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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.05.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191005059
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100505
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100505
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-05
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.05.1910
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KnlM M Whklißki»EriiMi>n Aynzn Tageblatt. Nr. 102. Donnerstag, den 5. Mai 1910. 37. Jahrgang. Himmelfahrt. Hktl, Ehr' und Macht dem Menschensohn, Der sich zu Botte« «echten Besetzet auf de« Himmel» Thron Und füllt mit Lebensmächlen Die Weltensphären unbegrenzt, Gleichwie die Gönn' am Himmel glänzt Und strahlt um Höh'n und Tiefen! Denn der die Himmel all' nimmt ein Umringt von Engelscharen, . Kann nun im kleinsten Kämmerlein Sich selig offenbaren. Er, der »in Herz trug in der Brust, Hat zu un» armen Menschen Lust, Will unsrer sich erbarmen. Wir können seine Herrlichkeit Nun täglich seh'n und spüren Und fromm den kaum von seine« Kleid Mit Blauben-band berühren. Roch schöpfen wir au« seiner Füll' Und lauschen wie Maria still Zu seinen hcil'gen Füßen. Er ist'«, der un« noch bricht da« Brot Und mit dem Becher tränket, Er ist's, der Wind und Meer bedroht Und unser Schisslein lenket. Er ist uns allenthalben nah, Mein Herz ist sein Bethania, Mwo er lebt und wirket. Und immer reicher stießt der Strom De« Licht», da» er entbrannte. Und immer höher wölbt sein Dom Sich über alle Lande. Bi« alle« in ihm lebt und webt, Und bi« die neue Erde schwebt Empor zum neuen Himmel. Mittler, Ps. «. Um Himmelfahrtstage. Novelle«« von L. Agram. (Nachdruck verboten.) In dem hochromantischen Donautal, in der Nähe der ungarischen Stadt TemeSvar, liegt ein Pißten-WirtShauS, eine sogenannte Csarda. Da rinnen haust der alte Maurus mit seinem blut jungen Töchterchen auS zweiter Ehe, der Poncha. Sonst ein Rauhbart und der Hauptkrakehler, wenn etz in der Schenke laut hergeht, ist der Alte gegen sein schönes Kind weich wie Wachs und ein zärt licher Vater Die Heller hat er sich am Munde abgespart, um die Poncha etwa» lernen zu lassen, und körperliche Gewandtheit besitzt das Mädchen wie keine und ist die beste Schwimmerin weit und breit. Windschief und primitiv ist das Häuschen, doch der Wein, der dort geschenkt wird, gut. Die Zigeuner, das fahrende Volk, da» stets beim Maurus einkehrt, wenn es seinen Streiszug durch den Banat hält, wußte davon zu erzählen. Es war in der Nacht zum Himmelsahrtstagc, der Nachtigallennacht, wie der VolkSmund hier zu Lande sagt. Glaubt man doch, daß die Nachtigallen in dieser Nacht lauter und schöner schlagen als sottst. Der Tag rang mit den Schatten der Nacht. Gerade über den Banater Bergen funkelte am sich erhellenden Horizont der Morgenstern. Gigantisch anzusehen in der Dtmmern.s, ragten die zerklüfteten Felswände des Dsnaupafses gen Himmel. Und in seinem Bett, daS hier zwischen Schluchten und Felsen sich schlängelt, ergoß sich Strudel auf Strudel, deren Rauschen das einzige Geräusch in dieser majestätischen Natureinsamkeit. Auch die Donauwellrn haben ihren Frühling, dessen lieblichster Festtag angebrochen ist. Ueber den Horizont und die Banater Berge ergießt sich der erste rosige Schein und krönt die Wellen mit rosenrotem Ge schmeide, und mit lautem Freudenschrei schwenkt sich die Möwe über Wellen und Klippen. Die Tür des Wirtshauses öffnete sich jetzt und heraus trat, im Feststaat, Poncha. Sie trug einen dunklen Wollrock mit Sammetstoß; darüber eine lange, bunte Schürze; ein blütenweißes Hemd und ein schwarzes, mit Silberschnüren verziertes Mieder. Die schwarzen Zöpfe mit roten Bändern durch flochten und aus der Brust an schmaler Kette ein Kruzifix. Gut paßte zu dem Kteuz der Festtagsglanz in den großen schwarzen Augen deS Mädchen». Nach dem Alltag mit seiner Einförmigkeit und Arbeits last war nun der HimmelsahrtStag mit seiner Früh lingslieblichkeit gekommen. Als gute Christin und Katholikin trug Poncha die religiöse Bedeutung des Tages fest in der Seele. Seit der Kindheit her, da sie mit frommem Schauer der Prozession zu geschaut, die am Tage der Himmelfahrt durch das Dorf zieht. Heute aber wartet ihrer noch eine Freude besonderer Art. Ein Jahr — eine lange Wartezeit für ein liebende» siebzehnjähriges Herz Seine Monate, seine Wochen und endlich seine Tage hat sie gezählt, bis der Tag ihrer Sehnsucht, der HimmelsahrtStag, da war. Denn an ihm will der Marco, ihr Verlobter, Wiederkehr«» aus Wien, wo er seit Jahresfrist Leibdiener eines hohen Herrn ist. Mit dem Frühzuge wird er auf dem Bahn hof in Temesvar eintreffen, und Poncha hat ihm geschrieben, daß sie ihn dort abholen wird. Und dann? Glückselig lacht das Mädchen in sich hinein. Schon brodelt daheim aus dem Herde das Goulocz und Vater Maurus will zum Empfang des Schwiegersohnes eine Flasche Tokayer spendieren! Darauf aber soll'S zur Kirche gehen; der Marco und die Poncha wollen den Heiland bitten um seinen Segen zu dem Ehebund, den sie am Pfingst tage schließen wollen. Allmählich färbte sich der Himmel rot Ueber die Banater Berge, über die Felsen und Schluchten flirrten goldene Lichtstrahlen hin. Ein Leuchten ging über den Strom. Und nun tauchte dort, wo die Donau als ein weiter See erscheint, flimmernd, funkelnd, Garbenstrahlen werfend, die Sonne aus den Wogen empor. Wie freudetrunken kamen sie herangestürzt und wie geschmückt zum Tage des Heilands mit Korallen und Granatenkrönlein, dem Abglanz von Aether und Sonne. Und wo in Lüsten leis ein erster, halb verträumter Vogcllaut erklungen, scholl jetzt ein Iubelchor, eS zu verkünden: Es ist Himmelfahrt! Noch nie war der Zauber ihrer wundervollen Heimat Poncha so zum Bewußtsein gekommen als in dieser Morgenstunde Und nie hatte die Be deutung des TageS ihr mächtiger zur Seele ge sprochen als jetzt Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen! Dies Wort, das heute alle Welt durchhallte, das aus dem Chor der Vöglein scholl, in ihrer Brust war sein Wiederhall. Besaß sie doch eine feinere Seele als manche ihrer Standcs- genossinnen, und einen empfänglichen Sinn für alles, war gut und groß und edel Unbewußt dem Naturkinde, aber eS innerlich beglückend Ihr war so glaubensselig wie in frommen Kindhcitstagen und so hoffnungsselig! Ihre Gedanken irrten zu dem Marco und der Stunde voraus, während sie beflügelten FußcS den Weg nahm. Sie mußte eilen, wollte sie die Ankunft nicht versäumen, denn der Weg war weit. Aber viel krause junge Ge danken verkürzten ihn ihr. War's nicht wie heule, als sie dein Marco selig ans Herz gesprungen, dem Marco, der so jäh, so unerwartet ihr seine Liebe bezeigt! Sitzt doch dem Ungar das Mester lose im Gürtel, sobald seine Eifersucht geweckt wird. War's denn geschehen? Ja freilich, aber der fremde Maler trug di« Schuld daran, nicht sie! Hatte die Poncha doch auch keine Ahnung, wenn der Marco in das Putz'en-WirtShaos kam, was häufig geschah, daß sein Besuch ihr galt und nicht des Vater» Wein. „Bist kein rechter Zecher, mein Sohn!" hatte dieser gemeint, wenn der stattliche Bursche nur am Glase genippt. „Ich komme doch aus meine Kosten, Vater MauruS!" war dessen Ant- wort gewesen. AuS dem dämwrigsten Winkel der Schenkt waren ein paar blaue Augen zu dem Sprecher geglitten, aber gleich darauf zurück zu dem oft gesuchten Ziel, der hübschen Poncha. Jen seits der Alpen war er hergekommen, der blonde Maler, hier Studien zu machen. Wenn sie ein wenig anders ausfielen, als er sich vorgezeichnet, wer konnte e- ihm verargen angesichts der schwarzen Mädchenaugen? „Schöne Poncha", war plötzlich eine Stimme dicht neben dem Mädchen erklungen. Und dann im Bariton: „Bei Rosenlippen ist's ein alter Brauch!" — Doch bevor die blondbärtigen Lippen des Sängers sich auf den verlockenden Mädchenmund gepreßt, hatte ein Messer al» Scheidewand da zwischen geblitzt Der Täter war der Marco ge wesen; mit flammenden Augen hatte er dagtstanden: „Diese Lippen sind nicht seil sür jedermann! „Mit welchem Recht führt Ihr solche Sprache, mein Freund?" war des Malers Antwoit gewesen. „Mit dem Recht des Bräutigams!" Damit hatte der tollkühne Werber das Mädchen an sich gerissen und seine Augen in die schwarzen Ponchas gesenkt, so tief, so sonderbar. . . . Da mar der atemlos Erschrockenen, als springe ihre Herzkammer atls und fülle sich ganz mit goldenem Sonnenschein. — Zusammenschreckend fuhr Poncha auS ihrem Sinnen auf, ihr Fuß stockte —. Aus der Ferne, ihr entgegen, kam über das Wasser her ein sonder barer Laut — War's ein Hilferuf? Mit erwachendem Unbehagen setzte sie ihren Weg fort. Ihre Augen durchirrten die Gegend. — Als sei nicht» geschehen, ragten die Felsen gen Himmel, der jetzt ein blaues Zelt. Ueber Schluchten, Riffe und Gestein tanzten Sonnenstrahlen und badeten sich in den glucksenden Wellen, die von Ge stein zu Gestein sprangen, auS ihrem engen Bett dem weiten, schimmernden Strom zu. lind über Strom, Felsen und Riffe jubilierende Vogel stimmen. ... Der Schrei eine» WüsscrvogelS wird es gewesen sein, dachte Poncha mit einem Gesühl der Er leichterung. Ihre Gedanken war.» bereits wieder bei Marco. Fernher schlug eine Kirchenuhr Schon fünf? Da war wohl gar der Zug schon angc- langt und sie kam zu spät? Enttäuscht würde der Liebste sein, wenn er sie nicht vorfand, würde ihr wohl gar zürnen Nur zu! Wie gejagt, lief sie weiter und weiter, immer am Donaupaß entlang, der Stadt zu Schon lag das Pußten-Wirtshaus, nicht mehr dem Auge er reichbar, hinter ihr. In einer Viertelstunde würde sie die Station erreicht haben. Allein die flinken Füße hielten plötzlich wie auf Kommando still. Ta war er wieder, der Ton, — schwach, aber deutlich klang über das Wasser her der Ruf: „Hilfe!" Jetzt klang er nah, ganz nah. Unschlüssig und ratlos suchte PonchaS Blick die Gegend ab. Aber weder in den Wellen nochßauf den Felsen konnte sie ein menschlicher Wesen Ent decken. Und auch weit und breit niemand, den sie zu Rat und Beistand anrufen konnte. Wa» tun! Dabei eilte die Zeit weiter —. Marco würde längst eingetroffen sein, sie vergeben» suchen. Und was konnte sie, ein Mädchen, hier Helsen, wenn wirklich jemand in Lebensgefahr war? Vielleicht hörten am jenseitigen Ufer Leute den Hilferuf und würden helfen Mit einem quälenden Gefühl in der Seele, hastete sie vorwärts. Da stockte zum dritten Male ihr Fuß — war'S durch die Hast gekommen oder hatte sich ein Glied der Kette ge löst? Da» Kruzifix, das sie auf der Brust trug, war zu Boden geglitten. Gleichzeitig durchdrang die Stille es gellend: „Hilse!" Blaß und zitternd las Poncha das Kreuz vom Boden auf — e» war kein Zweifel, sein Fall in diesem Augenblick war ein Zeichen — der Heiland sprach zu ihr! Ein Schauer streifte ihre Seele. Ihre Bedenken: der Liebste, der da wartete; ihre Festkleider, die bei dem Bad im nassen Element zerstört werden würden; statt Freude, die sie sich hatte einholen wollen, sollte sie nun ihr Leben wagen, denn die Strudel sind auch dem Schwimm kundigen gefährlich. Alles ging unter in dem all mächtigen Gefühl: ES ist Himmelfahrt — der Tag deS Heilands! Und er hat zu dir gesprochen und dein Leben ist nicht dein — c» ist sein! Ungehindert um den Kampf, der sich in den folgenden Minuten in den Wellen zwischen Klippen und Felsen abspiclte, lachte die Sonne herab aus das Donautal. Goldglitzernd schossen die Wellen heran. Ein Vogeüeib tauchte unter in die goldige Flut und schwang sich dann jauchzend zum Himmel auf. Himmelfahrt-wonne — wo bleibt der Erde Leid? Der Wanderer, der mit dem Bahnzug verfrüht eingetroffen, hatte den Weg genommen, als noch die Schatten der Nacht die User umlagerten. So war eS gekommen, daß seine Augen gefehlt und plötzlich der Boden unter seinen Füßen gewichen war. Vor dem Sturz in die Tiefe aber hatte ihn ein vorspringender Felsen bewahrt, doch gleichzeitig ihn an der Kleidung festgehalten, derart, daß er sich nicht selbst befreien konnte und nun hängend über der Tiefe schwebte. Zwei schlanke Mädchenarme rangen tapfer gegen die sich wild ihnen entgegenstürzenden Strudelwellen an. Die junge Brust keuchte unter dem Anprall der Wogen, die drohten, die Schwimmerin in ihren wilden Kreis zu ziehen und zu begraben Doch die oft erprobte Kunst siegte Nur noch wenige Züge und sie hatte den Hilfesuchenden erreicht, dessen Körper jetzt hinter dem Felsvorsprung erkennbar ward. Im nämlichen Augenblick erfüllte ein Doppel schrei die Lust — selige Erlösung einerseits, Jubel, in dem ein Dankgebet lag, Heller als der Vögel Chor, aus Ponchas Munde. Er, dem sie die Rettung brachte, war Marco — ihr Geliebter! Kei Sonnenuntergang. Littauischer Roman von M. von Wehre». SH (Nachdruck Verbote» ) „Ja, das thut sie, David, und fragt mich oft hin und her. Ich bin dann immer ganz verwirrt und muß mich ordentlich zusammennehmen, um ihr nicht zu ver raten, daß sie Magdalene heißt, ihre Eltern Zoll inspektors sind und sich so sehr grämen um ihr armes Kind." „Ach, meine Eltern! Nun weiß ichs!" jauchzte im Winkel des Kellers die unglückliche Kleine, warf sich auf die Kniec, faltete die Hände, und ihren Augen ent stürzten erleichternde Thränen. „Jetzt fällt es mir ein, wer ich bin: Vaters wilde Hummel, Mütterchens Liebling!" Immer heftiger weinte Lenchen, der Kopf wurde ihr aber leicht und frei. „Katharina, Anna, der Spitz, wo seid Ihr geblieben? Wollt Ihr Euer Lenchen nicht wiederhaben? Wie bin ich übrigens hierhergekommen? Hat mich eine böse Hexe hierhergcschickt zur Tate und kann ich nicht mehr zurück? Liebe Englcin, helft doch, deckt Eure Flüglein über mich und nehmt mich fort! Fliegt mit mir zu meiner lieben Mutty! - Horch, da spricht meine alte gute Tate wieder: ich habe sie so lieb und David auch, aber meine Ellern, die Schwesterchen und Brüderchen habe ich noch viel lieber." „Ja, Vaterleben, so mach ichs: noch einige Wochen will ich warten, bis festes Eis auf dem See ist und Moses seinen Besuch in Rußland macht, dann wandere ich in die Mühle nach Rogawen und erzähle alles Mamsell Wilmsen. Glaube mir, die schafft schon Rat, ohne daß er uns Schaden bringt. Ist Mirjam dann noch am Leben, dann kannst Du sagen, was Du willst. Ich thue es und lasse mir anch van Dir nichts verbieten: ich halte es nicht aus, das .Kind so leiden zu sehen und werde auch noch krank in meiner Verzweiflung um das Sckückfel!" „Recht hast Du, Alte, mir geht «s ebenso. Was aber, wenn sie mich von Dir fortholen und werfen ins Gefängnis lange, lauge Jahre, wo ich muß elendiglich krepieren aus faulem Stroh? Kann ich doch nicht fein ohne Wald und See, und was wird denn aus Dir, mein Blümchen? Sind wir doch zusammen alt geworden, wie mim Dn es ausdalten ohne mich?" „Wo Du bleibst, David, da gehe ich auch hin und müßte ich Tag und Nacht bitten und weinen zu Füßen des Herrn, mich hiuauswcrfeu lassen zehnmal: das elfte Mal lassen sie mich doch hinein, um mit Dir zu sterben. So schlimm wirds aber nicht. Der Herr Zebaoth ist ein graußer Gott, ohne seinen Willen wird uns kein Haar van unserem Hauvt genommen: was können die Menschen uns Ihn», wenn er für uns streitet?" „Du hast einen großen Glauben, Weib, nimm Dich aber in acht. Der Böse will uns in seinem Zorn erwürgen. — Wir wollen beten, unterdes kommt vielleicht Mirjam zurück." Auch das Kind blieb »och einige Zeit betend ans den Knien liegen, dann erhob cs sich und ging langsam in tiefen Gedanken den Gang entlang bis an die Oemmug, kroch schleunigst hinaus und lief wie gehegt dem Judeuhause zu. „Schickscl, Tochterleben, bis Du endlich da? Siehe Vaterlcben, da ist unser Herzchen wieder. Was habe ich mich um Dich geängstigt, mein gutes Kind! Du bist gewiß sehr hungrig, komm schnell und iß, dann trage ich Dich in Tein Bettchcn und decke Dich warm zu." Das Kiud »ahm mit Heißhunger die gereichten Speisen, dann entkleidete es sich und faßte nach der Hand des alten Davids, die sie küßte. Der Fischer sah vom Gebetbuch auf und strich ihr liebkosend über die Wangen. „Sei gesegnet, mein liebes Töchterchen I" flüsterten seine Lippen. Als Mirjam im Bett lag und die Jüdin sich über sie beugte, um mit ihr zu beten, sagte sie schüchtern: „Du bist meine beste Tate, aber ich heiße nicht Mirjam, sondern Magdalene: meinst Du nicht?" „Ilm GottcSwillen, sei still, mein Kind, wenn Du willst am Leben bleiben. Ich darf dieses nicht hören." „Sei nicht böse, liebe Tate, ich Wills schon keinem sagen, aber Du hilfst mir, nicht wahr?" Flehend sahen die blauen Augen aus dem schattenhaften Gesichtchen ans die alte Frau. Diese nickte und ging hinaus. Bald erlvsch das Licht iu dem verfallenen Hause. Mirjam aber blieb noch wach, immer deutlicher die Erinnerung iu ihrem kleinen Kopf sammelnd, bis auch sie einichlief. * * * Romberg hatte sich erhoben: die Pistole in der Hand, lauschte er angestrengt. Das Fuhrwerk kehrte zurück, soviel schien sicher. Er Höne ein schnclles, mi- regclmäßiges Schleifen auf dem Waldboden, ein Klatschen im Wasser, dann wieder Rattern auf dem Steiudamm. In rasender Eile kam es näher und ver mehrte die Gefahr für ihn, denn sein Standort war wenig gedeckt nnd der Tag zog bereits grau und ein tönig am Himmel herauf. Au sich selbst dachte er nicht, aber die ganze Aufgabe, welche er sich gestellt, die Hoffnung auf eine friedliche Lösung war dahin. Er würde sein Leben so teuer wie »täglich erkaufe»: hatte er doch sein Pistol, das sei» Ziel nie verfehlte: was aber dann? Die Munition lag beim Malgerät in der Grube und mit dem Messer allein gegen die Uebermacht war mißlich. Er knirschte vor Aerger mit den Zähnen. Diesem Lumpenpack sollte er Weichen? Etwas anderes jedoch blieb ihm kaum übrig, wollte er nicht die ganze An gelegenheit aufs Spiel setzen. „Herr der Welt, Du giebst mir eine Nebelkappe!" sprach er vor sich hi». „Jetzt sind die Halluuken da, und daß sie mich entdecken müssen, wenn sie nicht blind sind, das steht fest. — Ach! nur meine drei Bekannten von der Nacht; nun, mit diesen werde ich leicht fertig, wenn es nicht anders geht." Ein scharfer Hieb mit dem Kantschu trieb die Pferde durchs Wasser Ein Ufer in die Höhe, dann lenkten die Juden rechts um die Ecke, beinahe dicht au ihm vorbei, und schattenglcich war das Fuhrwerk im Walde verschwunden. „Gott sei gelobt!" jubelte Romberg, „fort sind sie —, daß die mich nicht sahen, ist un begreiflich; man könnte fast an ein Wunder glauben. Um so besser! — Der Tag bricht an, noch eine kurze Zeit, und ich kann den Sumpf untersuchen, dann zurück nach meinem Nachtauartier. daß mein Kompaß mir hilft, fo schnell wie möglich den Weg nach Hause zu finden. — Wie glücklich mich dieses zu Hause machen würde! Klingt cs mir doch so anheimelnd, daß ich gern alles opfern möchte, könnte ich dort für immer meine Heimat anf- schlagen. Etwas zerschlagen und matt fühle ich mich nach diefer Expedition, Hunger nnd Kalte haben mir tüchtig zugeietzt, man könnte mich fast für einen Buschklepper halten." Nach einer halben Stunde Ilmherwanderns, immer den Sumpf entlang, hatte er genügend Licht, um das Wasser abzusuchen; längere Zeit ohne jeden Erfolg. Fuhrwerke waren hinein- und hinauSgcgangen. denn die Rüde, hatten die verschiedensten Spuren zurück gelassen. Ungewiß nur, ob der Weg durchführtc, da eiue Furt nicht zu ciadccken war. Wohl oder übel mußte er sich seiner Kleider entledigen und — ein geradezu scheußliches Derguügcu — im adamiuscheu Kostüm hiueinache», um beu Steiudamm zu finden, der den Schmugglern das Forlfchaffcn der Waren so erleichterte. Endlich nach verschiedenen vergeblichen Versuche» kam er au die richtige Stelle. ES ging ziemlich tief hinein, dann aber war fester Grund, ein breiter Stemweg, der mitten dnrchfühne und wahrscheinlich dicht ani Se« eud'gtc. Der Zweck war erreicht. Vor Kälte bebend, stieg Romberg ans dem Wasser, und nachdem er noch zwei mächtige Steine au dcu Aufaug des Dammes gewälzt, zog er sich schleunig an. Langsam, vorsichtig ging er zurück, seinen Weg durch Einschnitte in die Bäume bczcichucuö. (Fortsetzung folgO
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