Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 07.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188607075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860707
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860707
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-07
- Tag 1886-07-07
-
Monat
1886-07
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 07.07.1886
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
MIM. -«.IMMg. Abonnement-Preis: Der »»Iiartriische — jeden Wochentag Abend (mit dem Datum des folgenden TagcS) zur Versendung gelangende — Laiiöes-Anzeiger mit Beiblättem kostet monatlich 80 Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz und den Vororten, sowie bei der Post. (Eingetragen unter Nr. 4ti!t!t > SSchstscher ZahreSbuch (WeihuachkSbeigabe) Anzeigers. Verlag: Alexander Wiede, Buchdruckeret, Chemnitz. FMes-AmiM mit „Ghemnitzer Ttadt-Anzeiger". Unparteiische täglich« Zeitung für Sachse« und Thüringen. Mittwoch, 7. Juli 188«. JusertionSpreiS: Raum einer schmalen KorpuSzeile 15 Pfg.z — Reklame (Ispaliige Petitzeile) 30 Pfg. — BeiWiederholuug großer Annoncen Rabatt Bei Bestellungen von Auswärts wollt mau Jnsertionsbetrag (in Briefmarken) beifüg« (le 8 Silben Korpusschrist bilden ca. l Zelle). Annonceuannahme' nur bis Vormittaa. Inserate nehmen außer der Verlags« Expedition die Annoncen - Bureaux an. Srpedltioa und Redaktion: Chemnitz, Theaterstrahe Nr. L. Telegramm-Adr.: Wiede'S Anzeiger, Chemnitz. Fernsprechstelle Nr. 136. MMrr: „Tägliches Unterhattungsblstt " Wd hamnstisch illtistrirlk- S»mit>g-bl-!t „Lustiges Bilderbuch". Amtliche Bekanntmachungen sächsischer Behörden. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerich tS wurde heute auf Folium 364 verlautbart, daß der Kaufmann Herr Theodor Botthold Körner In Chemnitz in die Firma Eduard Creutznach Nachfolger daselbst als Mitinhaber eingetreteu ist. Chemnitz, am 2. Juli 183S. königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 5. Juli. Berlin. Der Kaiser nahm die Ehrenmitgliedschaft der Groß loge „Zur Eintracht" in Darmstadt an. Berlin. Zum Senatspräsidenten des Reichsgerichts au Stelle des verstorbenen Präsidenten Beyerle wählte der Bundesrath den Reichsgerichtsrath Werner. — Aus Paris wird der „Kreuzzeitung" gemeldet, daß man in dortigen politischen Kreise« die Wiedereröffnung der orientalische« Krisis im Herbste befürchtet. Die Türkei rüste nicht ab, und die Armee in Makedonien und Rumelirn bleibe konzentrirt. Einer Warschauer Meldung zufolge beabsichtigt die russische Regierung anzuordncn, daß die russischen Eisenbahnverwaltungen künftig Be triebsmaschinen, Waggon», Maschinentheile u. s. w. nicht mehr aus dem Auslande beziehen dürfen. Berlin. Der Subventionsdampfer „Oder" mußte in Ant Welpen, weil er bereits voll beladen war, mehrere Jrachtaufträge zurückweisen. Heilbronn. Das schwäbische Sängerfest ist glänzend ver laufen. Am Festzuge betheiligten sich 60 Vereine mit 4000 Mann. Würz bürg. Vergangene Nacht starben im Spital noch zwei der bei dem Eisenbahnunglück Verletzten. Die übrigen Patienten befinden sich mit Ausnahme eines Lehrers besser. iMmPa ch. Zu der morgenden 500jährigen Erinnerungsfeier der Schlacht bei Sempach find zahlreiche Fremde eingetroffen. Die Generalprobe deS morgenden VvlksschauspirlS hat heute in Gegenwart von Tansenden von Zuschauern mit gutem Erfolge stattgesunden. Wien. Aus Cettiuje wird nach der „F. Ztg." gemeldet, daß ein amtlicher Bericht über eine am Freitag vorgekommene Grenz verletzung Folgendes sagt: Mehrere hundert Türken aus Kolatschin überschritten um 2 Uhr Morgens den Tarafluß, setzten Häuser in Brand und nahmen 2 Capitäne gefangen. Die alarmirten monte negrinischen Grcnztruppen griffen die Eindringlinge an und 50, in Hänsern eingeschlofsene Türken, welche die Capitäne gefangen hatten, werden noch belagert. Man hat ihnen Pardon angeboten, wen« sie die Capitäne heransgeben. Der Verlust der Montenegriner beträgt 7 Tobte, darunter 1 Weib und 13 Verwundete. Der Dachfifche Gemein-etag rmd die Brarrntweirifeage. Chemnitz, den 6. Juli. In den nächsten Tage« werde» in Chemnitz die Vertreter einer großen Anzahl sächsischer Gemeinden zum gegenseitigen Austausch der Erfahrungen und zur Beraihuvg namentlich jener socialen Zeilfrogen zusammentrete», die für die gedeihliche Entwicklung der Gemeinden von JnV.rrffe find. Im Vordergründe steht der bis jetzt vergeblich ge führte Kampf gegen die Trunksucht, welche — leider kann man sich diefir Erkenntniß nicht verschließe« — immer weitere Kreise ergreift und zwar nicht allein die miuderbegütrrten. Daß eine Reform auf diesem Gebiet, wenn durch gesetzgeberische Mittel dieselbe überhaupt herbeigesührt werde« kan«, dringend noch- weudig ist, wird Niemand bestreiten wollen, dem die erschreckenden Verheerungen bekannt find, welche die Trunksucht im Volkskörper anrichtet. Aus diesem Grunde begrüßen wir es mit Freude, daß der diesjährige sächsische Bemeindetag sich gleichfalls mit der brennenden Frage beschäftigen wird. Ein« andere Sache ist eS jedoch, ob sich jene Sätze, welche Herr Stadtrath H. Müller in Chemnitz dem Gemeiudetag über die Bekämpfung de« Brauntwekopest zur Berathnug vorgelegt hat, werden durchführe« lassen. Herr Stadtrath Müller sucht das Laster auf ge setzgeberischem Wege durch vorbeugende Maßregeln zu bekämpfe«, höhere Besteuerung des Branntweins, Bestrafung Srgernißerregender Trunken heit und namentlich Erschwerung des Branutweinansschauks und Be lastung der Wirtschaften mit Branntweinansschank wird gefordert. Wir wolle« den Berathungen des GemrindetageS nicht vorgreifeu, möchten aber unsere Bedenke« darüber äußern, ob mau durch drakonische Gesetzbestimwnngen de« Urbel wird in wirksamer Weise beikommt» können. Mit Gewalt hat man noch nie ethische Erfolg« «zielt, und auf solche kommt eS, wie uns scheinen will, hier namentlich an; di« Be kämpfung der Trunksucht ist nicht so sehr Sache des Gesetzgeber- als vielmehr die der Schul«, der Erziehung. Strenge Maßregeln gegen di« vranntweiuschänkrn, Erschwerung de» Verkaufs, Bestrafung der Trunksucht re. würden aus dem bisher öffentlichen Laster nu, «in geheimes machen. Da« „öffentliche Aergerniß" würde vermieden werden, aber wie schleichendes Gift würde das Laster im Volkskörper weiterfreffe«, und man hat die Erfahrung gemacht, daß der geheime Trunk schlimme« als der öffentlich« ist. Wäre« unser« Eruährungs- Verhältnisse besser, würde die Trunksucht von selbst znsammenschrumpfeu, so lange diese» nicht der Fall ist, wird ei« wirksamer Kamps nicht durch einfache Bestrafung de» Lasters und Erschwerung de» Brannt weinschank» zu führen sein, sondern namentlich durch Erziehung, früh zeitige Aufklärung über die Folgen d«S Trunk«» und Hebung «ud Stärkung de» SittlichkeitSgesühls. Wir stehen mit Herrn Stadtrath Müller also völlig ans dem Standpunkt, daß der Trunksucht gesteuert werden muß, nur be züglich der Wege, welche dabei zu beschreiten find, ist unsere Ansicht eine andere. Indem wir di« ausgestellten Sätze unser« Lesern unter breiten, bemerken wir, daß wir nach den Verhandlungen des Gemeinde- tage» aus die Beschränkung der Trunksucht nochmal» znrückzukommen gedenken. Nachstehend di« Sätze: I. E» ist die Verpfiichtnng der Reiche», de» Staate» und der Gemeinden, soweit fl, versaffnngsmäßig zuständig find, Maßregeln gegen de« Mißbrauch geistiger Getränke z« treffe« und durchznsühre«. Al» solche Maßregeln empfehle» sich zur Ergänzung bez. weiteren Ansführnug de« bestehende« Borschristrn folgende: 2. Dir staatliche Branntweinsteuer ist wesentlich z« erhöhen. 3. Außer den allgemeine« Vemeindefitnern sind а. de« Schankwirthschaften mit Brauntweiuschank, b. den Branntwein- kleiuhendlungen, den Tonsumvereine» mit vranntweinvertrieb, den BranntweiuverthtilnngSvereinignngen besondere Abgabe« au die Ge- meiudrkaffe und zwar den uuter b. genannten Handlungen und Ber- «iuignngen höhere al» den Schankwirthschaften anszuerlegen. Die Abgaben find für jede de» beide« unter u. und b. bezeichnet«« Arten dcS Branntweinvertriebe» in dem niedrigsten und höchste» Betrage festznsetze« und zwischen diesen Grenze« nach dem Umsaug« de» Ver triebe» z« bemessen. 4. Der Ausfchank, Kleinhandel und der bei Cousumvereineu wie bei Branutweinoertheilungsvereinigungeu er folgende Vertrieb von Branntwein ist ans Branntwein zu beschränken, welcher von anderen gesundheitsschädlichen Stoffen al» Alkohol frei, nach dem Stande der chemischen Technik möglichst entfuselt ist und höchsten» 40 Bolnmenprocent Alkohol nach TralleS enthält. 5. Oeffentlich« ärgernißerregeude Trnnkeuheit ist unter Straf« zu stelle». б. Schankwirthschastrn. Branntweinllrinhandlnvg«« und Consum- vereinen ist die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Betrnukene zu verbiete«. 7. Alkoholhaltige Getränk« dürfe« im AnSschank, sowie im Kleinhandel weder ans Borg «och tauschweise verabreicht werden. Trinkschulden für Genuß alkoholhaltiger Betränke, sowie Schulden, welch« mit Kevniniß de» Gläubiger» zu dem Zwecke ausgenommen worden, u« den Genuß alkoholhaltiger Getränke zu «langen, find von der Klagbarkeit auszuschlirße». 8. Lrlaubniß ausschließlich znm Ausschank von Branntwein ist für «»zulässig z« erklären Im Gegen- thell find die Schankwlrthe, soweit sie überhaupt Erlaubuiß znm AuSschaul von Branntwein haben, zu verpflichten, außer Branniwein auch Getränk, von schwachem Alkoholgehalt oder ohne solchen, sowie Speisen z« führen. 9. Schankwlrthe dürfen neben dem Schauk- gewerb« in demselben Grundstück einen Handel mit «»deren Waaren als Speise« und solchen Getränken, zu deren AnSschank sie berechtigt find, nicht betreiben. — Ausnahmen von diesem Verbote de» Handelsbetriebes sind jedoch zulässig in kleinen Orten, in welchen da» Bedürfuiß nur für eine Schankwirthschast vorhanden ist, a»s di« Dauer dieses Zustande». 10. Die an die Gast- und Schankwlrthe und Brauntwrinkleinhändler zu stellenden A»fo«der»»gr« find zu er höhen in der Richtung, daß ihre Person geordnete« Betrieb jener Bewerbe gewährleistet. Mindestens muß di« Erlaubuiß znm letzteren außer au» de» ln der Gewerbeordnung Z 33,r vorgeschriebe»«« die Person betreffenden Gründen auch dann versagt werden, wenn der Nachsnchende eine mehr als 3mo«atige Freiheitsstrafe verbüßt hat. 11. Weiter find di« «ach § 33,? der Gewerbeordnung an die Räume für jene Gewerbe zu stellende» Erfordernisse näher zu bestimmen und zu verschärfe«. Mindesten» ist die Erlanbniß zur Gast- «nd Gchank- wirthschast davon abhängig zu machen, daß während der Dauer dieser Gewerbebetriebe ». die Lage de» Grundstücks und der z« genannten Gewerbe betrieben bestimmten Räum« nicht di« polizeiliche Beauffichtignug unmöglich macht oder erschwert oder den Verkehr auf den vorbeiführendeu öffentliche» Wege« (z. B. ans enge» Gaffe») belästigt, b. die zur Gast, nnd Schankwirthschast bestimmten Räume de« baupolizeilich an Wohnränme zu stellende« Anforderungen hinfichtlich der Festigkeit, sicheren Zugängigkeit nnd Gesundheit genügen, eine örtlich festzusetzende Höhe besitzen nnd mit aus reichende» dem jeweiligen Stande der Wissenschaft und Technik entsprechenden BentilationSeinrichtungkn versehen find, o. di« zur Schankwirthschast bestimmten Räume nicht zugleich als Wohn- oder Schlasräume, sei es für de« Wirth oder dessen Angehörige oder Bedienstete oder Fremde dienen, auch mcht mit irgend welchen Wohnränmen in unmittelbarer Verbindung stehen, ä. daß für de« Wirth, dessen Angehörige nnd Bedienstete in dem selben Grundstücke «ine besondere hinreichende Wohnung vor handen ist, s. für Männer und Frauen besonder«, mit Aufschriften versehene, den baupolizeilichen Anforderungen entsprechend« Ablrlttanlageu vorhanden find und letzter«, solange di« Schankränme benutzt werde«, genügend hell erleuchtet werden. 12. Ohne Weiteres können Angeführt werden bei Ertheilnug der Erlaubuiß zu Schankwirthschaften und Branntwelukleinhaudlungen die Maßregeln uuter 4, 6, 8, 9 und 11 und zwar di« nnter 4. 6, 8 und 9 al» Bedingungen, die unter 11 auf Grund der Vorschriften in Z 33.2 der Gcwerbeordnnng als Voraussetzungen für die Erlanbniß znm Betriebe der Schankwirthschast und beziehentlich de» Brauntweinkleinhandel». OrtSstaiutarisch find zu regeln die Bestrnrrung «nie« 3a, b, ferner für bestehende Schankwirthschaften und Brauntweiukleinhandlnugen, für Cousumvereine und BranntweinvertheiluugSvereinignngen die diese betreffenden Maßregeln unter 4, 6 und 8. Reich-gesetzlich« Regelung ist erforderlich für die Maßregeln nnter 2, 5 und 10, lande», oder reichsgesetzliche ist nöthig für die Maßregeln unter 7 und wüuschens- werth für di» Maßregeln unter 3, 4, 6, 8, 9 und 11 znm Zwecke einer gleichmäßigen Durchführung der letzteren. 13. Außerdem empfiehlt eS sich, die Vereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, insbesondere znm Zweck« der Errichtung von Wirthschaftrn für de« Ausschank alkoholfreier Getränke und Verabreichung von Speisen, aus Gemeinde- Mitteln zu «mterstützrn. Politische Rundschau. Chemnitz, den 6. Juli. Deutsches Reich. Di« neue Verhandlung des große» Sozialistenprozeffe», der in Chemnitz in erster Instanz verhandelt wurde und von dem Reichsgericht an das Freiberger Landgericht zur nochmaligen Verhandlung gewiesen wurde, ist dort aus den 26. Juli angrsetzt. — Nach der Reichs-Armenstatistil betrug di« Besammtzahl der nuterstützte« Personen im Königreich Preußen während des letzten Jahres 953.339 Personen. — Auf Grund de» Sozialistengesetzes find von der Krrishanpt- mannschaft in Leipzig gestern zwei Mitglieder des aufgelösten Metall- arbeiterverein» von dort nnd dem Bezirke der AmtShauptmanuschast Leipzig ansgewiesen. — Namentlich in Geschäftskreisen, so schreibt di« „Köln. Ztg.", äußert sich Unznsriedenheit über di« Erhöhung des Telegraphentarif», welche allgemein al» eine empfindliche Erschwerung de» Be,. kehrs empfunden wird, «ud mau hört vielfach die Anficht anssprechen» daß ein« Verringerung des telegraphischen Verkehrs die Hoffnung ans Mehreinnahmen ans der jetzigen Anordnung zu Nichte mache» werde. — Der Straßburger „BolkSfrennd" frischt «lue nicht uninteressante Erinnerung wieder ans. Er schreibt: „Der Tod deS unglückliche« Königs von Bayern führt uns ans einen Proceß zurück, der vor 3—4 Jahren gegen uns angestrengt wurde. Den Erzählungen und Urtheileu der öffentlichen Blätter zufolge gab bereit» damals de, König durch seine Prachtbauten und andere Exeentricitäten Anlaß z« gewissen Bedenken. Nun, da erlaubte sich der „BolkSfreund" damal» zn sagen, daß in Elsaß «an von solch einer Person gewöhnt sei, z» sagen, sie sei „gepickt". DaS Wort ist in unserer Volkssprache gleich bedeutend mit dem Wörtchen „excentrlsch". Der „Volksfreund" wurde vor Gericht gezogen und zu sechs Woche« Gefängniß nnd z« de« GerichtSkosteu vernrtheilt. Nnu lesen wir im offieiellen ärztliche« Bericht über den geistigen Zustand des König-, daß derselbe au Ver rücktheit litt und diese Krankheit schon lauge Jahr« hinaufreiche." Oesterreich-Ungarn, lieber die Art und Weise, wie man in Wien Dennnzianten behandelt, wird ans Wien da» Folgende geschrieben: „In mannhafter Weise beginnt sich Wien de» widerwärtigen Denunziantenthums zu erwehren. ES find bei nu» nicht Blätter, welche dieser ekelhaste Handwerk betreiben; in ganz Oesterreich hat bisher nur «in Theil der czechischeu Presse die niedrige Gesinnung verrathkn, an der feige» Angeberei Gefallen zu finden. In Wien selbst kommen die Deuuuziante» glücklicher Weise selten vor, und sie rekrutiren sich fast ausschließlich aus den Reihen jener berüch tigten Vorstadt-„Demokraten", welch« sich als große Korruptionstödter aufzuspielru lieben, in Wahrheit aber selber korrnmpirt find und ihr« Blößen mit dem Mantel des edel« demokratischen Namens zu verdecke« suchen. Mehrere dieser „Helden" wurden bereit» entlarvt, aber keiner von ihnen erhielt «och eine solche Lektion, wie gestern der Her» Gemeinderath Pfister. Dieser „Stabtvatrr" hat einen arme« Friseur und Familienvater Namen» Herma« Meyer in Folge eine» kleinlichen privaten Streite» an» Rache bei der Polizei wegen Majestät»- beltldigurg deuunzirt, welcher sich der Frisrnr vor Jahren i« Gegenwart einiger Personen schuldig gemacht haben soll. Der Herr Gemeinderath ruhte auch nicht eher, al» bi» der arme Frisenr zu mehrmonatlichem Kerker vernrtheilt wurde. Natürlich entstand darob in der Bevölkerung tiefe Entrüstung und mau verlangte allgemein, der Her« Pfister soll« sein Mandat niederlegm. Aber feinfühlig, wie Individuen diese» Schlage» z« sein Pflegen, kehrte sich der Herr Pfister nicht im Geringsten um die öffentliche Meinung nnd behielt anch seine Stelle als Gemeioderath. Gestern nun fand seit dem Bekanrttwerden der Hrldruthat de» Herrn Pfister die erst« Gemeiuderaths-Sitzung statt, nnd in dieser spielt« sich die folgende merkwürdig« Scene ab. Der Gemeinderath, in welchem 79 Mitglieder erschiene« Ware», berieth die laufenden Angelegenheiten. Plötzlich erschien der Herr Pfister in der Sitzung, Da erhoben sich von 79 Mitgliedern 64 nnd ver ließen demonstrativ den BerathungSsaal. Nur der Vorsitzende und 14 Freunde des Herrn Pfister, die meisten sogenannte „Demokraten", verblieben aus ihre« Sitzen. Die 64 Stadtväter, welche begreiflicher Weise mit einem Herrn Pfister nicht» gemeinsam haben wollen, versammelten sich in einem Nebensaale Al» sich der Vorsitzende von seiner Verblüffung ob de» Erlebten erholt hatte, ver tagte er, da er die Beschlußunsähigkeit kovstatiren mnßte, die Sitzung und begab sich in de« Nebrnsaal, um die demonstrirendeo Gemeinderäthe zn bewegen, zur Berathung zurückzukehren. Allein seine Bemühungen, seine UeberredungSkünste blieben erfolglos, und di« Sitzung mußte aufgehoben werden. Die Mehrheit des GemeinderatheS hat aber nicht etwa blo» gestern «lue Demonstration insceniren wolle», sondern sie wird überhaupt an keiner Sitzung mehr theilnrhmen, welcher der Herr Pfister beiwohnt. So lang« dieser Patron Gemriuderath bleibt, wird keine Sitzung abgehalten werden können, außer der Herr Pfister hält sich vom Rathhause fern. Sollte dies nicht geschehen «ud der Herr auch nicht oustreten wollen, so wird dir Mehrheit de» Gemeinderäthe» ihre Mandate «iederlegen oder eine Auslösung de» Gemeinderäthe» herbeisühren. In keinem Falle wollen diese Männer Kollegen de» Herrn Pfister bleibe« und mit ihm gemeinsame Berathungen pflege». Schweiz. Die Schweizer Behörde» habe« «iue genaue Unter suchung angeorduet, ob ausländische Anarchisten au den Krawallen von Zürich betheiligt waren. Bejahenden Falls soll die Ausweisung erfolgen. Frankreich. Zu dem französischen Capellrnprozeß, der in diesem Augenblicke wohl schon zn Ende gekommen ist, bemerkt die „Köln. Ztg.": Die klerikalen Blätter geben sich große Mühe, den gegen de« Fabrikdirektor Fischer und dessen Mitangeklagte verhandelten Prozeß in» Lächerliche zn ziehe«. Es handelt sich bekanntlich um den offenen Widerstand, den de« Fabrikdirektor Fischer mit seinen Arbeiterinnen dem Uuterpräfekten und seinen Gendarmen entgegensetzte, di« gekommen waren, um eine in der Fabrik befindliche Capelle zu schließe». Fischer schoß auf die Gendarmen, die Arbeiterinnen — 300 an der Zahl — fielen mit Knüppel« und Stangen über die Gen darmen her, woraus auch diese Feuer gaben und eine Arbeiterin «ödteten und fünf verwundeten. Au» den Verhandlungen ergiebt sich nun, daß die Mitangeklagte« Ortsgeistlichen nnd die Nonnen de« Fischer »ud die Arbeiterinnen aufgehetzt hatten, und daß die Gendarmen nur in der Selbstvertheidignng geschaffen habe«. Nach den Zeugen- aussagr« hat der Pfarrer sie ermahnt, bi» ans » Aeußerfte anszu- halten. Die Schwester Josephine hat ihnen gesagt, die Polizei dürfe nicht gegen Frauen elnschreiteu, und diejenige«, di« sich beim Wider stande am meisten auszeichneteu, würden in den Zeitungen genannt werde». Vor Ankunft der Behörden wnrden di« Arbeiterinnen mllltärisch in Reih und Glied ausgestellt und mit Stangen bewaffnet. — Sonn tag kehrte aus Tonkiu Artillerie «ach Pari» zurück. Es fand feier licher Empfang statt. In den meisten Reden wurde hervorgehobe«, Frankreich habe jetzt sein« voll« Macht wieder erlangt, sei aber friedlich gesinnt. Einig« Hitzköpfe spielten aber direct auf die Revanche an. — Eine Versam nlung monarchistischer Redakteure in Paris sandte dem Grase« von Pari» eine Ergebeuheitsadreff«. — Krieg-minister Boulauger hat angeordnet, daß di« fremden Offiziere, welche der große» Parade am 14. Juli beiwohnen wollen, sich vor seinem Hotel eiuznsiude» habe« und ihn von da ab begleiten! — Da- zeugt von starkem Selbstgefühl. Belgien. Ein Mauifrst de» „BeueralraiheS der Arbeiter", welche» in den sozialistischen Organen „Pruplr" und „VvoruU" ver»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite