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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite S. — 12 April iso«. 84 Telegramm läßt die Lage am scheinen, als sie hier aufgefaßt worden ist. An eine Belagerung Bloemfonteins, so wie Ladysmith und Kimberley belagert wur den, hat bisher wohl Niemand gedacht-, es muß also schon schlecht Angst zu sein, obwohl es dem Feinde gelingen mag, eine kürzere Periode hindurch unsere telegraphische Verbindung abzuschnei den und die Eisenbahnverbindung zu unterbrechen." Dieses 5. d. M. bereits viel ernster er- vieler Details im Berliner Prozeß dasGesammtbild der Anklage leider getrübt worden sei. Alle Umstände, die die Verhand lungen begleiteten, hätten das typische Bild gewerbsmäßiger Spieler nur noch vervollständigt. Es unterliege keinem Zweifel, daß die vermögenslosen Angeklagten das luxuriöse Leben nur in Folge ihrer Spielgewinne geführt haben könnten. Er bean trage Aushebung des freisprechenden Urtheils und Zurückweisung an die Vorinstanz, um eine Vereinigung dieser Strafsache mi der Wölfischen zu ermöglichen. Der Vertheidiger plädirte au Verwerfung der Revision. Das Fürstenthum Reuß S. L. hat ein Zusammengehen mit den übrigen thüringischen Staaten abgelehnt und sür sich ganz allein ein eigenes Handwerkskämmerchen errichtet. Diese Kammer dürste wohl den kleinsten Bezirk von sämmllichen Hand werkskammern umfassen, von denen jetzt bereits eine große Anzahl gebildet worden ist. Im Waldenburger Kohlenbezirk sind 100 czechische Arbeiter angewiesen worden, sofort daS Reichsgebiet zu verlaffen. stehen, wenn die Kriegskorrespondenten in der Stadt glauben, man könne in London in Anbst um deren Schicksal bleiben. — Schwere Sorgen veranlaßt die dortige Lage den hiesigen maß gebenden Kreisen allerdings. Die letzten Meldungen, welche in den militärischen Klubs durchsickerten, ließen Lord Methuen beiBoshof und General TuckerwenigeKilometer nördlich vor Bloemfontein von feindlichen Kommandos abgeschnitten resp. eingeschloffen und beide im Gefecht sein, während der den Kapitulanten von Reddersburg eiligst zur Hülfe gesandte General Gatacre nichts mehr von sich hatte Horen lassen und auch dort die Be fürchtung vorlag, es hätten sich Burenkommandos bei Kaal- spruit-Station zwischen ihn und die Stadt geschoben. — Die W a s s e r f r a g e für die Stadt liegt offenbar viel ernster, als bisher zugegeben worden ist, denn bereits am 6. wird telegia- phirt: „Ein schwerer Sturm brach gestern über die Gegend und suchte die schon so leidenden Truppen, die immer noch leine Zelte haben, sehr heim. Aber er war überaus will kommen, da er unsern W asservorrath er neuert e." Die Waffernoth muß schon arg sein, wenn man für den Regensturm dankbar ist, selbst um den Preis der Ver schlechterung der hygienischen Verhältnisse und der Gesundheit der schutzlos den bittern Winternächten preisgegebenen Truppen, deren Winterkleidung ebensowenig eingetroffen ist, wie die Zelte. — Wie ernst Lord Roberts selbst die Lage der Stadt auf faßt, und daß er ihre Abschneidung vom äußeren Verkehr als unmittelbar bevorstehend ansieht, zeigt sein Befehlan alle Eivilisten und Damen, unverzüglich die Stadt zu verlassen und sich jenseits des Oranjefluffes zurückzuziehen. Selbst seine eigene Gattin, Lady Ed ward Cecil, Lady Charles und Lady Henry Beniyuck, die eben erst aus England eingetroffen waren, um zu ihren Gatten zu stoßen, mußten sich diesem Befehle fügen uno sind bereits abge reist. — Die Räumung der Stadt Rouxvillewa: fluchtartig. Dort standen 6 Kompagnien Infanterie und berittene Freiwillige, also etwa 800 bis 1000 Mann mit Ge schützen, und trotz dieser Stärke wagten sie es nicht, allein die kurze Strecke nach Aliwal-North zurllckzulegen, sondern baten um Hülfe, die ihnen auch durch General Brabant gesandt wurde, und ohne welche auch die Garnison Rouxvilles Ejefahr gelaufen wäre, abgeschnitten und aufgehoben zu werden. Auch hier kommt, wie aus allen andern Theilen des Freistaates, die Mel dung, daß die auf ihre Farmen zurückgekehrten Leute wiederdieWaffen ergriffenhaben, und in diesem besonderen Falle scheint die Garnison nicht etwa vor einem von Norden gekommenen Föderirten-Kommando geflohen zu sein, sondern vor einem bei Wallse Kop aus den Bauern der Umgegend gebildeten Kommando. — Alle übrigen Nachrichten beschränken sich auf den Rückzug einzelner Truppentheile und die Bedrobung der Eisenbahnlinien an den ve r - schiedensten Stellen. Besonders vor Springfon - tein und Smithfield werden starke Burenkommandos signalisirt. Von den Generalen Gatacre, Methuen und Tucker fehlen bis zur Stunde noch immer alle Nachrichten. Ein heute veröffentlichtes offizielles Telegramm läßt Gatacre aller dings am 6. nach Springfontem zurückkehren, aber eine spätere tungen gegen wehrlose Schwarze, namentlich schwache Frauen, erhalten eine weitere Erhärtung durch den Brief eines gewissen Louis Lacroix, der den Menschenschlächtereien nicht nur beige wohnt, sondern selbst einer der Exelutoren der haarsträubenden Befehle seiner Vorgesetzten gewesen sein will. Der Mann ge- teht am Schlüsse seines Briefes, daß er schwer krank ist und nelleicht nicht einmal mehr die ihn erwartende gerichtliche Ver handlung erleben wird. Man fragt sich deshalb unwillkürlich, ;at das Tropen- oder Gallenfieber dem Lacroix alle diese ent- etzlichen Dinge vorgespiegelt, oder haben sie sich wirklich genau mch seiner Schilderung zuqetragen? In diesem Falle würde der Abscheu nicht genug Äorte finden gegenüber dieser Art Raub- und Mordsystem staatlich konzessionirter Handelsgesell schaften. Lacroix erhielt im November in Monba von einem Herrn M. den Befehl, alle Bewohner eines gewissen Dorfes zu massakriren. Herr Lacroix schlachtete darauf in der That 22 Frauen und zwei Kinder ab; drei Frauen, die in einer Piroge zu flüchten suchten, wurden in das Wasser geworfen. Ursache dieser Massenhinrichtung: Die Pirogen waren nicht zur befoh lenen Zeit in den verschiedenen Niederlassungen erschienen, um den Kautschuk abzuliefern! Gleichzeitig würde ein schwarzer Soldat erschossen und seine Frau an die Kette gelegt, weil der Sohn nach Buclas gelaufen war, einem Posten des Staates, um dort die bevorstehende Ankunft des Großinquisitors M. zu vcrrathen. Dieser Herr M. hatte im Oktober einen schwarzen Deserteur erschießen und 60 Frauen an die Kette legen lassen. Dann ließ er sie fast sämmtlich verhungern, weil das Dorf (Mammumbula) keinen Kautschuk ablieferte. Louis Lacroix schließt seinen Brief mit der Anzeige, daß er mit sechs anderen Weißen vor Gericht erscheinen werde, um sich zu verantworten, zahllose Menschen ermordet und 60 Hände abgeschnitten, Frau en und Kinder gekreuzigt, eine Menge Männer verstümmelt und ibre Gliedmaßen gepfählt zu haben; einen Neger mit Revolver- schllssen getödtet und einen Eingeborenen massakrirt zu haben. „Ich besaß ein mir vom Arzt von Neu-Antwerpen ausgestelltes Krankheitsattest, welches mich zur Heimkehr nach Europa be vollmächtigte. Man hat es mir wieder abgenommen. Ich leide an der Leber und werde wahrscheinlich nur noch wenige Tage leben. Wenn ich sterbe, so strengt eine Privatklage gegen den Staat an." Wenn der Kongostaat nicht diesmal der Welt eine eklatante Genugthuung giebt und vor Allem den Hauptschuldi gen vor die Schranken zerrt, wird man jetzt mit Recht behaupten dürfen, daß er für solche unerhörten Ausschreitungen in erster Linie verantwortlich gemacht werden muß, weil er sie einfach duldet. Accra, 9. April. Heute ging eine Truppe von 102 Hanssas zum Entsatz von Kumassi ab. Das Fort von Kumassi ist offen bar eingeschlossen. Die Aschantis nahmen eingeborene Lehrer ge fangen. Der Ausstand breitet sich weiter aus. Bereinigte Staaten. Mm Montag fand in Philadelphia in der „Academy of Music" eine große Versammlung der männlichen Schuljugend statt, in welcher Ansprachen zu Gunsten der Buren gehalten wurden; einer der Redner war der frühere Hilssjckretär im Departement des Innern Webster Davis. Es wurde einer der Schüler gewählt, der dem Präsidenten Krüger persönlich eine von 22 000 Schülern unterzeichnete Adresse zu überbringen hat, in der die Hoffnung auf den Sieg der Buren l ausgesprochen wird. Wüthend und unter allerlei Verdächtigungen berichtet der „Vorwärts" über die Karriere, die Herr Leist in Amerika ge macht hat: „Eine Skandalgeschichte, die den wegen seiner in Kamerun begangenen Grausamkeiten schließlich disziplinarisch abgesetzten Heinrich Leist und den kürzlich zum Generalkonsul in New-Jork beförderten früheren deutschen Konsul in Chicago, Bünz, betrifft, wird jetzt in deutsch-amerikanischen Zeitungen Viet besprochen. Nachdem Leist nach den Vereinigten Staaten aus gewandert, wußte er sich auf irgend eine Weise die Bestallung als öffentlicher Notar für den Staat Illinois zu verschaffen, ob gleich nach dem Gesetz der Posten nur von Bürgern der Ber einigten Staaten bekleidet werden kann, und Leist, der erst im Herbst 1895 auswanderte, das Bürgerrecht, daS nur nach > mindestens fünfjährigem Aufenthalt erworben wird, unmöglich schon rechtmäßig erlangt haben kann. Kaum hatte er sich indeß auf noch unerklärte Weise die Ernennung zum Notar verschafft, als sein Freund Konsul Bünz ihn auch schon mit den Notariats geschäften des Konsulats betraute. Die Rechtmäßigkeit der von einem Mann, der sein Amt in gesetzwidriger Weise erlangt hat, ausgestellten Beglaubigungen ist mindestens anfechtbar; aber trotz dem das Konsulat darauf aufmerksam gemacht worden ist, hat es Leist als seinen Notar beibehalten. So ward Leist sür die in Afrika der preußischen Civilisation geleisteten Dienste nachträglich belohnt." — Es mag dem „Vorwärts" allerdings recht schmerzlich sein, daß Herr Leist gerade in Amerika ein solches Amt gefunden hat, denn Verfolgungssucht bis ins dritte und vierte Glied, das nennt man heute „demokratisch". Im Reichstagswahlkreise Nürnberg haben die Sozialdemo kraten als ihren Kandidaten für die durch den Tod des sozial demokratischen Abg. Oertel nothwendig werdende Ersatzwahl den Privatdozenten a. D. Dr. Arons in Berlin in Aussicht ge nommen. — Vielleicht zwingen sie diesen später einmal, ihnen seine Papierchen recht billig abzulassen! Oesterreich. Die agitatorische Politik der Jungczechen, wie sie sich in den Anträgen im Prager Land tage zeigt, hat ihnen plötzlich auch noch andere Gegner als die Deutschen zugezogen. Wie auf ein angegebenes Zeichen zogen am Sonnabend fast alle polnischen Blätter gegen die Jungczechen los, und zwar wegen ihres Antrages auf Einführung der russi schen Sprache als obligaten Lehrgegenstand an den czechischen Mittelschulen und wegen der Art, wie dieser Antrag im böh mischen Landtage begründet wurde. Sogar der überaus czechen- ireundliche „Dziennik Polski" findet, daß sich die Jungczechen in der Verletzung der Gefühle ihrer polnischen Bundesgenossen keiner lei Zwang auferlegen. Die Czechen mögen aber bedenken, daß es in dieser Beziehung eine Grenze gebe. An Seite der Russen- schwärmer werde man die Polen schwerlich finden. Der „Przeglond" betont, es sei eine sonderbare contraäiotio in ackjseto, in Oesterreich Propaganda für die Russen zu machen und gleichzeitig die Unterstützung der Polen zu verlangen. — Lange pflegt ja eine derartige czechenfeindliche Stimmung bei den Polen nicht anzuhalten! Frankreich. Der Ministerrath faßte den Beschluß, daß der Minister des Aeußern Delcassä es ablehnen solle, die ange kündigte Anfrage des Deputirten Berry über den Durchmarsch englischer Truppen durch portugiesisches Gebiet von Beira aus zu beantworten. Afrika. Die unmenschlichen Greuel, die auf Befehl und unter Aufsicht des ehemaligen MajorsLothai- re im Gebiete der Bundjas verübt worden sind und deren Em pörung hervorgerufen haben, werden diesmal von der Regier ung des Kongostaates nach dem ehedem beliebten Schema des hartnäckigen Leugnens nicht mehr bestritten werden können. Die bereits erwähnten indirekten Bestätigungen jener Ausschrei- ColonialpolittfcheS» Wie der „Hamburgische Correspondent" erfährt, hat die Firma C. Wörmann ihre sämmtlichen Liegenschaften und Gebäude i, ttamerun, sowie ihre sämmtlichen Geschäfte an die Gesellschaft „Nord-West-Kamerun" verkauft. Adolf Wörmann wird in den Aufsichtsrath der Gesellschaft „Nord-West-Kamerun" eintrete». Auch die Gebäude und die Liegenschaften der Firma Jantze» und Thormaelen hat die genannte Gesellschaft übernommen. Der Krieg in Mßfrikt. Der Telegraph bringt unS heute die erfreuliche Kunde von einem neuen Erfolg der Buren: London, 11. April. Die „Daily NewS" meldet aut Prätoria vom 9. amtlich: 600 Engländer getödtet und verwundet, 800 gefangen in einer neuen Schlacht am 7. April südlich von Brandsort (im Norden von Bloem fontein). Andere in London eingetrosfene Meldungen aus Burenquelle bestätigen den Burensieg und nennen als Schlachtort MerkatSfontein. Die Burea- verluste sind minimal. Sieger ist Burengeneral Dewet. Das ist binnen wenigen Tagen nun schon der dritte Erfolg der Buren! Roberts Lage wird immer schwieriger! Von der ung ün st ig en L a g e, in die L ord Robertz infolge seiner Festsetzung in Bloemfontein und der energisch auf genommenen Offensive der beweglichen Burenlommandos ge- rathen ist, aiebt folgende Darlegung der Londoner „Kabelkor- respondenz^vom 9. d. M. ein anschauliches Bild: „Feinde ringsum!" kann heute Lord Roberts mit Recht aut- rufen. Die Freistaatler haben ihre Einkreisungs- Operationen fast zum Abschluß gebracht, ihre Geschütze beherrschen bereits an mehr als einer Linie die Verbindungslinien des Feldmarschalls, die Telegraph en- linien selbst sind bereits an 2 S t e l l e n durchschnit ten, und die fliegenden Kommandos der Fö- derirten operiren bereits, fast ohne Widerstand zu finden, wieder von der Modder bis zum Orajeflusse hinab. In den wenigen vorher von den Engländern besetzten Orten, welche inzwischen bereits wieder geräumt wurden, ifi das britische Banner von der Bevölkerung selbst entfernt wor den, und in zwei Fällen sind die von den Engländern eben erst eingesetztenBeamten hinter den abziehendenTruppen hergeflohen. Rouxville ist von den Briten eiligst wieder geräumt. Die zum Friedenhalten eingeschworenen Freistaatler haben sich selbst in nächsterNähe der Eisenbahnlinie wieder erhoben, und die zu deren Schutz aufgestellten Truppen haben auf wenige Hauptpunkte konzentrirt werden müssen, die ihrerseits auch wieder bedroht sind. Selbst Ali- wal - Northam Oranjeflusse ist bereits so bedroht, daß die Engländer aus der dortigen Bevölkerung britischerAbstammung eine Stadtwache zum Schutze des Ortes bilden, und eine erst heute eingegangene Depesche vom 6. d. M. meldet bereits „zahlreiche Buren 24 Kilometer südlich am Oranjefluß." — Ueber die Lage um Bloemfon tein fehlen heute weitere zuverlässige Nachrichten, wie über haupt die meisten Kabelberichte bis zum 5. April zurückdatiren, an welchem Tage u. a. der Korrespondent der „Morning Post" meldet: „Sie brauchen um die Sicherheit Bloemfonteins nicht in zielle Erträge für die Reichskasse verbürgen. Will man daneben rm Reichstage noch Steuern auf Vorrath beschließen, so braucht die Regierung einem solchen Versuche nicht entgegenzutreten; aber man wird, wie dies schon früher geschehen ist, darauf Hin weisen müssen, daß diese neuen Steuern sich in Folge anderer Pläne des Centrums erübrigen. Das Centrum wünscht eine Erhöhung der jetzigen Getreidezölle und damit die Einführung eines größeren Schutzes der deutschen Landwirthschaft. Mit der Erhöhung dieser Zölle sind aber auf alle Fälle größere Einnah men für die Reichskasse verknüpft und man kann sicher sein, daß die letztere vom Jahre 1904 ab noch bedeutend günstiger gestellt sein wird, als jetzt schon. Wie soll da überhaupt noch von einem Mangel an Deckungsmitteln die Rede sein können? Politische Umschau. Freiberg, den 11. April. Deutschland. Der Kaiser telegraphirte an den Oberbür germeister Kirschner: „Se. Majestät der Kaiser Franz Joseph hat Mrr die hocherfreuliche Mittheilung zugehen lassen, er beab sichtige in den ersten Tagen des Mai die Kaiserin und Mich zu besuchen. Ueberzeugt, daß die Bürger der Residenzstadt in treuer Verehrung und warmer Zuneigung zu dem hohen Gast emporblicken, der einst ein treuer Freund unseres unvergeßlichen großen Kaisers war, theile Ich Ihnen den bevorstehenden Be such mit, damit Meine Berliner frühzeitig in der Lage sind, die Stadt würdig zu schmücken zum Willkommen für Meinen ver- . ehrten treuen Verbündeten." FürdenBesuch deS Kaisers Franz Josef am , Heutffchen Kaiserhofe find drei Tage in Aussicht genommen. < Die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." wendet sich gleichfalls gegen ' die Manier der „Times", die deutsche Regierung für die be- , leidigenden Angriffe deutscher Witzblätter gegen Mit- j glieder des englischen Königshauses verantwortlich zu machen, und sagt: Nach dem deutschen Preßgesctz ist unsere Presse so . unabhängig, wie die eines anderen Landes. Die deutsche Re- gierung verfügt über keinerlei Druckmittel, um den Blättern eine - bestimmte Haltung aufzunöthigen. DaS deutsche Strafgesetzbuch ist die Handhabe zur Strafverfolgung nur bei Beleidigungen , gegen den Landesherrn oder den Regenten eines fremden Staates, und die Strafbarkeit ist auch in diesem Falle von zwei Beding ungen abhängig: Einmal, daß die Gegenseit gkeit der Strafver folgung in dem fremden Staate verbürgt ist, und zweitens, daß die auswärtige Regierung einen Strafantrag stellt. So viel wir wissen, bestehen in England keine gesetzlichen Vorschriften, die Beleidigungen gegen das Oberhaupt eines fremden Staates als eine besondere Strasthat behandeln und mit einer härteren Strafe, als die gegen eine Privatperson gerichtete Beleidigung, bedrohen. Selbst wenn aber doch die Gegenseitigkeit zur Strafverfolgung vou Majestätsbeleidigungen verbürgt wäre, würde noch die Stell- ung eines Strafantrags seitens der englischen Regierung er- ; forderlich fein. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, so kann ' auch die deutsche Regierung nicht einschreiten. Die klerikale „Germania" erfährt, Graf Balle st r e m sei vom Papst sehr gnädig empfangen worden, der Papst sagte jedoch lein Wort über die Flottenvorlage. — Dieselbe Zeitung meldet weiter, das Befinden Dr. Liebers in Kam- berg ser durchaus zufriedenstellend, wengleich der Rekonvales zent noch in itder Beziehung die Nachwehen der schweren Er krankung verspürt. Wir lesen in der „Tägl. Rdsch.": Nachdem in diesen Ta^en der Präsident des deutschen Reichstages, der Jesuitenschüler Graf Ballestrem, dem Papste in Rom seine Huldigung darge bracht, sollen, dem „Reichsb." zufolge, am 6. d. M. in Rom hundert katholische Matrosen vom deut schen Geschwader eingetroffcn sein, denen der Pap st eine Audienz gewähren werde. Welchen Zweck diese Ko mödie haben soll, ist noch nicht klar ersichtlich. Glaubt man durch eine solche Theatervorführung die Sympathien des Zen trums für die Flottenvorlage zu stärken, so sollte man sich doch auch der Einsicht nicht verschließen, daß derartige unwürdige Kunststückchen in dem größten Theile des deutschen Volles eine Verstimmung erregen, die der Flottensache reichlich soviel scha det, als ihr durch die Aufmunterung der Herren Ultramontanen etwa genützt werden sollte. Wir möchten übrigens bis auf Wei teres hoffen, daß die Nachricht schleunigst dementirt wird. DaS Reichsgericht in Leipzig hat, wie schon gemeldet, im „Harmlosen-Prozeß" die Revision des Staatsanwalts als be gründet anerkannt, weil von dem Gerichtshof der Begriff der Gewinnsucht verkannt worden sei, das Urtheil erster Instanz aus gehoben und den Prozeß zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht in Berlin zurückverwiesen. Es ist also eine Neu auflage der Verhandlungen, die vom 2. bis zum 21. Ott. v. I. im Moabiter Kriminalgericht der Oeffentlichkeit einen Einblick in ein bis dahin weiteren Kreisen wenig bekanntes Milien öffneten, zu erwarten. Allerdings wird der eine der Hauptangeschuldigten mit Sicherheit, und der zweite möglicherweise auf der Anklagebank fehlen. Der frühere Regierungsreferendar v. Kayser ist ansge wandert und wird in keinem Falle sich zu einer erneuten Ver handlung einfinden. Herr v. Kröcher aber befindet sich zur Zeit in Monaco, und es wird von feiner freien Entschließung ab- HLngen, ob er sich dem Richter nochmals stellen oder bis auf Weiteres außer Landes bleiben will. An der Anwesenheit des dritten Angeklagten, des Herrn v. Schachtmcyer, auf die allein wohl mit Sicherheit zu zählen wäre, wird dem Strafrichter nicht allzu viel gelegen sein. Wie sich im Oktober v. Js. ergeben hat, ist er so wenig kompromittirt, daß seine abermalige Freisprech ung mit Sicherheit zu erwarten ist. — Ueber die Verhandlungen in Leipzig wird noch berichtet: Nach Verlesung des Revisions antrags und einer prozessuellen Eingabe des Angeklagten Kröcher ergriff Reichsanwalt Jsenbiel das Wort zur Vertheidigung der Revision. Er wies darauf hin, daß durch Hereinziehung allzu-