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SSchfifcher Landes-Anzeiger. Nr. SS. Sonnabend, 4. Februar 1888. Heimkshr, »yejl, die Russenpartei fortsährt zu wühlen und die Nach- richt zu verbreite», der Fürst werde außer Landes gehen. Die türkische Regierung hat die Weisungen an ihre Behörden, welche den letzteren «ine sorgfältige Ueberwachung der Bewegungen her bulgarischen Emi granten zur Pflicht machen, angesichts der sich wehrenden Anzeichen für neue Anschläge der letzteren in eindringlicher Weise erneuert. Russische Offiziere sollen neue Banden zum Einfall in Bulgarien bilden. — Die Londoner „Times" berichten, aus Konstantinopel sei Kiasim Bey nach Sofia entsandt worden, um die Aufnahme von Mitgliedern der Russcnpartei in die Regierung zu fordern. Das klingt recht wenig wahrscheinlich. Amerika. Die Commission des Senates in Washington hat «inen Gesetzentwurf angenommen, nach welchem alles znr Ausfuhr bestimmte amerikanische Fleisch genau untersucht, die Einfuhr gefälschter Lebensmittel, aber künftig verboten fein soll. Vom sächsischen Landtag. In der Sitzung der II. Kammer am 2. Februar bildeten den einzigen Beralhungs-Gegenstand die Petition des Schulvorstandes zu Niederzwönitz und Gen. um Abänderung bez. Ergänzung auf die Fortbildungsschule bczügl. Bestimmungen des Volksschulgesehes, sowie die Petition des Gemeindcvorstandes Richter in Ostro und Een. um Verkürzung der Fortbilbungsschulpslicht aus 2 Jahre. Die Petitionen waren bereits in der 1. Kammer zur Berathnng gelangt, und die Pet.-Deputation beantragt nun entsprechend den Beschlüssen der I. Kammer, das Kultusministerium möge in einer allgemeinen Anordnung an die Schulvorstände die Dispensation der fortbildnngs- schulpflichtigen Knaben, welche das 17. Lebensjahr erreicht haben, zulassen und den Schulvorständen in einer offiziellen Aeußcrung Wissen lassen, daß die Dispensation vom Fvctbildnngsschnlunterricht sich namentlich auf solche Knaben beziehe, welche die Fortbildungs schule zwei Jahre mit guter sittlicher Führung besucht und das Ziel derselben erreicht haben. Lediglich in diesem Sinne und unter Fest- Haltung an der obligatorischen 3jährigen Fortbildungsschule für das ganze Land wird beantragt, die Petitionen der Regierung zur Kennt- nißnahme zu überweisen. Die Debatte eröffnet Abg. Stolle (Soz.) An der Hand eines Berichtes über die städtischen Fortbildungsschulen Dresdens führt Redner aus, daß die Fortbildungsschulen den ihnen von Seiten der Gesellschaft wie des Staates gestellten Aufgaben voll genügt hätten. Er habe persönlich die Erfahrung gemacht, daß man sich bereits allgemein, auch auf dem Lande, an das Institut gewöhnt habe. Unter Berücksichtigung der sozialen Lage, die die Arbeitskraft der jungen Leute vielfach unentbehrlich mache, könnte man die Peti tionen etwas milder beurtheilen, in der Hauptsache aber leuchte der krasseste Egoismus aus denselben hervor, sowohl von Seiten der . Landwirthe, wie von einem Thcile der Jnnungsmeistcr. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, habe der Staat die Mittel zu beschaffen, um den Gemeinden die für die Fortbildungsschule aufznbringende» Kosten obzunehmen. Abg. May: Die immer wiederkehrenden Petitionen gegen die Fortbildungsschulen lieferten den Beweis, daß im Lande eine große Unzufriedenheit mit der jetzigen Einrichtung bestehe. Er sei zwar der Meinung, daß an dem Institut nicht zu sehr gerüttelt werden dürfe, doch sei es angezeigt, dem Wunsche, die Fortbildnngsschnlzeit mit IKJahren abzuschließen, Rechnung zu tragen. WasHänschen bis zum 16. Jahre nicht gelernt, das werde Hans auch im 17. Jahre nicht lernen. Die Regierung möge also nach dieser Richtung hin der Frage näher treten. Abg. Wetzlich erklärt sich als ein begeisterter Anhänger dieser Schulen. Er freue sich, daß unter den Petitionen keine einzige aus dem Handwerkerstand sei, und müsse deshalb dem Abg. Stolle wider sprechen, daß die Innungen Gegner der Fortbildungsschulen seien. Dieselben bedürften im Gegentheil dieser Schulen als Basis für ihre Fachschulen. Abg. Bebel stimmt mit den Ansichten des Vorredners überein. Er constatire, daß sich ein Conscrvalivcr für und ein Mann von der Fortschrittspartei gegen die Fortbildungsschule ausgesprochen habe. Alle gegen das Institut gerichteten Wünsche hätten ihren Ur sprung im Egoismus. Das 17. Jahr sei für die Schulzwccke inso fern das Wichtigste, als erst in dieser Zeit die jungen Leute zur Er- kenntniß des Nutzens kämen. Dem Abg. Wetzlich habe er zu bemerken, daß sich der Vorstand der Leipziger Bäckerinnnng gegen die Fortbil dungsschule ausgesprochen habe. Bezüglich der Wunsche des Abg. Stolle auf Uebernahme der Kosten der Fortbildungsschulen durch den Staat hoffe er, daß dem Kultusminister nichts übrig bleiben werde, als dem Vorgehen Preußens zu folgen. Seine Partei wenigstens werde es sich nicht gefallen lassen, daß die aus der Branntweinsteuer gewonnenen Mittel anders verwendet würden, als zur Erleichterung der Lasten der ärmeren Klassen. Er hoffe, daß der Liberalismus Bismarck's und v. Goßler's auch aus der sächsischen Ministcrbank Nachahmung finden werde. Viccpräs. Streit (fortschr.) giebt für einen großen Theil seiner politischen Freunde die Erklärung ab, daß sie entschlossen sind, nicht an dem Fortbestand der Fortbildungsschule rütteln zu lassen, und beantragt, den Antrag aus sich beruhen zu lassen. Abg- Heger befürwortet auf Grund seiner pädagogischen Erfahrung den Antrag Streit. Abg. Philipp erklärt sich gleichfalls für das un gestörte Fortbestehen der Fortbildungsschule. Abg. Bönisch ist gegen jede Abänderung der jetzigen Bestimmungen. Abg. Wetzlich glaubt, daß das Dep.-Gutachten den Bestand der Schule nicht im Geringste» irritiren werde. Für die Wünsche der Petenten tritt in längerer Rede Abg. vr. Mehnert ein. Auf dem Lande lerne der Schüler im dritten Schuljahre nichts anderes, als was er bereits in den zwei ersten Jahren gehört habe. Außerdem wirke das Beispiel der drei jährigen Schüler demoralisirend auf die jüngeren, vr. Schill vertritt das vermittelnde Dep.-Votum. Kultusminister vr. v. Gerber: Ein ncugepflanztcr Baum könne nicht wohlgcdeihen, wenn in jedem Jahre an ihm gerüttelt werde. Heute zum ersten Male wage er zu hoffen, daß der Baum, die Fortbildungsschule, feste Wurzeln geschlagen habe und sich von Jahr z» Jahr die Uebcrzeugung mehr befestigt, daß wir in dem Institut eines der besten Güter für die sittliche und intellec- tuelle Bildung unseres Volkes besitzen. Nachdem ein Antrag auf Schluß der Debatte Annahme gefunden, wird der Dcp.-Antrag in namentlicher Abstimmung mit 36 gegen 30 Stimmen abgelehnt und der Antrag Streit gegen 25 Stimmen angenommen. Sächsisches. — Nach dem neuen Wehrgesetzcntwurfe ist das Einziehen von Ersatzreservisten beim kgl. sächs. Armeekorps wie folgt in Aus. sicht genommen: 1750 zur 1. Hebung auf 10 Wochen, 1500 zur 2. Hebung auf 6 Wochen und 1000 znr 3. Hebung auf 4 Wochen. — Die vom Auswärtigen Amte ausgerüstete Togoexpedition des sächsischen Stabsarzts vr. Wolf ist von Hamburg nach West afrika abgcreist. vr. Wolf begicbt sich zunächst nach Lissabon und von da nach Madeira, wo er sich mit seinem früheren Reisegefährten, Prcmicrlcutnant Wißmann, wegen seiner weiteren Forschungen be spreche» wird. . — Die Hauptversammlung des Verbandes der sächsischen Gartenbau vereine soll am 6. d. Vormittags 9 Uhr im Re staurant Kneift zu Dresden abgehalten werden. — Dresden, 2. Febr. Der König und die Königin werden sich am Sonntag Abend nach Leipzig begeben. Der König trifft am Donnerstag wieder hier ein, während die Königin bereits am Dienstag znrückkehrcn dürfte. — Im Arsenal der Albertstadt wird seit einiger Zeit sämmtliches Heergeräth des 12. Armeekorps einer eingehenden Prüfung unterzogen und mit allen Neuerungen der Jetztzeit versehen. Sind die Wagen auf ihre Felddiensttüchtigkeit ge prüft und für gut befunden worden, so werden dieselben abtheilungs- wcise wieder den betr. Garnisonsorten zugeführt. — In einer der letzten Nächte wurden in der Nähe der Martin-Lutherkirche Schmäh schriften ausgestreut. Dieselben, eine Art Witzblatt, waren aus rothcs Papier gedruckt und mit Illustrationen versehen; letztere waren vom technischen Standpunkt ans sogar sehr gut hergestellt. Um so empörender war der Text dazu. Die Personen des Kaisers, der Kaiserin und des Kronprinzen waren zu Gegenständen geradezu pöbelhafter Beschimpfungen gemacht worden. — Dem an einem Kehl- kopfleiden seit mehreren Monaten erkrankten Führer der Socialdemo- kratcn Herrn Max Kayser war ärztlicherseits schon lange das Halten von Reden und Borträgen verboten worden. Herr Kayser hatte sich dies ärztlicherseits bescheinigen lassen, um sich seinen Parteigenossen gegenüber für die Einstellung dieses Theils seiner Thäligkeit zu rechtfertigen. Jetzt hat seine Krankheit eine bedenkliche Wendung genommen; er erkrankte Ende v. M. so an heftiger Athemnoth, daß seine sofortige Ueberführung in das städtische Krankenhaus nörhig war. Dort wurde an ihm der Luftröhrenschnitt vollzogen, wodurch die Lebensgefahr vorläufig beseitigt ist. — In dem Kontor des Spediteurs Werner in Radeberg hat in der Nacht zum Piontag ein Besuch vorgesprochen, der nichts Gutes im Schilde führte, wenn schon er nach dem Besten ging. Es fand sich nämlich am Morgen, daß an dem Geldschrank mit aller Energie hecumgcarbeitct worden ist. Erfolg hat der Einbrecher nicht gehabt, der Schrank setzte der Liebesmühe unerschütterliche Festigkeit entgegen. Um nicht ganz vergebens dagcwesen zu sein, nahm sich der zur Zeit noch unbekannte Besuch wenigstens 100 Stück Cigarren mit. » — Zittau. Ein frecher Raub an fall wurde in der Nacht zum 29. Januar im Orte Schlegel auf die daselbst allein wohnende Wittwe Schäfer verübt. Gegen Morgen stand, mit einem Beile be waffnct, ein Mann vor dem Bette der betr. Schäfer und forderte von ihr unter Lebensbcdrvhnng den Aufbewahrungsort ihres Geldes. Als der Räuber dasselbe in einer neben dem Bette befindlichen Lade suchte, gelang es der Fcau, aus der Kammer zn entspringen und laut um Hilfe zu rufen. Da versetzte ihr der Räuber zwei Schläge auf die Schultern und entfloh im Dunkel der Nacht. — Leipzig, 2. Februar. Die hiesigen Maurergehilfcn haben wieder in einer Stärke von über 600 eine Versammlung ab gehalten und beschlossen, für das laufende Jahr einen Stunhpnlohn in der Höhe von 45 Pf. zu fordern Den Tag, von welchem ab diese Lohnforderung in Kraft treten soll, wollen die Gehilfen in einer weiteren Versamnilung festsetzen. — Der Buchhändler Anton Metz aus Schleiz, der gestern vom hiesigen Polizeiamt wegen seiner vielfachen Bestrafungen auf Grund des Gesetzes vom 15. April 1886 aus die Dauer von 2 Jahren aus der Stadt Leipzig ausgewiesen wurde, veröffentlicht im „Lcipz. Tgbl." folgende Erklärung: Am heutige» Tage wurde mir von dem Polizeirath Herrn Junik meine Ausweisung eröffnet und zwar aus Grund meiner politischen Vorstrafen, die wegen Verbreitung verbotener Schriften, Gotteslästerung, Bismarck- und Prinz Wilhelm-Beleidigung rc. erfolgten. Ich habe durch mein agitatorisches Eintreten für die Sozialdemokratie Familie, Existenz und Vermögen verloren, verbüßte innerhalb 7' Jahre» fünf Jahre Gefäugniß und erhielt als „Dank der Partei" vom Oberhaupt Bebel 10 ganze Mark als Unterstützung resp. Entschädigung. — Als ich 1882 als Flüchtling nach Zürich kam und die erhaltene Unterstützung von 20 Frcs. nicht sofort von meinem cinmonatlichen Verdienst zurückzahltc, wurde sch in Acht und Baun erklärt- Derselbe dauerte trotz der Zurückerstattnng der 20 Frcs. fort und hat die neueste „Brandschatz ung" des Metz (die 10 Mk. von Bebel und ca. 3 Mk. von den Dresdner Genosse») dem „Sozial-Temokrat" Veranlassung gegeben, die Acht-Erklärung in seiner letzten Nummer zu erneuern. Ich lebte nach Trennung von der Familie, ui» den Riß in derselben nicht zn einem unheilvollen zn machen, still sür mich und lehnte s. Z. die mir an getragene Uebernahme der Redaction des Stuttgarter sozialistischen „Vaterland" ab. Daß ich während meiner fast ununterbrochenen Haft nicht für die Partei thätig war, scheint den Gelehrten des „Sozial-Demokral" zu genüge» zu der Erklärung: „Metz hat mit der Partei nicht das Geringste zu thun." Der famose Erguß des „S. D." ist zum Theil gemeinem Brodneid entsprungen, da ich früher einen ausgebreitetcu Schriftenvertrieb unterhielt und diesen wieder aufzunehmen gedenke, wodurch dem Besitzer der Schweizerischen Volks buchhandlung (Motteler) selbstverständlich die Einnahmen geschmälert werden. Anton Metz. — Mittweida. Das hiesige Technikum zählte im Jahre 1867 776 Schüler, welche die Abtheilung sür Maschineningenieure und Elektrotechniker bez. für die Werkmeister besuchten. Unter den Geburtsländern bemerken wir: Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Ruß land, Schweiz, Großbritannien, Dänemark, Holland, Italien, Ru mänien, Spanien rc., ans Asien besonders Java, Sumatra, aus Afrika: Capland und Goldküste, ferner Nord- und Süd-Amerika und Australien. Die Eltern der Schüler gehören hauptsächlich dem Stande der Fabrikanten und Gewerbtreibcnden an, ein Beweis sür das Ver trauen, welches das Technikum in den maßgebenden Fachkreisen genießt. — Limb ach, 2. Febr. In dem benachbarten altenburgischen Orte Rußdorf entstand in letzter Nacht in der dem Stuhlbauer Heinzig auf der sogenannten Färbergasse gehörenden, dicht am Wohn- hause stehenden Scheune auf bis jetzt noch nnermittelte Weise Feuer, welches fragliche Scheune in kurzer Zeit in Asche legte Zufällig war die freiwillige Feuerwehr im Gasthof versammelt, so daß durch deren thätiges Eingreifen das Wohnhaus erhalten blieb. Fremde Hilfe war nicht am Platze. — In Elsterberg, wo man noch eines Denkmals für die im Feldzug von 1870—71 Gefallenen entbehrte, soll jetzt eine Sammlung von Haus zu Haus veranstaltet werden, um die zu diesem Zwecke bereits vorhandene Summe von 230 M. auf einen solchen Betrag zu bringen, daß man die Errichtung des Denkmals in Angriff nehmen kann. — Altstadt-Waldenburg, 1. Febr. Die hiesige Töpfer- innnng wird den 5. April d. I. das 500jährige Jubiläum ihres Be stehens begehen. Zugleich soll eine von den Frauen und Jungfraueir der Innung geschenkte Fahne ihre Weihe erhalten. — Zwickau, 1. Februar. Gestern Nachmittag ^2 Uhr wurde auf einem Steinkohlenwcrke in Ob er Hohndorf der 34 Jahre alte Bergarbeiter Johann Georg Eduard Rank aus Oberhohndorf beim Fördern eines mit Kohlen gefüllten Huntes in einer Strcichstrecke durch einen nachkvmmeuden vollen Hunt an die Zimmerung gedrückt und dabei derart an der Halswirbelsäule verletzt, daß der Tod als bald eintrat. — Auf der Sekundärbahn Wilkau-Kirchberg können neuerdings nach Beseitigung eines Hindernisses auch Langholz-Trans porte ausgeführt werden. — Gera. Die am Montag aufgelegte 3>/,procentige Anleihe der Stadt Gera (2 Millionen Mark) ist doppelt gezeichnet worden: der gezeichnete Gesammlbctrag beträgt rund 4,200,000 M., so daß, da ein Theil der Zeichnungen (gegen Kapitalien-Kündigung) voll be rücksichtigt werden muß, im Allgemeinen nur etwa 45 Proc. Zeich nungen berücksichtigt werden können. — Greiz, 1. Febr. Die Herstellung von Kleiderstoffen hat im letzten Jahrzehnt hier und in der Umgegend eine derartige Ausdehnung erfahren, daß man im neuen Greiz das ehemalige stille Residcnzstädtchen gar nicht wieder erkennt. Die 12,000 mechanischen Webstühle, die für Kammgarnstoffe im Gange sind, vermögen sehr große Massen herzustellen, die nach allen Wclttheilcn versandt werden. Unter den Neuheiten sind jetzt besonders Kleiderstoffe, die in Knoten stichen mit Sternchen, Rädern, Kometen rc. bestickt sind, zu nennen. Diese Muster wurden zuerst in Scidenplüsch, die Stickereien mit der Hand ausgcführt; doch für den kommende» Winter, theilweise schon Abstammung und des Oheims Einfluß machen mich zu einen: Manne, der es im Reich so ziemlich mit jedem aufnehmen kann. Laß uns doch sehen, feines Jungfräulein, wer von uns Beiden das höchste Ziel erreicht!" Richenza lächelte mild, sie hüllte sich jetzt um so fester in de» aus schneeweißen Taubenfittichen gewebten Mantel der Sanftmuth ein, je unangenehmer es ihr war, daß sie ihn sich vorhin in ihrer Heftigkeit einen Augenblick hatte entgleiten lassen. „Wir wollen uns nicht darüber streiten", sagte sie, „wer von uns Beiden mehr Glück haben wird in dem, was er zu erreichen strebt. Sage mir nur, ob Adelheid es erfahren soll, daß ihr am Wege lagernder Ritter viel leicht Gras von Stahleck ist, oder ob er ferner der unbekannte Aben teurer bleiben soll?" „Bei Leibe nicht", eiferte der Junker, „der Name des Stahl- eckers darf nicht vor ihr genannt werden, die Geschichte war nur für den Ohm bestimmt. Hörte sie die Fabel, so würde sie ja Himmel und Erde für den Geächteten in Bewegung setzen, nur um dem Kanzler einen Possen zu spielen, da sie weiß, daß gerade er die strenge Bestrafung der beiden Aufrührer bewirkte. Am besten wäre es, sie vergäße die ganze Geschichte, was auch geschehen wird, sobald jener Mensch nicht wieder zum Vorschein kommt. Und daß er daran verhindert wird, dafür ist gleich gestern gesorgt." „So gehab Dich wohl, Bruder, und laß es mich wissen, sobald Du mich wieder allein zu sprechen wünschest." Das Fräulein erhob sich von ihrem Sitz und zog einen winzigen Stahlspiegel aus einem kleinen, reich mit Goldfäden gestickten seidenen Beutel, welcher an ihrem Gürtel hing. Ob sie davor nur einige rebellische Strähne ihres krausen, aschblonden Haares glatt streichen wollte — oder ob sie hinein sah, um sich zu vergewissern, daß sie die Züge ihres schönen Gesichts wieder vollkommen in der Gewalt hatte? Vielleicht beides. „Es naht die Stunde", sagte sie, „die mich zur Kaiserin ruft." Sie sprach den Titel aus, als ob er ihre rosigen Lippen gleich einem bitteren Trank berühre, der ihr den Mund zusammcnzog; aber die Stirn blieb marmorglatt und der fast kindlich weiche Ausdruck, welcher die strenge Regelmäßigkeit der Linien ihres Gesichts milderte, verwischte sich nicht wieder. Sie nickte dem Bruder noch einmal flüchtig zu und schritt mit anmuthig schwebendem Gang znr Thür hinaus. Die nächsten Zimmer, welche sie betrat, waren leer, aber in dem letzten, das vor der Kemenate der Kaiserin lag, befanden sich mehrere Hosfräulein und einige junge Edelknaben. Fortsetzung folgt. führen, wenn er nicht dabei ist. Wir zwei wissen ganz gut, daß die Vohburgerin im Grunde so schlimm nicht ist, als Tu sie machen willst. Mir aber soll cs schon recht sein, wenn Du sic stürzen und Dich auf ihren Platz erheben kannst, den» sie hat von wegen des Ohms einen Groll auf unsere ganze Sippe. Ihr ist cs eigentlich nur um Kurzweil und allerlei Abwechselungen zn thun; bald ein Sänger, der ihre Schönheit in seinen Liedern preist, und bald ein Ritter, der große Fährlichkeiten ihretwegen besteht — das schmeichelt ihrer Eitelkeit. Da ist denn aber der wilde Ravcnsburgcr wohl einer, um dessen Tollheit willen es ihr einmal übel ergehen könnte. Und — tröste Dich nur, Schwesterchen, durch die Rechnung soll Dir der fremde Mcnsch keinen Strich machen dürfen, das geht gegen meine eigenen Pläne. Ist auch bereits für ihn gesorgt, damit er sicher aufgehoben wird, wenn er es wagen sollte die Stadt zu betreten, um, der Einladung der Kaiserin folgend, an den Festlichkeiten sich zu betheiligen. Er darf die Aufmerksamkeit Adelheids nicht von dem Ravensburger ab und auf sich lenken, denn es könnte sich doch wohl «ine günstige Gelegenheit finden, die Vohburgerin zu stürzen. Viel leicht steckt hinter dem Fremden auch noch eine viel vornehmere und gefährlichere Person, als wir denken." — Wieder zuckte ein spöt tisches, tückisches Lächeln um die schmalen, bartlosen Lippen des Junkers, das diesmal aber nicht der Schwester galt, als deren natür licher Bundesgenosse er sich trotz aller Spöttereien im Eifer des Ge spräches zeigte. „Wie wäre das?" fragte das Fräulein aufmerksam. „Man hat behaupten wolle», und der Ohm theilt diese Meinung? daß jener Unbekannte, den die Kaiserin in ihren besonderen Schutz genommen, der Ritter von Stahleck ist." „Der Graf von Stahleck!" Die Dame wiegte das Haupt und ihre großen blauen Augen bohrten sich gleichsam in die Seele des Bruders. „Wer hat das behauptet? Soviel ich weiß, that Niemand aus dem Gefolge eine Aeußcrung, die das angedentet hätte! Ganz im Gegentheil, die Beschreibung, welche Irmgard Dalberg und Jutta Lichtenstein mir von dem Fremden machten, paßt nicht auf den Pfalz grafen. Du weißt, daß ich ihn vor zwei Jahren auf dem großen Turnier in Meinz gesehen habe, wie ich dort znm Besuche bei unserer Muhme Desenberg war." „Ei, seht einmal an! Die Edelfräulein der Kaiserin scheinen ja alle ganz besonderen Antheil an diesem Menschen zu nehmen, daß sie seine Person sogar genau beschrieben haben. Die kleine Frybergerin war wie ansgewechselt seit der Begegnung mit ihn,. Teufel! Es fehlt mir gerade noch, daß dieser elende Wicht mir in's Gehege käme ..." „Ja, ja, auch von Ilse Fryberg sprachen die Mädchen", sagte das Mädchen eifrig und sah es jetzt ihrerseits mit einem schaden frohen Gesicht an, daß der Bruder sich ärgerlich abwandtc und mit cinigcr Heftigkeit auf den kleinen, kaum handgroßen Fensterscheiben trommelte, die doch für die damalige Zeit eine höchst seltene, kostbare Sache waren. Eine kleine Weile verharrten Beide in Stillschweigen, dann schien der Junker einen Entschluß gefaßt zu haben. „Richenza", sagte er und wandte sich wieder der Schwester zu, „ich will offen gegen Dich sein, denn Du witterst ja doch Alles heraus; Du führst nicht um sonst den Dassel'schen Fuchs im Wappen und bist mir zu schlau! Wir müssen im Einklänge handeln, sonst ist es nichts. Die Geschichte von dem Stahlecker ist eine Fabel, die ich erfunden habe, um den Ohm dahin zu bringen, jenen Menschen überwachen und in sicheren Ge wahrsam bringen zu lassen. Es mußte eine wichtige, gefährliche Per son sein, für die ich ihn ausgab, sonst hätte der Kanzler des Reiches sich wenig um ihn gekümmert. Für unsere Keinen, besonderen Ange legenheiten hätte er niemals dergleichen gethan. Etwas Anderes ist es da, wo es sich um die Vertretung feiner Familie handelt, dazu zeigt er sich stets bereit. Er hat gestern für mich bei dem Schult heißen um Ilse s Hand geworben und dieser hat seine Bereitwilligkeit und Freude wegen dieser Heiralh ausgesprochen, mit dem Vorbehalt, daß seine Tochter damit einverstanden sei." Der Junker hielt inne; des Fräuleins Gesicht zeigte keine Spur von Ueberraschung, ihr seltener Scharfsinn hatte den Bruder sofort durchschaut. „Und warum", nieinte sie, jetzt, nachdem sich die Wogen der Aufregung bei ihr gelegt hatten, wieder in ihrer gewöhnlichen sanften und süßen Weise sprechend: „Warum muß es diese Else Fryberg sein, welche Du begehrst? Mich dünkt, ein Graf von Dassel sollte sich sein Weib aus den edelsten Geschlechtern des Landes er wählen, nicht aber eine Tochter dieses eben emporblühenden Städtc- adels, der vor noch nicht langer Zeit erst sich aus de» Burgensen und Ministerialien der alten Dynasten herausgebildet hat." „Du redest, wie Du cs verstehst, Richenza, und wie Dein un gemessener Stolz es fordert. Finde mir erst eine Erbin mit einem Reichthum gleich dem des Frybcrgers! Ich bin ehrgeizig gleich Dir, aber ich fordere nichts Unmögliches. Ich greife nicht an den Himmel hinan, mir eine Krone herunter zu langen, die ich doch nicht er reichen könnte. Die Schätze des Schultheißen als Zugabe z» meiner