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Nr. 206. — 8. Jahrgang. Der jede» Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische LandcS-Auzclgcr" mit täglich einem besonderen Unter- Haltungsblatte nnd mit dem Extrabciblatt Lnstiises 'Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich70Pig., bei dcnPost-Anst. 7ö Pf. (1888er Ztgs.-Preisliste Nr. ö03ö.) Für Abonnenten crschein tjc einmal im Jahr: Sommer-Eisenbahitfithriilntihtfl für Sachsen. Winttr.Lisciibnhiifnhrplaitdcst für Lachse». Jlliistr. Kalender tes Sächsischen Landbolen. JlI»srrirlcs3ahrcSbiichdesLandcS-A»zcigcrS. ..... . '' ' 4- ^ ^ Sächsischer mit „G5-eMnLtzev Staöt-Wirzeigev"/ Nnparteiif«L,e tätliche Zoitrru^ für' Sachsen nnd Thüringen. Dienstag, 4. September 1888. «ln.,eigenvre!sdcs..Si>chs.8andeS-?ln,eIgerr": Nanm einer schmalen Corpnszeile lä Pfg. Bevorzugte Stelle (> svalt. Petitzcile) 00 Pf, BeiMicdcrholuttggrovcrAnnonccnNabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man Jnsertionsbetrag (in Briefniarkc») beisngen lickSilben Corpnsschrift bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahine nur bis Vormittag. L'trllilU Nmiliiki' Vi'tilk, Bnchdntlkcrci, tüieiiinilz. Theaterstrasze 5 (Fcrnsprechstelle Nr. 136). Telcgr.-Adr-: LandeS-Anzeigcr, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen UnterhnltnngSblatt: i. Mkeine Botschaft — 2. Sächsischer Grzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitnng 4. Sächsisches Älllrerlei 5. Jllnstrirtes NnterLaLtnngSbialt — 6. Sonntagsblatt — Crtra-Beiblatt: Lnstiges Bilderbuch. Amtsgerichtliche Vekanntmachnngen. Die znm Arincnrccht zngclasscnc» Personen: 1. Marie Laura vcrchcl. Hildebrnudt geb. Pellcgrini in Dresden, 2. der Glasergehülsc Karl Eduard Knoth i» Burgstädt, Beide vertrete» durch Rechtsanwalt Th. Müllerin Cheinnih, klage» gegen: zu 1. den Schlosscrgcsellcn Franz Robert Hildebrnudt ans Dresden, siühcr in Chemnitz, jetzt unbekannten Aufenthalts, zu 2. Auguste Panline rcrehel. Knoth geb. Weigel, zuletzt in A»e, jetzt »»bekannten Ansent- halts, wegen böslicher Vcrlassnng, mit de.» Anträge aus Vcrnrtheilnng zur Herstellung des ehelichen Lebens eventuell Ehescheidung, nnd lade» die Be klagten zur mündliche» Verhandlung des Rechtsstreits vor die dritte Civil- kainmcr des Königlichen Landgerichts z» Chemnitz, ans den 4. Dcceinber l8'8, Vormittags 0 Uhr, mit der Ansforderung, einen vci dem gedachten Gerillte zugelassenen Anwalt zu bestellen. Znm Zwecke der vom Gericht bewilligten ofsentlichcn Zustellung wird dieser Auszug der Klagen bekannt gemacht. „ Königliches Landgericht. Die znm Arincnrccht zugelassenen Ehefrauen: 1. Johanne Christiane Sophie Flügel geb. Kießling in Plaue» i. Ä., 2. Johanne Minna Schulze geb. Einenkel in Chemnitz, Beide vertreten durch Rechtsanwalt Hösel in Chemnitz, tlagen gegen ihre Ehemänner: zu 1. den Handarbeiter Johann Heinrich Friedrich Flügel, zuletzt in Fichtigtzthal, jetzt nnbekainuen Aufenthalts, zu 2. den Strumpfwirker Ernst Friedrich Schulze, früher in Chemnitz, daraus in Ambcrg in Bechern, jetzt unbrlannten Aufenthalts, wegen böslicher Ver lass»»», mit dem Anträge cns Vcrnrtheilnng zur Herstellung des ehelichen Lebens eventuell Ebeschcidung, nnd laden die Beklagten zur mündlichen Ver handlung des Rechtsstreits vor die dritte Eivilkanuner des Königlichen Land gerichts zu Chemnitz, n»s den 4. Dcceinber 1888, Vormittags 0 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dein gedachten Gerichte zugelassenen Anwalt zn be stellen. Znm Zwecke der vom Gericht bewilligten vsseullichen Zustellung wird dieser Auszug der Klagen bekannt gemacht. Königliches Landgericht. In das Mustcrrcgister ist eingetragen: Nr. 1534. Finna Georg Kohl in Chemnitz, eine Zeichnung „Schwitzkasten sür Heilanstalten in ll verschiedenen Abthcilnagen", vlastische Erzeugnisse, Schutzfrist 3 Jahre, angcineldet am stnhl ingemcldet am 11. August 1888 Vorm, h-,12 Uhr. Chemnitz, am 1. September 1888- Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 2. September. Berlin. Der Kaiser hat seine Thcilnahmc an der anläßlich des Hamburger Zollanschlusscs stattfindcnden Feier zngcsagt. Hamburg. Bonlanger, der auf einer Reise nach dem Norden hier cingctroffcn ist, wird gutem Vernehmen nach einen Tag in Hamburg bleiben, dann zunächst die Kopenhagencr Ausstellung be suchen und nach einer Reise durch Schweden nach Petersburg gehen. Konstantinopcl. In Janina ist die Polizei in das Maga zin eines wegen seiner Propaganda ungern gesehenen amerikanischen Missionärs cingcdruiigc» nnd hat nach Vernichtung einiger Bibeln nnd Schließung des Ladens den Missionär sestgenvmmcii. Paris. Ministerpräsident Flvquct hat dem Commaudaulcn eines in Toulon angekommcncn portugiesischen Kriegsschiffes nnd dem Befehls Haber des spanischen Geschwaders einen Besuch abgestattct, die spanischen Marineofficicrc werden in Toulon außerordentlich gefeiert. Das spanische Ministerium hat den Cvmmandanten des spanischen Geschwaders vfsicicll beauftragt, die dem letzteren zu Ehren in Toulon gegebenen Festlichkeiten zu erwidern. Malmö, 3. September. Der König von Schweden, auf der Rückreise von Berlin nach Stockholm begriffen, wurde bei seiner heute früh hier erfolgten Ankunft enthusiastisch empfangen. Bei dem zn Ehren des Königs veranstalteten Frühstück bcwillkommncte der Bürger meister vvn Malmö den König mit einem Trinksprnch. Hierauf erhob sich der König, rühmte den überaus herzlichen Empfang, welchen er am Kaiserhofe in Berlin gefunden und hob besonder- hervor, daß der neugeborene Kaiscrprinz nicht nur seinen (des Königs) Namen, sondern ausschließlich schwedische Namen erhalten habe. Er schloß mit einem jubelnd anfgcnommcncn Hoch ans den deutschen Kaiser. Es hat nicht sollen sein. Eine Erzählung aus dem Schanspiclcrlebcn von Heinrich Grans. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Die schlaue, iniriguantc Susanne hatte cs bei dem Vater schmeichelnd dnrchznsctzc» gewußt, daß ihr Mann als Thcilhabcr in das Geschäft cinirat. Sie brauchte mehr, als zn ihrem luxuriösen Leben die Bank- und Börscn- cinnahmcn des Herrn James Achat abwarfcn. nnd so hatte sic ihm als Kom pagnon ihres Vaters, des reichen Handelsherrn, nnd sich dadurch mit eine goldene Hilfsquelle eröffnet. — Wie sie ihren Bruder aus dem Herzen des Vaters gedrängt, ihn ans dem Hause getrieben — denn sic war es gewesen, die Alexanders Debüt auf dem Liebhaberthcatcr verrathcn — so hoffte sie ihn auch von jedem Erbihcil ansznschlicßcn. — Einstweilen war Alexander verschollen, cgncrsi todt, denn ans das Strengste war es verboten, den Namen des Sohnes in Herrn Menari's Gegenwart auszusprcchcn. Die Einzige, die diesem Verbot nicht nachkam, war Alexanders Mutter; ihr einziger Gedanke war dem geliebten Sohn zngcwcndct, der, aus dem Vaterhause vcrtricbcn, sich vielleicht arm und elend in der Welt umhertrieb. In tiefster Heimlichkeit vor ihrem Gatten hatte sie im Stillen Nachforschungen über den Aufenthalt ihres Lieblings nnstcllcn lassen, jedoch vergeblich, nnd als der sechste Mvnat ohne Resultat vorübcrgegcmgcn, da glaubte sic jede Hoffnung begraben zn müssen. An ihrem Fenster, da- cphcnumranklc Bild des geliebten Sohnes vor sich, ihr ganzes Sinnen nur ihm zn- gcwcndet, sah man die stille, bleiche Frau Tag für Tag. Das Zuscimmcnlebcn mit ihrem Gatten war seit jenem vcrhängnißvollcn Morgen noch förmlicher, frostiger als früher; ihr Wohnzimmer hatte er seitdem nicht wieder betreten. Um so mehr war Frau Elisabeth erstaunt, als Jakob eines Abends in großer Erregung bei ihr cinirat, »m, wie er sagte, eine dringende Geschästsangclcgenheit mit ihr zu besprechen. Dringend mußte sic wirklich sein, den» in ihrer mehr als zwanzigjährigen Ehe war der Fall nicht vvrgekvmmcn, daß er seine Frau zur Vertrauten seiner „Geschäfte" gemacht hätte. Mit großer Uebcrwindung und einer gewissen Beschämung theiltc er ihr nach und nach mit, daß das Haus ans dem Punkte stehe, durch ciuc »»glückliche Spekulation — das Werk seines Kompagnons Politische Rundschau. Chemnitz» den 3. September. Deutsches Reich. Am Sonnabend fand ans dem Tcmpclhofcr Felde bei Berlin bei trübem, aber trockenem Wetter die Kaiserparade über das Gardecorps statt. Kaiser Wilhelm war schon Morgens 7 Uhr mit der Fahncncvmpagnic nach dem Tempclhofer Felde hinans- gcrückt und begrüßte später die Könige vvn Sachsen nnd Schweden, welche erst znm eigentlichen Paradebcginn um 9 Uhr cintrafcn. Beim Vorbeirilt rill der König von Schweden zunächst den Truppen, dann kam der König von Sachsen und endlich der Kaiser. Hinter den Monarchen folgten Prinz Heinrich, der Kronprinz von Griechenland und der Prinzrcgent Albrecht von Brannschweig mit dem Feld marschallstabe, sodann das glänzende Gefolge. Kaiser Wilhelm com- mandirtc die Parade selbst nnd führte das Armcccorps zwei Mal seinen hohen Gäste» vor. Die militärische Lnstschisscr-Abthcilnng »ahm von einem über dem Paradcfelde befindlichen Ballvn captiv Beobachtungen vor. — Die zur Tanfseier in Berlin aiigckommenen hohen Gäste sind bereits im Laufe des Sonnabend wieder abgcreist und wurden vom Kaiser zur Bahn geleitet. Ter König von Sachsen reiste nach Dresden zurück, der König von Schweden über Warnemünde »ach Stockholm. Der Erzherzog nnd die Erzherzogin Carl Ludwig von Oesterreich hatten in Preran mit der ans Gmunden znrückkehrcndcn russischen Kaiserin noch eine Bcgcgunng. De» König Albert gclcilcte am Sonntag Vormittag der Kaiser zum Anhaltcr Bahnhof, von wo derselbe nach herzlicher Verabschiedung nach Dresden znrückreiste. Der Scdcmlag und das wundervolle Weller halte» Tausende von Mcnschen ans die Straße» gelockt, welche die Majestäten mit lauten Hochrufen begrüßten. Mittags fuhr der Kaiser nach Potsdam nnd verbrachte den Rest des Tages im Kceise seiner Familie. — Der Kaiser wird znm 30. September, dem Geburtstage der Kaiserin Angusta, auf der Insel Maina» am Bodcnsce sein, am 1. Octvbcr in München, am 4. Octobcr in Wien und am 10. Oc- tobcr in Rom ankommcn. Die Einzelheiten des Aufenthaltes in Nom Werden jetzt festgcstcllt. — Wie es heißt, schweben Verhandlungen über eine neue Organisation der Reichsämtcr. Angeblich soll das auswärtige Amt eine selbständige Stellung erhalten nnd ein neues Landesvcrtheidigungs- nint geschaffen werden. —> Wie die „Nat.-Zlg." miltheilt, ist die Ernennung Herrn von Bennigsens znm Obcrpräsidenten aus eigenster Initiative des Kaisers, ohne jede Anregung von Seiten des Fürsten Bismarck er folgt. Der neue Oberpräsidcut beabsichtigt im Reichstage zn ver bleiben, so daß er sich einer Neuwahl zu iinlcrzichcn hat. Indessen gilt sein Wahlkreis Lehe als durchaus sicher, lieber den Nachfolger Bennigsens als Landcsdircklor von Hannover steht noch nichts fest. Die Neuwahl hat der Provinziallandtag zu vollziehen und der König sie zn bestätigen. Der Provinziallandtag sollte nach getroffener Ver abrcdnng erst Anfang Dezember znsammcntrcten. Doch hierin erfolgt möglicherweise noch eine Aeudcrnng. — Der „Kölnischen Zeitung" wird ans Berlin geschrieben: Ter Ucbcrfall auf der deutschen Botschaft in Paris scheint in Frank reich merkwürdig leicht genommen zu werden. Man baut dort darauf, daß Dcnlschtand weniger nervös sei, als Frankreich, nnd darum de» Zwischenfall ans sich beruhen lasse» werde. Im Ganzen ist diese Grnndanschannng ja richtig; weil gesünder, sind wir weniger reizbar als die Franzosen, aber daraus folgt keineswegs, daß wir nicht Aufklärung, genügende und befriedigende Aufklärung über den Fall Garnier verlangen, müssen. Mit der Verweisung des Verbrechers in ein Irrenhaus und der einfachen Behauptung, derselbe sc! verrückt, kann uns nicht gedient sein, zumal der angeblich Verrückte Gründe für sei» Verbrechen angegeben hat, die cs der französische» Regierung fast zur intcrnalivnalcn Pflicht mache», den Fall Garnier nicht in und Schwiegersohnes — seine Zahlungen cinzustellc», wenn cs ihm nicht bis Ultimo gelingen wurde, die zur Deckung »vthigen Fonds zn beschaffe». Diese von seiner Frau zn erbitte», war der Zweck seines Besuches. — Das bedeutende Vermögen, welches Frau Elisabeth besaß, war ihr testamentarisch dergestalt gesichert, daß ihrem Manne allerdings die Zinsen davon zuficlcn, ihr aber allein die Abzweigung größerer oder llcincrer Kapitalien »numschräiikt zn freier Verfügung stand. Durch diese nicht anzntastcndc Klausel war jetzt der stolze Kaufmann zn der Dcmülhigniig gezwungen, als ei» Bittender vor seiner Gattin erscheinen zu müssen. Mit ihren klugen Augen betrachtete die kleine Frau forschend ihren Mann, der diesen Blick nicht zn ertragen vermochte und ver legen mit den Quasten des Fauteuils spielte. Die Situation war günstig für sie und sic beschloß, sie für den Sohn zn benutzen. „Mein Vermögen", begann sic nach einer absichtlich verlängerten Panse, „gehört meinem einzigen Sohn, meinem Alexander, nnd ich habe nicht das Recht, ihn zu schädigen, am wenigsten," setzte sic bitter hinzu, „zu Gunsten cincs Hauses, welches ih» von seiner Thür verjagte, ihn schütz- nnd hilflvs in die weile Welt trieb." Herr Mcnari wollte sprechen, doch sic unterbrach ihn kurz: „Wir wollen nicht streiten über das, was meinen Sohn von hier entfernte, aber wenn ich Dir helfen soll, so verlange ich auch, daß wir ihn öffentlich anffordcr», i» das Vaterhaus zurückznkchrcn." „Oeffcntlich — anssordcrn — ?" „Ja, daß ich im Geheimen bereits Alles versucht, seinen Aufenthalt zu entdecke», konntest Du wohl vvn der Mutter erwarten. Leider blieben meine Nachforschungen ohne Resultat. Indem wir den öffentlichen Weg durch die Presse des In-und Auslandes betreten, den man mir dringend empfohlen, darf ich hoffe», vielleicht glück licher zu sein." Wie sehr sich auch der Stolz und Trotz dc-s Herrn Menari gegen ein Ansinnen ansbänmte, wodurch er zugab, ein Unrecht n» einem Sohne begangen zn haben, cs half ihm nichts. Frau Elisabeth war Plötzlich von einer, nie für möglich gehaltenen Energie, und erst nachdem die am Eingang diese» Kapitels bezeichnet,: Annonce in den Zeitungen erschienen, sah sich Herr Jakob Mcnari wieder in den Stand gesetzt, die drohende Gefahr abznwcnden, der Sturm, der seinem Hanse den Untergang bereiten konnte, an sich vorübcrziehe» zn sehe». — der Stille des Irrenhauses cinschkafcn zn lassen, sondern ihn öffent lich vor aller Welt aufznklärcn. Die Staaten, welche Gesandtschastc» in Paris unterhalten, müssen wenigstens darüber sicher sein könne», daß die französische Regierung nicht Treibereien begünstigt, durch welche in untergeordneten Gemüthern Pläne zum Ucbcrfall der fremden Gesandtschaften gereift werden, vielleicht sogar absichtlich. Was gestern auf der deutschen Botschaft versucht wurde, kann sich morgen auf der italienischen wiederholen nnd Herr Gablet wird gut thu», durch öffentlich- Verhandlung des Falles Garnier zn zeigen, wie weit das Verbrechen die Frucht der unter seinen Augen tagtäglich betriebenen Aufhetzungen ist, nnd wie weit nicht. — Tie Nachricht von der Verhaftung cincs deutschen Spions Fritz von Hohenburg in Nizza ist wieder einmal Humbug. Hohen burg wurde beschuldigt, eine Patrone des neuen Lebclgcwehrcs mit Blumen nach Deutschland habe» senden zu wollen. Es hat sich nun hcransgestcllt, daß'den Blumen eine leere Patronenhülse des Gras- gcwchres beigepackt war, wie sie auf allen Schicßstätten in Frankreich nmherlicgcn. Hohenburg hat den französischen Manövern als ehe maliger Militär zwar bcigewohnt, indessen keinerlei Berichte darüber versandt. — Bei Münster im Elsaß hat sich dieser Tage ein recht uner quicklicher Vorfall zugctragcn, welcher auf's Neue Vorsicht bcimUcber- schreiten der Grenze empfiehlt. Zwei Männer, Paul Sch. aus Münster nnd Johann R. ans Snlzern, halten einen Ausflug nach der sogenannten Schlucht gemacht; letztgenannter Herr war in Be gleitung seiner Frau. Unweit der Schlucht liegt ans französischer Seite die von einem Milcher ans Münster gepachtete Farm „Wclsch- landcnbühl". Genannte Personen waren daselbst gewesen und be gegneten beim Zulückgchen drei französischen Soldaten. Zwei davon gingen weiter, einer vlieb stehen und redete die ruhig dahingehenden Männer ans französisch mit den Wvrlen an: „Was wollt Ihr, Preußen?" Ein Mann cntgcgncte ihm: „Lassen Sic uns gehe», wir haben nichts mit Ihnen zn thnn." Der Soldat zog hierauf seinen Säbel »nd drohte nnd fuchtelte gegen die Leute. Die fran zösisch sprechende Dame suchte den Angreifer zn beruhigen, aber dieser wurde immer dreister nnd fing an, Herr» N. ernstlich mit dem Säbel zu bedrohen. Jetzt sprang Sch. aus den Soldaten los, warf ihn zu Boden, entwand seinen Händen die gefährliche Waffe und warf sie weit fort. Ein kräftiger Stoß sodann und der Gegner purzelte den Abhang hinuntcr. Unsere Elsässer liefen nun eilend- auf die Schlucht zu, um das ungastliche Land in Rücken zn bekommen. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph stattete am Sonn abend Mittag der Kaiserin von Rußland in Gmunden einen Besuch ab und wurde am Bahnhof vom Großfnrstcn-Thronfolgcr »nd dem Herzoge von Ciimberlaiid, beide Prinzen in österreichischer Uniform, empfangen. Bei der Ankunft in Schloß Ciiiiibclkaiid empfing die Herzogin von Cumbcrland den Kaiser auf der Treppe, während die Zarin dem hohen Gaste aus ihren Gemächern cnlgegcnkam. Nach mittags war Fainilicntafcl, worauf der Kaiser nach Wien zurückfuhr. Die Zarin hat in der Stacht zum Sonntag die Rückreise nach Ruß land aiigctrctcn. Italien. Bei der Flottcnparadc zn Ehren des deutschen Kaisers in der Bucht von Neapel wird das italienische Geschwader vierzig Schiffe stark sein. Ein deutsches, englisches und österreichisches Ge schwader werden der Musterung beiwohnen. — König Humbert und Kronprinz Viktor Emannel sind in Ravenna, der Hauptstadt der Romngna, mit großem Enthusiasmus begrüßt worden. — Der Klügere schweigt still! So scheint man auch in Rom zn denken. Bekanntlich halte die französische Regierung in der vorige» Woche wieder einmal lang »nd breit gegen die italienische Annektion von Massauah Protest erhoben, ohne aber das geringste Nene vvrzubringe». Die italienische Regierung hat nun beschlossen, die Note ganz unbeantwortet zu lassen, da ein weiterer Streit die Erbitterung nur verschärfen würde, ohne den geringsten Nutzen zn bringen. II. Eines der wenigen aber hübscheste» Vergnügungslokalc der alten Stadt Prenzlau ist der sogenannte „Börscngarlcn"; hier cviiccntrirt sich zumeist das allgemein-gesellige Lebe» der Stadt. Im Winter finden in einem stattlichen Saal des große» Vordergcbändes Bälle' Konzerte und Vorstellungen reisender Theatcrgesellschaften statt, während im Sommer ein herrlicher Garten mit Lauben und schattige» Etab lissements in das Freie lockt, und damit auch hier Kunstgenüsse nicht fehlen, so kann man an bestimmten Tagen eine gute Militärkapelle höre», oder ans einer, am Ende des Gartens belcgcnen Sommcrbühne dramatische Vorstellungen genießen. Man sicht, an Zerstreuungen fehlt es nicht am schönen Uckersce. In Prenzlau war wieder eine Wandertruppe cingckchrt und er freute sich durch einzelne, recht gute Mitglieder und ei» abwechselndes Repertoire einer großen Thcilnahme, was hier um so mehr in's Ge wicht fällt, als das Publikum ziemlich anspruchsvoll ist, weil cs die Nähe von Berlin zur Grundlage seines Urthcils nimmt. — Der Direktor der Gesellschaft, eine der originellsten Persönlichkeiten, welche jemals den Thespiskarren lenkten, hieß rtarl Töldle, bei dessen Namen gewiß manchem Leser diese Gestalt wieder ans der Bild- fläche der Erinnerung erscheinen wird. Von mittlerer Figur, ohne Embonpoint, mit dichtem, schwarzem Kopfhaar nnd dito etwas zusammcngcwachscnc» Augenbrauen und, trotz täglichen Rasirens, ewig schwachem Bart, war er vvn prickelnder Beweglichkeit. Er gehörte zn den Menschen, die kein Gras unter ihren Füßen wachsen ließen. Was er lhat nnd sprach, halte immer die Färbung, als ob er grimmig-wü'.hend sei, und doch war er im Grund der beste Mensch gegen diejenigen, welche ihrer Pflicht Genüge thatcn. Er verstand zu rechnen und war sehr genau, oft knickerig, aber von einer zweifel losen Rechtlichkeit, dabei in seinen Bedürfnissen äußerst mäßig. — Viele namhafte Künst er, die später an ersten Theater» in erster Reihe wirkten, haben bci ihm die Karriere begonnen. Die Gage, welche sic sür ihre Leistungen bezogen, war eine solche, die heutzutage in ihrer Winzigkeit unglaublich erscheint. Am ersten und sechzehnten jedes Monats wurde dem Betreffenden diese Gage, sorgfältig in Papier gewickelt, persönlich vom Direktor in die Hand gedrückt, und dies geschah wieder so grimmig, zuweilen so zögernd, als könne er sich nur schwer davon trennen und als verdiente der Empfänger die Silberlinge gar nicht. — Als Direktor spielte er natürlich das Fach der „guten Rollen", d. h. er knltivirte jedes Genre wenns nur dankbar war. 1 Der heutige» Nnnnner des Sächsischen Landeö-Anzekgers liegt bei das Beiblatt „Kleine Botschaft".