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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191001019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-01
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 01.01.1910
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Am NeujahrSmorgen. Novrllette von H. Zeisel. «Nachdruck verboten.) Hellund klar sah der NeujahrSmorgen inS Fen ster. Den Osten färbte ein rosiger Schein, so recht wie ein Bote der Hoffnung, die heute in strahlen der Schöne von neuem ihren Siegetzug nimmt durch die Welt An junge Herzen pocht fiel Ein Schritt nun näher dem Ziel, der Wonne, dem Glück! Feuchte Augen trocknet sie: Näher nun da» Ziel, wo alle» Sehnen die ewige Liebe stillt. Hoch oben im dritten Stock eine- Mietshauses ward ein Fenster geöffnet. Ein braunhaariges Fraucnbaupt ward sichtbar, daneben ein blonder Kindcrkopf. Ein strahlende- Gesichtchen lugte hin aus, indes die kleine Faust einen großen, versiegel- ten Brief hochhielt — husch, hatte der Nordwind, der vorübersauste, ihn ersaßt und trug ihn fort. Tänzelnd flatterte er über die Straße hin, kreuz und quer Jetzt hob ein Windstoß ihn hoch in die Lust — die kleine Beobachterin am Fenster jauchzte hell auf und klatschte in die Händchen: „Mama, paß auf, nun bringt unS das liebe liebe neue Jahr gewiß ganz etwas Schönes!" „Ja, mein Herz.' DaS klang müde. Die Sprecherin hatte daS Fenster geschlossen. Die kleine Otti kletterte auf einen Stuhl und drückte daS Näs chen an die Scheibe, in der Hoffnung, daS Schick sal ihres Briefes zu erspähen. Die Kirchenglocken begannen zu läuten zum Frühgottesdienst Die festtägige Stille draußen ward allmählich belebt von Passanten: zuweilen ward ein Neujahrsglückwunsch laut. Bis in den dritten Stock scholl er — mechanisch räumte die junge Witwe die beiden Zimmer auf, die sie be- wohnte Zu ihr würde sich kein Neujahrsbesuch verirren. Seit dem Tode ihres ManneS lebte sie ganz zurückgezogen von der kleinen Witwenpension und den paar Klavierschülerinnen, die sie bis jetzt hatte. Wunschlos in ihrer Vereinsamung, lebte sie dahin — was erwarteten die Menschen denn eigent lich von einem neuen Jahr, daß sie ihm so zi jubelten? Menschenhoffnungen, wie selten erfüllten sie sich und wie selten zum Glück! Wäre eS ein solcher geworden, waS sie ersehnt vor langer, langer Zeit? Unwillkürlich streckte sie abwehrend die Arme auS Wie ein heimliches Fieber brannte eS in ihren Adern seit der Nachricht in der Zeitung. Zwölf Jahre waren seit dem Damals verflossen, und doch brach die alte Wunde wieder auf, nun der Urheber im Ort, der ganze leidenschaftliche Zorn von einst und — der Schmerz. Wenn das Herz in seinem heiligsten Empfinden gekränkt ward, da- ver gißt sich nie, und liegt auch ein Duft und Glanz darüber, von dem die Seele zehrt Wunsch los ? Nein, das war sie nicht, wenns auch im Gleich maß der Tage so schien — auSgelöscht haben den Zwiespalt, an dem sie krankte seit damals, wenn das neue Jahr ihr diesen Wunsch erfüllen würde —. „Mama!" Die kleine Otti kam gelaufen: „Mama, ich möchte Dir etwas sagen!" 2 „Nun, Liebling, hast Du gar gesehen, wer Deinen Bries ausgenommen — ob's da- neue Jahr war?" „Nein, Mama, der ist fort, rein fort, aber — * „WaS hast Du denn auf dem Herzen?" Otti- Gesichtchen ward hilflo- rot: „Ich sag'S aber nur, Mama, wenn Du mir versprichst, daß Du mir nicht böse sein willst" „Da sag'- nur getrost, Otti, am Neujahr-tag mag e- schon einmal hingehen — „Ich habe doch Otti Lehnert unter den Brief geschrieben — „Trotzdem ich eS Dir verboten, Otti?" Die kleine Ungehorsame senkte schuldbewußt da« Köpfchen: .,DaS neue Jahr muß doch wissen — wer — den — Brief — geschrieben hat —." Gegen die Philosophie ließ sich nicht- sagen Wa- lag auch an der Sache? Ein Kindername war keine Adresse für den Finder, dem der Fund vielleicht ein Lächeln abzwingen würde, weiter nichS — LS klopfte an die Tür. „Profit Neujahr! Frau Lehnert, ich bringe Ihnen etwa- Zerstreuung für heute abend, — die Otti nehm' ich derweil zu mir", sagte eine freundliche Stimme und eine adrett ge kleidete Matrone trat ein. Sie war die Frau dc» TheaterkasfiererS, der unten wohnte „Sie sind kaum dreißig, Frau Lehnert, und haben nie ein Vergnügen, da dacht' ich —". Die junge Witwe sah aus daS Billet und den Theaterzettel, den die andere vor sie hinlegte und eine glühende Röte stieg langsam in ihr Gesicht. „Liebe Frau Treusein, ich —." „Keine Widerrede, kleine Frau!" fiel ihr die alte Dame, befriedigt über den sichtbaren Eindruck, den ihr Geschenk bewirkt, eifrig ein. „Sie sind noch viel zu jung und hübsch, um immer zu Hause zu sitzen und obendrein ist'- doch auch ein Genuß, den großen Künstler spielen zu sehen! Goethe- „Faust" wird gegeben und Karl Althofrr spielt den Mephisto, — einmaliges Gastspiel, denken Sie nur, Kind, daS muß man sich nicht entgehen lassen!" Eine kleine Pause entstand. Die junge Frau hatte sich zu der kleinen Otti niedergebeugt und knöpfte ihr die Schürze zu, die offen stand. Die Röte auf ihrem Gesichte war einer tiefen Blässe gewichen: „Sie haben recht, Frau Treusein, da- muß man sich nicht entgehen lassen," gab sie endlich zu, mit eigentümlicher Be tonung, „ich nehme Ihr Geschenk mit Dank an" „Da- ist vernünftig, Kindchen! Sie erinnern sich wohl gar de- Althofer, wie? vor zehn bis zwölf Jahren soll er ja hier engagiert gewesen sein wir waren damals in Wien —." „ES wird schon so sein." Die alte Dame brachte ihren Mund vertraulich an das Ohr der Knieenden: „Da wissen Sie am Ende gar etwas von der alten Geschichte?" raunte sie. „Man munkelt allerlei — — Der Ehorist Weinreich hat e- meinem Manne gesteckt — der Althofer hatte sich damals mit einer hiesigen Bürgerstochter verlobt, während seine Frau in Bu dapest saß! Die ist jetzt tot Ein schlechter Streich war daS und die betrogene Braut soll nach der Entdeckung totkrank geworden sein Einem Künstler aber verzeiht die Welt ja halt viel, und jetzt ist GraS über die Geschichte gewachsen, — geben sie acht, heute abend überschütten sie ihn mit Lorbeeren, trotz allem . Sehen Sie nur, liebe Frau Lehnert, da wimmelt die Straße richtig schon von NeujahrSgratulanten! Ich muß jetzt gehen, denn mein Mann muß an die Kasse und eS guckt doch mancher bei un- ein heute! Ein neue- Jahr — eine neue Zeit! Möchte es Ihnen daS bringen, wa- Sie erhoffen, Kindchen, da- wünsch' ich von Herzen!" Vor dem Theater stand eine Gruppe Schau spieler, die von der Probe kamen, andere traten hinzu In der Mitte der Schar stand der Ver treter de- „Faust", den Pelzmantel malerisch um die Schultern, um das bartlose Kinn ein unverfälscht- behagliches Lächeln: „Kinder, das ist ja aber reizend!" rief er mit scharfakzentuiertec Aussprache, daß e» weithin schallte. „Das süße Ding, da- sich Otti Lehnert nennt, möcht ich abküssen für den Einfall! Davon können unsere Lustspieldichter lernen! Ich rufe auS mit Maria Stuart: Laß mich ein Kind fein, sei eS mit ." „Welsky, „Gefährte meiner Leiden", ha, haha! wa- haben Sie denn da aus dem Repertoire! Sie zitieren die Stuart, wollen etwa- Süße» abküssen, aber nicht die Gerlach, die Ihnen heute abend wieder mit einem Präsent, verborgen in einem Orchi deenstrauß, auswarten wird? Nu — un ?" Karl Althofrr war herangetreten Eine achtung- gebietende Gestalt, da- schöne Gesicht bereits etwas zermürbt vom Leben. Man wieS ihm lachend einen großen Brief, der von ungelenker Kinderhand die Aufschrift trug: An da- neue Jahr. und innen die Worte: Liebe- neues Jahr, ich bitte dich gar sehr, bring uns recht viel Schöne-, da- alte hat es rein vergessen und Mutti weint und ich will dich auch furchtbar lieb haben, wenn du'- tust, und ich heiße Otti Lehnert. „Nun, Althofer, wird'- bald?" meinte Wel-ky, als Minuten verstrichen und der Künstler die Augen nicht von dem Briefe hob. „Sie tun ja, als hätte das Patscherln eine rätselhafte Inschrift hingemalt?" Die jüngeren Künstler entfernten sich kopfschüttelnd und lachend Jetzt endlich sah Althofer auf Seine Stirn war gerötet, sein Blick unsicher, al- er den Brief langsam zusammenlegte und in seine Brusttasche schob: „Ueberlassen Sie daS Abküssen mir, Welsky, ich bitte schön! Lehnert — der Name wird im Adreßbuch nachweisbar sein." Dieser Augenblick flocht dem Künstler ein neue« ReiS in seinen Ruhmeskranz — weder Miene noch Tonfall verriet, was in ihm vorging. „ES ist mir sogar angenehm, Althofer! Damir daS Ding zugeweht ist, fühle ich doch so etwas wie Verpflichtung, aber nicht die Geduld zum Ausstöbcrn. Grüßen Sie mir das Herzblatt und spielen Sie den Glück-spender gut — die Rolle ist dankbar, ha, haha!" An der Wohnung der Witwe Lehnert ging die Klingel. Der draußen stand, fühlte da- Herz etwa« schneller gehen Ottilie Lehnert — einst Ottilie Hau-mann . Da» war wieder der Dust und Glanz, der über dem Einst gelegen, auch der Sinne«- rausch, den daS braunhaarige Kind mit dem herrli chen Wuchs damals in ihm geweckt, ihn zu dem tollen Streich verleitet hatte Eine- Mephisto würdig, nur nicht gelungen war er, wie Faust'« Gewebe . Drinnen legte die kleine Otti da-Fingerchen an den Mund: „Mama, eS klingelt, — Mama, paß auf, eS ist " Wie der Wind war sie hinaus Langsamer folgte Frau Ottilie. Sie fühlte sich so unruhig, be wegt; die Vergangenheit lag ihr im Sinn und wie sie all die Jahre nicht hatte ablassen können von dem Gedanken: Er hatte sich Hinreißen lassen von seinen Gefühlen zu dir, ohne zu denken an das Ende. Nein, er ist ein Ehrloser, er bat schändlich gehandelt gegen dich — gegen die andere. . Besinnend strich sie sich über die Stirn. Es hatte geklingelt? Sollte der Brief wirklich jemanden hergesührt haben? ES würde ihr ungemein peinlich sein — wohin doch Kindereinfälle oft führten . Als es jetzt klopfte und sich die Tür auftat, sah sie eS — auf der Schwelle stand, ihr Kind im Arm, Karl Althofer Sie war kaum erschrocken, als sie ihn so Plötz- lich vor sich sah, sie dachte auch nicht, wie merkwürdig doch der Zufall gespielt, der ihn hergesührt- In Augenblicken großer seelischer Erregung erscheint selbst daS Ungewöhnliche natürlich; — daS Schicksal selbst gibt die Entscheidung, sagte eine Stimme in ihr. Am Horizont stand mit mattem Glanz die Wintersonne. Ein schräger Strahl fiel durchs Fen ster, streifte die Gestalt der jungen Frau. Die war vollendeter als einst — die Knospe war zu voller Blüte gereist. DaS nußbraune Haar besaß noch dieselbe Fülle und die Augen noch den Blick, der ihn zum Schurken gemacht —. Die Bitte um Verzeihung hatte ihn hergesührt — nun wußte er plötzlich, daß seine Mission ander- lauten würde Er hatte die kleine Otti zu Boden gleiten lassen und faßte deren Händchen. So schritt er näher: „Ottilie, ein Engel hat unS zusammen- geführt!" Er hatte eine theatralische Pose angenommen; sie paßte am besten zu dem Gchachzug, den er vor hatte. „Was un§ damals trennte," fuhr er in jenem eindringlich-gedämpften Tonfall fort, der auf reine Gemüter abstoßend wirkt, „meine Frau — ist toi. Laß mich Dir die Tränen, von denen Klein- Otti schreibt, trocknen, Ottilie, die Tränen, die Du um mich geweint." Ihr Blick hatte unverwandt an ihm gehangen und dabei hatte sich eine Wandlung in ihr voll zogen. Es war ihr, als löse sich ein Schleier von ihren Sinnen — der Nimbus, den sie trotz allem Kernlein nach dem andern purzelte heraus. Die braunen Kerne schwollen an, dicker uns dicker, plötzlich platzte di« braune Haut auf, und putzige kleine Männlein krochen heraus: ganz braun waren sie anaezogen vom Kopf bi- zu den Füßen, und am Gürtel trugen fie kleine Glöcklein, die klingelten gerade so, wie die im Apfel geklingelt hatten, wenn HänSchen ihn am Ohr schüttelt«. Behende kletterten die Kleinen an der Kommode hinunter und liefen zum Fenster; dort hatte eS eben leise geklopft. Här-chen hörte eS ganz deutlich. Die braunen Männlein macht«» die Fenster auf; ein paar Marzipanschweinchen hopsten herein und grunz ten gar süß: „Der reiche Junge nebenan hat sich krank gegksssn an unsern Kameraden; da hat die Mutter gescholten, und wir find weg gelaufen." Noch hatten fie nicht ausgegrunzt, da wurde eS wieder laut vor d«m Fenster, aber die-mal klang eS barsch und befehlend. Ein hoher Oifizier hielt draußen auf einem Schimmel. Seine blaue Kappe war mit Pelz besetzt, filbergestickt war seine Uniform, und in der Hand hielt er ein breite-Schwert. Seine Augen funkelten, denn fie waren auS schwarzem GlaS. „Der reiche Junge drüben mag mich nicht leiden! Er wollte einen Reiter mit roter Kappe, und meine ist blau! Das geht mir gegen die Ehre! Ich hörte hier die Glocken läuten, und kam herüber!" sagte der Offizier und spornte sein Pferd, daß eS über die Fensterbank sprang und gerade auf da» Bett zu galoppierte. „O du wundervoller Offizier!" ries HänSchen und jauchzte ordentlich vor Ent- zück'N, „wie prachtvoll du auSfiehst "; er konnte nicht weiter reden, denn die Männ lein am Fenster schleppten einen großen Kuchen heran, fie stöhnten ordentlich unter der Last, und zwischen ihnen sprang aufgeregt und zornig ein Rosinenmännletn herum. „Ist da» «ine Art und Weise!" schalt eS. „Der reiche Junge war nicht zufrieden, weil nur Rosinen im Kuchen waren und keine Korinten. Sind wir Rosinen nicht süß genug- Ich habe mich so geärgert, daß ich von drüben weggelaufen bin!" Und flink schlüpfte da- Rostnenmännlein wieder in den Kuchen. „Bum, bum, tataraia," klang'- jetzt vom Fenster her. Trommelwirbel und Trompeten- geschwelter und Kommando-. Ein« ganz« Arme« Zinnsoldaten stand draußen, und ihr Anführer rief: „Der reiche Junge wollte Franzosen haben, keine Deutschen! und dann hat er meinen Leuten dir Köpfe abgedreht; hier bringen wir fie auf einer Bahre! Eins, zwei, ein« zwei — kommandierte er laut, und die ganze Armee kletterte in- Fenster mit den armen Verwundeten in der Mitte, denen die Apfelmännlein einen Verband anlegten untz fie dann in- Bett packten, dicht neben HänSchen. „Wa», Euer Majestät auch?" rief plötzlich der Oifizier, der eben die Armee hereingesührt hatte, ganz erstaunt und lief zum Frnster. „Ach, mein lieber General, wie hat der Junge mich zugertchtet!" sagte ein« klagende Stimm«, und mühsam kletterte eine Wach-puppe in» Fenster. E» war der König von drüben — aber wie sah er au-, gar nicht königlich! Die raten Far- den waren von seinen Wangen weggewischt, daß er ganz blaß auSsah; sein Hermelinmantel war zerfetzt, sein einer Fuß verstaucht, und die Krone auS Goldpapier zeigt« bedenkliche Sprünge. „Der reich« Junge hat zu viel Spielsachen, er hat kein bißchen Liebe zu unS!" seufzte die arme kleine Majestät. „Ich sollte fitzen, und ich kann e» doch nicht, da hat er mich geschlagen und meine Beine ganz verbogen — dann warf er mich in eine Eck«, da habe ich mich fortge- schlichen." „Armer kleiner König!" sagte Hän-chen mitleidig. „Warte nur, wir spielen besser zu sammen!" und er richtete fich eifrig tm^ Bett auf. Und die Mufik spielte, die Soldaten mach- t«n Parademarsch, die Trommel wirbelte, und der WachSkönig wurde ordentlich wieder ver gnügt. „Wir werden nachher doch wieder zurückgehen müssen, leider!" sagte der General ganz ärgerlich, „denn wir find doch drüben bei dem reichen Jungen in Eid und Pflicht, aber wenn wir irgend können, kommen wir wieder hierher, hier ist's doch gar zu nett!" Und die Mufik begann: „So leb' denn wohl, du stille« Hau«, Wir zieh» betrübt von dir htnau« . . ." E« war einfach herrlich! Draußen aber am Fenster stand da« Sil- vesterengelchen und sah zu. E« hatte sein Ge sicht ganz dicht an di« Scheibe gelegt und lächelte, wie nur Engelein lächeln können. Dann schüttelte e« die Flügel und schwang fich auf, seiner HtmmelSwohnung zu. „Du, nächste» Jahr mußt du die Geschenk« etwas ander« verteilen!" sagte es zu dem Christkind, da» ihm oben im Himmel entgegen kam. „Der reiche Junge hat zu viel, er achtet e» gar nicht, und HänSchen hatte nur einen Apf«l. Ich habe ihm die Zinnsoldaten und noch mehr hinübergrschickt, damit fie mit ihm spielten, «S war zu nett!" DaS Christkind nickte. „Ja, dann muß ich eS nächst,« Jahr wohl ander« machen!" sagte r« und machte eine Notiz auf seinem goldenen Täßlein. Etwa» von Handschuhe«. Jrtzt, wo die schönen Sommertage vorüber find, der Wind eisig pfeift, kommt die Zett, wo Ihr, mein« lt«b«n jungen Freunde und Freundinnen, wenn Ihr auSgehen wollt, gern nach den Handschuhen greift. Für Euch Kleineren find diese Handschuhe ost wohl von Mütterchen oder Großmütterchen gestrickt als Fausthandschuhe, in denen gleich 4 Finger auf einmal Platz haben, und nur der Daumen stolz für fich steht; »der e« find hübsch geringelte au« dem Laden. Die größeren von Euch tragen auch wohl schon feine Lederhandschuhe, wenige aber werden wohl wissen, wie solch rin andschuh rigentlich entsteht, und so will ich uch einmal etwa« davon erzählen. Einrn Wagrn voll zusammrngrbündrltrr Ztegrn- oder Lammfell«, wi« fie von HandelS- lruten aufgekauft werden, habt Ihr alle wohl schon grsthrn. Diese rohen Felle — auS aller Herren Länder, sogar auS China kommen str — w«rden nach irgrnd einer großen Gerberei geschafft. Auf großen Haufen liegen fie da, und riechen tun fie — o! o! wir möchten unS die Nasen zuhalten. Die Felle, auS denen die langen, weichen, dänischen Handschuhe gemacht werden — vielleicht trägt Mutter sie oder die große Schwester — kommen nicht etwa auS Dänemark, sondern e« find Felle von ganz jungen Lämmern auS Italien. Zunächst wer den die Felle einige Wochen in mit Kalk ge- füllten Gruben eingcweicht und dann mit großen Schabmessern bearbeitet, um alle« Haar und etwa noch darauf befindliche Fletschteilch«n zu entfernen. In großen Kübeln werden fie nach diesem Verfahren in allerhand übelriechen den aber nützlichen Flüssigkeiten gewaschen und kommen dann in eine sorgfältig auS Salz, Mehl, Eigelb usw. hergestellte Mischung, di« fi« in fich «insaugrn müssen: „Die Felle wer- den genährt", sagt man. Dann werdrn fie in glühend heißen Räumen getrocknet; nun find fi« hart und rauh, und man kann nicht« mit ihnen anfangen, also heißt'» jetzt: fie wieder geschmeidig machen. DaS geschieht, indem zu- ersi Arbeiter mit starken Schuhen an den (Nachdruck verbot«».) Füßen auf einer Art kantigen Rost« auf ihnen herumtreten und fie dann über runde Scheiben au« Metall hin- und herzirhen, ähnlich so, wt« man'« beim Flach- macht. Nach lang«« Kochen, Reiben, Kneten und Treten find die Felle endlich ganz weich und geschmeidig ge worden; dann packt man fie vorläufig fort in die Lagerräume, wo fie S bi» 6 Monate ruhig lagern. Nach dieser Zeit kommt wieder «ine Hauptsache, da» Aussuchen der Felle. Je nach Größe, Feinheit und sonstiger Beschaffenheit werden die großen Haufen der zugertchtetrn Felle sortiert und dann in die Handschuh- särberii gebracht. Dort wird eine Anzahl in große, mit Farbflüsfigkeit gefüllte Kübel ge worfen und wiederum von Arbeitern auf ihnen herumgetreten, bis fie durch und durch gefärbt sind; anderen wird mit Bürsten nur aus einer Seite ein« bestimmte Farbe beiaebracht. Bet den sogenannten dänischen Handschuhen kommt die frühere Fleischseite nach außen; fie zeigt nach all' dem, waS man mit den Fellen vor genommen hat, einen feinen matten Glanz; bei den sogenannten Glacehandschuhen dagegen wird die frühere Haarseite nach außen gebracht. Die gefärbten Felle endlich — Ihr würdet Euch wundern, in wie unendlich vielen Farben: rot, blau, grün, gelb usw. diese Felle gefärbt find — wandern zu den Handschuhmachern, die immer zwei Hälften eine- Handschuhs mit scharsen Formrn und Messern auSschnriden. Dann werden fie zusammengrpaßt und genäht. Mit dieser Handschuhnäherei beschäftigen fich z. v. in der Pfalz viele fleißige Leute, zuweilen die Bevölkerung ganzer Dörfer; ihnen «erden die fertig zugeschnittenrn Handschuhe geltefirt. Zum Schluß werden die Handschuhe Wiederum von besonderen Arbeitrrn oder Arbeiterinnrn zurrchtgezogen, ausgedehnt, gepreßt und dann in die hübschen weißen oder bunten Karton« gepackt, die die Kaufleute un« in den Läden präsentieren. Ja, ja, so ein Handschuh kann schon davon erzählen, wie trotz schlechtester Behandlung doch etwas au« ihm werd«n kann! Nicht morgen, Weißt Du, «ie der Träge spricht - Morgen; doch nur hevt« nicht! Morgen aber g«ht'» »ie hrut', weil er jede Arbeit scheut. Nur de« Tät'gen Sorg' und Fleiß Erntrt allzeit Lob und Preis. sondern heute! Und, wa« hrut« «r getan, Ficht ihn morgen nicht mehr an. Darum schasse, wenn e« gilt, Daß Dich k«iner Faulpelz schilt, Sondern zeig' Dich dessen wert, WaS im braven Mann man ehrt
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