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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-190010101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-19001010
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-19001010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-10
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.10.1900
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Nr. 235. . Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite 2. — 10. Oktober. an de verstanden wurde, daß man dort völlig begreift, daß die unionistischc Negierung bei der Lösung der noch vorhandenen Probleme in Südafrika die Nation hinter sich hat. — Wir werden es uns also zu merken haben, daß die Mehrheit der englischen Nation in der Gemeinheit der Gesinnung und der Gewissenlosigkeit des Handelns mit Ehren- Chamberlain auf einer Stufe stehen will! Wir berichteten vor einigen Tagen, daß zwischen Chamber lain und dem Liberalen Stanhope ein Streit über die Mitschuld des ersteren beim Jameson-Zuge ausgebrochen war, indem sich Stanhope erbot, vor Gericht alles zu beweisen, was er behauptet hatte. Mr. Chamberlains Sekretär hat nun an einen Bekannten folgenden Brief in dieser Angelegenheit gerichtet: „Im Austrage Mr. Chamberlains bestätige ich den Empsang Ihres Brieses und theile Ihnen mit, daß Mr. Chamberlain von M. Stanhopes Brief keine Notiz genommen hat. Er bedarf der Zustimmung Mr. Stanhopes nicht, gerichtlich gegen ihn vorzugehen, wenn er dazu Veranlassung haben sollte; so weit er jedoch bisher beobachtet hat, hat Mr. Stanhope sorgfältig vermieden, sich mit dem Verleum- dungsgesey in Konflikt zu setzen." — Mr. Stanhope hat daraufhin einem Vertreter des „Manchester Guardian" gesagt: „Wenn Mr. Chamberlain mich wegen Verleumdung verklagen will, so ist in meinen Aussagen genug Material vorhanden, doch Mr. Chamber lain zieht cs augenscheinlich vor, davonzulaufen. Ich wurde von juristischer Seite berathen, daß, wenn die Behauptung, die ich über Mr. Chamberlain in Bezug auf den Jameson-Einfall machte, unwahr gewesen sei, darin hinreichender Grund zu einer Ver- leumdnngsklage liege. Ich suchte eine solche zu veranlassen, um Mr. Chamberlain in einen Gerichtshof zu bringen, aber Mr. Chamberlain giebt vor, daß nicht genügend Veranksiung zu einem Angriff vorliege. Wenn er nicht wüßte, daß sein Erscheinen vor einem Gerichtshof mit seinem Verschwinden vom öffentlichen Leben gleichbedeutend wäre, so würde er als Erster die Gelegenheit zur Anstrengung einer Klage ergriffen haben." — Trotzdem wird aller Wahrscheinlichkeit nach Chamberlain — nicht klagen. An amtlicher Stelle ist die Nachricht von einem in WaleS vorgekommenen Todesfall an Pest emgegangen. Ein Seemann, der aus Rosario krank am Tynefluß angekommen und später nach dem Ort Llandasf in Wales gereist war, wurde, da seine Krank heit pestverdächtig erschien, ins Hospital gebracht und dort isolirt. Er starb dort am 4. d. Mts., und durch bakteriologische Unter suchung wurde sestgestellt, daß ein Pestfall vorlag. Aränkreich. General Brugere.tritt nicht zurück. Die nationalistische Presse mußte am Sonntag selbst ihre gestrige Meldung über die bevorstehende Demission dementiren. Der Kriegsminister wird demnächst durch ein Dekret die Unteroffiziere von der Verpflichtung befreien, im Falle der Ver- heirathung einen Mindestbesitz von 5000 Fr. nachzuweisen; cs wird der Nachweis der Erwerbsfähigkeit der Frau genügen. Der Minister äußerte gesprächsweise, daß noch weitere Maßnahmen zur Demokratisirung des Heeres bevorständen. Zuvörderst werde er die Freiplätze in Saint-Cyr ausschließlich den Zöglingen Vor behalten, die aus den Staatsschulen kämen. Ber. Staaten. Der Ausstand aus den Philippinen nimmt mit jedem Tage einen größeren Umfang an. Fast täglich dringen die Philippiner bis zu den Thore» von Manila vor. Die amerikanische Regierung hat in Folge dessen beschlossen, 2 weitere Jnsanteriercgimenter nach den Philippinen zu entsenden. Afrika. Wie Reuters Korrespondent in Accra vom 4. Oktober meldet, ist Mr. Corder, Mineningenieur der Goldfelder von Ost-Akim, mit genauer Information über den berühmten „Goldenen Stuhl" von Aschanti daselbst eingetroffen. Als er am 27. September durch das kleine Dorf Avkoko auf dem Wege von Kibbi nach Accra zog, wurde ihm von einem Europäer, Mr. Dick, mitgctheilt, daß seine Gesellschaft den Wegebau in dieser Gegend besorge, und daß er am selben Tage König Prempehs Stuhl unter Bewachung von Bewaffneten im Hause eines Aschanti-Häuptlings Namens Atschampong in DokRo gesehen habe. Mr. Corder drang in das Haus ein, doch hatte pch Atschampong, der augenscheinlich gewarnt worden war, mit dem Thron und der Eskorte in den Busch geflüchtet. Am Morgen ging Mr. Corder nach Accra und berichtete dort die Sache dem Gouverneur. Mr. Dick und andere Leute, die den Thron gesehen haben, erklären ihn für den echten. Sie beschreiben ihn als sehr massiv, mit zwei goldenen Ketten und soliden orangen förmigen Schellen, sowie zwei symbolischen Figuren versehen. Mr. Dick schätzt den Werth des Stuhles aus 20000 Psd. Sterl. (400000 Mark). Der Stuhl ist augenscheinlich iu der Nähe des Dorfes vergraben worden. Die Regierung will eine Belohnung von 1000 Psd. Sterl, auf seine Auffindung setzen. Der Krieg in Südafrika. Das „Reutcrsche Bureau" meldet vom 2. d. Mts. aus Lyvcnburg: Während der letzten süns Tage ist General Buller ständig vorgedrnngen durch die Mac-Mac-Hügel, das Pilgrims-Thal, PilgrimS-Rast und Kriegerspost, überall den Feind vor sich hertreibend; jetzt ist er in der Nähe von Ohrigstod. — Buller, der noch unmittelbar vor seinem Ausbruch von Spitzkop von den Buren mit schwerem Geschütz beschossen worden war, folgt also den nach dem Norden sich zurückziehenden Buren. Diese werden von Neuem von Botha befehligt; es wird berichtet, daß dieser wie.-er völlig genesen sei und den Oberbefehl wieder übernommen habe. Der Korrespondent des „Standard" telegraphirt, daß Lord Roberts eine neue Proklamation erlassen hat, die den Zweck hat, eine gleiche Behandlung der Bewohner des Transvaal und der Orange River Colony zu bewirken. Die jenigen, die sich freiwillig ergeben, sollen nicht verbannt werden. Dies soll sich jedoch nicht ans Ausländer und hervorragende politische und militärische Persönlichkeiten beziehen, ebenso nickt auf Leute, die bereits den Eid einmal gebrochen haben. In Fällen, wo sich Führer zu ergeben wünschen, muß die Angelegen heit erst an das Hauptquartier gemeldet werden. Tie Besitz ungen und Habseligkeiten solcher Leute, die sich auf Kommando befinden oder die bereits den Eid gebrochen haben, sollen kon- fiszirt werden. In Fällen, wo Mitglieder einer Familie den Eid gebrochen haben und auf Kommando gegangen sind, sollen die zurückgebliebenen darauf aufmerksam gemacht werden, daß alle Habseligkeiten der Familie weggenommen werden sollen, wenn die an der Front befindlichen nicht in angemessener Zeit zurückgekehrt sind. Den Burghers soll mitgctheilt werden, daß, wenn ihre Führer sich ergeben und alle ihre Geschütze abliesern, der Friede erklärt werden soll. Die Kriegsgesangenen sollen dann freigelassen werden mit Ausnahme derjenigen, die für den Krieg oder dessen Verlängerung verantwortlich sind (dazu haben die Engländer kein Recht!), und endlich derjenigen, die nach gewiesenermaßen den Kriegsregeln entgegen gekämpst haben. — Roberts hat also von einer einsetigen Proklamation des „Friedens" Abstand genommen. Im „Wiener Fremdenbl." veröffentlicht A. van Hoeren Selbsterlebtes aus dem Transvaalkriege, dem wir solgende Episode von dem Rückzüge Dewets entnehmen: . . . Endlich die Farm! Bis zum Tode erschöpft leuchten Menschen und Thiere vorüber. Man vernahm schon die lauten Kommandos der Ver folger. Deren Pferde kämpften aber auch vergeblich gegen den Sand, auch die Flüche ihrer Reiter vermochten nicht, die Thiere schnell vorwärts zu bringen. Da knarrte der letzte MunitionS- wagen den Berg empor. Dewet stopfte eine neue Pfeife. „Jetzt ist's Zeit", sagte er zu mir, „jetzt wollen wir den Englismen mal heimleuchten. Meine weiteren Befehle habe ich bereits gegeben." Damit ritt er nach der Farm Lustrust. Ich wartete draußen bei den Pferden, weil ich jeden Augenblick wähnte, einen Lyddit-Grnß von den Engländern zu erhalten. Da plötzlich ein Knall hinter mir ... ich sehe durch das Fenster. Dieser alte Mann hat die Lampe auf den Boden geworfen, er zündet das umherspritzende Oel an, die Flammen ergreifen die Dielen, die Holzwände, die Decke. Eine» Augenblick später stand die Farm in Hellen Flammen! „So", sagte befriedigt der Alte, „nun auf die Pferde. Den Unsrigen nach. Sehen Sie später zurück — ein feuriger Gürtel wird u»S jetzt von nuferen Verfolgern trennen." „Mein General", wandte ich schüchtern ein, „eigentlich hatten Sie doch kein Recht, die Farm niederzubrennen. Das ist doch das Eigenthum anderer Leute gewesen!" „Unsinn, junger Mann," knurrte der alte Herr, „was Sie wohl denken. Lustrust war mein, wissen Sie, cs war mein Haus, mein Heim. Hier wohnte ich mit meiner Familie . . . Die geld- und länder- hungrigen Engländer haben uns daraus Vertrieben. Sie haben mir mein Familienglück zerstört, jetzt zerstöre ich mein Heim. Und so wie mir, ergeht es meinen Nachbarn auch. Aber es ist uns gleich, wo wir für unsere Freiheit sterben. Blicken Sie nur zurück. . . Ich wandte mich im Sattel um. Hinter mir stand Farm um Farm in Flammen. Wie Fackeln leuchteten die brennenden Holzgebäude empor — dieses Fanal vermochten die englischen Reiter allerdings nicht zu durchbrechen. Bei dem Um sehen ging mirs aber doch noch schlecht. Eine verirrte englische Kugel erwischte meine linke Schulter . . , Deshalb schreibe ich diesen Bericht im Hospital. Der Krieg in China. Veränderungen in der diplomatischen Lage sind nicht zu ver zeichnen, doch greift immer mehr der Verdacht um sich, daß die chinesischen Machthaber auch mit dem angeblichen Brief Kwangsüs an den deutschen Kaiser nichts weiter beabsichtigt haben, als die Verhandlungen zu verschleppen und auf die Mächte durch falsche Vorspiegelungen den Eindruck her vorzubringen, daß China die ehrliche Absicht habe, Sühne zu leisten. Sollte sich diese Voraussetzung bestätigen, so müßte es nur dazu beitragen, die Mächte zu veranlassen, engeren Anschluß an einander zu suchen und kleinere Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Als ein besonderer Beweis der Unaufrichtigkeit der chinesischen Machthaber wird die Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Singansu betrachtet, und zwar um so mehr, als ein Edikt des Kaisers ausdrücklich betont, daß diese Verlegung beschlossen worden sei, weil Singansu dem kaiserlichen Hos als Aufenthalts ort größere Sicherheit biete als Peking. Nach Nachrichten aus Japan hat dort die Meldung von der geplanten noch weiteren Verlegung des chinesischen Hofes in das Innere des Reiches sehr verstimmt und den Glauben an die Aufrichtigkeit und Nachgiebigkeit der Chinesen stark erschüttert. Man hält unter diesen Umständen eine weitere Zurückziehung großer japanischer Truppcntheile aus China für unthunlich. Ter Kaiserin-Wittwe ist der Versuch, eine Scheinregierung in Tayensn einzusetzen, mißlungen. Sie befahl allen Mandarinen in Peking, welche früher hohe Acmter bekleideten, sich dorthin zu begeben, aber alle lehnten ab, vorschützend, daß sie krank seien oder daß sie die Linien der fremden Truppen nicht passiren könnten. Noch viel weniger wird der Kaiserin-Wittwe gelingen, eine Regierung in Singansu zu etabliren. Daß sie mit diesem Gedanke» umgeht, beweist, wie sehr sie die Rückkehr nach Peking fürchtet, denn es kann ihr nicht unbekannt sein, daß die chinesischen Massen einen chinesischen Kaiser nur dann als voll anerkennen, wenn er in Peking residirt. Auch verschiedene Londoner Drahtungen deuten an, daß die Verbündeten die Tegradirungserlasse zu ernst genommen haben; jetzt sei es augenscheinlich, daß sie nur Blendwerk gewesen seien. In Folge dessen ständen jetzt nur zwei Wege offen: entweder sollten Expeditionen nach Siiiganfu gesandt werden, um den Hof gefangen zu nehmen, oder die Verbündete» sollten überein stimmend erklären, daß die gegenwärtige Dynastie ihre Ansprüche ans den Thron verscherzt habe. Zugleich sollten die Vizekönige ersucht werden, einen neuen Kaiser zu wäblcn, und ferner sollte eine neue unabhängige Regierung unter fremden Schutz gestellt werden. Derartige Maßnahmen in den Kreis der Erörterungen zu ziehen, ist noch zu früh. Leider wird heute auch über den unglücklichen Ver lauf einer deutschen Expedition berichtetj: Eine Tientsiner Drahtung des „Standard" vom 5. Oktober besagt: Deutsche Truppen erlitten heute morgen wenige Meilen südlich von Tientsin eine Niederlage. Tie Truppen stießen mit 8000 als Boxer bezeichneten Chinesen zusammen und wurden ge- nöthigt, sich »ach Tientsin zurückzuziehen. Es sei Grund für de» Argwohn vorhanden, daß diese Chinesen nicht Boxer, sondern Kerutrnppen Li-Hung-Tschangs gewesen seien und den Beseht gehabt hätten, in der Nähe von Tientsin zu warten, weil Li-H»ng-Tschang befürchtete, daß seiner Reise nach der Hauptstadt von den Fremden Hindernisse bereitet werden könnten. Minder bedenklich klingt der Vorfall nach folgender Meldung: Tientsin, 6. Oktober. Die ausländischen Flüchtlinge in Paotingsu weigern sich, die Stadt zu verlassen, da sie einen Verrath seitens der chinesischen Eskorte fürchten. Eine deutsche Truppenabtheilung von 500 Mann mit zwei Geschützen, die abgesandt war, um die Gegend nach Tsing-Hai-Hsien auszuklären und Wagen und Maul- thiere sür die Expedition nach Paotingsu zu requiriren, kehrte »ach viertägiger Abwesenheit zurück; sie war 7 Meilen über Tsing- Hai-Hsien hinausgekommen und hatte viele Boxer gesehen. Zwei Mann, die vom Lager abgeirrt waren, wurden schwer verwundet; ein japanischer Kuli wurde in Stücke gehauen. Die Expedition nach Paotingsu wird wahrscheinlich ihren Weg über Tsing-Hai- Hsien nehmen; die Expedition ist nusgeschoben woiden und wird wahrscheinlich Montag oder Dienstag abgehen. Aus chinesischer Quelle wird berichtet, daß die Soldaten und die Bewohner aus Paotingsu geflohen sind und daß zahlreiche Voxerbanden die Stabt und den Weg »ach Paotingsu besetzt halten; man erwarte jedoch, daß sie fliehe» werden, sobald sie vom Herannahen der Truppen hören." — An amtliche» Stellen Berlins ist von diesem Vorsall noch nichts bekannt. Sonstige Meldungen: Petersburg: 8. Oktober. Der „Regierungsbote" meldet: Viceadmiral Alexejew berichtet vom 3. d. M. aus Schanhaikwan, er sei bei Tagesanbruch aus der Rhede eingetroffen, wo er außer den russischen auch die französischen, englischen, deutschen, österreichisch-ungarischen und japanischen Admirale vorgefunden habe. Tie russischen Transporte, welche am 2. d. M. Abends angekommen seien, hätten alsbald mit der Landung begonnen) um Mitternacht seien die russischen Hauptkräfte am Lande gewesen. Infolge Vereinbarung zwischen den Admiralen sei dieEinnahmc der Forts unter die Nationen vertheilt worden. Das fünfte Fort sei ausschließlich durch die Russen eingenommen worden, daS erste und die Forts am Ufer durch alle betheiligten Mächte. Die Stadt sei von den Truppen nicht eingenommen worden; nur die Thore würden bewacht. Tschingwantao sei von den russischen Landungstruppen mit denen der anderen Mächte eingenommen, und die dortigen Festungsgeschütze seien fast ganz gut er halten vorgefunden worden. Die Kolonne des Generals Zer- pitzki sei von Peitang kommend am 2. d. M. in Schanghai- kwan eingetroffen. Der ganze Weg von Tongku bis Schan- haikwan sei von russischen Truppen besetzt. - Die Amerikaner hätten nach der Einnahme von Schanhaikwan jede weitere Theil- nahme an den Operationen abgelehnt. Auf der Rhede von Schanhaikwan lägen folgende russische Schiffe: „Petropawlowsk", „Rossija", „Rjurik", „Kornilow" „Giljak", „Sabijak",„Sseiwutsch", „Moskwa" „Orel" und „Mandschur". Ein Theil der russisch» Truppen rücke nach Norden vor. — Aus Port Arthur meldet der „Regierungsbote" vom 5. Oktober: Alle chinesischen Schiffe befinden sich in Schanghai: sie laufen nirgends hin aus und werden von ausländischen Schiffen bewacht; die Fahrt ist gefahr los, fremde Begleitschiffe werden nicht ausgeschictt. Hongkong, 7. Oktober. Gestern griffen etwa tausend Auf rührer den Marktflecken Sai-wan an, welcher 8 Meilen nord östlich von Sam-tschun an der Grenze des britischen Kau-lung- Gebiets liegt. Sie wurden indessen zurückgeschlagen. Hundert reguläre Soldaten sollen auf Sam-tschun marschiren. Ein An griff auf diesen Ort wird heute erwartet. Die Polizei an der Grenze ist verstärkt und mit Maxims ausgerüstet worden. Außerdem werden Truppen für alle Fälle bereit gehalten. Mau glaubt, daß di^ oben erwähnten Aufrührer Mitglieder von ge heimen Gesellschaften sind. Nach den Meldungen aus Sam- tschun von heute früh ist dort noch Alles ruhig, wenngleich die Läden geschloffen sind. Hongkong, 8. Oktober. Wie auS Samschui gemeldet wird, ist dort alles ruhig. Heute früh wurden die Kaufläden wieder geöffnet. Man glaubt, die Aufrührer haben sich westwärts nach der Marktstadt Lungfu gewendet. Wie gemeldet wird, gehören die Ausrührer der„San-ho-hwei-(Dreifaltigkeits-)Gesellschaft" an. Sie plündern nicht, aber sie legen schwere Brandschatzungen!aus und heben Rekruten aus. Sie haben moderne Waffen und es heißt, daß viele Kulis auS Hongkong diese Stadt verlassen hatten, um sich den Aufständischen anzuschließen. Die MissionS- stationen im Hinterland sind unversehrt. Missionare und chinesische Christen treffen in Hongkong ein. Im britischen Gebiet ist alles ruhig. New-Dork, 8. Oktober. Wie ein Telegramm aus Tientsin vom 5. d. M. meldet, haben die Boxer gut ausgerüstete Kanonen boote aus den Kanal gebracht, um Paotingsu zu vertheidigen, wohin am Montag eine Expedition abgehen soll. Chinesische Handelsleute sagen, daß Paotingsu thatjächlich verlassen sei, da die Bewohner von dem beabsichtigten Angriff gehört hätten. Schanghai, 8. Oktober. (Berl. Lok.-Anz.) Nachrichten aus Hankau besagen, daß ungefähr zweihunderttausend Mann chine sischer Truppen, mit modernen Waffen ausgerüstet, aus allen Theilen des Reiches gegen Singansu vorrücken, um sich dem General Tungfuhsiang anzuschließen. Mein Informant, ein früherer deutscher Instruktions-Offizier, behauptet, die Chinesen wären noch im Besitze von siebenhundert Geschütze» und einer ungeheuren Menge von Munition. Große LebenSmittel-TranS- porte sind auf dem Wege nach Singansu. Die kürzlich erfolgte Massenberufung von Mandschus und fremdenfeindlichen Beamten in hohe Stellungen hat in den südlichen Provinzen große Unzu friedenheit erregt, und andererseits die bereits erschütterte Loyalität ' der Vizekönige im Uangtsethal befestigt, da sie ihre eigene Ab setzung befürchten. Die hiesigen chinesischen Zeitungen erwarten eine große Schlacht bei Paotingsu; sie behaupten, auch Schan- hailwan hätte bisher den Verbündeten widerstanden. Ueber die Bedeutung Singanfus, der Hauptstadt von Schensi, wohin sich bekanntlich jetzt der chinesische Hos zurückzuziehen beschlossen haben soll, hat sich Herr v. Nichthosen in einem Briefe an einen Herrn in Wien, nach einem Berliner Blatte, folgendermaßen ausgesprochen: Singansu, jetzt die Haupt stadt der Provinz Schensi, Ivar früher die Hauptstadt Chinas. Im dritten Jahrhundert v. Chr. residirte hier der Kaiser Tsin- schi-hwang-ti von der Tsin-Tynastie. Er baute die große Mauer und ließ die Bücher des Consucius verbrennen. Sein Rus drang weithin und erstreckte sich bis in das römische Reich. Daher der Name Tsinae, später „Sinae" sür das ferne Volk und unser „China" und „Chinesen". Im Anfang des Mittelalters resi- dirtcn hier noch die beiden Dynastien der Tang und der Sung. Ich sichre dies an, weil die Weltstellung dieser so weit im Inn. .n des Kontinents gelegenen Stadt durch die geographischen und geologischen Verhältnisse geboten ist. Von Inner-Asien her stihrt nach Osten eine sehr merkwürdige Völkerstraße, ein kontinuirlicher schmaler Strich ebenen und fruchtbaren Landes, im Süden begrenzt durch das hohe Küen-lun-Gebirge, im Norden durch unermeßliches, unbebautes Land. Die erste große Vered- nung, die man, immer am Nordsuß der Küen-lun-Ketten fort schreitend, nach Oste» erreicht, ist das Thal des Weiflusses, das von Singansu beherrscht wird. Ein wenig weiter östlich ist diese ganze nordwestliche Welt abgeschlossen, so vollständig, daß der Kwangho sich durch sünf Breitengrade vergeblich einen Ausweg sucht, bis er ihn an seiner großen merkwürdigen Kniebiegung am Tung-wan-Paß findet. Entlang dieser ganzen Linie, von Central-Asien bis zum Tung-wan, führt ein einziger natürlicher Uebergang über das Küen-lun-Gebirge. Er mündet bei Singansu, führt hinüber nach der Provinz Hube und vermittelt wichtige Handelsverbindungen. Außerdem ist noch eine Kunststraße über das Gebirge gebaut worden. Sie vermittelt die Verbindung mit der Provinz Szetschuan und mündet ebenfalls in der Nähe von Singansu. In Folge dieser günstigen Lage hat der Ort immer eine große Bedeutung gehabt, politisch und kommerziell. Anderer seits aber hat diese Lage die Ebene von Singansu zum Schau platz mächtiger Völkerbewegimgen und großer politischer Stürme gemacht, und die Hauptzüge Der früheren chinesischen Geschichte spielen sich, wenn man das Land kennt, wie ganz selbstverständ lich ab. Von de» geologischen Momenten, welche, wie ich er wähnte, dazu beitrugen, die Weltstellung Singanfus zu bestimmen, will ick nur eines ansühren, dessen Einfluß über jede Vorstellung groß ist. Schensi ist wahrscheinlich das größte Löß-Gebiet in China. Der Löß scheint hier alles zu bedecken und bedingt da durch die hohe Ertragfähigkeit der Provinz. Interessant ist es, daß der Titel des Kaisers von China ohne Zweifel dem Löß seine Entstehung verdankt. Denn hier in diesem ganz gelben Lande scheint zuerst das Wort „dwanx" (gelb) feine Bedeutung als Symbol der Erde erhalten zu haben. Der Kaiser nahm hier feinen Titel „HrvavAti" an. Dieses soll bedeute» „Herr der Erde". eine richtigere Uebersetzung wäre „Herr des Lösses".
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