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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 22.04.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-190004227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-19000422
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-19000422
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-04
- Tag 1900-04-22
-
Monat
1900-04
-
Jahr
1900
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 22.04.1900
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Areiderger «»zeiger ««d Lageblatt. Sette 2. — 22 April. 91 1900. Heil dem König! In hoher Verehrung und aufrichtiger Dankbarkeit begrüßt daS Sachsenvolk seinen ritterlichen König zum Geburtstage mit dem Wunsche, daß Gott ihn segnen und noch viele glückliche Jahre in voller Kraft und Rüstigkeit erhalten möge unserem Sachsenland zum Segen! Und auch zu des Reiches Wohl! Denn wie König Albert als Kronprinz ruhmreichen Antheil an der Begründung des deut schen Reiches durch die Kraft des Schwertes genommen, so hat er als König in der Zeit des Friedens in hohem Maaße dazu beigetragen, daß der Bau des Reiches im Innern gefestigt werde. Er hat allezeit den Reichsgedanken in seinem Volke und in seiner Armee mit Liebe gepflegt. Beinahe dreißig Jahre find vergangen, seitdem der ruhm gekrönte Feldherr, heimkehrend von dem Schauplatz des großen weltgeschichtlichen Dramas, geschmückt mit dem Großkreuz des Eisernen Kreuzes und in seiner Rechten den Marschallstab, den einst König Johann Sobieski bei dem Einzuge in Wien im Jahre 1683 geführt hatte, in Dresden an der Spitze seiner braven Truppen einzog, jubelnd begrüßt von seinem dankbaren Volke. Von dem Kaiserlichen Oberfeldherrn durch die Ernennung zum General-Inspektor der aus dem ersten, fünften und sechsten Armee- corpS damals gebildeten ersten Armee-Inspektion ausgezeichnet, blieb der siegreiche Heerführer im Frieden kommandirender General der sächsischen Armee, bis er am 29. Oktober 1873 auf den Thron seiner Väter berufen ward. Seitdem ist König Albert in langer gesegneter Regierungs- zrit seinem Volke immerdar ein gütiger und gerechter Landes vater gewesen. Nie zuvor hat in Sachsen Handel nnd Gewerbe, Kunst und Wissenschaft schöner geblüht als unter seinem Scepter. Die Züge unseres Königs sprechen von einem gütigen Herzen, von Milde und Wohlwollen. Sie drücken Gesinnung und Wesen deS Monarchen treffend auS, der den erhabenen Sinn für alles Ideale vom Vater ererbte und anderseits im Bewußtsein seiner Pflicht früh seinen Geist auch der Entwickelung des Wehrstandes gewidmet hatte. Gewiß ist König Albert in erster Linie Soldat, wie es im zu Ende gegangenen Jahrhundert die deutschen Fürsten fast alle waren, und wie sie eS im neuen Jahrhundert sein wer den. Aber Jedermann kennt auch die Liebe deS Königs zur Kunst und besonders zur Musik, und in den dem Monarchen nahestehenden Kreisen weiß man, wie groß und lebhaft des Kön gs Interesse für die Wissenschaften ist, wie treffend sein Urtheil, wie tief sein Geist in die Materie eindringt, und wie sich der Fürst über alle Fortschritte unterrichtet zeigt. Wie könnte es auch anders sein; war doch König AlbertS erlauchter Vater selbst ein Gelehrter von hohem Ruf, dessen literarisches Lebenswerk ein klassisches Denkmal deutschen Forschergeistes und dichterischen Ge- mütheS bildet, die Uebersetzung von Dante'S „Göttlicher Komödie". EL war selbstverständlich, daß ein solcher Vater das Augenmerk bei der Erziehung seines ältesten Sohnes, des voraussichtlichen Thronfolgers, aus eine besondere Bildung des Geistes richtete. Der Erzieher des Prinzen Albert war der spätere Appel- lationsgerichtSpräsident v. Langenn, ein geistig bedeutender Mann, der ohne Zweifel auf den Charakter seines Zöglings den wohl- thätigsten Einfluß ausübte. Der Erzieher rühmte die guten Eigenschaften seines Zöglings, und wie dieser selbst an seinem Lehrer hing, das zeigen eine Reihe von Briesen, welche der zwölfjährige Prinz in lateinischer Sprache an seinen Lehrer richtete. Diese Briese sind nicht nur bezeichnend für diegemüth- volle Beziehung zwischen dem Schüler und seinem Lehrer, sondern sie lassen auch zugleich die einfachen und harmonischen Verhält nisse, unter denen die Knabenjahre des Prinzen dahinflossen, im freundlichen Lichte erscheinen. Ein so veranlagter und erzogener Prinz brachte die besten Eigenschaften als Regent mit, Umsicht und Wohlwollen. Und thatsächlich, seit König Albert an der Regierung, hat auch nicht der Schein einer Verstimmung das ideale Berhältniß zwischen ihm und seinem Sachscnvolke trüben können. Im Gegentheil hat man immer und immer wieder in allen Schichten und Kreisen des Volkes die Gerechtigkeitsliebe des Monarchen gepriesen, und seine Freundlichkeit und Leutselig keit, seine Anspruchslosigkeit haben ihm die herzlichste Zuneigung eingetragen. König Albert ist einfach in seinen Gewohnheiten, schlicht in seiner Gesinnung, seinem Wirken, seiner ganzen Art, ein Fürst, der es ernst meint mit seinen Pflichten, der in Allem seinen ruhigen besonnenen Weg geht, nicht nur ein Freund der Kunst und Wissenschaft, sondern auch der Natur. Bekannt ist, daß König Albert einst vor einem Bilde stehen blieb, das als das uou plus ultra moderner Landschaftsstimmung gepriesen wurde. Kopfschüttelnd betrachtete der König das Bild. „Sagen Sie... sehen Sie die Natur wirklich so, wie Sie sie auf dem Bilde hier darstellen?" fragte er den anwesenden Maler. „Gewiß, Majestät." „Sonderbar," sagte der König, uno später äußerte er sich zu einem seiner Begleiter: „Ich danke meinem Schöpfer, daß ich die Natur noch mit anderen Augen erfasse; da kann ich sie doch wenigstens noch genießen." Wie jeder Freund der Natur — dem die Gelegenheit dazu geboten ist — ist König Albert auch ein leidenschaftlicher Jäger. Selten nur geht sein Schuß fehl und manch ein edles, seltenes Wild hat er schon gestreckt, und von seinen Gemsjagden wird manch ein lustiges Stücklein erzählt, ob wahr oder erfunden, wer mag darüber entscheiden, jedenfalls aber schmunzelt der König, wenn er sie hört. War er da einst aus der Jagd in Tirol, sein Freund, der Kaiser von Oesterreich, mit ihm. Todtmüde vom Klettern saßen die zwei, den Rucksack vor sich, am Wegrain, bis wohin sie der Abstieg geführt hatte, und sprachen dem Jagd- frühstück zu. Da kam ein Wagen daher. „Grüß Gott, Jagers," klang der Gruß. „Grüß Gott, Bauer. Wohin denn des Weges ?" „Auf Igels." „Ist das noch weit?" „Zwei Stund' wird's wohl sein." „Leicht kunntest uns mitnehmeu, was?" fragte einer der Jäger und zwinkerte dem andern zu. „Meinswegen, setzt's auf." Und die Beiden sitzen auf nnd fahren mit und reicben dem Bauer die Flasche und geben ihm mit von ihrem Frühstück ab. Der aber hat solche Sachen, wie die miteinander essen, sein Lebtag nicht gesehen; und mißtrauisch fragt er: „Von wo seid's ör denn her und wer seid's denn?" „I . . . bin von Wenn", sagt der Eine, „und a Jager bin i, das siehst ja." „Un i bin von Sachsen drüben zu Haus, und a Jäger, wie der. Und wer bist denn Du?" „Ich bin der König drunten von Igels." Da aber lachte der eine Jäger laut auf. „O wei," sagte er, „da passen wir ja gerade zusammen, denn das ist der Kaiser, der König bist Du und i bin der Kronprinz." Der Bauer aber lachte laut auf über „dees G'spaß", „und lugtst ös und der Tuifcl", sagte er und wurde gar nicht müde, überall die andern Jagdabenteuer zu lache», die die Beiden wer weiß wo erlebt haben wollten. Unten vor Igels aber, da standen die Kavaliere schon und erwarteten die hohen Herrschaften, und unser König von Igels wurde erst jetzt mne, wen er geführt hatte. Solcher Geschichten ließen sich eine Menge erzählen. Alle auf Erhöhung des Volkswohlstandes und Verbreitung der Volksbildung gerichteten Bestrebungen haben rn König Albert allezeit ihren eifrigen nie ermüdenden Förderer gefunden. Als s i treue hingebende Genossin in der Sorge für daS Wohl deS Volkes steht ihm seine erlauchte Gemahlin, Königin Carola, zur Seite. Wie der edle Fürst sich nach der Entscheidung deS JahreS 1866 ohne Hintergedanken auf die Seite des Siegers stellte, an dem allein die Hoffnung aller deutschen Patrioten hing, wie er 1870 kampfeSfrcudig zum Schwert griff, um die Kaiserkrone mit zu erstrecken, so ist er auch nach der Gründung des Reiches stets ein Hort nationaler Gesinnung geblieben. Was erwählend seiner Regierung für sein engeres und weiteres Vaterland gethan, für die Erhaltung und Stärkung der deutschen Wehrkraft, zur Förderung von Handel und Gewerbe, für die Pflege von Kunst und Wissenschaft, zur Hebung des Volkswohlstandes, das wird ihm ebenso unvergessen bleiben wie seine Bundestrene und die innige Freundschaft, die ihn mit den ersten beiden Kaisern ver band und die er auf den kaiserlichen Enkel und Sohn über tragen hat. Politische Umschau. Freiberg, den 21. April. Deutschland. In der bayerischen Kammer der Abgeord neten brachte Abgeordneter v. Vollmar (Soz.) in längerer Pole mik gegen die „lex Heinze" auch die Blättermeldung zur Sprache, daß oem Grafen Lerchenfeld im Reichstage nach seiner bekann ten Rede von Seiten des Zentrums zugerüfen worden sei: „Hu go, das hast Du gut gemacht!" Ministerpräsident Freiherr von Crailsheim erwiderte, die letztere Aeußerung sei völlig erfunden, Graf Lerchenfeld habe seine Stellung in Berlin nie als die eines Parteivertreters aufgefaßt, sondern stets als die des Vertreters der bayerischen Regierung. Justizminister v. Leonrod, sowie der Minister des Innern Freiherr von Feilitzsch betonten als dann, die bayrische Regierung wolle mit dem Paragraphen 184u nur eine Lücke des Strafgesetzbuches ausfüllen, jedoch die Kunst in keiner Weise beeinträchtigen. Im Laufe der Zeit habe aber jener Paragraph eine Fassung gefunden, mit der Unzuträglich keiten verknüpft sein könnten. Hoffentlich finde der Reichstag schließlich noch eine bessere Fassung, die alle Anschauungen be- sriedige. Der berühmte Reitergeneral und Herrenrei ter General v. Rosenberg ist in Rathenow gestor ben: Er gehörte der im Februar 1886 in Berlin zusammenbe rufenen Kommission behufs Revision des Exerzier-Reglements der Kavallerie an, wurde am 15. Oktober 1888 Generalleutnant und Kommandeur der Kavalleriedivision des 1. Armeekorps, am 24. März 1890 Inspekteur der 2. Kavallerieinspektion und am 18. April 1891 L In suite des Husaren-Regiments von Zieten gestellt. Am 14. Juni 1895 trat v. Rosenberg in den Ruhestand, indem der Kaiser sein Abschiedsgesuch unter An erkennung seiner großen Verdienste genehmigte. Der Kaiser hat ihm ein ehrendes Alkdenken durch die Worte: „Alles, was die preußische Kavallerie jetzt ist und leistet, ist beg ründetauf den Namen Rosen- ber g," gesetzt, die er an die Offiziere der Garde-Kavallerie- Division bei der Verabschiedung richtete. In der vorgestrigen Sitzung der Berliner Stadt verordnetenversammlung stand der Magistrats antrag zur Erörterung, für die festlichen Veranstaltungen gele gentlich der Anwesenheit des Kaisers Franz Josef in Berlin, die in der Ausschmückung von Stra ßen, Begrüßung durch Vertreter der Stadtgemeinde und Er leuchtung der Feststraße am Abend des 6. Mai, bestehen sollen, aus städtischen Mitteln eine Summe von 50 000 Mark zu be willigen. Gegen den Antrag erklärte sich Stadtv. Singer im Namen der sozialdemokratischen Fraktion. Er vertrat den Standpunkt, daß es sich hier um einen rein privaten Besuch eines Monarchen bei dem andern handle. Die Stadt Berlin habe mit solchem höfisch-dynastischen Akte nichts zu thun. Dem Redner trat Stadtv. Hugo Sachs entschieden entgegen, indem er hervorhob, daß es sich hier keineswegs um einen privaten Be such oder um einen „dynastisch-byzantinischen" Akt handle, son dern um einen Alt der Höflichkeit gegen den Herrscher eines innig befreundeten Nachbarstaates, der mit unserem Herrscher gemeinsam nach Aufrechterhaltung des Friedens strebt. Er ver wies darauf, welche Repräsentationskosten das republikanische Frankreich bei Fürstenbesuchen aufwende nnd rieth dem Stadtv. Singer, sich bei seinem Genossen Millerand zu erkundigen, wel che Summe dieser dafür in den diesjährigen Etat gestellt hat. Auch Oberbürgermeister Kirschner trat dem Stadtv. Singer entgegen und betonte, daß es sich hier nicht um eine dynastische Angelegenheit, sondern um eine Sache handle, die das Volk und in erster Reihe die Neichshauptstadt angehe. Die übergroße Mehrheit der Bürgerschaft werde hinter der Versammlung stehen wenn sie den Magistratsantrag, der der festlichen Veranstaltung ziemlich enge Grenzen ziehe, annehme. Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Magistrats mit 94 gegen 20 Stimmen angenommen. Belgien. Wenn in letzter Stunde nicht noch eine irgendwie überraschende Veränderung eintritt, so werden sich wegen des am 4. April im Brüsseler Nordbahnhofe auf den Prinzen von Wales verüben Anschlags vier Personen vor dem Straf gerichte zu verantworten haben. Es sind dies der fünfzehn jährige Spengler Jean Baptiste SiPido, welcher den glück licherweise fehlgcschlagenen Mordanschlag ausführte: der zwei undzwanzigjährige Maurer Arthur Meert, der dem Ersteren seinen Revolver verkaufte, wohl wissend, zu welchem Zwecke er dienen sollte; der siebzehnjährige Arbeiter Lueien Meyer, welcher Sipido in der Handhabung der ihm wenig geläufigen Mordwaffe unterrichtete, und schließlich der zwanzigjährige Ar beiter Peuchot, dessen Rolle indessen nicht ganz klar ist. Pcuchot wird der bloßen Mitwissenschaft beschuldigt, da ihm bisher wenigstens eine aktive Theilnahme an dem Verbrechen vom 4. April nicht nachgewiesen werden konnte. Einen Augen blick schien es, als wäre das Zustandekommen des sensationellen Aitcntatsprozcsses nach zwei Richtungen hin kompromittirt. Zu nächst wäre es unmöglich gewesen, ein öffentliches Prozeßver fahren anzuordnen, wenn Sipido der einzige Angeklagte wäre, denn er hat das strafmündige Alter noch nicht erreicht und kann deshalb auch zu keiner anderen Strafe verurtheilt werden, als zur I n t e r n i r u n g in einer staatlichen Kar re k t i o n s a n st a l t bis zum vollendeten 21. Lebensjahre. Da er aber Mitschuldige hat, welche über das strafmündige Al ter — 16 Jahre — hinaus sind, so wird auch Sipido in öffent licher Gerichtssitzung erscheinen müssen, ohne daß er deshalb von einer andren, als der erwähnten Jnternirungsstrafe ge troffen werden kann. Dann aber hat der Polizeikommissar, welcher unmittelbar nach dem Attentate den Thatbestand auf dem Nordbahnhofe aufnahm, in der Aufregung vergessen, nach der Kugel zu suchen, so daß dem Prozesse das Oorpus cleliuti zu fehlen schien. Der Vertheidiger Sipidos, Maitre Henry, schickte sich denn auch schon an, der Anklage mit der Behaup tung entgegen zutreten. daß der Revolver Sipidos gor nicht ge laden war, daß somit kein Verbrechen, sondern bloß ein poli zeilich zu bestrafende: grober Unfug vorliegt. Der vom Brüsse ¬ ler PoliKeikommissar begangene Fehler wurde aber in Kopen hagen wieder gut gemacht. Der Salonwagen des Prinzen wur de einer genauen Durchsuchung unterzogen und die Kugel ge funden. Das Hauptbeweisstück befindet sich bereits in den Händen des Untersuchungsrichters, und damit hat der bevor stehende Prozeß eine feste Grundlage erhalten. Die Auffin dung der Kugel ist allerdings bestritten worden, sie beruht aber doch auf einer Thatsache. England. Aus London, 20. April wird berichtet: Die Begrüßung des Prinzen von Wales durch den Kaiser in Mona ruft in hiesigen leitenden Kreisen den tiefsten Eindruck und außerordentliche Genugthuung hervor. Man betrachtet den Schritt des Kaisers zwar vornehmlich als einen Akt Avalerer- ker Liebenswürdigkeit gegen seinen einer großer Lebensgefahr entronnenen hohen Verwandten, ist aber auch bestimmt der An sicht, daß ein so ausgesprochener Freundschaftsbeweis gegen den englischen Thronfolger der Welt als Beweis der guten Bezieh ungen zwischen England und Deutschland erscheinen und ge rade jetzt, nach Ankunft der Burengesandtschaft, eine entschiedene Wirkung auf die internationale Politik zu Gunsten Englands ausllben werde. Daily Telegraph schreibt, die Begegnung sei zweifellos die wichtigste und bedeutsamste Folge des Attentats; sie würde in der ganzen Welt Aufsehen erregen. Der Schritt Kaiser Wilhelms sei nicht nur ein Beweis seiner Courtoisie ge gen den englischen Thronfolger, sondern der sichtbare Ausdruck einer hohen und festen Freundschaft für England seitens der deutschen Regierung. Auch sei sie ein günstiges Omen dafür, daß der Cordialität beider Regierungen eine freundschaftliche Verständigung der beiden Völker folgen werde. Die erwartete Heeresverstärkung in Schwede» ist vom schwedischen Reichstage nunmehr angenommen worden. Ein Telegramm meldet darüber: „Stockholm, 19. April Der Reichstag bewilligte heute in gemeinsamer Abstimmung beider Häuser 3 Millionen für Munition und Handfeuerwaffen, 12 Millionen für neue Feldgeschütze, 320 000 Kronen für freiwilli ge Schützenvereine und stimmte der Erhöhung der Ausgaben für Marinebauten im Jahre 1901 auf 1725 ÖOO Kronen zu." — Die Heeresverstärkung in Schweden beruht bekanntlich g«- ßentheils auf den gleichartigen Anstrengungen, die Norwegen macht. Daneben war das schwedische Milrtärwesen einer gründ lichen Modernisirung sehr bedürftig. Afrika. Mit verschwindenden Ausnahmen beurtheilt die deutsche Presse übereinstimmend die von der Goldküste kommen den Meldungen in dem Sinne, daß der Aschanti-Auf stand ein recht ernstes Gesicht zeigt. Die „Köln. Ztg." wirst einen Rückblick auf die Geschichte der Kämpfe der Aschanti mit den Engländern und sagt: Wenn man die Geschichte der Käm pfe der Aschanti mit den Engländern überschlägt, wird man die neuerliche Erhebung recht bedenklich finden. Bereits im Jahre 1824 sah sich der Gouverneur von Sierra Leone, Sir Charles McCarthy, genöthigt, das unter seinem Schutz stehende Hinterland der Goldküste, wo die Fanti ansässig waren, gegen die nach der Küste vordringenden Aschanti zu vertheidigen. Er führte erstere gegen letztere zum Kampf, fiel indeß bei Ensiman- kao, worauf seine Streitkräfte sich zerstreuten. Erst im Jahn 1827 gelang es den Engländern, durch einen Sieg in der Nähe der Küstenstadt Accra ihr Ansehen wieder herzustellen. Vier Jahre später kam ein Friede zwischen den Briten, den Fanti und den Aschanti zu Stande. Die Festigung der englischen Herrschaft war indeß so schwach, daß die Londoner Regierung die Kolonie aufzugeben gedachte; nur durch den Vertreter der Kaufleute, den energischen George Maclean, der Gouverneur dienste that, wurde sie erhalten, bis 1843 wieder ein Gouvemeur erschien. Während der folgenden Jahrzehnte sicherte sich Eng land durch Auskauf die Herrschaft an der Küste, die es bis da hin mit den Dänen und Holländern getheilt hatte. Im Dezem ber 1872 sandte der König der Aschanti, das erwählte Ober haupt der verschiedenen Stämme dieses Volkes, eine Streitmacht von 40 000 Mann aus Kumassi nach der Küste gegen die Eng länder. Die Aschanti schlugen die mit letzteren verbündeten Fan ti und verheerten das Land. Im Sommer 1873 griffen die Aschanti die Küstenfestung Elmina an, wurden aber von den Mannschaften der britischen Kriegsschiffe, die an der Küste kreuzten, zurllckgetrieben. Im November traf Sir Garnet Wol- leley, der jetzige Lord und Oberkommandirende der englischen Armee, an der Küste ein und übernahm den Befehl über die Truppen, die aus Westindien eingetroffen waren, sowie über die Marine-Infanterie; bald waren die Aschanti jenseits des Prahflusses zurückgeworfen. Sir Garnet überschritt den Prah und drang nach mehrfachen Gefechten in Kumassi ein, das zer stört wurde. Der König war entflohen. Nachdem auch von Osten her eine britische Streitmacht nach Kumassi vorgedrungen war, nahm der König Kofo einen Frieden an, wodurch er sich zu einer Kriegsentschädigung und zum Einstellen der MensAn- opfer verpflichtete. 1884 brach nach Erledigung des könig lichen Stuhles Uneinigkeit unter den Aschantis aus, die sich gegenseitig aufrieben. Unter dem Beistände der Engländer, die den Frieden herstellten, ward Prempeh 1888 zum König aus gerufen, doch wurde er von seinem Volke nie als solcher förmlich anerkannt, weil er nicht feierlich nach altem Brauch auf den „goldenen Stuhl" gesetzt worden war. Um seine Herrschaft zu befestigen, griff Prempeh mehrfach einzelne Aschantistämme an, darunter einen, der unter britischem Schutze stand. Nachdem er vergeblich gewarnt worden war, zog Sir Francis Scott an der Spitze einer ziemlich bedeutenden Streitmacht nach Kumassi und nahm Prempeh gefangen, der zuerst nach Elmina gebracht, dann nach Sierra Leone verschickt wurde, wo er gegenwärtig „zu Tode gefüttert wird", um einen afrikanischen Ausdruck zu gebrauchen. Kumassi erhielt einen englischen Residenten. Das Aschantigebiet wurde zur Goldküstenkolonie geschlagen. Wenn bisher noch Zweifel herrschen konnte, ob der Aschanti-Aufstand von mehr als untergeordneter örtlicher Be deutung sei, muß dieser Zweifel nach den neuerlichen Meldungen schwinden. DieLagederEngländeranderGold- k ü st e i st sehr ernst. Nicht bloß, daß der Gouverneur Hodgson in Kumassi von den Aufständischen belagert wird und, wenn ihm nicht Ersatz kommt, dem Schicksal der Gefangennahme mit seiner Frau und seinen europäifchen Begleitern verfallen ist; das ganze Land ist in Hellem Aufruhr, und dieser greift be reits Uber die Grenzen zu den benachbarten Stämmen hinüber. Es wurde gemeldet, daß das Gyaman- oder Gaman-Land sich dem Aufstande angeschlossen hat, und eine neue Drahtung spricht die Befürchtung aus, daß auch der Stamm der Bekwai in den Aufstand hineingezogen werden könnte. Das „Bur. Reuter meldet: „Accra, 19. April. Ein Telegramm des Gouverneurs aus Kumassi meldet, daß noch andere Stämme sich empören, und bittet um weitere Hilfstruppen. Die Aschan tis haben die treu gebliebenen Bekwais angegriffen und 500 von ihnen getödtet. Man befürchtet, daß dies die Bekwais zwingen werde, sich dem Aufstande anzuschließen. Die Lage wird für äußer st ernst angesehe n." — Bei dem letzten Aufstande stellten die Aschanti 40 OM Krieger ins Feld.
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