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ßkilMW Phkißm EMHM AiMkl Tageblatt. Nr. 175. Sonntag, dm 31. Juli 1910. 37. Jahrgang. Die Ouvertüre vor 40 Jahren. Da- Treffen bei Weißenburg am 4. August 1870. Bon Dr. Karl Met st er. (Nachdruck verbaten.) Frankreich hatte den Krieg erklärt. Preußen und mit ihm da- übrige Deutschland hatte den ihm htngeworfenen Fehdehandschuh ausgenommen. Marschall Mac Mahon war derjenige der die „Moire" der Rothosen auss neue blank putzen sollte. Ihn hatte man mit einer stattlichen Truppen- zahl an die Grenze deS Elsaß geschickt, von wo er die verhaßten „PrusfienS" in Scharen in ihr „Saurrkrautland" zurücktreiben sollte. Aber wie so oft in der Weltgeschichte kamen die Dinge auch hier ganz anders, als wie man sie sich gedacht hatte. So war gewiffermaßen der Kriegsschauplatz an die Grenzen Süddeutschland» gelegt, da- gemeinsam mit seinen norddeutschen Brüdern den Kampf gegen daS Frankentum ausgenommen hatte. Schon der Armeebefehl deS preußischen Kronprinzen, der am 31. Juli erlassen worden war, sowie die sympa thische Erscheinung dieses Prinzen hatten die Herzen der Bayern, Württemberger, Badenser und H.ffen im Fluge erobert. Der warm und herzlich gehal tene Armeebefehl hatte folgenden Wortlaut: .Sol daten der 8. Armee! Von Sr. Majestät dem König von Preußen zum Oberbefehlshaber der 3 Armer ernannt, entbiete ich den unter meinem Be fehl vereinigten preußischen, bayrischen, württem- bergischen, badischen Truppen meinen Gruß. ES erfüllt mich mit Stolz und Freude, an der Spitze der auS allen Gauen deS deutschen Vaterlandes vereinigten Söhne für die gemeinsame nationale Sache, für deutsches Recht und deutsche Ehre in den Kampf zu ziehen. Wir gehen einem großen und schweren Kampfe entgegen: aber in dem Be wußtsein unseres guten Rechts und im Vertrauen auf Eure Tapferkeit, Ausdauer und Manneszucht ist uns der siegreiche AuSgang gewiß. So wollen wir denn auShaltrn in treuer Waffenbrüderschaft, um mit GotteS Hilfe unsere Fahnen zu neuem Siege zu entfalten für des geeinigten Deutschland- Ruhm und Frieden." Diese Worte hatten tiefe Wurzeln in die Herzen der Leut« geschlagen, an die sie gerichtet waren Jetzt sollte die Probe aus da- Etzempel gemacht werden. Der erwartete französische Einfall in süddeut sches Land war auSgeblieben. Die Sprengung der Kehler Brücke, die Armierung RaflatlS hatte sich als überflüssig erwiesen. Ulanen und Füsiliere waren in kecken Gtreifzügen sogar schon über die Saar hinübergeschwärmt. Am 3. August hatte eine württembergtsche Frlddiviston sogar schon den Rhein bei Moxau überschritten Die Franzosen lamentierten bereit« über den deutschen Einfall in Oberelsaß; sie standen in ihrer Hauptstärke in Straßburg, wo Mac Mahon befehligte. Auch in Belfort waren starke Truppenmengen unter F. Douay zusammengezogen. Von diesen Truppen hatte Mac Mahon den im Elsaß vordringenden Deutschen eine Division unter General A. Douay an die Lauter entgegengeschickt. Hier kam e- auch am 4. August, und zwar bei Weißenburg, zu einem ersten, ernsteren Gefechte, daS unS in diesen Zeilen ein wenig ausführlicher und eingehender beschäftigen soll. Die Bayern machten den Anfang. Die Divi sion Bothmer war eS, die hier ein Feuergefecht hinzuhalten hatte, bis die Preußen unter General Kirchbach herungerückt waren. DaS war keine leichte Aufgabe. Wohl dachten die Franzosen rasch mit ihnen fertig zu werden. Allein die Bayern hielten wacker aus. Die Kugeln flogen von hüben und drüben und fielen bald so dicht, daß jeder nach Möglichkeit Deckung suchen mußte, um sich vor den pfeifend aufschlagenden Geschossen derart zu schützen, daß er sie auch er- widern konnte. Schon überkam die Franzosen die Wut, „daß sie mit dieser Handvoll Sauer kcaut- srrffer nicht fertig werden konnten". Sie gingen schärfer vor und sparten mit ihrer Munition in keiner Weise. Doch die aus solche Art arg be drängten Bayern wußten, daß sie mit dem Ein- Irrsten der Preußen nicht nur nicht gerettet, son dern auch Herren der Situation sein würden. DaS stählte ihre Kraft und erhöhte ihren Mut. Endlich kamen die Preußen. Die Kolonnen deS Generals Kirchbach faßten die verblüfften Franzosen vyn der entgegengesetzten Seite, so daß sie sich ge- zwunzen sahen, ihr Feuer zu teilen. Nun war der Ausgang deS Kampfes entschieden. Mit blitzen den Augen und mit lautem Hurra marschierten Bayern und Preußen vor. Die Franzosen sahen sich in dir Mitte genommen, und sie sahen auch zugleich, daß die Stadt Weißenburg sür sie ver- lorrn war. Fast gleichzeitig rückten von Norden her die Boyern und von Süden her, durch das es ein heiße- Ringen. Zäh und hartnäckig ging Hagenauer Tor, die Preußen in die Stadt ein. Der Kampf in den Straßen war verhältnismäßig nur kurz Hier machten auch, namentlich die Boyern, die erste Bekanntschaft mit den Turkos. Und nicht lange währte eS, da waren die Deutschen die Herren der Situation. Die Stadt war gewonnen und 400 Gefangene waren in die Hände der Deutschen gefallen. Abec die Schlacht war damit noch nicht beendet. Der schwierigere Teil deS Kampfes stand vielmehr noch bevor; er spielte sich folgendermaßen ab. Eine Stunde von Weißenburg entfernt erhebt sich auf der Hagenauer Landstraße der GciSberg. Ihn galt eS im Sturm zu nehmen. Artilleriefeuer leitete diesen Sturm ein. Auf beiden Seiten brüll ten unaufhörlich die Geschütze und die Geschosse durchsausten totbringend die Luft. Von deutscher Sette zeichnete sich besonders daS Korps Bose auS. Die Franzosen unterhielten auS den Gärten und Hopfenfeldern der Nachbarhügel ein furchtbare S Feuer. Nur unter schweren Verlusten drangen die Deutschen vorwärts. Die Reihen der Königsgre- nadtere, der Kompagnien vom 47. Regiment und der Soldaten vom 5. Jägcrbataillon wurden furcht bar gelichtet. Kurz nach der Mittagsstunde war aber dennoch die Höhe deS GeiSberges erreicht. Und eine Stunde später konnte der Hauptangriff auf daS Schloß Geisberg, den Hauptstützpunkt der französischen BerteidigungSmaßregeln, in Angriff genommen werden. War da- französische Geschütz- seuer bisher ein mörderisches gewesen, so erhöhte sich jetzt seine Wirkung zusehends. AuS tausenden von Rohren sauste und zischte der Tod. Die Franzosen wußten, waS e- galt Sie sahen, daß dieser Tag entscheidend werden könnte sür daS ganze Schicksal deS frivol herausbeschworenen Krieges. Und so taten sie denn auch daS ihrige und ent- wickelten eine Tapferkeit und Ausdauer, die auch vom Feinde anerkannt werden mußte. Allein bei den Deutschen spielte zweierlei mit und war entscheidend für den glücklichen Ausgang di-sc-Kampfes im speziellen, sowie auch des ganzen Krieges im allgemeinen. DaS eine war da- neu- erwachte Gefühl der Zusammengehörigkeit der ein zelnen deutschen Stämme; daS andere war d^r Zorn über den mutwillig von den Franzosen vom. Zaune gerissenen Krieg. Dies stählte ihre Kraft, ihren Mut, ihre Zuversichtlichkeit. To setzten sie denn nochmals alle Kräfte ein. Noch einmal gab e- vorwärts. Aber auch dieser Kampf währte nicht lange. Schon nach einer Stunde — eS war in zwischen 2 Uhr nachmittags geworden — war ein schöner Sieg erfochten. Die Franzosen waren geschlagen. Der Glaube an ihre Unübrrwiudlichkeit war gründlich zerstört. Ihr Führer war gefallen; ihr Feldlager befand sich in den Händen der Gieger, ebenso ein Ge schütz und 1000 unverwundete Soldaten. In Un- ordnung und Flucht hatten sie sich auf Hagenau zurückgezogen. Die Deutschen aber hatten 60 Offi ziere und 1460 Rann daran setzen müssen: Hel- den, von denen jeder froh und gern sür daS Vater land in den Tod gegangen war. Während ob dieses Sieges auf französischem Boden Heller Jubel ganz Deutschland durchbrauste, nahm man diesen ersten schweren Schlag in Pari- wenig tragisch. Man half sich über den ersten fatalen Eindruck damit hinweg, daß man auS- posaunte, die Deutschen wären in mehrfacher Urber^ macht gewesen usw. Dem Pariser Pöbel konnte man daS wohl glaubhaft machen. Aber ernsthafte Männer konnten sich der trüben Ahnungen nicht erwehren, di« nach der Kunde von der Weißen burger Niederlage auf sie eindrangen. Für die deutschen Luppen und die deutschen Stämme war diese erste Waffevprobe der beste Kitt dauernden Zusammengehörigkeitsgefühls. Nun fühlten sie, daß ihre Sache eine gute und gerechte war. Süddeutschland und Norddeutschland hatten auf dem Schlachtfelde von Weißenburg gemeinsam ihr Blut vergossen und gemeinsam Wunden emp- sangen. Und wenn sie bis dahin auch noch die- und jene- innerlich trennte, — j>tzt war auch dieser letzte R-st überwunden, jetzt sühlten sie, daß sie ein Volk geworden waren. Napoleon III. aber sah seinen Thron bereit- schwanken; mit richtigem Instinkt fühlte er heraus, daß er sich in ein, Abenteuer gestürzt hatte, dem er nicht gewachsen war. Sin Zurück aber gab eS nicht mehr für ihn. G»> mußte er denn die bittere Schale de- göttlichen ZormS bis aus den Grund leeren. Der erste Tropfen diese- bitteren Tranke- aber hieß: Weißenburg! HM U PUY MH VW «tc. erwirken unck v«r««r1«n L L^ZM K. Zyl ckemnltr, Künjsstr7Z4 » » Allerlei Kurzweil. » » Denksprkche. Wie Raubvögel find Neid und Zorn, Wie Quecken in deinem guten Korn, Wie HauSschwamm in deinem festen Eigen! Sei auf dec Hut, Herz, wenn sie sich zeigen. * G Will dir nicht die Zuversicht An der Menschen Treu« raubny Jedem auf sein Angesicht Magst du, war er äußert, glauben: Nur wenn er dir Dank verspricht, Diese- eine glaub' ihm nicht! Rätselecke. Rätsel. (Eingesandt von Herrn A. hier.) 1. Den OchS, daS Kalb, daS Rind, da- Pferd, Sie alle halten wir lieb und wert — Und Scheune, Hofraum, Gtallgerät Gewiß die Landwirtschaft verrät. Mit sieben alphabet'schen Zeichen Wirst du die Lösung bald erreichem Jch sagte sieben, und diese Zahl Schus Jammer schon und große Qual Gar manchem, der im Aberglauben Befangen war, trotz offener Augen. Doch daß sie wirklich Böse- enthält, Siehst du, zwei Zeichen umgestellt: Denn alle Menschen, Männer wie Frauen, Haben vor ihnen ein heimliche- Grauen. S. Mit I verkörpert es fürwahr Die deutsche Urkraft, deutsches Wesen Und zahlreich ist, Gottlob! die Schar Der Jünger de», der »inst gewesen. Mit v durcheil' ich Flur und Feld Al- ob ich Flügel hätte. Der gält gewiß als großer Held, Der mit mir eilet um die Wette. Mit L bin ich ein Flüßchen klein, Durchfließe deutsche Auen; SS treibt mich hin zum Vater Rhein, Da- Weltmeer will ich schauen. Kapsel-Rätsel. DaS Ganze ist ein weiblicher Vorname, daS Innere ein großer Nebenfluß der Donau. Ergä«z«Ng»-Rä1seI. Kind, auS Fl . . . . mir n . . . . nur nicht; Dann gibt'- ein strenge- Strafgericht. Ich h ... . dabei doch sicher dich Und w .... den Pelz dir jämmerlich, Mit ungebrannter A . . . ., — sagt man, — Di« gibt r . . . . Schläge gern, — klagt man, — Drum lieber deüw L .... dir hol', Strick manch« M..... da- lieb' ich wohl, Dann will ich in meiner T . . . . auch Kuchen, Den flink mein Kindchen n gleich suchen. Kreuz-Rätsel, 1—2 dientzur Sicherung u. Befestigung. 1 2 3-* Teil der Gesicht». " 1-4 Märchengepalt. M - 3—2 Befrstigungsmittel. V 4 4-1 Reihe. 4-2 Teil, de» Schiffe». Hieroglyphe«. (Von jedem Bild gilt der Anfangsbuchstabe seine» Namens. Die Vokale sind zu ergänzen.) U«stSs»«-en a«S Nummer 30. Der Rätsel: 1. Hauptstadt — Stadthaupt. 2. Tenne — Tanne — Tonne. Der zweisilbigen Scharade: Marburg - Mark. DeS LogogriphS: Uhu. Der Rätsel-Fragen: 1. Rockfutter, 2. Anzug, 8 Beileid (Mitleid), 4. Diebstahl, k Stecken- pferd, 6. Hahn an Feuerwaffen. 7. Vorwurf, 8. Anstand, v. Hosenträger, 10. Gägebock, 11 Hochmut, 12. Nasenrücken, 13. Wachs- stock, 14. Angeber, 1b. Ausschneider. DeS Bilder-Rätsel»: Modeneuhrit. LilldtlUtilng. Alle Rechte für den gesamten Inhalt vorbehalten. Nr. 31. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehman«, Hohenstein-Ernstthal. 1910. Die fremde Katze. Von Albert van WaaSdijk. (Autorisierte Uebersetzung au- dem Holländischen.) In der leeren Wohnung war beim Aus zugs eine Katze mit mancherlei Sachen zurück- gelaffen worden, die man nicht erst nach der neuen Wohnung hatte mitnehmen mögen. Durch das halboffene Bodenfenster war sie j-tzt herein geschlüpft und, nach ihrem Schüsselchen Milch verlangend, unhörbar die Treppe hinabgeschlichen, da sie ihren gewohnheitsmäßigen AuSflug über die benachbarten Dächer beendet hatte. Plötz lich, ohne daß jemand wußte, woher sie kam, saß sie aus ihrem alten Platz, wärmte sich mit gekrümmtem Rücken in der Sonne» streckte die Pfötchen und blinzelte und gähnte mit solchem Wohlbehagen und Vergnügen, daß die schmale rote Zunge sich kräuselte. Auf der Treppe schon halte sie etwas Un bekannte- gerochen, als ob sie in einem fremden Hause wäre. Sie stellte sich wie immer vor die Zimmertür und kratzte mit den Vorder pfoten am Holz, um hineingelaffe«. zu werden, aber niemand öffnete. Um sich bemerkbar zu machen, miaute sie leise und ging den Flur entlang bis zu einem anderen Zimmer, dessen Tür weit offen stand. Den Rücken ängstlich gekrümmt, den Schwanz in unruhiger Bewe- gung, schnüffelte sie in den Winkeln, kratzte Splitter aus dem Fußboden, sprang auf da» Fensterbrett und von dort, behutsam wie immer, auf den Kamin. Die. Gegenstände, die daraus gestanden hatten und um die sie sich stets im Bogen gewunden hatte, um sie nicht zu be rühren, waren fort ; den schwarzen Marmor de» KaminS bedeckte eine Schicht von Kalk und Staub. Und nirgend» fand sie ihr Körbchen mit der warmen, wolligen Bekleidung, nirgend» die Milch und nirgends die Frau. Sie suchte in den hohlen, leeren Zimmern, stürmte in Eile die Treppe hinauf und herab, setzte sich mit klagendem Miauen in die Küche, hilflos wie ein verirrtes Kind. Nachdem sie einen Tag in dem leeren Hause herumgeirrt, war sie durstig und hungrig wieder auf das Dach geklettert und nicht mehr zurückgekehrt. Ohne Heim, ohne Herrin war sie nun ein« fremde Katze geworden, ein Tier von der Straße, von dem niemand sagen konnte, ob es böse oder gut sei. Während des Tages versteckte sie sich scheu in dunklen Winkeln, hinter Zäunen und alten Brettern; aber wen» eS dunkel wurde, kam sie zum Vorschein, um Nahrung zu suchen. Sehr ost' fand sie nichts, dann mußte sie sich mit ekligem, übelriechendem Wasser oder ver dorbenen Abfällen begnügen. Sie sah abge zehrt auS, und die Knochen standen auS dem schlaffen, armseligen Fell hervor. Sie miaute lange nicht mehr, die zarten, leisen Schm«ichel- töne waren in ihrer Kehle zu kurzen, schrillen Angsttönen geworden. Wo sie Wärme und Schutz suchte, wurde sie drohend verjagt. Licht- und menschenscheu geworden, fand sie endlich an einem kühlen Regentage ein Obdach unter einem Kohlen- schuppen. Hier war sie sicher, hier konnte sie durch die schmale O-ffnung lauernd um sich blicken und alles sehen, was auf dem Platz geschah. Da« erste, waS sie des Morgen- sah, war eine Frau, die sie sanft und lieb rief, wie sie eS noch au- der Zett kannte, al- sie von ihrer Herrin verhätschelt wurde. Langsam kroch sie auS ihrem Winkel und spähte durch ein« Spalte. Die Frau stellte eine kleine Schüfst! Milch aus die Erde und legte kleine Fleischsiückchen ringS herum. Gierig schnüffelte die Katze nach dem Duft, aber sie wagte eS nicht, zum Vorschein zu kommen. Wenn die Frau weg war, wollte sie sofort essen und trinken, ihren verhungerte« Magen sättigen. Abernachdemdi« Frau nochmal- schm«tchelnd gerufen hatte, kam eine Katze au» dem Hause träge auf den Platz zu. Sie war dick und wohlg.pflegt, roch verwöhnt an der Mich und verschlang daS Fleisch mit Gleichgültigkeit. Vor-