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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 03.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191002038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100203
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-03
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 03.02.1910
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von Handelsbeziehungen soll «au nicht so in der O»ff ntlichk-it, sondern in der Kommission de» handeln. Meine Freunde werden dem Vertrage zustimmen, obwohl sie dessen Mängel nicht ver kennen. Namentlich hätten wir Besserer für dir Textilindustrie gewünscht. Abg. Etresema» (natl.): De« Urteil de» Nbg. Kämpf über den Unwillen, der in weiten industriellen Kreisen entstanden ist, kann ich mich nur anschl eßen. Ich befürchte die Rückwirkung, die die Annahme diese» Vertrage» auf unsere Stellung bei künftigen Verhandlungen mit anderen Staaten haben kann. Auch vergesse man doch nicht, daß b i diesem Vertrage mit Portugal unser Güteraustausch doch nur mit einem sehr kleinen Bruchteil beteiligt ist. Lehnen wir den Vertrag ab, so empfindet da» unser WirtschastSkörper doch nur al» eine kleine Zuckung. Viel schwerer würde er getroffen, wenn Verhandlungen mit andern Staaten ähnlich verlaufen sollten, mit denen unser Güteraustausch weit größer ist. Die Bedingungen de» Vertrages find für r»n» so ungünstig, daß der überwiegende Teil «einer Freunde bei der Ab lehnung verbleibt. Aba. Molkcnbuhr (Soz): Di, Handels- Interessenten find an der schlechten Behandlung fetten» der Regierung, über die sie sich beklagen, selbst schuld, denn sie haben da» Agrariertum großziehen helfen. Der Vertrag ist nur eine Folge unsere» schutzzöllnerischen System» und trifft die portugiesische Bevölkerung am härtesten. W«r werden gleichwohl für den Vertrag stimmen, weil wir durch dessen Ablehnung die hohen portugiesischen Zölle doch nicht hindern können, und weil der Ver lust der Meistbegünstigung un» andern Staaten gegenüber doch schwer schädigen würde. Abg. Linz (Rpt.): Ein leistung»sähiger In. landSmarkt »st »m Interesse unsrer Landwirtschaft unentbehrlich. Aber wir wollen auch unsern Handel und Industrie durch einen kräftigen Ex port fördern. Dieser Handelsvertrag ist der schlechteste, der je dem Reichstage vorgrlegt wurde. Schuld daran find unsere Unterhändler und die Organisation deS Wirtschaftlichen Ausschuss,S. Die Mehrheit meiner Freunde wird trotzdem für den Vertrag stimmen. Staatssekretär v. Schiit»: Der deutsche Konsul in L ssadon, der die einschlägigen Verhältnisse ge- nau tennt, war an den Verhandlungen hervor ragend beteiligt. Nach weiteren kurzen Darlegungen erklärt Staatssekretär Delbrück: Bor einem Zollkriege ist dringend zu warnen, und e» ist nützlicher, den Vertrag anzunehmen. Verlorenen Raum wieder, zugewinnen, ist fihr schwer. Auch unser, Schiff fahrt ist dabei in hohem Maße beteiligt. Der Vertrag bringt doch auch eine Fülle günstiger Ab« machungrn über Postsendungen, Küstrnschiffahrt usw. Ich bitte daher nochmal- ernstlich zu er- wägen, ob nicht ein Zollkrieg schlimmer ist al» die Annahme diese- Vertrage». Der Vertrag wird mit schwacher Mehrheit an- genommen. Darauf wird die Beratung de» Kolonialetat» fortgesetzt. Abg. v. Liebert (Rpt.): Die Beseitigung deS Kolonial-PesfimiSmuS ist hauptsächlich der Förde, rung deS Bahi.^aueS zu danken. Abg. Goller (frs. Vp) führt da» Erblühen der Kolonien auf da» Erwach,n de» kaufmännischen Geiste» zurück. Staatssekretär Dernburg: In Kamerun herrscht völlige Ruhe, die beigelegten Unruhen waren auf dir Maßnahmen gegen die Vielweiberei der Neger zurückzuführrn. Ueber die sehr wichtige Baum« wollfrage wird dem Hause bald Material zugehen. Donnerstag 1 Uhr Fortsetzung. Sächsischer Landtag. DreSde», 1. Febr. Auf der Tagesordnung der heutigen, von vornherein eine lange Dauer versprechenden Sitzung der Zweite« Kammer, welch» die SlaalSminister Dc. von Rüger und Graf Vitzthum von Eckstädt beiwohnten, standen vier soziale Anträge, nämlich: Antrag Günther und Genossen (freis. Vpt.): die Königliche LlaatSregierung zu ersuchen, dem Landtage eine Vorlage zugehen zu lassen, die eine Mitwirkung von praktisch geschulten und geprüften Ai beilern bei der Ausübung der Ge- werdeinspikl on vorschreibt. Antrag Bär und Genosse« (freis. Vpt.): die Königliche Dl lat-regierung zu ersuchen, dem gegenwäitig lügenden Landtage einen Gesetzent wurf vorzulegen, durch den für alle Staatsbetriebe die Elnrichlung von Beamten- und Arbeiteraus schüssen vorgeschrieben wird. Antrag Richter und Genossen (Soz): die Königliche Staattregierung zu ersuchen: 1. auS den Dienst- und Verhaltungsvorschriften für die in den Betrieben de- sächsischen Staate- beschäf tigten Arbeiter und Beamten alle Bestimmungen, die da- Arbeit-Verhältnis abhängig machen von der politischen S-finnung der Bedienstete«, zu entfernen; ferner die Einrichtung d» Personal bogen aufzuheben; S die Ausübung de» Koalition-- rechte», wie aller übrigen EtaalSbürgerrechte den in Staatsbetrieben beschäftigten Personen nicht zu erschweren oder unmöglich zu machen; 3. die be stehenden Vorschriften über die ArbeittrauSschüsse in den Staatsbetrieben nach folgenden Grund sätzen abzuändern: » di» Arbeiterau»schüsse haben da- Recht, selbüändig zu allen da» ArbeitSver- HLltntS berührenden Fragen Stellung zu nehmen. Sie find Mr Mitwirkung bei Regelung aller sol chen Fragen heranzuziehen, d. Wahlberechtigt und wählbar find alle Arbeiter und Arbeiterinnen, die am Wahltage 21 Jahre alt find. e. Da» Perso nal einer jeden Gruppe hat daS Recht, zur Vor bereitung der Ausschußwahlen in Abwesenheit der Vorgesetzten zu frei» Aussprache zusammen- zutreten. Die AuSschußmitglteder dürfen «egen ihrer Tätigkeit nicht entlassen oder versetzt «erden. Durch di, Versetzung eine» AuSschußmttgltede» tn ein« a«d«e Grupp« wird seine Funktion nicht aufgehoben, ä. Die ArbetterauSschüsse werden alljährlich neu gewählt. Ihre Sitzungen finden in jedem Vierteljahre einmal statt; außerdem so oft, wie r» die Mehrheit der AuSschußmitglieder oder die vorgesetzt« Dienstbehörde oder der zehnte Teil d^ Personale» einer Gruppe verlangt. Jeder Ausschuß hat da» Recht, mit andere« Au-schüffen in Verbindung zu treten. «. Von jeder Sitzung ist ein Protokoll aufzunehmen, da» allen AuS- schußmitgliedern und der vorgesetzten Dienstbehörde zuzustellen ist. k. Da» Recht der Auflösung von ArbetterauSfchüssen steht den vorgesetzten Behörden nicht zu. 4. Für Betriebe und Personalgrupprn, für die Arbriterau»schüffe zurzeit noch nicht be stehen, diese ungesäumt etnzurtchten. Antrag Fraßdorf und Genossen (Soz.): die Königliche TtaalSregierung zu ersuchen, anzu- ordnen: 1. daß bet Vergebung von staatlichen Arbeiten aller Art nur solche Unternehmer zu be rücksichtigen find, die ihren Arbeitern u«d Ange stellten die Ausübung eine» VereinigungSrechtk» weder verbieten, noch erschweren und mindesten» die Löhne gewähren, die durch Tarifvertrag zwischen Unternehmer- und Arbeiterorganisationen für den Ort beziehentlich Bezirk, wo di« Arbeit«» «»»geführt werden, vereinbart find. Wo Tarif verträge nicht bestehen, dürfe« die Löhne nicht unter die ortsüblichen de» betreffenden Berufe- finken; 3. daß in den betreffenden Verträgen Streikklauseln nicht ausgenommen werden dürfen; 8. daß Unternehmern, die vom Staate Aufträge erhalten, die Beachtung der Arbeiterschutzbestim mungen und der Unfallverhütung besonder- zur Pflicht gemacht wird; 4 daß ausländische Arbeiter zu StaatSarbeiten nicht herangezogen »erden dür fen, wenn zu befürchten ist, daß e» zum Zwecke von Lohndrückereien geschieht oder dadurch die Arbeitslosigkeit heimischer Arbeiter noch verstärkt wird. Nachdem Vizepräsident Opitz-Treuen mitgeteilt, daß die 8. Abteilung die Wahlen der Abgg. Drescher-Ger-dorf, Hartmann-Bautzen und Kunze. N ederlößnitz geprüft und für gültig erklärt hat, wurde beschlossen, über sämtlich» 4 Anträgr ge meinsam zu verhandeln. Abg. Dr. Noth-Burgstädt (Fr. Vp.) führt zur Begründung de- Antrag» Günther und Ge nossen au», di» beste Gewerbeschutzgesetzgrbung würde ohne die wohlwollende Mitwirkung der Unternehmer unzureich»nd bleiben. Da aber immer noch in Arbeiterkreisen ein Mißtrauen gegen die Gewrrbeinspektoren besteht und noch viele ano nyme Beschwerden »ingehen, fordere seine Partei, daß auch di« Arbeiter der Albtiterschutzzesetz- gebung zur Durchführung zu verhelfen mit be rufen würden. Vizepräsident Bitr-Zwickau (Fr. Np.) begründet den Antrag Bär und Genossen. Dem Beamten müsse eine gewisse Vertretung gewährt »erden, um s»ine Wünsche in bezug auf sein, wirtschaft liche Stellung und seine anderweitigen Ansprüche geltend zu machen. Er muß sie in Ausschüssen ni»derlrgen können, E» würden dann dir Parla mente nicht so von Petition«» überschwemmt wer den. Ein BeamtenauSschuß müßte an der Aus arbeitung der Dienstvorschriften und der Gestal tung dc» inneren Betriebe» Mitarbeiten. Di« be stehenden Arbeiter-Ausschüff« hätten noch keinen nennenswerten Erfolg zu verzeichnen. Di« Redens art, di« AcbeitcrauSschüssr wirkten nur al» Deko ration entbehre nicht einer gewissen Begründung Abg. Richter Themmtz (Soz) begründet seinen Antrag auf Beseitigung der Abhängigkeit der staat ltchen Arbeiter. Staatsbetrieb« sollten Musterbe triebe sein, jetzt seien st« «S aber nicht. Gegenüber den privaten Betrieben sei der Staat sehr rück ständig. ES herrsche in den Staatsbetrieben em arge» Denunziantentum, und die .Kreaturen", die sich dazu hergäben, fielen meist di« Treppe hinauf, zum Schaden deS StaateS. Eine Verwaltung, die sich solcher Maßregeln bedien«, könn« nicht von sich behaupten, daß fie weit entfernt sei von dem N.veau, auf dem diese Halunken ständen. (Präsi dent Dc. Vogel ersucht den Redner, nicht Schlüsse zu ziehen, die aus Behörden beleidigend wirken könnten.) Ec vertritt dann mit großer Lebhaftig keit daS Recht der Arbeiter auf Organisation. ES gebe lediglich eine Berufsorganisation. Sowenig wi« es evangelische und katholische Bahnhöf« gebe, ebensowenig gebe e» konfessionelle Organisation««. Die Eisenbahnarbeiter müßten daS Recht der Koalition haben, wi« e» in Bayern der Fall sei. DaS Koalitionsrecht werde den Eisenbahnern nur oorenthalten au» Furcht vor einem Streik. An einen solchen denke kein Eisenbahner, weil ein Streik doch erfolglo» verlaufen werde. Ein» passive Resistenz, wir fi« in Oesterreich geübt worden sei, werde für Sachsen viel gefährlicher sein. Wollten alle Bremser, Rangierer usw. strikte ihr» Vor- schriften befolgen, so würden wir binnen drei Tagen den Eisenbahnverkehr nicht mehr aufrechterhalten können. Unter dem Druck wirtschaftlicher Ver- hält» ffe sei eS allen Berechnungen zum Trotz nicht ausgeschlossen, daß sich Eisenbahner zu Dingen ver- letten ließen, die er selbst al» Staatsangehöriger, OcganisationSkiter und Mitglied ditseS Hause» nicht wünsche. Die jetzigen Zustände in den Staatsbetrieben seien nicht deS Staate» und seiner Glieder würdig. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Aräßdorf begründet alsdann den letzten Antrag. Auch dieser sei nicht politisch, er sei wirt schaftlich und sozial und bild« einen Prüfstein, wie die bürgerlichen Parteien ihre sozialpolitischen An schauungen betätigten. Redner befürwortet weiter den Schutz der bei staatlichen SubmtsstonSarbeiten beschäftigten Arbeiter. Während vo« vielen andern Bundesstaaten üb«r diesen Schutz an da» Reichs amt de» Innern bertchtrt worden sei, enthalte der amtliche Bericht diese» ReichSamt» in bezug auf Sachsen die Stelle: „AuS d«m Königreich Sachsen find Bestimmungen über den Schutz der b»t staut- ltchen SubmisstonSarbeiten beschäftigten Arbeiter nicht bekannt geworden." (Hört! hört! Finanz- mtntster Dr. von Rüger: „Längst widerrufen!") Längst widerrufen? Gut, dann bescheide ich mich und harr« d«r Auskunft der Regirrung über da», wa» fie in dieser Richtung getan hat. Ich erinnere aber daran, daß beim Ba« de» Leipziger Zentral- bahnhof» die Arbeiter nicht arschützt worden find. Infolgedessen habe« ausländische Arbeiter den ein- heimisch«» Lohn und Brvt weggenommen. Be sonder» mangelhast seien di« Verhältnisse im Tief- baugewerbe. Redner wendet sich dann den einzelnen Teilen dr» Anträge» zu. Seine Freunde wünschten kein besondere- Recht für die Arbeiter, sondern nur gleich«» Recht für den Handarbeiter wie für den Kommerzienrat. Der Staat aber möge Unternehmer, die die Richte ihrer Arbeiter beschränken, nicht noch durch Zuweisung von gewinnbringenden Auf- trägrn unterstützen. Al-dann erörtert Redner die Tarifverträge, die sich durchaus bewährt hätten, wie da- Beispiel im Buchdruckgewerbe zetge. Redner bemängelt weiter, daß vielfach selbst auf Staat»- bauten so wenig für di« Hygiene der Arbeiter ge sorgt fei und e» oft an den notwendigsten Ein richtungen fehle. (Minister Graf Vitzthum: Gir find wohl vorhanden.) Nein, fie find nicht vor handen; ich hab» mich persönlich davon überzeugt Redner erörtert alsdann die Frage der ausländischen Arbeiter, die vielfach herangeholt würden, um Löhne zu drücken. Möchten die Minister doch einmal unerkannt gleich Harun al Raschid unters Volk gehen und hören, wie dort die Lohndrückerei durch ausländische Arbeiter beurteilt werde. Im ganzen Londe müsse man Arbeitsnachweise errichten mit Au-kunftSstellen in jeder Gemeind«. In Luxem burg werde in jedem Orte, gleich dem Wetterbericht, der Stand deS ArbettSmarkte» angeschlagen. WaS würden die Unternehmer sagen, wenn man zu Staatsarbeiten ausländische Unternehmer heran ziehen wücde? Ebenso sei »S notwendig, daß der Staat die großen Betriebe (Bäckereien usw ), au» denen er al» Konsument Waren entnehme, gründ lich kontrolliere. Er bitte zum Schluß nochmals, die Regierung möge Einkehr halten, und da» Hau» möge di» Anträge, die nicht politisch seien, annehmen. In zwei Jahren würden seine Freunde fragen, wa» geschehen sei. (Beifall bei den Soz.) Finanzminister Dr. vo« Rüger: Soweit die Anträgr sein Reffort beträfen, werde er Auskunft geben. Der Minister de» Innern habe da» Hau» verlassen müssen (um nach Berlin zu fahren Red ), an seiner Stelle wrrde ein RegierunaSkommissar Au»kunft erteilen. Dann wendet sich Redner dem Antrag Bär zu. Dieser sei unannehmbar. Mit Beamten- undArbeiterauSschüffen werd» ein Fremd körper in die Verwaltung eingrführt «erden, der nur störend wirk«. Wo da» Bedürfni» zu Arbeiter- auSschüssen vorhanden sei, da seien fie in den Staatsbetrieben auch eingeführt und arbeiten mit vollem Erfolge, so bei der Eisenbahn, Porzellan manufaktur, Kohlenwerk Zauckerode u. a. In kleinen Betrieben seirn die Ausschüsse zu entbehren. Ueberhaupt habe er bei den sozialdemokratischen Ausführungen da» Gefühl gehabt, daß damit offene Türen eingrrannt würden. Di« ArbeiterauSschüffr set«n keineSweg» nur Staffage, sondern funktionierten so, wie fi« gedacht seien. (Ironische Zurufe: Jo, wie fie gedacht find.) Zu tiner gesetzlichen Regelung liege bet der Verschiedenartigkeit der Betriebe kein Anlaß vor. Soweit der Antrag Richter beachtliche Anregungen enthalte, soll ihm nachgegangen werden, worüber die Regierung in der Deputation nähere Auskunft zu geben bereit sei. Die Personalbogen, die Übrigens nur für Beamte existieren, seien nicht zu entbehren. Die Anstellung usw. eines Beamten oder Arbeiter» sei von der politischen Gesinnung nicht abhängig. Daß Beamte, die dem Könige Treue geschworen hätten, nicht staatsfeindlichen Vereinigungen angehöcrn dürften, sei im Wesen de- StaateS begründet. Deshalb sei im Amtsblatt der Generaldirektion auch der Beitritt zum Ham burger Verband verboten worden. (Zuruf von sozialdemokc. Seite: „Dazu haben Sir kein Recht!"). DaS KoalitionSrecht könne man den Eisenbahnern nicht gewähren. Die Regierung müsse sich geg»n einen Streik schützen können, daS erfordere da allgemeine StaatStnteresse. DaS Eisenbahnerorgan „Der Weckruf" suche die Arbeiter systematisch auf zuhetzen, wie sich schon auS gewissen, immer wieder kehrenden Ueberschlifttn ergebe. Redner geht dann auf den Antrag Fräßdorf ein. Die von der Eisen- bahnoerwaltung erlassenen Verbote verstoßen keines wegs gegen die bestehenden reichSgesetzlichen Vor schriften. Den Vorschriften der Gewerbeordnung müsse selbstverständlich entsprochen werden, aber e» müsse auch Disziplin und Ordnung herrschen. Der sächsische Staat als Arbeitgeber lasse sich von keinem Privatmann an sozialer Fürsorge Übertreffen. Wenn sich die Regierung zu den heute zur Debatte stehenden Anträgen im wesentlichen ablehnend ver- halte, so gestehe e- nicht aus Hartnäckigkeit, sondern au» pflichtmäßigem Ermessen und der un erbittlichen Rücksicht auf da- allgemein» Staat», wohl. Die Befürchtung eine» Etsenbahnerstreik» s«i unbegründet, und di» Regierung werde jederzeit ihre Pflicht tun. (Bravo!) Den Antrag Fräßdorf halte die Regierung im ganzen für undurchführbar, die kgl. Dienststellen würden bei seiner Annahme vor Aufgaben gestellt werden, die sie nicht lösen könnten. Den hohen Wert der Tarifverträge er kenne die Regierung sehr wohl an, müsse eS aber ablehnen, auf allgemeine Durchführung in den Arbeitsbedingungen zu dringen, da der örtliche Geltungsbereich dieser Verträge vielfach zu eng begrenzt sei, von wenigen Ausnahmen, wie für daS Buchdruck- und Buchbtndergewerbe, abgesehrn. Hin sichtlich deS Submission-Wesen- sei dir Regierung schon seit drei Jahren in sich gegangen. (Heiter keit.) 1907 seien über da- Submisston-wesen neue Bestimmungen erlassen word»n, die er dem Abg. Fräßdorf gern zur Verfügung stelle. Dir Regie rung mache e» sich zur Pflicht, zwischen Arbeit gebern und Arbeitnehmern strengste Unparteilichkeit walten zu lassen. Den Punkten 8 und 4 de» An trags Fräßdorf sri bereit» entsprochen. (Abg. Fräß dorf: Die Bestimmungen werden aber nicht durch- geführt!) Bei Eisenbahnarbeiten könnten auslän dische Arbeiter wegen ihrer größeren Leistung»- fähigkeit nicht ganz entbehrt werden. Di« Regie rung werde auch weiter über Durchführung der vom Redner zitierten Bestimmung«» wachen und «eine, daß e» einer «etter«« B«handlung d«r An träg« durch den Landtag nicht bedürfe. (Bravo!) Geh. Rat Dr. «»schor verliest eine läng«« Erklärung d«S Inhalt», daß die sächsische Regie rung ketn«»«rg» auf di« Mitwirkung der Arbeiter bei d«r Gewerbeaufficht verzichtet hab«, und zwar durch Einführung vo» Auffichttbeamten in Stein- brüchen. Wo «» der Natnr der Betriebe nach ge boten erschein», habe da» Ministerium de» Innern kein Bedenken, Arbeiter-Aufficht-bramte anzustell»«. Den der Regierung gemachten Vorwurf der Richt». Verletzung müsse er entschied»« zurückweisen. Abg. Hofmann-Meißen (Kons): S»tn» polt« tischen Freunde behielten sich die endgültig« Ent scheidung über den Antrag Günther bi» zur Schlußberatunz vor. Gr selbst stehe d»m Antrag ablehnend gegenüber, weil er ein „Zuviel" von Vorschriften und Behörden brfürchtr. Den Antrag Bär betracht,trn sie im Zusammenhang mit dem Antrag Richter und bedauerte« zunächst die Form der Angriffe gegen dir Regierung. Punkt 1 de» Antrags Richter lrhnten fi« ab, wünschten aber Gewähr dafür, daß die Personalbogen einwand frei geführt würdrn. Darüber «ürd« sich in der Deputation eine Verständigung erzielen lassen. Seine Freunde seien Gegner jede» Mißbrauch» der Koalitionsfreiheit und wünschten Schutz der Ar- beitSwilltgen gegen TerroriSmuS aller Art. Ueber die einzelnen «eiteren Punkte seien fie in der De putation sich auSzusprechen b»r»tt. Abg Hettner-DceSden (Natl): Wir legen be sonders Wert darauf, daß unsere Genmbtinspek. toren noch mehr al» bisher sich Au»künste bei er fahrenen Arbeitern einholen. Aber dazu wäre keine gesetzgeberisch« Tat not««ndig. Di« Wahl von geeignet«« Arbeitern würde viel« Schwierig keiten bieten. Die Arbeiterschaft wendet ihr Ver trauen nicht denjenigen zu, di« dazu berufen find, ihr Vertrauen zu verdien,«, sondern vielmehr den jenigen, die fie selbst gewählt habt«. Die Insti tution würde lediglich auSaenutzt «erden, um die Macht der sozialdemokratischen Organisation zu vermehren, und da- ist et«a», wa» wir nicht för dern können. Di, Gewählte« würden von ihren Wählern abhängig s»in. Wir müsse« bedauern, daß durch die Sozialdemokratie in alle diese sozialen Fragen di« Politik hineingetrag«« wird. Wir wollen nicht, daß den Arbeitern Vorschriften hin sichtlich ihrer Gifinnung gemacht »erden. Wir können aber auch nicht dulden, daß in einem staat lichen Betriebe Hetzereien in bezug auf die Grund lagen deS StaateS getrieben «erden. D«r Beamt», d»r dem Staate dirnt, darf nicht gegen die Inter essen di» StaateS handeln. Da» KoalitionSrecht darf innerhalb d,S gesetzlichen Rahmens k»tnerlri Einschränkungen erfahren. Ich habe aber in der Btgründung der Antragsteller keinen Fall gehört, wo da« KoalitionSrecht nicht gewahrt ward«» wäre. Im Eisenbahnbetriebe liegt allerdings ein vollständig freies KoalitionSrecht nicht im Jntiress« der Allgemeinheit. Die Rede deS Abg. Richter brachte eine Drohung mit de« Etsenbahnarbrit»r- streik. Wenn «S zu »inrm solch»« Strrtk kommt, dann haben diejenigen Schuld daran, die solch, Reden halten. Betreffs d»S Antrages Fräßdorf und Genossen halte ich «» für selbstverständlich, daß der Staat für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sorgt, aber ich kann nicht zug»ben, daß der Staat in bezua auf die Einhaltung von Tarifverträgen einen Zwang auSübt. Der gute Kern, der in di«seu Anregungen liegt, ist von den Antragstellern der Linken schimatifiert worden. Abg. Hkldt-Ehkmnitz (Soz): Meine politischen Freunde werd«« dem Antrag Günther und Ge nossen zustimmen, obwohl da», «a» der Antrag bringt, noch nicht weit g«nug geht. Di» Mit wirkung bei der Gewerbeinspektion ist eine alte Forderung der organifierteu Arbeiterschaft. Die Erklärung der Regierung läßt durchau» nicht er kennen, daß man unseren Anregungen nachzukommrn bereit ist. Di» Erfahrung»» anderer Bundesstaaten haben ergeben, wie außerordentlich nützlich diese Einrichtung durchzuführen ist. Im vergangenen Winter verteilte der Rat zu Lhemnitz Notstand», arbeiten und bezahlte an verheiratete Arbeiter 28 Pf-, und a« ledige 18 Pfg. pro Stunde. Di» Folge war, daß die Ttefbauunt»rnth«»r die Löhne ihrer Arbeiter auch hecabsetzten. Diese bösen Beispiele von oben herunter verderben die guten Sitten, di» wir rinsühren wollen. (Heiterleit.) De-Halb er suche ich Sie, dafür zu sorgen, daß unsere prak tischen Vorschläge in die Tat umgesrtzt werden. Abg. Sünthor-Plaurn (Frs.): Der Finanz- Minister hat sich mit besonderer Schärfe gegin die von uns angeregten BeamtenauSschüffe ausge sprochen. Wir können nicht zugeben, daß durch diese die BcamtendiLziplin gefährdet wird. Die BeamtenauSschüffe würdcn sich gutachtlich äußern können über Dtrnstvorschriften und ähnliche». E» folltr dem Staate genügen, daß der Arbeiter seiner Pflicht in seinem Berufe nachkommt. Abg. Schroibor (Kons.) führt au»: Mit Tarif- vertrügen seien seine Freunde durchau» einverstanden. W«nn die Verträge nicht schematisch gehandhabt würden, könnten sie viel Gute» stiften. Di« Streik klausel sei nicht zu entbehren, wenn man den Un ternehmer eventuell vor dem Ruin schützen wolle. Streik» würdrn oft leichtsinnig provoziert. (Zuruf von der Linken.) Allerding» würden auch von den Arbeitgebern Frhler begangen. Geheimer Negi»rung»rat «Sahl» verteidigt nochmals den Regterungsstandpunkt. Die von d»r Regierung erlassenen Verbote widersprechen durch, au» nicht den gesetzlichen Bestimmungen Gegen den Vorwurf der GefinnungSschnüffelei müsse er die Regierung entschieden in Schutz nehmen. Wahl- beeinfluffungen mißbillig« dir Regierung durchau«. Um 8 Uhr iS Min geht ein Schlußantraß ein, der genügend unterstützt, aber vom Abg. St»- der»««« (Soz ) namrn» seiner Fraktion bekämpft wird. Mit 88 gegen 27 freisinnige und sozialde mokratische Stimmen wird der Schluß der Debatte angenommtn. E» folgen längrre Schlußworte der Antrag- stellrr, die nochmal» ihren Standpunkt verteidigen und die im Laufe der Debatte dagigrn «rh»b«n«n
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