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LkÜM DM WhniVkinEnWelkl älattgn Tageblatt. Nr. 65. Sonntag, den 20. März 1910. 37. Jahrgang. Palmsonntag. Der Palmsonntag ist in jedem Jahr für Hun- dertr und tausende von jungen Christen ein ent- scheidungsvoller Lag. Hinter ihnen liegt die Zeit der sorglosen Kindheit, liegen die Jahre, in denen sie unter der Fürsorge ihrer Eltern und Lehrer gestanden haben, wo schützende Hände von ihnen abzuwehren suchten, waS ihnen daS Glück und den Sonnenschein der Jugend hätte trüben kännen. Ein großer Teil von diesen Kindern verläßt nach der Konfirmation daS Elternhaus und tut seinen ersten Schritt auf dem Wege zur zukünftigen Selbst ständigkeit. Wenn eS nicht an denen fehlt, die dem kirch- lichen Palmsonntag mit der Einsegnung der Kon firmanden sein Recht und seine Bedeutung ab« sprechen wollen, so kännen daS nur solche sein, die nicht wissen, waS zum wahren LebenSglück gehört, nur solche, die niemals daS Glück deS Lebens selbst empfunden haben, die noch nichts erfahren haben von der Macht deS lebendigen Christentums. Die, die gereift find in deS Lebens Erfahrung, die die Welt kennen gelernt haben mit ihren Anfechtungen, Versuchungen und Kämpfen, die, welche vielleicht selbst deS Lebens Last zu tragen haben, sie fühlen, daß nur der Mensch wirklich glücklich ist, dessm Leben^wurzelt in der Gemeinschaft mit Gott, sie wissen, daß nicht Geld und Gut, Reichtum und äußere Ehren daS Glück des Lebens auSmachen, sondern die stille Zufriedenheit, die aus dem Glauben geboren wird, daß Gott unS immer nahe ist, daß er unS nie vergißt, weil wir ihm mehr find als di<Lilten deS Feldes und die Sperlinge auf dem Dache, fie haben es erfahren, daß nur da Glück ist, wo Friede wohnt, der Friede, zu dem das Menschenherz gelangt durch den Glauben an den Gekreuzigten auf Golgatha. Je fester wir unsere Kinder in diesem Glauben gründen, je mehr fi« gelernt haben, alle Dinge, die großen und die kleinen, zu tun im Namen des Herrn, im Vertrauen auf seinen Gegen, je mehr ste gelernt haben, in den Kampf deS Lebens ein- zutreten im Vertrauen auf seine Hilfe, um so ge troster können wir unsere Kinder aus dem Eltern- Hause ziehen lassen, um so widerstandsfähiger werden fie sein gegenüber den unheilvollen Mächten dieses Erdenlebens, um so mehr dürfen wir hoffen, daß fie charaktervolle Persönlichkeiten werden. Wir werden eS nicht vermeiden können, daß auch unseren Kindern daS Böse in der Welt entgegentritt, wir werden von ihnen nicht fernhalten können Tränen und trübe Erfahrungen, aber mithelfrn wollen wir, fie fest zu machen im Glauben an dem, der, selbst der Weg, die Wahrheit und daS Leben» uns den Weg zeigt zum Giege über die sündige Welt und unS selbst, der unS Kraft gibt zum Tragen des Kreuzes, das in keinem Menschenleben aus bleibt, der uns allein auch aushilft auS unserer Todesnot. In diesem Sinne rufen wir den jungen, kon firmierten Christen zu: Zieht in Frieden Ture Pfade; Mit Euch des großen Gottes Gnade Und seiner heil'gen Engel Wacht! Wenn Euch Jesu Hände schirmen, Geht's unter Sonnenschein und Stürmen Getrost und froh bei Tag und Nacht. Lebt wohl, lebt wohl im Herrn! Er sei Euch nimmer fern Spät und frühe. Bergeßt uns nicht In seinem Licht, Und wenn Ihr sucht sein Angesicht. Versuchung. Novellettc von W. N. Berg. (Nachdruck verboten.) Mit dem Haus war's zu Ende — cs konnte nicht anders jein. Das Korn auf dem Halm war hi n gepfändet und das Vieh im Stall auch. In vier zehn Tagen sollte er bezahlen, und hatte doch gar keine Aussicht, zahlen zu können. Aber wenn er nicht zahlte, so kam sein kleiner Besitz auf die Gant und er konnte betteln oder tagelöhnern mit seinem Weibe. „Hansl — magst net hi'gehn zum Huber Loisl nach der Stadt 'nunter und magst ihn bitten, daß er Dir no a wenig Ausstand gibt ? Du woast do, was i moan. Der Franz — Dei Bruader in Minke — München — drent — der wird do schon hels'n Host net für ihn g'sorgt, als war er Dei eigner? Bist net wie a Vatter zu ihm g'wes'n, weil Du do 16 Jahr älter warst als er. Du host ihn zu Dir g'numma, wie Enke Vatter g'storbe war, Du host Di quält un abmaracht, daß er Hot die Rcalschul' b'suche un was ordentlich's hat lerne könne Ro — wann er nu Kausmann g'worde is un hat a groß G'schäft a'fange könne — no — wem verdanket er's anders wia Dir? Un hätt er die reiche Person heirate un die zwoa Millione verdiene könne, wann Du net für ihn g'sorgt hätt'st? Hätt'st Du's g'macht wia andere Bauern mit ihre Brüder, so ging er jetzt als Knecht bei Dir oder an anderen Bauer. No — is er Dir dafür net Dank schuldi?" „Oh mei, Gretl! Du redst, wia Du's verstehst, un mit Deine 40 Jahre bist halt immer no a Kind! Dank — Dack auf dieser Welt — oh mei!" „Aber Hansl — sei net so verzagt — host ihm do g'schriebe, un host no ka Antwort net Aber Du woast Do aa, warum er no net antwort Hot — sei Buchhalter bot Dir do g'schriebcn, daß er zur Ausstellung is und baß frühestens heut oder inorge a Antwort aus Dei Brief da san kunt, wo ihm nach- g'schickt morde is! Also wann D' nun gingst zu dem Huber un soagst ihm, daß er Dir no a Aus stand gibt — i moan halt, er tut's!" „Scho recht," erwiderte der Hansl — „'s könnt ja sein, daß er's tut, aber i moan halt, er luat's net, der Wucherer, Gott verdamm ihn! Aber damit D' Dei Ruah host, so will i morge hingeh'n, un mit ihm reden!" Und er tat's. In aller Frühe des nächsten Morgens erhob er sich von seinem sorgenvollen Lager und machte sich auf den Weg zur Stadt hinunter, denn der Wucherer ging früh an sein Geschäft, und ! um ihn zu Hause zu treffen, mußte man recht früh ausstchen. Ah, mit welch bitteren Gefühlen machte er seinen Weg. Sein Hof sollte auf die Gant, sein Hof, aus dem seine Vorfahren schon gesessen hatten, seitdem man seine Familie zurückoerfolgen konnte! Und da- alles um die lumpigen paar tausend Mark, die ihm der Blutsauger geliehen hatte! Er hätte blutig« Tränen weinen mögen, wenn er daran dachte. Und sein Bruder, auf den seine Frau so große Hoffnungen setzte — der — ach du mein Gott, der war ein Stadtherr geworden und scherte sich den Teufel darum, was er, der Hansl, nun machte. Ueberhaupt, der Hansl hatte das Vertrauen zu de» Menschen verloren, keiner scherte sich um den andern, jeder war darauf auS, dem andern an seinem Hab und Gut nicht zu helfen und zu fördern, sondern im Gegenteil ihn zu schädigen und zu benachteiligen, wo es nur anging! Und ihm graute vor dem, waS er nun tun sollte. Er sollte den Wucherer um Gnade und Aufschub bitten, ihn, den er haßte und verabscheute, den er am liebsten zertreten hätte wie ein giftige- Gewürm Wie würde der hohnlachen, wenn er von seinem Bruder sprach, dcr ihm Helsen würde; wie würde ihn der Wucherer verhöhnen, der ja schon lange, schon weit länger als er, der Hansl selber, nicht mehr an Menschen und menschliche Gefühle glaubte. Er sah schon das gelbe Gesicht, die spitze Nase und die listig blickenden kleinen Augen vor sich. Oh — er hätte m dieses gelbe Gesicht hineinspeien mögen vor Ekel und Abscheu! Er kam in die große Stadt hinein. Da e» Markttag war, so wimmelten die Straßen schon von Menschen und Fuhrwerk Er durchschritt einige enge Gassen, in denen das Gewoge geradezu be ängstigend war, und erreichte endlich da- große düstere HauS, das der Wucherer allein bewohnte. In seinem namenlosen Geiz ließ er'S verfallen, auS diesem Grunde aber auch, weil er ein Teufel in Menschengestalt war, bekam er keine Mieter — und 4 » » Allerlei Kurzweil. « « Devkfprüche. Mein Kind, du bist schon lang der Mutter au» der Wiegen; Run hilf dir selbst; wie du dich bettest, wirst du liegen; Die Flügel wuchsen dir, gebrauche fie zum Fliege»; Der kommt nicht auf den Berg, wer nicht hinaufgestiegen; Greis' an die Schwierigkeit, so wirst du fir be« firgen. E G * Kannst du daS Schöne nicht erringen, So mag da» Gute dir gelingen. Ist nicht der große Garten dein, Wird doch für dich ein Blümchen sein. Nach Großem dränget deine Seele? Daß fie im Kleinen nur nicht fehle! Lu' heute recht — da» ziemte dir; Der Lag kommt, der dich lohnt dafür. So geht e» Tag für Tag, doch eben AuS Lagen, Freund, besteht das Leben. Gar^viele find, die daS vergessen: Man muß nur nicht nach Jahren messen! Riitfetecke. R-ts-I 1. Warst fleißig du im letzten Jahr, Wirst deine Eltern du fürwahr Erfreun zu Ostern, liebes Kind, Womit wohl? Sag' mir daS geschwind! 2. Nach de» Winters Lagen rauh und bang, Hört wiederum man ihren Gang Erklingen hoch auS luft'ger Höh', Wenn eS geschrieben wird mit e, Mit ii jedoch such' eS im Wald, Dort findest du'» bald jung, bald alt, Mit andern Bäumen im Verein, «ie.hrißt der Baum wohl, den ich mein'? Rechen-Anfgabe HanS, Heini und Horst erhalten zusammen 60 Murmeln. HanS bekommt noch einmal, Heini zweieinhalb mal und Horst viermal so viel als er Jahre zählt. Wie alt waren die Buben? Wieviel Murmeln erhielt jeder? Schorzfrage«. 1. Welche Laschen machen den meisten Lärm? 2. Wodurch steigt der Rauch? 8. Welche Beutel find die leichtesten? 4. Wo liegt BreSlau, wenn eS regnet? Bllder-Rätsel. O "3 B-xiorbtld Wo ist Papa? («uflisungsn tn nächst«» Numm«r) Viersilbige Scharade. Den; beiden ersten kannst du schau'n Bei Nacht in- Auge nur mit Grau'»; Jm'zweiten Paar mit Hellem Licht Siehst du dein eignes Angesicht; Dem ganzen aber bist du gleich, B- gehst du einen N irr ««streich an» Nummer 11. Der Scharade: Mutwille. DeS Rätsel»: Der Buchstabe n. De« LogogryphS: Wesel, Wiesel, Weisel Des Tilben-RätselS: Herzblatt. DeS Bilder-RätselS: Kriminalagent. Lindtr-Zeitung. Alle Rechte für den gesamten Inhalt vorbehalten. Nr. 12 Redaktion, Druck und Verlag von Horn ck Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. I 1810. Ostereier. Märchen vi „Zu armen Leuten kommt der Osterhase nicht," sagte traurig die zehnjährige Grete de» Tagelöhners Martin zu ihrem fünfjährigen Bruder Fritz und sah dabet sehnsüchtig durch die Hecke, die ihre« Vater« Garten von deS reichen Nachbarn Moritz Garten trennte. In diesem Garten waren die zwei Kinder de« Nach bars und suchten im Grase nach den Eiernestecn de» Osterhasen, voll Freude aufjauchzend, wenn ste ein solches gefunden, während ihre Eltern lachend zuschauten. „Warum denn nicht?" fragte Fritz „Da« weiß ich eigentlich auch nicht recht," antwortete Grete. „Wahrscheinlich, weil wir keine schönen Kleider anhaben. Ich möchte doch gar zu gern einmal ein solche- Osterei seh n, das der Hase gebracht hat." „Grete", sagte Fritz, komm einmal mit. „Ich weiß ein Hasenn.tst, da find Eier drin." Grete folgte ihrem Bruder nach dem Hintern Garten, wo ihr Fritz unter einem Strauche da» Hasennest zeigte, in welchem ein Häufchen kleiner dunkler Kugeln lag. „Du Dümmling," sagte fie, „das find doch Haseneier, wie sie die H.-sen das ganze Jahr über legen. Zu Ostern legen sie ganz andere Eier, die sind viel größer und sehen bunt aus und sollen sehr gut schmrcken. Die hier schmicken schlecht! Pfui Teufel! Die habe ich mal gekostet, wie ich noch ganz klein war." „Der Osterhase ist uns gewiß nicht gut, und wir haben doch immer so schön gefolgt," meinte Fritz ganz betrübt. Diese Rede hatte der Osterhase gehört, der mit seinem lereren Eierkorbe hinter dem Strauche saß. Als die Kinder «eggegangen waren, sagte er für sich: „Ich möchte mir doch gleich mit den Pfoten rin paar Watschen hinter dir Ohren geben, weil ick diese guten Kinder vergessen habe. Und meine Alte hat auch nicht dran gedacht. Lampe (Jägername für Hasen), wie machste da» wieder gut k Halt, ich hab«! Heute ist Gründonnerstag. Ihr lieben Kinder, ihr sollt eure Ostereier zum ersten Feiertage erhalte», I E. Thal. (Nachdruck »erböte«.) und zwar solche, wie ich noch keine au»geteilt habe." Nach diesen Worten eilte er in großen Sätzen dem Walde zu nach seinem Häuschen, wo er seine Frau gerade beim reinigen und kämmen ihrer beiden kleinen Hasenktnder antraf. „Höre, Alte," sagte er zu dieser, „wir haben doch vergessen, Martin» Kindern ein paar Oster eier zu bringen." „Aber Lampe, daS ist doch dumm und auch undankbar von un». Martins Grete hat un» im Winter immer ein paar Krautblätter oder eine Möhre oder Hsu tn den Garten gelegt, wenn wir nichts mehr zu essen sanden. Ich hatte mirs fest vorgenommen, ihnen dafür ein paar Ostereier zu schicken, jedoch da unsere Zwillinge ankamen und der KindtaufSdrasch da zwischen kam, habe ich alle» vergessen. Lampe, da mußt Du sehen, daß Du noch rin paar Eier auftreiben kannst Dein Bruder, der Maler, lut uns schon den Gefallen und malt fie recht schön. Dem haben doch die Krautblättrr auch mit gut geschmeckt." Vater Lampe schickte die beiden Jungen vor da- Haus und erzählte dann seiner Frau, wa» er sich ausgesonnen. AlS Nater Lampe zu Ende war, nahm ihn seine Frau beim Kopfe und gab ihm einen Kuß, indem fie vor Freude auSiief: „Mann! Lampe! DaS hast du dir aber sein auSgesonnen. Nun soll mir aber einer noch sagen, wir Hasen wären dumm, ich kratze ihm gleich die Augen auS." Schon am andern Tage machte stch der Osterhase auf den Weg, seinen Plan au-zu- führen. Der reiche Nachbar Moritz war heute in der Kirche gewesen und hatte danach'gut gespeist, trotzdem Charfreitag war. Er war in sehr guter Stimmung und setzte stch behaglich auf seinen gepolsterten Lehnstuhl, sein Mittagsschläf chen zu halten. In Gedanken an die Freude einer Kinder über die Ostereier schlief er ein und träumte bald, er set mit seinen Kindern im Garte», Eier zu suchen. Da stand auf ei».