Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191001019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-01
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.01.1910
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
SckW «um Hcheißcin-EiiiWiilrr APkign Ta-eblatt. Nr. 1. Sonnabend, dm 1. Januar 1910. 37. Jahrgang, Kammer dttfrayzMn zMeckW. Selbsterlebnisse von Wgx Schulze, Oberlungwitz. 2. Fortsetzung. (Nachdruck verboten) Während sich die Legionäre des zurückge- kehrten Bataillons einige Tage von den großen Strapazen erholten, sollte ein neues Expeditions korps ausgerüstet werden. Am Abend des 4. März 1901 kam plötzlich der Befehl ans Regi ment, morgen früh gehe das 1. Bataillon ab nachdem Süden. Es begann nun ein Rennen und Jagen während der ganzen Nacht, da wir am folgenden Morgen schon zur Abreise bereit sein mußten. Wir waren indes glücklicher als die Kameraden des 2. Bataillons, denn wir benutzten die Eisenbahn. Unser Ziel war Aln-Sefra, ein an der marokkanischen Grenze gelegener und be festigter Militärposten im Südwesten Algiers. Zu je 2 Kompagnien wurden wir mit unsrer vollen Ausrüstung in die Kupees hineingepfropft, und begann nun eine überaus langweilige Fahrt, bis wir am Abend nach Saida kamen, wo das 2. Regiment der Fremdenlegion in Garnison steht. Es war bereits finster, als wir den Bahnhof verließen und hinauf nach der etwas hochgele genen Stadt marschierten. Nachdem wir zu Wend gegessen, mußten wir auf den kalten steinernen Fließen schlafen, es gab kein Bett, kein Stroh und doch befanden wir uns in einer großen Kaserne. Kein Ange habe ich zugetan, so kalt war es und nie habe ich mehr gefroren, als in jener Nacht in Saida. Am frühen Morgen, den man sehnsüchtig erwartete, wurde die Fahrt fortgesetzt und ging es dem Endziele entgegen. Während des ersten Tages unserer Reise boten Landschaften, Farmen, Städte und Dörfer — wenn auch manchmal sehr weit von einander entfernt, — hin und wieder Abwechselung für das Apge. Nachdem wir aber Saida verlassen und die Bahn eine große Steigung überwunden, war es mit einem Male beinahe das Gegenteil geworden. Ab und zu sah man noch einige weit zerstreut liegende Farmen, aber auch diese wurden immer seltener, denn wir kamen mehr und mehr in die Nähe der großen Wüste Sahara. Ununterbrochen rollte der Zug über schier endlose Ebenen, auf denen weder ein Baum noch ein Strauch zu sehen war. Infolge der dichtbesetzten Kupees und der furchtbaren Hitze — beinahe senkrecht fielen die Sonnenstrahlen —, war ein großer Teil der Legionäre in tiefen Schlaf ge sunken und in Strömen rann ihnen der Schweiß über das Antlitz. Das Gewehr im Arm, träumte vielleicht mancher von der fernen schönen Heimat. Ich hatte meinen Platz gerade an der Kupeetür und war weit und breit nichts zu sehen, als hie und da ein herrenloses wildes Kamel oder ein riesiger Adler, der in geringer Höhe majestätisch kreisend dem Zug zu folgen schien. Nach stunden langer ununterbrochener Fahrt meinten mir ost in eine Stadt oder ein Dorf zu kommen, doch wieder war es eine Täuschung, denn nach weiterer Fahrt war nichts zu sehen. Endlich tauchte ein Punkt auf, der langsam größer wurde, und kamen wir an eine Station. Ein größeres Bahnmürter- haus von einer hohen, mit Schießscharten ver sehenen Mauer umgeben, einem kleinen Fort ähnlich, war der Bahnhof am Rande der Wüste Sahara. Weit und breit kein Dorf, keine Stadt zu sehen, niemand steigt weder-ein noch aus. Die Fahrt wurde fortgesetzt und abends, nachdem der Zug einen großen Berg umfahren, langten wir endlich in der Oase Aln-Sesta an. Wiederum war es Nacht, als wir das große eiserne Tor der Redoute passierten. Schwarze Soldaten standen auf Wache. Es waren die „Tirailleures algöriens" (Algerische Schützen oder TurkoS), welche noch an demselben Abend von uns ab gelöst wurden. Die aus Turkos bestehende kleine Besatzung war verhältnismäßig schwach in Anbetracht der Nähe der marokkanischen Grenze, die nur 80 Kilometer entfernt ist. Ueber Aln-Sefra sei folgendes bemerkt: Etwas vom Araberdorf abseits und hochgelegen, befindet sich die Redoute. Sie ist von einer hohen, mit vielen Schießscharten versehenen Mauer umgeben, in welcher sich 4 große eiserne Tore befinoen. Innerhalb derselben stehen alle Militärgebäude wie: die drei kleinen Kasernen für die Infanterie, das Munitionshaus, Lazarett, Gefängnisfe, Proviantmagazine, Bäckerei, Kantine, Offizierswohnungen, Wachtlokal, die Kaserne für die berittene Kompagnie, Baracken für Kavallerie und Artillerie, Stallungen re. Dies alles sieht einen: kleinen Fort täuschend ähnlich. Aus meinem Tagebuch entnehme ich folgendes: Am 19. Mai wurde Alarm geblasen und wollte man sehen, binnen welcher Zeit man Aln-Sefra in Verteidigungszustand zu setzen ver möge. Das Araberdorf wurde besetzt, die Bahn gesperrt, oben in der Redoute die Schießscharten besetzt und die Kanonen in ihre Stellungen ge bracht. Da keine Pferde und keine Artilleristen in Aln-Sefra lagen, schleppten die Fremdenlc- gionäre die Geschütze auf die Basttonen und wurden die Leute, die in ihrer Heimat bei der Artillerie gestanden hatten, zur Bedienung heran- gezogen. Ich erinnere mich noch eines deutschen Artilleristen namens Pfad. Unter anderen stand bei der 3. Kompagnie auch ein Lehrer Gaida aus Zittau i. S. In einer Stunde war alles für einen Angriff bereit, doch hege ich noch heute schwere Zweifel, ob die kleine Besatzung hätte Stand halten können, wenn aus dein nahen nur 80 Kilometer entfernten Marokko einige 1000 Mann jener Räuber und Kabylen anacrückt wären. Die Redoute wäre unzweifelhaft erstürmt worden und kein einziger mit dem Leben davon gekommen, es sei denn durch schleunige Flucht. Am 31. Mai war ichaufWachean dem nach dem Araberdorfe zu gelegenen großen Tor. Es ziehen hier regelmäßig ein Korporal und acht Mann auf. An diesem Tage trug sich folgende kleine Episode zu: Es war am Morgen des 1. Juni, kurz vor 6 Uhr, als der wachthabende Korporal Astijanon, ein junger Italiener, nach erfolgter Ablösung der Wachen sich mit einigen Soldaten zu den Gefangenen begeben hatte. Einige Tage vorher war der General Caze, der ich auf einer Inspektionsreise nach der marok kanischen Grenze befand, in Aln-Sefra angckommen. Am Tore stand ein Franzose auf Posten und ollte derselbe laut seiner Instruktion die Wache richt unter Gewehr rufen falls der General vor 6 Uhr die RedouteHverlasse. Ahnungslos sitzen wir eberi erst abgelöst im Wachtlokale, als plötzlich der Posten ruft: „äux armes!" (An die Gewehre.) Wir stürzen beide zur Tür und sehen den General Caze mit dem Platzkommandeur kommen. Einige Sekunden der Ueberlegung und wir beschließen, um einer Bestrafung zu ent gehen, ohne Wachthabenden herauszutreten. Wir reißen unsere Bajonette aus der Scheide, krachen sie auf die Gewehre und treten an. Unterdessen ist der General und sein Begleiter ziemlich nahe gekommen. Mein Kamerad kommandiert halb laut: „Präsentiert das Gewehr!" und ohne eine Miene zu verziehen, stehen wir vor unserem hohen Vorgesetzten. Dieser fragt: „On est le cüef äe poste?" (Wo ist der Wachthabende? Mein Kamerad, der auch kein Wort französisck verstand, antwortet: „Ich verstehe nicht französisch, mein General," worauf dieser die Frage in deutscher Sprache wiederholt. Da wir es auch nicht wußten, wo sich der Korporal befand, läß uns der General Gewehr bei Fuß nehmen und verschwindet im Araberdorf. Der Franzose be kam eine „Nase", da er die Instruktion nicht befolgt hatte. Am 9. Juni war Inspektion vor dem General Caze und wurde am selben Tage die Rückkehr eines Expedittonskorps gemeldet, welches denn auch am Nachmittag eintraf. Es war ein Ba taillon Turkos, einige Kompagnien Legionäre vom 2. Regiment und zwei Eskadrons reitende Jäger (Chasseurs d'Aftique). Am genannten Tage war ich wieder auf Wache und zwar am „poste äe Police" (Kasernenwache), als diese schwarzen Truppen, bestehend aus Arabern, Leuten von der marokkanischen Grenze und Negern aus dem französischen Sudan, ankamen. Wild, struppig, zerlumpt und zerrissen ob des 12monatlich en Aufenthaltes in der WüsteSahara sah man Gesichter unter ihnen, die im Stande waren, einem Furcht und Schrecken einzuflößen. Vor allem machten die Ne^er aus Zentralafrika einen solchen Eindruck, während unter den Turkos viele Unteroffiziere und Sergeanten waren, die nach ihrem Abzeichen am Arni schon 10—15 Jahre in französischen Diensten standen. Da für alle diese Truppen kein Platz in der Redoute war, so mußte das ganze schwarze Bataillon draußen vor der Umfassungsmauer Zelte auf schlagen und dort kampieren. Die von der Ex peditton zurückgekehrten Truppen, deren Kleidung und Ausrüstung in furchtbar schlechtem Zustand war, hätten diese gern gewaschen und gereinigt, aber es herrschte in der Oase Ain-Sefra, sowie im Fort ein oerartiaer Wassennangel, daß oft mals das Wasser selbst für die Küche nicht zu reichte. Der Brunnen lief nur von 12—2 Uhr und fanden an demselben manchmal förmliche Schlachten statt. Auf der einen Seite die Fremden legionäre, ailf der andern die Turkos, wurde das wenige Wasser des kleinen Bassins gierig ge- trunken und gab es hin und wieder deswegen Schlägereien zwischen Weißen und Schwarzen, bis schließlich die Wache gerufen wurde und den Streitereien ein Ende machte. Das Verhältnis zwischen Legionären und Turkos war ein herzlich schlechtes, trotzdem machte ich eines Tages die Bekanntschaft eines jungen eingebornen Soldaten. Es war an einem schönen Sonntag nachmittag, als ich und der Kompagnie schuster Benner, ebenfalls ein Deutscher, der schon zum zweiten Male in der Legion war, uns im Hofe der Redoute befanden. Benner war der fran zösischen Sprache mächtig wie kein zweiter Lands mann und deshalb suchte ich öfter seine Gesell schaft, um dabei etwas französisch zu lernen. Im Hofe befanden sich zwei aufgemauerte, ver- deckte Reservebruimen, auf denen zwei TurkoS damit beschäftigt waren, Briefe zu schreiben. Wir näherten uns und mein Kamerad knüpfte bald ein Gespräch in französischer Sprache mit den beiden eingebornen Soldaten an. Neugierig betrachtete ich währenddem die sonderbare Schrift der arabischen Sprache. Bald wurden auch die beiden Turkos gesprächig und einer davon, ein junger Araber von 18 Jahren namens Bel- Hihammon, frugmich, ob ich Kameradschaft mit ihm machen wolle. Oftmals haben wir uns in der Kantine getroffen, wo er für mich ein GlaS Wein bezahlte. Einen Tag später hielt der Leutnant Rabbi unserer Kompagnie eine Straf predigt, die mit dem Verbot des Verkehrs mit eingebornen Soldaten endete. Am 22. Juni hatten wir eine Revue oder Inspizierung vor dem Platzkommandeur von Aln-Sesta, dem Kapitän Bouillon. Auf dem Hofe hatten bereits zwei Kompagnien Legionäre Aufstellung genommen, als wir uns ebenfalls anschickten, anzutreten. Plötzlich rötete sich im Westen der Himmel und ein heftiger Wind setzte ein, der bald zu einem furchtbaren Orkan aus artete. Innerhalb einer Viertelstunde war der ganze Himmel blutrot, der Sturm hatte den zu Bergen aufgetürmten feinen Wüstensand unweit der Redoute aufgewirbelt und damit die ganze Luft erfüllt. Jeden Augenblick glaubte man, der Orkan werfe die kleinen, aber massiv und fest in Stein bebauten Kasernen über den Haufen. ES war em Sirokko oder Wüstensturm, der den Karawanen oftmals zum Verhängnis wird. Noch immer standen die beiden Kompagnien im Hofe und konnte man sie kaum sehen, trotzdem sie höchstens 100 Meter von uns entfernt waren. Von der Kasernenwache aus rief aus Leibes kräften der Kapitän Bouillon: „komper-vos kianxs! komper-vos kan^s!" (Weggetreten! Weggetreten I) Aber seine Stimme verhallte im Sturm, bis ein anderer Offizier die beiden Kompagnien wegtreten ließ. (Schluß folgt.) Zum neuen Jahre. Da» neue Jahr strahlt hell im Licht Am Himmel der Unenvlichkeit, Hat übernommen seine Pflicht, Weicht ab nicht einen Finger breit. Noch kräftig und noch jugendlich Erglänzen seine Ltrahlen! Uno wir, ergriffen wonniglich, UnS schvn die Zukunft malen. O, möchten wir r» auch erreichen! LaS Jahr glänz' wie ein Edelstein, Daß nicht die Hoffnungen verbleichen,! Di» wir gepflanzt inS Herz hinein. Und dieser, unser Herzenswunsch, Mög' sich erfüllen immerdar, Drum rufen wir beim Vlasr Punsch: 7 - Z „ES lebe hoch daS neue Jahr!" .. '.WZ Hohenstein-Ernstthal. Kurt Ott», j —M—— Angiolina. Novelle von der Adria von Hans v. Basedow. 11 (Nachdruck verboten.) Erstes Kapitel. Die scheidende Sonne warf ihre letzten, rotglühenden Strahlen ans die Trümmer der alten Bnrg Dietrichs von Bern, Monfalcone, die sich in ihrer harten, steinernen Größe inmitten des Karst erhebt und hinansblickt auf die blaue Adna, die mit ihren schmeichelnden, kosenden Wellen dort unten Kastell Dnino bespült und Weiler hinüber nach Aquileja, das dort hinten aus den Lagunen herausschaut in seiner gefallenen, einsamen Pracht. Agnileja! Auch die Gedanken des Mädchens, das dort oben auf den alten Blöcken der Bnrg saß und «inen Kran» ans gelben Aurikeln, blauen Cyklamen und rosigen Pfirsichblüten wand, weilten in der allen Stadt. Sehnsüchtig blickte es hinüber mit seinen dunklen, kindlichen und dock träumerisch glühenden Augen zu dem einsamen, weißen Turm, der sich dort hinten fast am Horizont erhebt und rötlich im immer mehr und mehr verglimmenden Sonnenlicht schimmert. Noch konnte es ihn sehen, aber nicht lange mehr würde es währen, das wußte das junge Mädchen. Die Röte verschwamm mehr und mehr ins Graue, zwei, dreimal war es noch, wie wenn die Sonnenstrahlen aufflackerleu, sie glitzerten violett aus dem Meer und umglühten sattrot den Turm. Dann war es dunkel. Aguilcja war ver schwunden in den weißen Nebeln der Lagunen. Da? Mädchen seufzte auf und blickte träumerisch vor sich hin. Aquileja — nicht die Stadt war es. nach der sic Sehnsucht hegte, es war der schöne, stattliche, blonde Tedesco, der Vittore, der dort in Aquileja sein Atelier aufgcschlagen und das Meer, die Lagunen, den Karn und den alten Tempel malte, bei dem die Gedanken Angiolina? weilten. Der Pittore! Sie seufzte wieder auf und zupfte uervös mit ihren schlanken, feinen, vou der Sonn« gebräunten Fingern an dem Kranz, den sie gewunden, so daß manch Blnmenköpfchen brach. Sie mußte immer und immer an ihn denken. Er war ein so ganz anderer Mensch, als die Maler, die sonst wohl diese Gegend anfsuckten und sie immer gleich mit Blicken vcrsolgtcn, wohl auch ungeniert zn ihr sprachen, wie so schön es sein würde, wenn sie ihnen Modell stünde, als Zicgen- hirtin des Karst etwa, oder gar als Wasserfee. Da freilich waren sie immer schön angekommen, von so etwas wollte sie nichts wissen — sie, die Enkelin Beppos, der zwar arm war, aber doch angesehen, weit und breit, den» cr kannte die Welt, dreimal Halle er sie umfahren als Stenermann auf einem Kauffahrteischiff, und klug war er, er wußte wohl ebensoviel, als der Dotlore in Sagrado, oder Görz, oder Triest. Er kurierte Mensch nnd Tier in der Umgegend, ihr Groß vater, der alte Beppo, der spät in der Nacht hinanfstieg auf den Karst und dann hiunnter in die Dolinen, wo er Krämer suchte, die alles Weh linderten. Nein - damit kamen die Maler bei ihr schon an, Modell stehen, niemals, wen» sic auch hier und da gern mit den Malern scherzre. Ja - er war ganz anders als all die übrigen. Er trug kein Sammetjolett, nein, eine richtige, derbe Jägerjoppe und hohe Stiesel, ganz hohe, bis über die Knice kinanf. Und einen Barl batte er, einen mächtigen, blvnden Bart, dcr tief ans die Brust hinabmallte. Und der Blick seiner klaren, blauen Ange» war so ernst, so ruhig und so fest und so streng. Eigentlich, wenn man ibn nicht kannte, war er fast zu fürchten. Aber dann, wenn man mit ihm gesprochen, war das ganz andere, daun war er lieb und freundlich — freilich, seit einiger Zeil gegen sic, cs war mcrkwürdig, wie hart und rauh, wie unfreundlich nnd böse er da war. Aber nur gegen sie. Warum wohl? — Sie drehte den Kran» nachlässig in den Händen und blickte hinüber über den schweigenden Karst, über da? große Steinmeer, das jetzt kalt und grau dmag, nur hin und wieder regte sich ein rosiger oder weißer Pfirsich baum im leichte» Abendwind, der vom Meer herüber- weht», — oder ein grauer Adler flog über die grauen Steine. Es herrschte tiefe Still« ringsum, das Läuten des Glöckchens der Kapelle, die neben dem kleinen, von vier mächngen Cttvrencn begrenzten Friedhof dort drüben lag, war lciie verhallt und der Eiseubahnzng, der eben Ronchis vassiert hatte, verrollte mehr und mehr in der Ferne. Rnhe nnd Frieden ringsum. Angiolina sog dnrffig die frisch-herbe Seeluft, die heraufwchte, ein, und strich das schwarze Lockcngewirr ans dem Gesicht. Sie Hoile ein paar Mal hastig nnd tief Aiem und lächelte daun vor sich hin. Sie war ein Naturkind, leicht bewegt. Mit dem Acnßeren wechselten ihre Stimmungen, die frische Luft, die sie eingcsogcn, lhat ihr wohl — also lächelte sie. lind dann die köstliche Stille — sie liebte sic so, diese Stille. — Stille! — Ah — was war das? Dort hinter ihr, in der Nmue, hörte sie da nicht ein Geräusch, wie vou einem Sprung — von Schrillen? „Ah!" sie sprang hastig auf und wirbelte wi« der Wind herum. Boni Gemäuer herab sprang hurtig ei» immer Ma»» mit glühenden, schwarzen Augen, wie die ihren, niii schwarzen Locken nnd frischroien Lippe». Er jauchzte auf, seine blitzenden weißen Zähne zeigend nnd war. mit einem Sprung von einem hohe» Steinblock herabsetzend, an ihrer Seile. „vuona vers, Angiolina." „Ah — Francesco, wie hast Du mich erschreckt." „Erschreckt?" lachte er übermütig und warf den Kopf in de» Nacken — „seit wann hat Angiolina Nerven?" Die habe» blos die Tedcscos, die male» — und dcr alte Beppo" - setzte er fliistcr, halblaut hinzu, aber doch so, daß es das Mädchen hört«. „Hahaha", lackte Angiolina plötzlich laut auf und klatschte, sich ei» paar Mal auf dem Absatz hcrum- drehend, in die Hände. „Hat er — hat der Großvater — ah" - sie stemmte die kleinen Hände in die Seiten und lachte, lauter und lauter - „er hat Dir wieder gedroht, nicht wahr, wenn Dn mich weiter verfolgst — oder gar — hat er gar — hahaha." — Sie machte eine Bewegung, die an- deuten sollte, daß der Großvater ihn an die Lnft gesetzt - „nnd Du nennst das Nerven — ah, Francesco, nein, Du — ach Dn — Dn bist komisch." Er biß sich auf die Lippen und blickte finster vor sich hin. Er liebt« ihr Lachen, gewiß — aber das Lochen, wie es jetzt von ihren Lippen kam, das konnte er für den Tod nicht leiden. Neulich scholl einmal, als er sie in der Bucht von Duino hernmrnderte und die Guitarren und Geigen von der Osteria berübcrtvnten. hott« sie plötzlich so gelacht, so hcstig, so lustig, daß fast das kleine Boot umschlug, so gelacht, als er — als cr sie küssen wollte. Und als er es dann mit Gewalt versuchte, halte sie ihn geschlagen. Er biß sich auf die Lippen, nnd ein finsterer, höhnischer Zug glitt über sein hübsches Gesicht, indem er murmelte: „Angiolina — Dn weißt — ich habe heißes Blut." „Kühls ab", rief sie übermütig, mit ihrem zierlichen Arni hiuausweiseud auf das dunkle Meer, über das der Blond sanft schillernd aufsticg — da ist genug Wasser." Er ballte die Faust und seine Augen lohten, er mitcrdrückle das Keuchen seiner Brust nnd zischte ihr durch die Zähne entgegen: „Wenn — wenn ich Dich nicht so liebte. Angiolina, dann —" er stockte nnd blickte sic finster au. dcu Kopf cm wenig zur Seile geneigt, den Mund halb geöffnet, über dessen zitternde Lippen ein heißer Aiem kam. Abcr sie ließ sich nicht einschüchtern. Sie stellte sich vor ihn hin, die Hände aus dem Rücken kreiizcnd, bog de» Oberkörper etwas vor und blickte ihm halb lächelnd, aber fest i» die Augen. (Fortsetzung folgtJ
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)