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WeAMHlhaler Anzeiger Tageblatt für Kohenstein-Emstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bemsdors, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund re. Der .Kohenslein-Ernsttholer" Anzeiger erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Dalum des solgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Kaus Mk.l.50, bei Abholung in der Geschäftsstelle Mk. l.L5, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mk. l.50. Sinzsne Nummern lv Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämlliche Kaiser!. Posiansialten und die Lanübriefträger entgegen. Als Extra- beilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das .Illustrierte Sonntagsblatt-. — Anzeigengebühr für die «gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Psg., für auswärts 15 Psg.; im Reklameteil die Zeile 30 Pfg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeilig im .Oberlungwitzer Tageblatt' Aufnahme. Anzeigen-Annohme für die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 1l Uhr, größere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Aufnahme von Anzeigen an oorgeschriebenen Tagen und Plätzen wird möglichst berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Rückgabe eingcsandter Manuskripte macht sich die Redaktion LiLlLLLLLiLLLSiLtsgriLiLLerertLLSiLLLlLiLiLertLerLLrtLLiLiLiLiLerlL nicht verbindlich. öriLlLererLerLrerl-rLreLLLlSkrlLLrLeLkLerLLertLLrcLLilLtLcLLLLtLLerscLlL Nr 153 Fernsprecher Nr. 151. Mittwoch, den 6. Juli 1910. B-schäsl-ft-ll- Bahnstr. z. 37. Jahrgang. LageSgefchichte Graf von Körmeritz-Loffa s. Einer der bekanntesten und verdientesten säch sischen Diplomaten und Politiker, der Wirkliche Geheime Rat Dr. jur. Richard L. Graf von Kön- neritz auf Lossa bet Wurzen, ist am Montag vor mittag sanft entschlafen. Der Verstorbene, den man als einen der hervorragendsten Vertreter des alten sächsischen Adels bezeichnen kann, stand kurz vor der Vollendung seines 82. Lebensjahres. Graf von Könneritz wurde am 29. Juli 1828 zu Erk mannsdorf in Sachsen geboren und verlebte seine Jugend teilweise in seinem Geburtsort, teilweise in Parts, wo sein Vater königlich sächsischer Gesandter war. Nach Ablegung der juristischen Prüfungen wandte er sich der diplomatischen Laufbahn zu. Als Gesandtschaftssekretär wurde er zunächst in Paris und Berlin verwendet, dann wurde er im Jahre 1853 Geschäftsträger in Hannover, 1862 Ministerresident in Brüssel, 1864 Gesandter in Petersburg und 1867 Gesandter an den süddeut schen Höfen. Im Jahre 1874 zog sich Graf von Könneritz ins Privatleben zurück, wurde aber bereits un Jahre 1875 vom König Albert in die Erste Kammer der Ständevertretung berufen. Schon in dem daraus folgenden Landtag im Jahre 1877 wurde Graf von Könneritz in das Direk torium der Ersten Kammer gerufen, dem er als Kammersekretär angehöcte bis zu seiner Ernennung zum Präsidenten der Kammer durch den König im Jahre 1891. In diesem Jahre wurde er außerdem vom König zum Wirklichen Geheimen Nat mit dem Titel Exzellenz ernannt. Graf von Könneritz bekleidete das ihm tn der Ersten Kammer anvertraute hohe Amt bis zum Schluffe des Land tages 1903/04. Vor Beginn des Landtages 1907/08 legte er auch sein Mandat als Mitglied der Ersten Kammer Alters halber nieder und schied damit überhaupt aus derselben aus. Der Kaiser ist aus der Nordlandreise, die er gestern nachmittag angetreten hat, begleitet u. a. von: General von Moltke, dem Chef des Generalstabes, Freiherrn v. Lyncker, dem Ches des MilitärkablnettS, dem Generalarzt Dr. v. Jlberg, dem Prinzen Albert zu Schleswig-Holstein, dem Generalintendanten Grafen v. Hülsen-Häseler und dem Marinemaler Prosefsor Stöwcr. — Die Kaiserin hat von Kiel aus an Bord der „Iduna" eine Kreuzfahrt in der westlichen Ostsee unternommen. Die Minister der Kaiser». Es ist laut „Berl. Ztg." nicht richtig, daß der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg dem Kaiser die Herren v. Schorlemer und Dr. Lentz- zu Mi nistern vorgeschlagen hat. In Wirklichkeit hat der Kaiser sich diese beiden Männer völlig selbständig ausgesucht; Freiherrn von Schorlemer aufgrund persönlicher Bekanntschaft mit ihm und Dr. Lentze aufgrund von Empfehlungen der in Kiel um den Kaiser versammelten Mitgliedern der hohen Finanz. Eine Begegnung zwischen v Ktderlen-Wächter und Aehrenthal. Von unterrichteter Sette wird den „L N. N." aus Wien mitgeteilt, daß der neue deutsche Staats sekretär des Aeußern o. Kiderlen-Wächter beim Grafen Aehrenthal brieflich angefragt hat, ob ihm eine persönliche Begegnung angenehm sei. Graf Aehrenthal Hal sofort in liebenswürdiger Weise bejahend geantwortet. Die Begegnung zwischen den beiden Staatsmännern wird auf der Rückreise des Herrn v. K derlen-Wächter staUfinden, aber nicht in Wien, sondern auf den böhmischen Besitzungen des Grafen Aehrenthal, wohin sich dieser in den nächsten Tagen begibt. Ebendort wird Ende August auch eine Begegnung zwischen dem Grafen Aehrenthal und dem italienischen Minister des Aeußern statifinden, welcher darauf auch dem Kaiser Franz Josef in Ischl seine Auf wartung machen wird. Zum Oberpräfidente« für die Provinz Schlesien an Stelle des zum Minister des Innern aufge rückten Herrn v. Dallwitz wurde der Unterstaais- sekretär tw preußischen Staatsministerin«,, Dr. v. Günther, laut Reichsanzeiger ernannt. Die Posener Erzbischoffrage soll demnächst erledigt werden. Die Neubesetzung soll zeitlich mit der Einweihung des Posener Kaiserschlofses zusammenfallen. Der Vatikan soll auf die Besetzung des Postens gedrängt haben. Er soll im Anschluß daran zu erkennen gegeben haben, daß er bereit sei, die preußischen Wünsche in der Personalfrage tunlichst zu berücksichtigen. In Posener Domkreisen heißt es, daß die preußische Regierung bereit sei, die Wahl eines Polen zu akzeptieren, der seine deutsch-freundliche Gesinnung verschiedentlich dokumentiert hätte. — Der neue Kurs? Dank der deutschen Kolouial-Gesellschast an Dernburg. Der Ausschuß der deutschen Kolonial-Gesellschaft richtete an den Staatssekretär a. D- Dernburg ein Dankschreiben, in dem es heißt: Eurer Exzellenz Verdienste um die Erschließung unsrer Kolonien, um die Gründung einer eignen Kolonialverwaltung, vor allem Ihr kraftvolles Eintreten für die koloniale Sache, durch welches der Gedanke von der Not wendigkeit deutscher Kolonien ein Gemeingut des deutschen Volkes geworden ist, werden bei unS un vergessen bleiben. Die deutsche Mittelstand-Bereinigung hat sich keiner der bestehenden politischen Parteien mit Haut und Haaren verschrieben; ihr Bestreben geht vielmehr dahin, aus allen bürgerlichen Parteien Mitglieder für sich und Förderer ihres Programms zu gewinnen. In einer Zuschrift an das „Berl. Tagebl." legt der Vorstand der Mittelstands-Ber einigung aus diese Feststellung Hohrs Gewicht, in dem er gleichzeitig der verbreiteten Annahme ent- gegentritr, daß die Vereinigung ein Anhängsel der konservativen Partei sei. Das Eintreten der Mittelstands-Vereinigung für die Erbschaftssteuer bei der Reichsfinanzreform und ihr Anschluß an den Hansabund sollten, so sagt der Vorstand, doch endlich gezeigt haben, daß die Vereinigung weder ein Bestandteil der konservativen Partei ist, noch in dem Fahrwasser irgend einer anderen politischen Partei segelt. Die Eosinfärbung der Gerste soll weiter ausgedehnt werden trotz der zahlreichen Proteste gegen dieses Färbemittel der Futtergerste. Dem „B. T." wird wenigstens geschrieben, daß das preußische Finanzministerium das Anschroten von Futtergerste zu untersagen und die Färbung mit Eostn allgemein einzuführen beabsichtigt. Die am Wasser liegenden Großmühlen, welche direkt vom Schiffe beziehen und unter Zollaufficht schroten, werden dann ungefärbte, die Kleinmühlen müssen dagegen gefärbte Gerste beziehen und werden da durch schwer geschädigt. Dazu kommt, daß Ruß- land nach den Bestimmungen des Handelsvertrages nur die bessere und schwere Gerste denaturieren läßt. Es würde also auch noch das Mehl auS der schlechteren leichten Gerste, weil ungefärbt, vor dem Fabrikat aus der schweren gefärbten Ware bevorzugt werden. Zum Schutz gegen die Lholera-Etnschleppnng au» Rußland sind, nachdem die Stadt Rostow am Don für ver seucht erklärt worden ist, seitens der deutschen Re gierung die erforderlichen Maßnahmen angeordnet worden, worüber im Reichsanzeiger in der üblichen Weise berichtet wird. Eine Gefahr besteht nicht. Da» deutsche Kreuzer-Geschwader in Ostasie» wir» verstärkt. Der Panzerkreuzer „Gnetsenau" vom Verbände der Hochseeflotte unter Kapitän v. Uslar begibt fich im Herbst auf die ostafiatische Station. Die mehrfachen Unruhen in den verschiedenen Provinzen Chinas während der letzten Zeit veranlaßten diesen Schritt. Die Maßregelung de» Oberpestasfistente« Zallitzsch. Der Kaiserliche Dtszipltnarhos verwarf die Be rufung der Postverwaltung und deS beschuldigten Oberpostasfistenten Zollihsch, des früheren 1. Vor fitzenden des „Verbandes mittlerer Reichspost- und Telegraphenbeamten", der von der DiSzipIinarkammer in Potsdam mit Strafversetzung und Verkürzung des Gehaltes um ein Sechstel bestraft worden ist. Slawischer Bruderzwist. In Ostgalizien zeigt fich eine bedenkliche Gärung unter den ruthenischen Bauern. Wanderredner ziehen von Ort zu Ort und Hetzen die Bauern auf, sich zu sammeln, zu den Waffen zu greifen und gegen die Polen zu marschieren. Für 150 Milliane« Gulden Seebesestigunge». Das niederländische Budget für 1910/11 fordert, wie Amsterdamer Blätter melden, 150 Millionen Gulden für Fortifikationsanlagen (Seebefestigungen) an der Nordsee und an der Rhetnmündung. Kreta. Die kretische Nationalversammlung ist am gest rigen Montag noch nicht zusammengetreten, sondern wird ihre Beratungen erst am Donnerstag, viel leicht auch noch später aufnehmen. Entgegen dem Ultimatum der Schutzmächte wollten die in der Mehrheit befindlichen Oppositionsparteien die Mu- hamedaner zur Nationalversammlung nicht zulafsen. Angesichts der Kriegsschiffe in der Sudewai wagen sie aber nicht, den Beschluß auszuführen und ver tagen daher die Session von einer Woche zur andern. Rußland und Japan find einig Ein soeben von beiden Mächten unterzeichnete» Abkommen setzt die Bedingungen des direkten Verkehrs auf den Linien der chinesischen Ostbahn und auf der südmandschurischen Bahn fest. Die vertragschließenden Mächte verbürgen' fich gegen seitig den 8tatU8 guo im fernen Osten, nach dem also Korea schon als eine japanische Provinz zu gelten hat. Lehrjahre. Roman von Einmv v. Borgsiede. 26j (Nachdruck verboten.) „Bist Du noch im Besitz des Brieses, Reine?" iragtc jetzt Woli mit kühlem Tan. Aber Amanda, die in seinem Gesicht zu lesen gelernt batte, empfand, das; er sehr erreat war. „Za, Onkel Wolf." „Bitte, gieb ihn mir." — Lindberg letzte nicht ein mal ein erklärendes Wort oder irgend eine Erlämcrnng dieses Wunsches hinzu, und Reine sprang bereitwillig auf. „Gern, ich hole ihn Dir! Das Löschblatt habe ich auch uock!" Brief und Blatt in der Hand, trat Wolf an das Fenster. Vor seinen Augen tanzten die Buchstaben, das Herz hämmerte in der Brust. „Mein teurer Manin", vermochte er endlich zu entziffern. Und dann las er Zeile für Zeile, Wort für Wort. Es waren keine Heiken Liebesbeteuernngen, keine Schwüre ewiger Treue, welche das Schreiben enthielt, aber dasselbe war in einem Ton abgcsafft, der die nahe Zusammengehörigkeit dieser beiden Menschen dcntlia, erkennen ließ. Ja, es konnte kein Zweifel darüber obwalten, das; Irene Mainau und Martin Nordfcld sich sehr nabe standen! Graf Lindberg ballte seine Rechte zur Faust. Eine besinnungslose Gereiztheit kam über ihn! Weiß bis in die Lippen vermochte er anfangs keinen klaren Gedanken zu fassen. Dieses Weib, das so rein und keusch, jo hingcbend und be- wundcrungswert schien, dieses schöne, herrliche Geschöpf, dem es Vorbehalten war, seine Seele zu erwecken, eine Schauspielerin, eine Heuchlerin! Freilich, es war ein nickt zu unterschätzender Sieg, den Mann, der ihr Ab neigung cntoegenbrachte, an ihren Triumphwagen zu spannen, um den Narren dann zu belächeln. Ja, sie hatte gewußt, das; ihm gelehrte Weiber unlvmvathisch waren, er hörte es aus ihrem eigenen Munde. Nun, ihr Triumph war ein über Erwarten vollständiger ge wesen. Er, der Kurt getadelt, gescholten batte, war wie ein Schuljunge in die Falle gerannt, die ein schönes Weib ihm gestellt hatte. Ein hohnvollcs Lächeln verzog seine Lipvcn. Wenigstens sollte die Wunde seines Herzens niemand sichtbar werden, wenigstens sollten sich jetzt — zum Abschied — die heißen Liebesworte, die er hatte sprechen wollen, in giftige Pfeile ver wandeln. Ganz ruhig wollte er sein! Keine Wimper sollte ihm zucken! Aber schonungslos wollte er ihr die Nieoriakcit der offenbarten Gesinnung Vorwerken! Amanda und Lisa gaben sich bedeutungsvolle Zeichen. Die gefährlich werdende Sacke mit dieser Irene schien eine unverhofft günstige Wendung zu nehmen. Reine tändelte ahnungslos mit Kurt. Plötz lich neigte sich der Graf zu seiner Schwägerin herab. „Amanda, mir liegt viel an einer kurzen Unter redung mit Fräulein Mainau, könnte ich vielleicht in Andreas Zimmer einige Augenblicke mit ihr sprechen?" „Gewiß, bester Wolf — natürlich! Lisa kann Dich aumclden." Gras Lindberg schritt hinter Lisa her und trat dann an der ihn freundlich begrüßenden Andrea vorbei, in deren Gemach. Irene hatte sich bei der Meldung Lisas erhoben und stand nun bebend vor dem geliebten Mann. Jetzt schloß sich die Thür hinter den Schwestern, jetzt wird er ihr seine beiden Hände reichen mit jenem Liebesblick, der so tief in ihr Herz ge drungen war. — „Mein gnädiges Fräulein", — kalt und klanglos drang cs an ihr Ohe — „ich bin gekommen, Ihnen Lebewohl zu sagen!" Irenes Antlitz befand sich im Schatten, sonst würde Wolf gewahren, daß eine totenähnliche Blässe sich darüber breitete. „Ich glaubte es mir schuldig zu sein, nicht spurlos zu verschwinden", fuhr der Mann fort, „sondern wollte Ihnen wenigstens sagen, daß Ihr Spiel entlarvt ist, daß ich die Entdeckung freilich etwas spät gemacht habe. die mir hätte von Anfang an kein Geheimnis sein dürfen. Wie Herr Martin Nordfeld darüber denken wird, daß seine Brant mich gewürdigt hat. in mir den Wahn zu erwecken, von ihr geliebt zu werden, entzieht sich meiner Beurteilung. Schönen Weibern verzeiht man allerdings viel." „Herr Graf!" — Irene trat dem Mann einen Schritt näher, flehend, bittend schauten ihre schönen, braunen Augen in sein finsteres Antlitz — „wer sagte Ihnen?" -- „Aber, meine Gnädige, das thut dock nichts zur Sache! Ich habe mii der vollendeten Thatsache zu rechnen, mit der Erkenntnis, daß Sie kein edles, groß- deukcudcs Weib waren, sondern eine schöne Kokette, der es nm eine kleine Belustigung zu thun war!" „Wie können Sie mich so kränken?" — noch immer klang die Stimme des stolzen Mäochens sanft und flehend — „wie können Sie das Heiligste in mir beleidigen?!" „Es blieb mir keine andere Wahl", — ein unendlich hochmütiges Lächeln erschien ans Wolfs Zügen — „diese beiden Zeugen sprachen deutlich genug." „Aber Sic haben dennoch Falsches aus ihnen gc- lcscn! Ja, Martin Nordseld und ich schreiben uns seit Jahren, wir wuchsen zusammen auf, wie Geschwister — weiter verband uns nichts!" „So — hm — die Geschichte war etwas durch sichtiger Natur! Sie gestatten wohl, daß ich an der Wahrheit derselben zweifle!" „Und weshalb? Muß Ihnen mein Wort nicht mehr gelten, als das anderer Personen?" fragte Irene Mainau, sich aufrichtend. Ein jäher Zweifel kam über sie. Wieder erfüllte sie jener unglückliche, beängstigende Gedanke, daß sic zu arm für den Grafen wäre, daß er nur mit ihr gespielt hätte. Das hielt sie zurück, wie ihr Herz sie trieb, seine Hand zu ergreifen und ibn an seine Liebe zu erinnern, das gab auch ihren Worten einen kühlen Klang. „Einst glaubte ich das auch, aber heute, mein gnädiges Fräulein, ist mein Vertrauen in Ihre Wahr haftigkeit geschwunden." Irene Mainau stieß einen zitternden Seufzer aus. Sic löste sich aus ihrer Erstarrung, sie erfaßte mit ihren beiden Händen nun doch seine Rechte und sagte mit allem Zauber ihrer weichen Stimme: „Nein, nein, es kann nicht alles cm Traum ge wesen sein! Sie müssen mich geliebt haben! Sie müssen mir glauben! Ich bin nickt mit Martin ver lobt!" Wie nahe sie ihm war! Wie ihre sammetwciche Wange so farblos wurde! Wie ihre herrlichen Augen bittend, trauernd au den seinen hingen! Aber der Reiz ihres Wesens hatte ihn ja von Anfang an hin gerissen und bezaubert. Dieses Gemisch von Stolz und Weichheit war es ja gerade, was sie für ihn so be gehrenswert machte! Schroff befreite er seine Hand, die rasende Eifersucht machte ihn blind und grausam. „Verlobungen lassen sich ja schließlich wieder lösen, wenn — nnn, wenn eine bessere Versorgung in Aus sicht steht!" Irene Mainau wich vor dem Mann, den sie mit aller Kraft ihrer reinen, starken Seele liebte, zurück, wie vor etwas Furchtbarem. Eiu Schwindel befiel sie. Das also dachte er von ihr! Sic. die nur ihn, sein Selbst, sein ganzes Wesen geliebt hatte, ohne Neben gedanken, ohne Berechnung, beschuldigte er einer so niedrigen Gesinnung. Das traf sie mitten ins Herz. Nein, er liebte sie nicht! Sie war ihm nichts weiter als ein Spielball müßiger Stunden, sonst müßte er ihr glauben. Nichts als die Laune des großen Herrn führte ibn zu ihr. Großer Gott! Und sie, sie hatte ihm ihr heiligstes Empfinden, die ganzen Tiefen ihres Herzens in unbedingtem Vertrauen enthüllt und vrcis- gegeb^. „Medings, Verlobungen lassen sich wieder lösen!" — ihre Lippen zuckten in bitterem Weh — „und ge heuchelte Gefühle verwebt der Wind." „Jrenel" — (Fortsetzung folgt.)