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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 31.07.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191007318
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100731
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100731
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-07
- Tag 1910-07-31
-
Monat
1910-07
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 31.07.1910
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Zur Verhaftung der Leip ziger Mörder «.Erpresser. Endlich ist e», »ie schon mehrfach erwähnt, gelungen, in Leipzig einen schweren und geriehenen Verbrecher festzunehme«. Einen Menschen, der es durch Jahre hindurch verstanden hat, die Einwoh nerschaft einer Großstadt in Unruhe und Aufregung zu versetzen und die vehärden Schlag auf Schlag irre zu führen. Dir eigene Sicherheit, in welcher der Verbrecher sich seit Monaten wiegte, hat ihn jede vorficht vergessen kaffen und ihn der Gerechtigkeit überliefert. Der natürlichste aller Wege hat zu seiner Festnahme geführt. Der Mann, welchem der Mörder und Erpreffer am meisten nachspürte, welchen er unabläsfig bedrohte und verfolgt», von dem er fortwührend größere Summen Gelbe» zu erpressen suchte, dieser Mann hat plötzlich den Spieß umgedreht und hat sich ohne Furcht eine» Tage», alt ihm die Gache doch zu toll wurde, selbst an die Verfolgung seine» Feinde» gemacht. Do, wo man energischen Widerstand erwartete, lief der Feigling, der wohl hinterlistig Menschen mit einem Hammer Niederschlagen konnte, davon. Alle seine Verbrecherschlauheit half ihm nicht». Er wurde verhaftet. Und wa» hatte ihn in die Falle ge trieben? Die Antwort ist nicht schwer: Sein un begrenzter Dünkel, seine grenzenlose Unverschämt heit und feine Großmäuligkeit. Der Grad seiner Renommage beim Schreiben seiner Erprefferbriefe hatte eine solche Höhe angenommen, daß er begann, selbst an fich zu glauben und fich für den klügsten und zugleich verschlagensten Menschen in Leipzig zu halten. Er schreibt, al» er sein ungeschriebene» Werk dem Weberschen Verlage anbot: „So mancher Staatsanwalt und Polizeirat-Kommissar, so man cher Kriminalbeamter und Detektiv, aber auch so mancher Rechtswissenschaft-Studierender wird es mir Dank wissen, — obgleich «an die- auf keinen Fall zugeben wird, und fich möglichst den Anschein gibt, als wäre man auf diesem Gebiete schon Wunder wie gescheit und gelehrt, trotzdem sie tag täglich da» Gegenteil beweisen — ein solche» Werk herau»gegeben zu haben. Sie alle «erden sehr Wissen»- und Schätzen»werte» darin finden, wie eS bisher in solchem Maße und Form von keinem Werke auch nur annähernd erreicht wird. E- wird die gesamten bisherigen Grundsätze in der Ermittelung und Erkennung der Verbrecher um- wälzen; e» wird daS ganze daktyloskopische (II) und anthropometrische Verfahren kritisch und fach männisch beleuchten. ES wird der Intellekt der heutigen Polizei und Kriminalbehörden und Detek tive auf Grund erschöpfenden Material» eingehend geschildert »erden; eS wird ferner der Intellekt und Seelenleben der Verbrecher sämtlicher Staaten Europa» so ausführlich geschildert, wie e» bisher in solch lebenswahrem Bilde noch niemals der Fall war." — ES ist nachgewiesen, daß KoppiuS die Erprefferbriefe selbst geschrieben hat. Ob er auch der geistige Autor der Briefe gewesen ist, blieb anfangs noch dahingestellt. In den letzten Lagen «eist jedoch alle» darauf hin, »aß er auch diese Arbeit ohne irgend «inen äußeren Einfluß selbständig auSgeführl hat. Erfahrene Kriminal psychologen haben fich auch nicht durch den Inhalt der Briefe täuschen lassen. Dr. Schneickert in Berlin, ein hervorragender Kriminalpsychologe, urteilte über den für ihn noch unbekannten Mörder und Erpreffer u. a. wir folgt: „Ein Mann, der so viel schreibt, ist ficher auch ein großer Maulheld, ein Renommist. Ist ein Loup dem Individuum gelungen, so wächst ihm da» Mütchen im geheimen. Der Unrntdeckt« fühlt sich ficher, daher die ironischen Ausfälle." — „Eine Folge der Renommisterei ist selbstverständ lich da» Sichumgeben mit dem Nimbus großer Macht." — Dieser Nimbus seiner Macht hat den Ver brecher dann auch zur Unvorsichtigkeit getrieben. Er hat fich sein eigene« Grab gegraben; kein Mensch hätte daran gedacht, daß der Mann, welcher Erpressungen an reichen Industriellen auSsührte, mit dem Mörder der Friedrichschen Eheleute idcn- tisch sei. Er hat eS aber schon im ersten Briefe selbst geschrieben. Hat Beweise dafür gebracht, daß er der Mörder oder zum mindesten der Mit täter sein mußte. Später hat er, ohne daß je mand auf diese Vermutung gekommen wäre, den Fall Wagner für fich reklamiert. Hat auch hier bewiesen, daß er mehr wußte, als der Behörde be kannt war. Dann hat er den Ueberfall in der Ltviastraße in einem Briefe erzählt, und zwar so erzählt, wie ihn nur der Täter selbst oder ein Mit täter erzählen konnte. Schon in feinen ersten Briefen rühmte er fich, zwanzig Morde auSgesührt zu haben. Drei davon sollten allein in Leipzig au-gesührt worden sein. DaS gab der Behörde immerhin zu denken. Hätte der Briesschreiber fich nicht selbst bezichtigt, man hätte wohl kaum die alten, verstaubten Akten des Falle» Rübner her vorgeholt. Da» Großmaul hat fich in jedem einzelnen Falle selbst beschuldigt, seine Geständnisse, mit welchen er jetzt zurückhält, hat der Verbrecher früher selbst schon niedergeschrieben. KoppiuS hatte einen Weg gesucht, auf dem er fich in dem Lichte seiner Taten sonnen konnte. Er konnte nicht hervortreten und sagen: „DaS bin ich." Da fing er an zu schreiben. Setzte unter alle seine Briefe die gleiche Unterschrift und fühlte die Macht seiner Person, wenn von ihm die Rede war. Dabei verlor er den Faden, ver- stieg fich in Geständnisse und überlieferte fich schließ lich selbst der Behörde. DaS, was er in seinen Briefen verschwieg, ist leicht zu erraten. Die Gier nach Genuß, nach Spiel und die Leidenschaft für Pferderennen schürten in ihm den Hang zum Ver brechen. Ein Loup gelang ihm, ein weiterer Loup folgt». Immer verstand er eS, den Nachforschungen der Behörden zu entgehen. Aber daS Glück war ihm nicht günstig. Nur einmal konnte er »ine er hebliche Summ» rauben. Dazu mag der Ver- brrcheryarakter seine» Bruder» gekommen sein. Nur nicht arbeiten! Geld stehlen, Geld rauben, Geld erpressen, da» war die Losung. Beide hatten sicher nicht einen Augenblick davor zurückgrschreckt, f«ige zu morden, wenn e» galt, ihr« Lridrnschaften zu befritdigtn. Kleine Ehrvnil * Et»« furchtbar« WahastuaStat wird au« Köln gemeldet. Die b3 Jahre alte Wiegemeister«. frau Weser« erdrosselte in einem Wahnsinnsanfall ihre 88jährige Tochter und ebenso deren drei Kinder. Dann erhängte sie sich. Sogar den Haushund hatte die Wahnsinnige vor ihrem Ende mit den Händen erwürgt. Zwischen der Mutter und der Tochter muß sich ein furchtbarer Kampf abgespielt haben, in dem die junge Frau trotz ihrer Gewandtheit den unnatürlich gesteigerten Kräften der Wahnsinnigen erlag. Die Leiche der jungen Frau lag mit aufge löstem, wirrem Kopfhaar angckleidet im Bett. Ge sicht, Hals und Hände wiesen große Kratzwunden auf. Die Leichen der armen Kleinen zeigten dagegen ein durchaus friedliches Aussehen Der ermordete Knabe lag mit gefalteten Händen in seinem Bett. * Der Dortmunder Bankkrach Die Aus- sichten der Gläubiger werden immer pessimistischer beurteilt. Die meisten Kenner der Lage sind der Ansicht, daß nur 10*/, aus der Masse werden her- auSkommcn, andere greifen etwas höher, niemand aber schätzt mehr als 28"/,. Die Anregung, den kleinen und kleinsten Gläubigern zu Helsen, ist an- scheinend auf steinigen Boden gefallen, da niemand recht Vorschüsse aus die faulen Forderungen der Bank geben will. Geheimrat OberlandesgerichtS- rat a. D. Jmmalle-Münster, früher LandtagSabge- ordneter, wird als AuffichtSratsmitglied der ver krachten Bank sein ganze- Vermögen von K00000 Mark einbüßen. Alle Vermögen-objekte Ohm-, dcS verhafteten Direktor«, sind mit Beschlag belegt worden und da er mit seiner Frau in Güterge meinschaft lebte, verliert auch diese ihr gesamtes, in die Ehe eingebrachter Vermögen * Schlecht«» Wetter. Während in Deutschland im allgemeinen zunehmende Wärme zu verzeichnen ist, ist in Italien Sommerschnee gefallen. Die Po- Ebene liegt im Schnee. Lawinen haben die Zu fahrtsstraßen im Gebirge gesperrt. Gleichzeitig haben im Norden der Apenninen-Halbinsel heftige Zyklone geherrscht, die gewaltige Verheerungen anrichteten. — In Amerika hält die Hitze an. Im Herzen des Lande« sind, begünstigt durch die Wärme, Heu schreckenschwärme ausgetreten. — Ein schwerer Sturm fegte über Moskau, viel Schaden anrichtend. Gärten wurden verwüstet, starke Bäume entwurzelt, Trlegraphenpfosten umgeknickt und Zäune umgeworfen. * Die Srnteaurfichten in Frankreich «ad Italien sind außergewöhnlich ungünstig und haben sich in Ungarn gegenüber den bisherigen Schätzungen erheblich verschlechtert. Auch in Deutschland darf man nach den jüngsten Wetterschäden kaum noch aui eine Durchschnittsernte rechnen. DaS gibt einen teueren Winter. ' Der Tob in den Berge«. In den Bergen bei St. Moritz stürzten zwei junge Postbeamte ab, die zum Edelweißsuchen aufgebrochen waren. Der eine wurde sofort getötet, der andere liegt hoffnungS- los darnieder * Schwerer UoglRck»fa> ei«» Reichstag»» abgeorboete». In Jetzendorf in Oberbayern ist »er Reichstag-- und Landtaa-abgeordnete Frhr v. Frey berg bei einer Ausfahrt rnfolge Scheuen-der Pferde au- seinem Wagen geschleudert worden und hat eine Gehirnerschütterung erlitten. Er ist noch nicht wieder zum Bewußtsein gekommen. Auch der Kutscher «urde schwer verletzt. * Beim Bade» ertrnak«» In dem Freibad Wannsee bei Berlin ertranken zwei deS Schwimmen- unkundige Damen. * Schwere- Unglück d»rch ei» sche» geworde»«» Pferd. Im Orte Olsen bei Recklinghausen scheute dar vor einen Wagen gespannte Pferd deS Land wirt- Hönnigen. Dieser und sein vierjähriger Sohn gerieten unter den Wagen und erlitten so schwere Verletzungen, daß sie nach kurzer Zeit starben. * Ei« burchgehe»ber 8»g. Auf der Station Bebra rannte ein Güterzug gegen einen haltenden Leerzug. Infolge dcS Stoße- schaltete sich der Dampfhebel der führerlosen Lokomotive von »selbst ein und der Zug fuhr davon Die Fahrt ging mit zunehmender Geschwindigkeit durch die Bahnhöfe Mecklar, Friedlo», Her-seld, Oberhaun bi« nach Neukirchen, wo erst in einer großen Kurve der führerlose Zug entgleiste. * Wege» »pide«ische« Aastrete»» be» Haar- schwuude» unter den Schülern und Schülerinnen der Volksschulen in Schwerte in Westfalen wurden die Schulen bi- zum 10 August feiten- der Behör den geschlossen. Bis jetzt find über 200 Kinder erkrankt. * Die Katze»tvllw»t ist in dem oberpstlzischen Do f Pondors a. d. Donau bei Regensburg au«- gebrochen. Der BezirkStierarzt hat über 100 Katzen töten lassen. * vier Nähnabelu i« Körper. In Eisenach wurde ein 16jährige- Mädchen wegen Blinddarm entzündung operiert Dabei fanden die Aerzte vier Nähnadeln im Körper de- Mädchens. * Ei» furchtbare» Drama spielte sich in Dotz bei Nürnberg ab. Zwischen den Arbeitern Ge brüder Riedel und dem Arbeiter Schlipper bestand seit langem bittere Feindschaft. Kürzlich wurde Schlipper von seinen Feinden überfallen, während ihn der eine festhielt, schoß ihm der andere eine Kugel ins Herz. Schlipper war sofort tot. Er hinterläßt Frau und 5 Kinder. Die Mörder wurden verhaftet. * Ei» furchtbare» verbreche». Au- Schraplau (Man-selder SeekreiS) wird gemeldet: Die 12 Jahre alte Emma Westphal hatte ihrem Vater, der auf einem Acker de- Oberamts Getreide mähte, Dengel zeug aus das Feld getragen. Bei der Heimkehr kam da« Kind an einem Manne vorbei, der aus einem einsamen Wege lagerte und da- Mädchen aufforderte, ihm gegen ein Trinkgeld Schnaps zu holen. Das Kind führte auch den Auftrag auS. Dann wurde e« aber von dem Menschen vergewaltigt, woraus der viehische Barbar seinem Opfer Schnap« über den Kops und die Kleider goß und diese dann anzündete. Al- Menschen herbeieilten, brannte da- bedauerns werte Mädchen lichterloh und e» hatte bereit« so schreckliche Brandwunden erlitten, daß eS vier Ginn- nehm ließ sie sich den Kopf streicheln und rührt« fich nicht, al- die Frau ihr die Milch entgegen hielt. „Nicht? Komm nur mit", und dann «ar sie mit der Milch und Katze im Arm ver- schwunden. Die fremde Katze hatte fich in den dunklen, schmutzigen Winkel zurückgezogen. Ihr Schwanz »ar voller Spinngewebe, die Haare ihre» Fell» klebten zusammen, krampfhafte Zuckungen be wegten ihren Körper. Schlaff und erschöpft sank fie nieder, als wenn fie sterben wollte. Nacht- kroch fie erst wieder durch die Spalte. Auf de« Dach deS Schuppen» hatte fie Futter gefunden, Brot- und Kartoffelkrumen, die die Frau für die Vögel hingelegt hatte. Eilig, ohne zu rasten, fraß fie alle» auf, in stinktiv »iffend, daß eS nicht für fie bestimmt war. So ging e» viele Nächte hindurch. Die Katze gewöhnte fich an ihren Schlupfwinkel, wo ihr niemand böse» tat, und mit dem regel mäßigen Futter »ar auch die Lust wiederge kommen, sich zu putzen, zu waschen und die Haare glatt zu streichen. Sie wurde auch rascher und dreister, bekam mehr Sebstvertrauen, und al» fie kein Geräusch auf dem Platz ver nahm, wagte sie e» eine» Tage», über die Steine zu laufen. Da» erinnerte fie wieder an die Freiheit von früher, an die ruhige Zeit mit dem Körbchen und der Wärme im Hause. Vergnügt sprang fie auf eine Kohlenktste und von dort auf ein Fensterbrett Da» Fenster stand so weit offen, daß fie sich hindurchwinden konnte, und nun schaute fie in» Zimmer. Sehn sucht, ein fremde», unruhige» Berlangrn er wachte in ihr, fich nach all der Furcht und den Entbehrungen wieder einmal dort auf dem warmen Flur auSzustrecken. Si« zauderte noch rin wenig, ringelte den Schwanz, krümmte sich wie zum Raub und glitt hinein; pfeilschnell war fie hinter den Fransen eines Sosa» verschwunden. Al» die Hau»frau in der Dämmerung die Augen der Katze da unten leuchten sah, schrie fie vor Schreck laut auf. Im Aerger stieß fie heftig gegen da» Sofa und schlug auf den Sitz, um die Katze zu vertreiben. Da» Dienst, mädchen kam, oer«undert über den Lärm, an die Tür. „Eine fremde Katze ist im Zimmer I" keuchte die Frau, „laß die Lür offen, sie muß hinau»." Die schob daS Sofa ein Stück von der Wand, aber die Katze hielt fich »erborgen. „Einen Stock!" rief da» Mädchen eifrig au». Im Nu «ar sie mit einer Sardtnenstange zurück und stieß damit unter da- Sofa. „Mehr hierher", bezeichnete die Frau ge schäftig, „gib acht, daß fie nicht auf dich zusttegt, fremde Katzen find falsch." Und als wollt« da» Mädchen beweisen, daß sie keine Angst habe, stieß fie immer heftiger darauf lo», bis fie an etwa» Weiche» kam. Mit heiserem Schmerzentschrei war die Katz« zur Sette gesprungen, in Todesangst blasend und zischend. .Rau»!" kommandiert« daS Mäd- ch«n, rot vor Aufregung. Boller Wut hatte sie di« Zähne fest auseinander gedrückt, bet jedem Schlag verzog sie krampfhaft da- Gesicht, und den Stock in beiden Händen, stieß fie blindlings gegen die Füße, dm Kopf, den zitternden Leib de» Tiere», welche» hierhin und dorthin sprang. „Rau», falsche» Tier", schalt da» Mädchen. Sie wurde endlich müde und mußte einen Augenblick au»ruhen. Inzwischen überlegte sie mit der Frau, waS zu tun sei: „Wasser! Da» ist den Katzen verhaßt, lassen Sie mich nur welche» holen, und stopfen Sie inzwischen alles zu, damit fie nicht unter die Schränke kommt." Unter dem Sofa klang ein leise», fast unhör bare» Gepiepse h«rvor. Mit aufgestreiften Aermeln, einen Krug Wasser und ein Gla» in der Hand, kam da» Mädchen zurück. Auf den Knien, hob fie be- hutsam die Fransen und zielte mit aller Kraft nach der Katze. „Direkt in» Maul!" triumphierte fie, „rin volle, GlaSI" ES machte ihr Spaß, fie betrachtete die Jagd als Zeitvertreib in ihrem eintönigen ArbeitSleben. AIS der Krug leer war, begann fie von neuem mit dem Stock, wütender alt zuvor. Und plötzlich schoß die Katze in verzweifelter Flucht unter dem Sofa hervor. Gehetzt flog sie in den Flur, wo fie nicht weiter konnte. Den Kopf in einen Winkel ge drückt, den Körper zusammengekrümmt, die Nägel int Holz gegraben, blieb fie sitzen. Str blies nicht mehr, aber ihr Körper zuckte vor Schmerz. „Nimm fie auf!" befahl die Fran. Aber daS Mädchen hatte Angst, gekratzt zu werden. Flug» holte erstere ein Tuch und warf eS furcht sam über daS Lier. Nun wagte die Magd, die Katze in dem Luch aufzunehmen, hielt si« voller Ekel «eit von sich ab, eilte damit auf die Straße und schüttete fie dort auf die Steine. Auch da blieb die Katze verängstigt sitzen, gelähmt vor Schreck und Schmerzen Au» ihrem Näs chen sickerten dunkle vlut»tropfen. Die Jungen aut der Nachbarschaft blieben stehen. „Eine fremde Katze," erklärte da» Mädchen, „nehmt euch in acht, fie ist bösartig. . ." Im «reise herum sammelten sich Frauen und Männer au» allen Gesellschaft-Nassen, u« voneinander zu hören, »at da fiasstert sei „Eine tolle Katze", wurde gemunkelt. „Ertränken . . . werft fie in den Fluß, bevor fie Unheil anrichtet . . ." ES kam Bewegung in die Masse, der Kreis öffnete fich nach der Wasserfeste zu. Mit einer Schlinge um den Hals wurde die Katze mit großem Gefolge zum nahen Flusse getragen. Sie rührte fich nicht mehr ; die Pfoten hingen schloss herab, die rofige Zunge war zwischen die weißen Zähnchen geklemmt, welche aut dem nassen, krampshast verzogenen Mäulchen hindurch, leuchteten. Wie viele Katzen haben in der Umzugtzrit daS gleiche schreckliche Schicksal zu erdulden, und wie selten findet fich für si« ein Retter I Wann endlich werden die Menschen so menschlich sein, daß fie auch im Liere «in lebendes und fühlen- de» Wesen sehen und eS dementsprechend be handeln ? DaS Vogelnest Bewundernswerte Werk« der Baukunst schuf der Menschengrist. Formvollendet stehen fie als Beweise kraftvollsten Schaffens vor uns. Mit der kulturellen Entwickelung der Völker ging der Fortschritt ihrer Baukunst Hand in Hand. Ursprünglich dazu bestimmt, Schutz vor widrigen Naturereignissen und vor U«berfällen wilder Liere zu bieten, vereinten die Bauten schließlich da» Geschmackvolle und Schöne zu dem, wat wir „Kunst" nennen. Einer solchen Fortent- Wickelung vom Rohen und Einfachen zum kunst- voll Schönen begegnen wir bei den Vogelnestern nicht und dock find fie nicht nur beachten»-, sondern auch br«undernSwert hinsichtlich der Wahl de» OrteS ihrer Anlage, der Form, der inneren und äußeren Ausstattung, deS Bau materials wie seiner Verarbeitung usw. Un- willkürlich drängt sich die Frage aus: Wie vermögen eS die teilweise so zarten Tierchen, ohne Werkzeug solche Kunstwerke herzustellen? Wollt« der geschickteste menschliche Baumeister die Nachbildung eine» solchen Originals unter nehmen, er würde fich der fachmännischen Kritik de» betreffenden gesiedelten BaukünstlerS gegen- über al» solcher Stümper fühlen, daß ihm all« Lust zu wetteren derartigen Versuchen »ergehen würde. Ein solch formvollendetes, weder zu enge» noch zu weite-, weder zu flaches noch tiese», zu hartes noch weiche- Vogelnest kann eben nur ein Vogel bauen. Mit unfehlbarer Sicherheit wissen die Bögel dabet aber auch die Vorteile einer Gegend abzuschätzen, die ihnen bald ltrb und zum heimatlichen Boden wird, von dem fie fich nur gewaltsam, der Not ge horchend, nicht dem eigenen Triebe, verdrängen lassen. In allen Ländern der Erde fällt daS LiebeS- l«ben der Bögel in die Frühlingszeit. Zur Zeit, wenn di« Erde fich bräutlich schmückt, tun auch fie «S, fingen, jauchzen und frohlocken, worauf als Heiligtum. fie von früh btt spät am Nestbau rastlos tätig sind. Um e» ganz ermessen zu können, wieviel Fürsorge und Liebe in einen solchen Bau hinein gearbeitet wird, muß man den Lierchen mit rigenen Augen zugesehen haben. Und wer daS jemals getan hat, kann ficher nicht so roh und lieblos sein, seine Hand nach einem so mühsam errungenen Besitze au»zustrrck«n, um ihn zu zer- stören. Sind die Nester der kleinen Vogelarten auch verschieden, so find fie doch immer der Umge bung so treu angepaßt, daß e» selbst dem ge übten Blicke de» Kundigen ost schwer wird, da» eine und da» andere zu sinden. Wenn auch manche Bögel, z B. Zaunschlüpfer, Meisen, Spechte, Nesier als Wohn- und Schlafräume bauen, so dient da» Nest doch gewöhnlich nur zur Aufnahme de» Geleges, zur Bebrütung des selben und zur Beherbergung dec erbrüteten Jungen. Die Liebe zu ihnen wird auch Anlaß, den begonnenen, vielleicht schon fast vollendeten Bau infolge Störung zu verlassen und einen besser geborgenen Neubau zu beginnen. Dir Liebe zu ihnen ist e» ferner, welche die Eltern darben und hungern läßt und im Falle drr Not und Gefahr ihrer Brust Lönr der Angst und Sorge «bringt. Drum rühr'» nicht an, o Mensch, da» Vogel nest; denn e» ist ein Familienheiligtum! Zrr- störe nicht, o Knab«, den mühsamen Bau, in dem Glück und Liebe wohnt l Ihre Nrstjungen find den Vogelrltrrn da» beste, da» sie besitzen, sind ihnen ebenso teuer und soviel wert, wie du mit deinen Geschwistern den Eltern «S bist. Ihr Besitz und Gedeihen ist ihnen höchst«» Glück, ihr Verlust bitterste» Weh. Drum rührr'» nicht an, da» Vogelnest, ihr Menschenkinder, schont diesen Tempel de» Glück- und der Ltrbe al» Heiligtum l Ernst Kraust.
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