinten lehnte er sich an «inen Hügel. Van einer Seite stürzte da« wild« Wasser, welches mit lautem Geräusch die Mühlräder dr«ht«, übers Wehr: di« andere zeigte grafe Wirtschaftsgebäude, halb versteckt zwischen Ulmen nnd Linden. Rose im bellen Kleid mit schwarzer Tändcl- fchürze füttert« wie immer des Abends das Geflügel nnd lachte dann und wann hell auf, wenn ihr die Tanbcu aut Kopt und Hals saßen oder im Futterkorb sich ein Nist macht««. Der Hund hatte seine Vorderbeine ans ihre nmce gelegt und wedelte mit dem buschigen Schwanz; auch er woll e gcliebkost sein. In diesem Augenblick sahen sic die Heiden Fremden und tanichten ihr Urteil ans n: er das reizende Bild, das sich vor ihnen entrollte. „Also auch Sie, Graf Gotter, der Sie doch ein anerkannter Kenner von Francuschönheit sind, finden die ZUcine beachtenswert?" fragte der Jüngere seinen Begleiter. „Gewiß, Vitzthum, ich habe noch nie ein so liebliches Gesicht gesehen. Uebrigens bitte ich noch einmal, lassen Lie den Grafen, es hat durchaus keinen Zweck, hier als Abgesandte Sr. Majestät in Titel und Würden zu er scheinen. Ich heiße Georg Romberg und Sie Kurt Wöge. Bitte noch einmal, sich das zu merken nnd uns nicht in Ungelegenheit zu bringen. Ihre Schneidigkcit als Gardcosfizier dürfte hier bei diesen Ur-Littauern traurige Resultate erzielen. — Wir bedürfen einer Pension und ick, 'will versuchen, in der Mühle gast freundlich anfgenommen zu werden. Das Idyll zu unsern Füßen mit der kleinen Müllerin als Staffage, hat es mir auch angethan. Die Frau Gräfin in Berlin würde freilich nicht sehr erbaut sein, wüßte sie mich in solcher Gefahr; ich glaube, sie nähme Extrapost nnd zn meinem größten Entsetzen hätten wir sie hier, nm mit ihren vornehmen Allüren den Bauern zn imponieren. Sie sind glücklicher als ich, Wöge, die reiche Konstanze Isidore von Baumann ist zu tief in Oesterreichs Bergen, nm Ihnen nachreisen zu können. Ihre Idee, die Briefe Ihrer Verlobten nach Berlin schicken zu lassen, ist geradezu hervorragend. Nicht wahr, diese dillew - cloux sind wunderbare Ableiter gegen gefahrbringende Tränme und Blicke aus schönen Augen? Danken Sie Gott, Sie glücklicher Bräutigam, daß Ihre Auserwählte und ihr reicher Papa durchaus persönlich in Salzburg erscheinen mußten, um eine halbe Million Plus cinzukassieren, Sie hätten sonst schwerlich Erlaubnis erhalten, Mal- stndien an der Ostgrenze zn machen." Kurt Wöge brummte, wie es schien, ziemlich ver drossen etwas vor sich hin. Das Glück, verlobt zu sein, schien bei ihn, keine angenehmen Empfindungen hervor- zurufen. Auf seiner Stirn erschienen sogar zwei tiefe Falten, nnd die Angen blickten düster und vorwurfsvoll den anderen an. Nur währte es kurz, kaum einige Sekunden, dann lachte er laut auf, als amüsiere ihn die eben gehörte Aeußernng. „sind nun zur Attacke!" — wie mein alter Oberst immer sagte, wenn er uns jüngeren Offizieren ge stattete, an seiner Riesenbowle teilzunehmen — „gegen den gewiß ziemlich rohen Müllersmann, dessen Sprossen wir zuerst aufs Korn nehmen wollen. Es wäre nicht übel, wenn er noch mehr dergleichen Prachtexemplare auf Lager hätte. Dies scheint mir aber unmöglich. Mehr als einmal verirrt sich die Natur nicht zu solch einem Wunder. Noch einmal, hüten Sie Ihre Zunge bester Wöge, sie läuft Ihnen manchmal davon, und gestatten Sie mir, das Terrain zu sondieren." Die Herren gingen der Mühle zn, nnd nachlässig den Hnt ziehend, fragte Romberg das junge Mädchen, welches erstaunt die Fremden betrachtete, ob sie die Tochter des Besitzers sei, den er gern sprechen möchte. „Mein Onkel ist am oberen Wehr beschäftigt, haben die Herren aber Zeit, ein wenig zn warten, so bitte darum. Er muß gleich zurückkchren, da die Sonne am Untergehen ist." „Wenn Sie gestatten, mein Fräulein", sagte mit einer tiefen Verbeugung Kurt Wöge, „so machen wir an diesem herrlichen Slbend hier draußen ein wenig Rost." Scheu zurückweichend unterbrach ihn das junge Mädchen: „Ich bin kein Fräulein, heiße Rose Wilmsen: Onkel und Tante haben noch andere Namen für mich, die Sie indessen wenig interessieren dürften." Sie klatschte in die Hände und die Tauben flogen gurrend davon. Schnell noch die Schürze geglättet, setzte sie sich auf die Steinbank, mit freundlichem Blick den Fremden die anderen Plätze anweisend. Es war ein wunderbarer Sonnenuntergang. Die Vögel zwitscherten noch, aber leise, wie im Einschlafen. Die Schwalben schossen hin und her, nm ibr Nest unter dem Hausdach aufzusuchen. In den Ställen brummte das Vieh, zn den bald nahe, bald wieder ferner erschallenden Jodlern der Grasmäherinnen einen angenehmen Grund lon bildend. Süß dufteten die Blumen und das frisch« Gras, die Abendglocken erklangen leise nnd zeigten an, daß er Zeil zum Ausrnhen sei von des Tages Last nnd Arbeit, alle Sorgen abzuwerfen nnd Frieden zu machen mit seinen Brüdern. Leise bewegten sich die Lippen des jungen Mädchens im Gebet, die gefalteten Hände lagen still im Schob, die langen, dunklen Wimpern hatten sich tief über die Augen gelegt und gaben dem nieder- gebeugten Kopf etwas Madonnenhaftes. Auch die Herren waren verstummt und gaben sich dem poetischen Zauber hin, der in diesem Stillleben lag. An den Mühleuwcrken stand Friedel, der älteste Mühlknappe, mit abgezogener Mütze und seine Augen wie zum Schutz beständig nach der jungen Herrin gerichtet. In der wahrscheinlich nicht fernen Küche hörte man hantieren nnd ein intensiver Feuerschein drang zugleich mit dem kräftigen Geruch gebratener Fleisch speisen zu den Reisenden, welche davon nicht unangenthm berührt wurden. Nun bog um die Ecke der Schenn« ein großer starkknochiger Mann mit gutmütigem, behäbigem Gesicht, hinter ihm eben solche Hünengestalten und schöne Frauen in liitnuischer Nationaltracht, Zufriedenheit und Wohl behagen in den Gesichtern. Er schwenkte schon ans der Entfernung seinen Strohhnt unv wiederholt sich die er hitzte Stirne wischend, rief er laut, indem er vors Hans trat: „Sieh da, Sausewind, das lasse ich mir gefallen! In Gesellschaft? Wen hast Du da anfgcgabclt?" „Das werden Dir dir Herren wohl selbst sagen, Herzeusohm; mir haben sie es nicht auvertraut." Mit einem leichten Knir für die Fremden, ihrem alten Verwandten freundlich zunickend. verschwand sie im Hause, wo man noch einig« Sekunden ihren leichten Schritt hört«. (Fortsetzung folgt.)