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Hk. 214. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische Lnnvcs-Anzciger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft 2. Sächsischer Erzähler 8. Sächsische Gcrichtszeitung 4. Sächsisches Allerlei b. Jllustrirtcs Untcrhnltungsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pin., bei de» Post-Anstalten 75 Psg. (Post-Zeitnngs-Prcisliste Nr. 5035.) Sächsischer Fl»li>kS°Ai Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede» Bnchdruckcrei» Chemnitz» Theaterstrabe Nr. 5. Fernsprech-Anschluß Nr. 196. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Donnerstag, 13. September 1888. Von den Hanptblätter» des „Sächsischen Landcs-Anzeigcrs" erscheint (ohne dessen tägliche Extra - Beiblätter) eine billigere Sonder-Ausgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur SO Psg. mit Zntragen; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. ni. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 9. Nachtr- Nr. 1250».) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr: Eo,»»icr>Lise»bahiifahrpIliiiheft für Sachsen. Winter-Eisenbahnfnhrplauheft für Sachsen. Illiistr. Kalender des Sächsischen Laiidboten. Jllustrirtcs Jahresbuch des Laiides-tlnzcigers. AuzeigciiprctS: Raum einer schmalen Corpuszeile 15 Psg. .. „ . .. - . . ... . .. _ ^ „ den EinrückingSbetrag (in Briefmarken) beifügen ije 8 Silben Cvrpusschrift bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können nur bis Vormittag angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — Die Anzeige» finden ohne Prcisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauptblättcr des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter). Bevorzugte Stelle (lspaltige Petitzeile) 30 Psg. — Bei Wiederholung großer Anzeige» Preisermäßigung. — Bei Bestellungen 'von Auswärts wolle man ' ' "ufla "" Amtsgerichtliche Bekanntmachungen. Das im Grundbnche ans den Name» Theodor Eduard Martin einge tragene Grundstück, bestehend ans Wohnhaus, Hintergebäude und Garten, Nr. 40 des Flurbuchs, Nr. 32 des Brandkatasters, Foliuui 36 des Grund buchs für Erfenschlag, geschätzt auf 12,200 M., soll im hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werden und ist der IS. Octobcr 1888 Vormittags 11 Uhr als Anmeldetermin, ferner der 2. November 1888 Vormittags 10 Uhr als Vcrsteigerungstcrmin, sowie der 10. November 1888 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Vcrthcilnngspläns anbcraumt worden. Die Realberechtigten werden aufgefordert, die aus dem Grundstücke tastenden Rückstände an wicderkehrciide» Leistungen, sowie Kostcnfordernngen, spätestens im Anmetdetermine anzumelden. Eine Uebersicht der aus dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisscs kann nach dem Anmeldc- lermine in der Gerichtsschrcibcrei des Unterzeichneten Amtsgerichts eingesehe» werden. Chemnitz, am 8. September 1888. Königliches Amtsgericht. Die im Grundbnche anf den Namen der Amalie Milda verw. Lindner, geb- Fritzsche, eingetragenen Grmidstiickc. als: l. Wohnhaus, Nebenwohn- gcbände, Schuppen, Waschhaus und Garten, Nr. 26lc des Flurbuchs, Nr. 1340 des Vrandkataftcrs, Föliinn 108 des Grundbuchs für Reichen brand, vorn,. Ritterg.-Anth., geschätzt anf 7500 M., 2. Feld, (Baustelle) Nr. 2613 des Flurbuchs, Fotinm 109 des Grundbuchs sür Reichenbrand, vorm. Ritterg.-Anth., geschätzt auf 400 M., sollen im hiesigen Amtsgericht zwangsweiic »ersteigert werden und ist der 16. October 1888 Vormittags 9 Uhr als Anmcldctcrmi», ferner der 1. November 1888 Vormittags 10 Uhr als Versteigernngsterniin, sowie der 12. November 1888 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Vertheilungsplaus anberaumt worden. Die Ncalbcrcchtigten werden anfgefordcrt, die anf den Grundstücken lastenden Rückstände an wiedcrkchrcnden Leistungen, sowie Kostensordernngen, spätestens im Aumctdelcrmine anzmnelden. Eine Uebersicht der auf den Grundstücken lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann »ach dem Anmelde- termiüe in der Gerichtsschrciberei des Unterzeichneten Amtsgerichts eingesehcn worden. ^ Chemnitz, am 10. September 1888. Königliches Amtsgericht. Das im Grundbnche ans den Namen Friedrich Anton Sonntag einge tragene Grundstück, bestehend aus Wohnhaus, Fabrik-, Stall- und Schuppen- gebände, Hofräum und Garte», Nr. 45 v des Flurbuchs, Nr. SSL des Brand- katastcrs, Fotinm 190 des Grundbuchs für Leukersdorf, vorm. Amts-Anth., geschätzt ans 27,250 M., soll i»i hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werde» und ist der 15. October 1888 Vormittags 10 Uhr als Anmeldetermin, ferner der 30. Octobcr 1888 Vormittags 10 Uhr als Versteigerungstermi», sowie der 9. November 1888 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Vertheilungsplaus anbcraumt worden. Djc Realberechtigten werden aus» gcsordert, die auf dem Grundstücke lastenden Rückstände an wiederkehrcndcn Leistungen, sowie Kostcnfordcrnngeii, spätestens im Anmetdetermine a»zn- incldcn. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres RangvcrhMiisses kann »ach dem Aiuueldetermine in der Äerichts- schrcibcrei des iinterzeichiictcn Amtsgerichts eingesehen werden- Chemnitz, anr 7. September 1888. Königliches Amtsgericht. I» dem Konkiirsvcrsahren über das Vermögen des Schniltwaarenhändters Gustav Richard Gollsch in Chemnitz ist infolge eines von dem Gemeinschuldner gemachte» Vorschlags zu einem Zwangsvergleiche Nerglcichstermin ans den 26. September 1883, Nachmittags 4 Uhr, vor dem Königliche» Amtsgerichte hicrsclbst anbcränmt. -r Chemnitz, den 11. September 1889. Königliches Amtsgericht. Paris, 12. September. Bei dem gestern in Cherburg z» Ehren des anwesenden Präsidenten Carnot abgehaltencn Banketts hielt Letzterer eine Rede, in welcher er hervorhob, das Vertrauen der Bevölkerung zur Regierung sei dadurch hervorgerufcn worden, daß man sich der Anstrengungen wohl bewußt sei, welche beständig von der Republik gemacht werden, um Frankreich eine unbestrittene Machtstellung zu geben, welche die sicherste Garantie dafür sei, den Frieden nusrecht zu erhalten. Die Regierung wisse, was sie von der französischen Marine erwarten und daß sie unter allen Umständen auf dieselbe rechnen könne. Dieselbe Uebcrzeugmig hätten auch die Kammern. Deshalb würde Frankreich keine Opfer scheuen, welche für nothwendig erachtet würden, der Marine Astes zu geben, was sic bedürfe. — Das boulangistischc Organ „Die Presse" versichert, Boulanger befinde sich gegenwärtig nebst seiner Tochter in Ehristiania. Die Politik sei seiner Reise vollständig fernstehend. Telegraphische Nachrichten. Vom 11. September. Wien. Eine bemerkenswerthe römische Zuschrift der „Polit- Cvrr." vertheidigt Crispi nachdrücklich gegen die russische Insinuation eines Angriffs gegen Frankreich. Paris. Die „France" erfährt angeblich aus Ehristiania, daß Boulanger mit einer seiner Töchter dort sei, aber strengstes Jucognito bewahre. Madrid. Seit zehn Tagen regnet es unaufhörlich. In Valencia ist die Nciscrme vollständig vernichtet. Die Provinzen Granada, Mineria, Badajoz und Jasn sind durch die ununter brochenen Stürme stark mitgenommen. Die UeÜerschwcmmnngen in Andalusien dauern fort und verursachen zahlreiche U»glücksfälle und ungeheuren Schaden. - Die Nachtigall von Hohenasperg. Ein Geschichtsbild ans den, vorigen Jahrhundert von Theodor Winkler. ' Nachdruck verboten. Mit dem Jahre 1744 hatte für ganz Württemberg, besonders aber für dessen Hauptstadt Stuttgart eine neue Epoche begonnen. Prinz Karl Engen, obwohl erst sechszchn Jahre alt, war vom Kaiser für mündig erklärt worden und hatte die Regierung Württembergs angetrcten. - Gleichzeitig war ihm durch Friedrich den Großen, an dessen Hose er seine Ausbildung empfangen hatte, auch bereits eine Braut erkoren wurde», die damals zwar erst dreizehn Jahre zählte, in politischer Hinsicht aber vorzüglich anf den württeuibergischcn Herzogsthron zu passen schien. Dies Ivar Elisabeth Friederike Sophie von Bayreuth, Tochter des prachtlicbenden Markgrafen von Branden burg Cnlmbach und Nichte des Königs von Preußen. Der junge Herzog hatte sich ohne Widerstreben in diese Ehe ge fügt, obwvhl das Bräutlei» bei den wenigen flüchtigenBcgcgnungcn, die er mit ihr gehabt, sein Herz ebenso wenig berührte, wie er um gekehrt auch selbst auf die kindliche Prinzessin keinen sondcrlichcn Ein druck zu machen schien. Indes; in wie vielen anderen Fällen war dies ganz ebenso gewesen und das Leben hatte doch ein Paar daraus gemacht, das sich ineinander zu finden wußte. Sich weitere Bedenk lichkeiten zu machen, lag Beiden bei ihrer Jugendlichkeit viel zu fern. Zunächst zeigte sich der fürstliche Bräuligam vom redlichsten Willen beseelt, seiner zukünftigen Gemahlin den Aufenthalt in seinem Lande so angenehm wie möglich zu machen: Stuttgart, das bis dahin von Knrl's Vorgängern, Eberhard Ludwig und Karl Alexander, sehr vernachlässigt worden war, den» diese hatten ihre Residenz in Lnd- wigsburg gehabt, sollte nun wieder zur Haupt- und Residenzstadt erhoben werden und zu diesem Zwecke ein würdiges Aussehen erhalten. Verbesserungen und Verschönerungen jeder Art wurden angeordnct. Vor Allem ließ der junge Fürst seiner zuknnstigen Gemahlin ein neues, stattliches Schloß mit herrlichen Parkanlagen und allem Com fort der damaligen Zeit erbaue», wozu die Landschaft die Mittel be willigte, und auch sonst ward für das gegen heute noch fünf Mal kleinere Stuttgart gar Mancherlei zur Ausschmückung aufgewcndet. Da wurden Straßen gepflastert, schadhafte Gebäude reparirt, Gärten gesäubert, Wege angelegt »nd was dergleichen mehr ist. Zwei volle Jahre dauerte dieses geschäftige Treiben. Politische Nimdscharr. Chemnitz, den 12. September. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm II. traf Dienstag Morgen c/z2 Uhr vv» Berlin vor der Lioydhalle in Brcnierhavcn ein und wurde von dem Direktor des Norddeutschen Lloyd, Lohman», empfangen. Der Kaiser durchschritt dann die festlich geschmückte Lloydhalle und begab sich sofort in das von der kaiserlichen Dacht „Hohcnzollcrn" abgcscindte Ruderboot, welches ihn an Bord des prächtigen Schiffes brachte. Das zahlreich versammelte Publikum begrüßte den Kaiser mit enthusiastischem Jubel. Die „Hohenzollcrn" dampfte zwei Stunden später von der Rhede ab und ging zwischen Rolhesand-Lenchtthnrm und Hohenweg vor Anker. An den Manövern nehmen im Ganzen etwa 40 Schiffe und Fahrzeuge mit rund 160 Geschützen und 5500 Mann Besatzung Theil. In Admiralsunisori» ans der Kommandobrücke der „Hohenzolleri:" wohnte der Kaiser den sich bis zum Nachmittag hinziehcnden Flottenmanövern bei» die ein großartiges Bild boten. Der Monarch sprach dem kommandirenden General Grafen Monts seine besondere Anerkennung aus. Heute Mittwoch ist Fortsetzung der Manöver. — Die hohen Gäste zu den deutschen Kaisermanövern, König Albert von Sachsen, Erzherzog Albrecht von Oesterreich und Groß fürst Nikolaus von Rußland, werden morgen und übermorgen in Berlin eintreffcn und mit den üblichen Ehren empfangen werden. — Fürst Bismarck hat seine Reisepläne geändert; er bleibt bis in den Oktober hinein in Friedrichsruhe «nd wird sich dann erst über seinen weiteren Aufenthalt entscheiden. — Wie in Brannschweig bestimmt verlautet, wird der Vor sitzende des herzoglichen Ministeriums, Staatsminister Graf Görtz- Wrisbcrg, der sehr leidend ist, mit Ablauf dieses Jahres von seinem Amte znrücktretcn. Als sein mnthmaßlicher Nachfolger wird der Gesandte Braunschweigs in Berlin, Frhr. von Eramin Bnrgdorf, genannt. . b- — Der Vorsitzende der deutschen Civilgesetzbuchs-Koinmission Wirkt. Geh. Rath 1)r. Pape ist Dienstag Nachmittag gegen 3 Uhr gestorben. Pape ist 1916 in Brilon in Westfalen geboren. 1838 war er Referendar und widmete sich dem Richtcrstande. 1859 wurde er ins Justizministerium berufen, 1870 wurde er Vorsitzender des Ober-Handelsgerichts. Seil 1979 ist er Vorsitzender der Reichs- Kommission für die Ausarbeitung eines deutschen Civilgcsetzbuchcs. Or. Pape war unstreitig einer der bedeutendsten deutschen Juristen. — Der deutsche Juristeiitag in Stettin ist über den Antrag, ob sich die Errichtung eines besonderen Wahlprüfungsgcrichtshvfcs empfehle, zur Tagesordnung übcrgcgangcn, weil die Frage nicht zu seiner Kompetenz gehöre. — Der Jnristentag sprach sich gegen den Grundsatz des neuen Cioilgcsetzentwilrfs „Kauf bricht Micthe" ans. Am 26. September 1743 endlich holte der Herzog die Braut heim und hielt nach erfolgter Vermählung unter großem Gepränge seine» feierlichen Einzug in Stuttgart. Sie sah nach recht jung und unerfahren aus, die neue Lcindcsmntter, ihre französische Erziehung aber und der Prunk, der am Hose ihres Vaters getrieben wurde, hatten sie doch schon etwas blasirt und anspruchsvoll gemacht. Ihr erstes Auftreten erweckte dcßhalb keine sonderlichen Sympathien. Jndcß sie war fremd in Württemberg, manche der herrschende» Sitten waren ihr noch ganz ungewohnt — mit der Zeit, glaubte man, werde sich Friederike Sophie an ihre neue Lebensstellung wohl gewöhnen. Die Flitterwochen gingen denn auch ohne ungünstige Er scheinungen vorüber. Karl, von Hans aus eine lebhafte, wcltlnstige und leidenschaftliche Natur, widmete seiner jungen Gemahlin alle erdenkliche Aufmerksamkeit, und die neue Umgebung, sowie ein stctcrWcchscl berauschender Lustbarkeiten schien die Herzogin vollauf zu beschäftigen. Was sie zu ihrer Unterhaltung nur wünschte, war herbci- geschafft worden. Dazu gehörte vor Allein ein großes, schönes Theater. Von Bayreuth ans, wo der Markgraf eine der vor züglichsten Opcrngescllschaften hielt, war Friederike Sophie dies gewöhnt. Um sie in dieser Beziehung nichts vermissen zu lassen, hatte daher der Herzog alle Anstrengungen gemacht und mit Aufgebot ungeheurer Geldmittel ein Theater hergcstellt, das seines Gleichen in Deutschland suchte. Er selbst hatte ja auch sein Bergungen daran, umsomehr, als er sich damals noch fast gar nicht um die eigentlichen RcgiernngSgcschästc kümmerte, dieselben vielmehr den Händen der Nälhe überließ, welche sie bisher geführt hatten. Sparsamkeit war in diesen Jahren auch nicht i»> Entferntesten die Sache des Fürsten, und so hielt ihn denn nichts ab, gerade dieser Seite seines Hof staates eine doppelte Aufmerksamkeit znzuwendcn. Stuttgart bekam dabei genug zu schauen und zu staunen. Bis dahin hatte die Stadt gar kein ständiges Theater gehabt, jetzt erhielt es eines der glänzendsten, welche weit und breit zu sehen war n. Gerade der Umstand, daß die Sache den Bewohner» der Residenz noch etwas Fremdes war und der Sinn dafür erst geweckt werde» mußte, bestimmte den Herzog zu ganz eigcnthümlichcn Einrichtungen. Wer das Theater besuchen wollte, hatte nicht allein kein Eintrittsgeld zu zahlen, sonder» »ran schickte sogar zuweilen, wenn hohe Gäste am Hofe weilten, in die Wohnungen der Bürger und ließ ihnen melden, daß cs dem Herzoge sehr erwünscht wäre, wenn sie mit Frauen und Töchtern der Vorstellung beiwohnen wollten. — Der Wahlaufruf der confervativen Partei zu den bevor stehenden preußische» Landtagswahlc» ist bereits mitgethcilt, und die übrigen Parteien werden mit ihren Ansprachen an die Wähler nun ebenfalls nicht mehr lange znrückhalten. Von einer wirklichen Theil- »ahme in den Kreisen der Wähler für die in etloa vier bis sechs Wochen in Aussicht stehende Entscheidung ist aber noch nicht da- Geringste zu bemerken, selbst in Berlin nicht. Es erscheint auch fraglich, ob ein größeres Interesse bei der Wählerschaft in der Folge noch hervorgerufcn werden kan», und es ist leicht möglich, daß die Wahlbetheiligung eine ausnehmend geringe sein wird. — Wje schon erwähnt, allerdings aber noch nicht amtlich be stätigt ist, soll vom 1. October an auch das Lcib-Gardc-Hnsaren- Negimcnt in Potsdam versuchsweise mit Lanzen bewaffnet werden. Die Einführung der Lanze bei den Kürassiren ist schon früher be sohlen worden. Diese Verallgemeinerung der Waffe, die den Fran zosen vor 18 Jahren so große Furcht einjagte, bei unserer Kavallerie ist um so mehr bemerkcnswerth, als die anderen großen Armeen in Europa sie abgeschafft haben. Voran ist damit Frankreich ge gangen, welches gleich nach Beendigung des Krieges die Waffen gattung der Lanciers abschaffte, angeblich, weil die Handhabung der Lanze dem französischen Soldaten nicht gelinge, in Wirklichkeit wohl, weil der in so verhaßtem Andenken stehende Ulan im französischen Heere keinen Wnffcngcnosscn haben sollte. In der russischen Armee sind nach dem Regierungsantritt des jetzigen Kaisers die Ulanen so wohl, wie die Husaren der Linicnkavallcric in Dragoner verwandelt worden; nur die Kosaken sind seitdem noch mit der Lanze bewaffnet, die übrige Reiterei bildet jetzt eine Art reitender Infanterie, die das Gewehr als Hauptwaffe betrachtet. In Oesterreich ist voriges Jahr ebenfalls angeordnet worden, daß die Ulanen die Piken abznlegen haben. Während also die Lanze aus den anderen Armeen ver schwindet, kommt sie bei uns zu neuen Ehren. Schon seit einigen Jahren sicht man indessen bei den Manövern die Ulanen vorzugs weise als Divisions-Kavallerie verwendet und die zusammengezogenen Kavallerie-Divisionen gewöhnlich ans drei schweren und drei leichten Regimentern zusammengesetzt. Man kann sich vorstellen, daß der Anprall von drei mit Lanze» bewaffneten schweren Regimentern im ersten Tressen sür jede feindliche Kavallerie verhängnißvoll werden kann. Ob aber für die Regimenter des zweiten und dritten Treffens, denen die Ueberflügelung die Gegners obliegt, die Lanze nicht eher hinderlich wäre, ist eine noch zu lösende Frage. Der Versuch bei den Potsdamer Garde-Husaren wird wohl mit einer leichter zu hand habenden Lanze gemacht werde». Wundern würden wir uns nicht, wenn der Nachahmungstrieb unserer Nachbarn jetzt auch die Lanz> im französischen Heere wieder erscheinen ließe. — Vor dem Berliner Landgericht wurde am Dienstag gegen die 24 Socialistcn verhandelt, die in der Nacht zum 10. Juli d. I. die kaiserlichen Proklamationen an den Reichstag »nd Landtag, welche am Tage zuvor an den Straßenecken in Berlin angeschlagen waren, mit rothen Zetteln „Hoch lebe die Svcialdemvkratie!" beklebt haben. Die Angeklagten behaupteten, dies Geschäft gegen Entgelt oder aus Gefälligkeit besorgt zu haben, während die Anklage behauptet, es handle sich um eine abgekartete socialistische Agitation. Die Ent scheidung steht noch ans. — In Ostafrika hatten, wie schon mitgethcilt, die Eingeborenen anf die Bovte des deutschen Kriegsschiffes „Möwe" geschossen, welche zur Uebernahme der Verwaltung in den zanzibaritischcn Küstenplätzen durch die deutsche ostafrikanischc Gesellschaft hcrbeigernfcn waren. Englische Blätter hatten triumphirend mitgethcilt, dieser Angriff sei erfolgt, weil die Eingeborenen eine unüberwindliche Abneigung gegen die deutsche Herrschaft besäßen. Man kann in der Regel ruhig an- nchmcn, daß von zehn Londoner Nachrichten aus dem deutschen Kolvnialgcbiet neun unwahr sind, und so steht es auch mit der vor liegenden. Auch den Booten der britischen Korvette „Algerine", Unter anderen Verhältnissen nun würde es einer solchen Ein ladung schwerlich des Oeftercn bedurft haben, um das Theater mit Schanlnstigcn zu fülle». Hier aber walteten ganz besondere Umstände ob, die zm» Theil tief verstimmend anf die Bevölkerung wirke» mußten, denn diese war cs ja allein, welche durch die drückendsten Steuern die Mittel zu dem kolossalen Aufwand schaffen mußte, mit dem der Herzog sich und seiner Gemahlin das Leben zu versüßen strebte. In diesem Punkte kannte nämlich Herzog Karl sehr wenig Rücksicht. Nach seiner Auffassung von der Stellung eines Fürsten gehörte eben Pracht und Luxus zu dessen selbstverständlichen und ganz unentbehrlichen Vorrechten, für welche das Volk pflichtschuldigst aufznkommen hatte. Die Untcrthanen hatten nur Gott zu danken, wenn cs dem Landes herr« möglichst Ivvhl erging. Daher fand Herzog Karl auch nicht einmal etwas Unstatthaftes darin, gelegentlich ein paar tausend Landcskindcr als Kriegsmaterial an einen fremden Despoten zu Ver knuse». Nach urkundlichen Aufzeichnungen bedurfte ein Monarch von der Bedeutung Friedrichs des Großen für seinen ganzen Hofhalt jährlich nicht mehr als 200 000 Thalcr, Herzog Karl von Württem berg aber verbrauchte so viel nicht selten in einer Woche; zwei her zogliche Gebnrtsscste verschlangen mehr als zwei Millionen Gulden. Ein Hauptposten ans der Liste seiner kostspieligen Unternehmungen war, wie erwähnt, das neue Theater. Hatten sich schon andere Fürsten in diesem Punkt zu «»erhörten Ausgaben verleite» lassen, so suchte Karl von Württemberg sie alle z» übcrbiclcn. Von dem Ehrgeiz ge trieben, die glänzendste Oper von sämmllichen deutschen Höfen zu besitzen und darin auch seine» Schwiegervater in Bayreuth zn über strahlen, ließ er sich zu geradezu unsinnigen Ausgaben verleiten. Ver schiedene Sänger und Sängerinnen bezogen die sür den damaligen Geldwerth ungeheure Gage von 10 000 Gulden. Besonders waren cs italienische und französische Künstler, welche der Herzog anf diese Weise nach Deutschland zn ziehen wußte. Der Kapellmeister Nicolo Jomelli, zugleich ein namhafter Opcrncomponist, erhielt z. B. jährlich i'.tOO Gulden, sowie 10 Eimer Ehrcnwcin n 20 Maß und Fourage für zwei Pferde. Neben der großen Oper bestand übrigens »och eine 0>n rn t'utt'n (komische Oper) am württcmbergischcn Hoftheatcr, sowie ein französisches Schauspiel und ein prächtiges Ballet. Auch de» Tänzern und Tänzerinnen wurden Gehälter ansgesetzt, wie sie selbst hohe Staatsbeamte nicht erhielten. Manchem Künstler stand außer dem fortwährend eine glänzende Egnipage zur Verfügung, wie ihnen denn auch ans der herzoglichen Küche jeden Tag ihr Mahl bereitet Der heutigen Nummer des Sächsischen Lauves Auzeigers liegt bei das Beiblatt „Sächsische Gerichtszettttug^