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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 21.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189907217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990721
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990721
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-21
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 21.07.1899
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Aus dem preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten ist durch ein Telegramm an den Magistrat zu Dortmund der Besuch des Kaisers in Rheinland-Westfalen abgesagt worden. Der Besuch des Kaisers bei Geheimrath Krupp aus Billa Hügel ist gleichfalls abgesagt worden. Der Unfall, welcher die deutsche Kaiserin in Berchtesgaden bei einem Ausslug betroffen hat, ist durchaus nicht ernster Natur, doch ist die hohe Patientin natürlich vorläufig gezwungen, das Zimmer zu hüten und leidet ziemlich heftige Schmerzen, da der Fuß angeschwollen ist. Sie wird von ihrem Leibarzt, welcher noch den Berchtesgadener Bezirksarzt vr. Roth hinzugezogen hat, behandelt. — Durch diesen bedauerlichen Unfall wird das Familienleben der kaiserlichen Familie allerdings etwas getrübt. Bisher wurde es schon um 6 Uhr Morgens — so schreibt man aus dem oberbayrischen Kurorte, in den Schiasziinmern . lebendig; die Prinzen und die kleine Prinzeß müssen ausstehen, sich ankleiden und frühstücken dann mit der Mutter gemeinsam. Alsdann begiebt sich die Prinzeß nach dem Schulzimmer, um unter Aufsicht ihrer Lehrer einen mehrstündigen Unterricht zu genießen. Hierauf folgen körperliche Hebungen, Bäder und Spaziergänge durch die Parkanlagen des Ortes bis gegen 12 Uhr mittags, wo die kaiserliche Familie zum zweiten Frühstück sich vereint. Bis um 2 Uhr findet dann eine durch Spiele ausge füllte Pause statt, woran sich die größeren Ausflüge und Berg fahrten anschließen. Diese dehnen sich bei günstiger Witterung bis gegen 6 Uhr abends aus und haben die kaiser liche Familie bisher u. A. über Jlsank nach Schönau, nach der Almbachklamm, nachBischofswies, dem Watzmann, nach dem Königs- und Obernsee u. s. w. geführt. Die kaiserlichen Prinzen tragen bei dieser Gelegenheit stets farbige Bergtracht, seltener Matrosen tracht, und werden bei größeren Bergsahrten stets durch alte, ersahrene Bergführer geleitet. Nach der Rückkehr ins „Grand- Hotel" findet die Hauptmahlzeit statt. Die Zwischenzeit bis 9 Uhr abends wird ausgefüllt durch Musiziren und die verschiedenartigsten Spiele, welche von der Kaiserin persönlich veranstaltet und ge leitet werden. Um 9 Uhr liegt das Hotel in Dunkel gehüllt; die kaiserliche Familie ist schlafen gegangen. Man schreibt den Berl. „N. Nr.": „In einer Zuschrift an den „Figaro" aus Bergen über den gemeinsamen Aufenthalt der Kaiserlichen Nacht „Hohenzvllern" und der Schul- schlsfe „Iphigenie" und „Gneisenau" war bekanntlich behauptet worden, die „Hoheuzollern" hätte beim Einlaufen in den Hafen zu Ehren des bereits anwesenden französischen Schul schiffes die Tricolore im Großtopp gehißt gehabt. Allerdings hat die „Hoheuzollern", nachdem sie in Bergen zu Anker gegangen war, für einige Zeit auch unter der französischen Tricolorc gelegen und zwar bei Gelegenheit der Entgegnung des Saluts, nachdem die „Iphigenie" die „Hohenzvllern" durch die für den Kaisersalut vorgeschriebene Anzahl von Schüssen begrüßt hatte. Die „Hohen- zollern" mußte bei dieser Gelegenheit die französische Kriegsflagge hissen, um die „Jphigönie" zu verständigen, daß der von der Kaiseryacht abgegebene Salut ausdrücklich der Gegensalut für den von der „Iphigenie" vorangegangenen sei, denn die „Hohen- zollern" hatte während des Ankermanövers auch die norwegischen Farben salutirt und bei dieser Gelegenheit die norwegische Kriegs flagge gehißt. Das Liegen der „Hohenzvllern" unter der Tricolore, das der „Figaro" ausdrücklich glaubt hervorheben zu müssen, erklärt sich daher auS Gründen der seemännischen Kriegsschiffs- etiquette von selbst." Das Gesetz über die Feuerbestattung ist in Hessen nun auch von der ersten Kammer angenommen worden. Am Steffie'- Heirath. Roman von Heinrich Lee. sl. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Curt wußte, welcher Plan mit seiner Schwester von dem Oberst beabsichtigt wurde. Er wußte auch, auf welche Schwierigkeiten er bisher gestoßen hatte. Mit Steffie stand er in einem zärtlichen brüderlichen Briefwechsel. Heute früh hatte er ein Schreiben von ihr erhalten, worin sie ihn von dem statt gehabten Besuche der Frau von Arnsberg benachrichtigte, jedoch ohne ein weiteres Resultat ihm darin mitzutheilen. Steffie schwärmte bereits für die schöne und liebenswürdige Verwandte; der Brief war von diesem Gefühle voll. „Du sichst sie gewiß sehr oft," schrieb sie — „und Du empfindest sicherlich soviel Verehrung für sie wie ich. Ich kann mir wenigstens nicht denken, daß es bei Dir darin anders wäre als bei mir." Als Curt diese Zeilen las, fühlte er, wie ihm das Blut inS Gesicht schoß. UebrigenS täuschte sich Steffie. Curt verkehrte in dem Haufe des Oberst, wo er im Anfang, nachdem er in das Regiment eingctreten, allerdings ein häufiger Gast gewesen war, immer seltener. Ter Oberst hatte ihn deshalb sogar schon einmal zur Rede gestellt. „Gefällt es Dir in meinem Hause nicht?" fragte er chn in seiner kurzangebundenen Weise. Curt stotterte etwas davon, daß ihn feine Winterarbeit sehr in Anspruch nähme. Der Oberst sah ihn prüsend an und erwiderte darauf: „Dann ist es gut. Der Dienst geht natürlich vor. Es ist mir lieb, daß Du es mit dex Arbeit so ernst nimmst." Damit war zwischen den beiden Männern die Sache abgemacht. Anders verhielt es sich mit Leonie. Als Curt auf ihr Besragen die gleiche Entschuldi gung vorbrachte, richteten sich ihre Augen so merkwürdig auf ihn, daß er die seinen niederschlug. Er hätte gewünscht, in diesem Apomente vor ihr in die Erde zu sinken. Er dachte, daß sie seinen Grund errieth. „Ich glaube es Ihnen, lieber Curt", sprach sie darauf — „Ihr Fleiß braucht Sie nicht in Verlegen heit zu setzen. Das gefällt meinem Manne an Ihnen und ich wäre eine schlechte Soldatenfrau, wenn ich Sie dem abtrünnig machen wollte." Ihre Worte, der warme Ton ihrer Stimme klangen so wahr und aufrichtig, daß er wieder aufathmete. Nein, sie errieth von dem, was in ihm vorging, nichts, sie glaubte ihm. Er war ja schon glücklich, wenn er sie nur sah, besonders, wenn sie selbst ihn dabei nicht beachtete, denn dann verwirrte sie ihn nicht. Es war eine grenzenlose Verehrung, was er für sie empfand, eine Verehrung, die rein und flecken los war und die Niemanden beleidigen konnte. Er freute sich, daß Steffie, mit der er sich auch sonst in Allem einig fühlte, ob wohl er sie im ganzen Jahre nur einmal, während seines Ur laubs, sah, auch hierin, wie ihr Brief ihm sagte, nut ihm über- elnstimmte. Nun kündigte ihm die so verehrte Frau die frohe Botschaft an, daß er Steffie in wenigen Tagen Wiedersehen sollte, daß sie fortan in seiner nächsten Nähe bleiben würde. Wenn er vor Leonie in diesem Augenblicke wieder wie ein Schulknabe stand, so hatte wohl auch die brüderliche Freude daran schuld und Frau von Arnsberg schien das ganz richtig zu deuten. „Ich hoffe also, Sie lassen sich nun trotz der Winterarbcit jetzt wieder öfter bei uns sehen", sagte sie schalkhast. Curt brauchte nicht darauf zu antworten. Andere Herr- chaften nahmen Frau von Arnsberg bereits wieder in Anspruch. Er bekam einen Zettel in d,e Hand gedrückt, ans welcyem der Name seiner Tischdame stand. Tie Thüren zum Speisesaale 4. Juli hat die zweite Kammer der hessischen Stände den betr. Gesetzentwurf in kaum halbstündiger Erörterung mit allen gegen neun Stimmen angenommen. Die Erörterung drehte sich Haupt» sächlich um den Art. 2 der Vorlage, der nach dem Regierungs entwurf lautete: „Die Feuer-Bestattung darf nur auf Grund schriftlicher Genehmigung der Ortspolizeibehörde des Bestattungs orts erfolgen." Die Mehrheit des Kammerausschnsses beantragte mit Zustimmung der Regierung die Fassung: „Die Feuerbestattung darf nur erfolgen, wenn sie von dem Verstorbenen angeordnet und van der Ortspolizeibehörde des Bestattungsorts schriftlich genehmigt worden ist." Selbstverständlich sind dem Gesetz noch verschiedene Kautelen beigefügt, die aber an der angeführten grundsätzlichen Bestimmung nichts ändern. Die katholischen Mit glieder des Hauses haben mit einer Ausnahme gegen das Gesetz gestimmt. Die Mehrheit der Kammer ist bei der Abstimmung vom Jahre 1892 geblieben. Aus Darmstädter Quelle vernimmt die „Frkf. Ztg.", daß gegen den Landgerichtsdirektor Küchler nunmehr wegen Ver gehens gegen den tz 211 der Konkursordnung ein Strasverfahren eingeleitet worden ist. In Augsburg wurden am Dienstag von ausständigen Maurern in der Wertach-Vorstadt vor einem Fabrikanwesen, in welchem italienische Maurer arbeiten, Ruhestörungen verübt. Die Ausständigen suchten, verstärkt durch Hunderte von dort wohnenden Leuten, in die Fabrik einzudringen und als dies durch Anwendung von Waffergüssen und Feuerspritzen vereitelt wurde, sandten sie einen Steinhagel gegen die Fabrik. Die Polizei war machtlos und es mußte telephonisch Militär requirirt werden, welches jedoch nicht ernstlich einzugreisen brauchte. Der Auflauf dauerte bis gegen 12 Uhr Nachts. Mehrere Verhaftungen wurden vorge nommen. Niederlande. Von der Friedenskonferenz wird gemeldet: Die dritte Kommission verhandelte gestern über den Paragraph 3 des Schiedsgerichtsentwurfs, der von dem Untersuchungsausschuß handelt. Die Vertreter Rumäniens, Serbiens und Griechenlands erklärten, ihre Regierungen könnten der in Vorschlag gebrachten Einrichtung nicht zustimmen. Die Kommission nahm Akt von diesen Vorbehalten und genehmigte in erster Lesung den Artikel 9 und die solgenden Artikel des Schiedsgerichts-Entwurfes. Das englische Unterhaus nahm die zweite Lesung der Vor lage an, durch welche 3100000 Pfund Sterling für Bauten der Marine-Verwaltung als Ergänzung zu dem Flottenbaugesetz vom Jahre 1895 bewilligt werden. Der Civil-Lord der Admiralität Austen Chamberlain theilte mit, daß die Ausgabe sich auf zwei Jahre vertheilen werde. Trankreich. Je näher der Zeitpunkt der Kriegsgerichts verhandlung in Rennes heraurückt, in desto reicherer Fülle strömen Nachrichten und Gerüchte von sehr ungleicher Glaub würdigkeit über Umfang und Methode des Prozeßverfahrens. Der Pariser Vertreter der „Jndsp. Belg." will erfahren haben, der Regierungskommissar beim Kriegsgericht, Major Carrisre, werde die Anklage gegen Hauptmann Dreyfus einfach fallen lassen. Das wäre in solchem Maße verständig und billig, daß man Bedenken tragen muß, es als wahrscheinlich zu betrachten. Die Vertheidiger des Hauptmanns Dreyfus haben an den Kolonialminister einen Bries gerichtet, worin sie die Einverleibung aller zurückgehaltenen Briese Dreysus' in die Akten des Kriegs gerichtes in Rennes verlangen. Dem „Figaro" zusolge geht das Gerücht, alle geheimen Aktenstücke würden ausnahmslos dem Kriegsgericht mitgethcilt und in den Verhandlungen verlesen werden. Die Aktenstücke würden in drei Theile eingetheilt werden. öffneten sich und die ganze Gesellschaft setzte sich nach der Tafel in Bewegung. Das Heim des Gesandten war wegen seiner Behaglichkeit bekannt. Es lag bescheidentlich im zweiten Stockwerk eines Privat hauses. Das Ceremoniell war, weil es sich um keinen offiziellen Anlaß handelte, auf das möglichst geringste Maß beschränkt. Ein Minister, der zugleich der älteste Herr unter den Anwesen den war, führte die Exzellenz, der Gesandte eine Hofdame der Monarchin, im Uebrigen waren die Paare ziemlich zwanglos ver theilt. War es ein merkwürdiger Zufall? Oder hatte die gute Exzellenz der schönen Frau von Arnsberg mit Absicht den besten Kavalier zugedacht, über den sie heute zu verfügen hatte? Leutnant von Brockstreek verneigte sich vor ihr und mit dem An flug einer leisen Ueberraschung legte Leonie in den ihr von ihm dargebotenen Arm ihre Hand. Der Oberst nahm mit seiner Dame aus derselben Seite der Tafel, durch einige Stühle von seiner Frau getrennt, Platz. Curt war an ein junges Land fräulein, das zum ersten Mal in diesem Winter die Gesellschaft besuchte, gcrathen. Sein Platz war leider von Leonie so ent fernt, daß er von ihr nichts sehen konnte. Die Diener reichten die Austern herum und die rege Unterhaltung, die sofort begann, bekundete, welche angenehme Stimmung bereits Platz gegriffen hatte. „Gnädigste sind heute nicht auf der Eisbahn gewesen," sagte Leutnant Brockstreek. „Nein," erwiderte Leonie, indem sie mit ihren schlanken spitzen Fingern ein Stück Citrone über die Schalenthiere anspreßte — „ich hatte Besuch. Auch finde ich, daß der Winter schon zu lange anhält und auch das hübscheste Vergnügen wird auf die Dauer langweilig." Leutnant Brockstreek schien ans diesen letzten Worten Leonies eine besondere Ironie herausznhören. „Gnädigste lieben die Veränderung, den Wechsel," ant wortete er. Aus seinem Tone klang ein vernehmlicher Sarkasmus. „Vielleicht!" entgegnete Leonie mit äußerlicher und heiterer Unbefangenheit, „am Ende bildet der Wechsel den ganzen Reiz des Lebens, ja seine Grundbedingung!" Leonie galt als eine sehr kluge Dame. Sie verstand Dinge delikater Art in einer so harmlosen Weise zu sagen, daß der jenige, für den ihre Worte berechnet waren, sich erst daran ge wöhnen mußte, in ihren eigentlichen Sinn hineinzudliugeu. Die beiden Nachbarpaare waren selber in so eifrigem Gespräch, daß Niemand von ihnen auf sie achtete. Leutnant Brockstreek biß sich auf die Lippen. Ein Diener nahm die Teller fort, ein anderer reichte zu der Suppe, die jetzt herumgegebxn wurde, den Sherry. „Gedenken Gnädigste sich an dem Wohlthätigkeitsbazar zu betheiligen?" begann Leutnant Brockstreek von Neuem die Unter haltung. „Ich habe darüber noch nicht mit meinem Manne gesprochen," sagte Leonie — „ich glaube, er liebt solche Bazare nicht." „Aber der Geschmack von Gnädigsten selbst!" „Ich werde mich natürlich dem meines Mannes nnterordnen." Leutnant Brockstreek hatte entschieden seinen schlechten Tag. Oder war eS heute Leonies bestimmte Absicht, ihn derart zu be handeln. Sie war eine Frau, die sich ihrer Schönheit und ihres Eindrucks aus die Männerwelt bewußt war; ohne daß man sie, wie sich das bei der Stellung ihres Gatten von selbst verstand, Erstens in solche, die sich unmittelbar auf Dreyfus beziehen, zweitens ui solche, die mit den ersten in Beziehung stehen, und drittens in falsche oder verdächtige Stücke. Die beiden ersten Gruppen wurden in der Untersuchung des Kassationshofes ver öffentlicht, die dritte Gruppe hatte der Kassationshof für unwürdig gehalten, entgegengenommen und in Erörterung gezogen zu werden. Sie sind Fabrikate von Agenten niedrigster Art, die an den Generalstab verkauft worden waren, wo sie nach dem Weggange Picquarts vom November 1896 bis zum Oktober 1897 zusammengestellt worden sind. — Zur Sache liegt noch folgende Drahtung aus Paris, 19. Juli, vor: Zur Charakteristik des allergeheimsten Dossiers, welches der Kassationshof als ein Sammelsurium unqualifizirbarer Lügen erklärte, dessen Vorlegung in Rennes von Mercier aber gleich wohl verlangt wird, erzählt der Figaro: Das Dossier enthält die Erzählung eines Fiakers, welcher, 1896 vernommen, berichtete, daß er 1894 zwei deutsche Offiziere nach dem Pariser Nordbahn hofe fuhr, deren einer in französischer Sprache sagte: „Es ist freilich unangenehm, daß wir in Berlin Spione haben, aber solange unser Dreyfus hier ist, genirt uns dies wenig." Das Dossier soll den vielbesprochenen Brief des deutschen Kaisers enthalten. Spanien. AuLMadrid wird gemeldet: Der Verzicht der Königin-Regentin Christine auf eine Million Peseten auS ihrer Civilliste hat nur wenig befriedigt. Die Republikaner und Carlisten, denen sich auch ein großer Theil der Liberalen an? schloß, verlangten die dauernde gesetzmäßige Herabsetzung der Civilliste, da deren Festsetzung auf der Grundlage des alten spanischen Kolonialreiches erfolgte, das ja heute nicht mehr vor handen sei. Die Liste beläuft sich aus über 20 Millionen Peseten, w bei allerdings die Besoldung einer unabsehbaren Menge von niederen und höheren Hosbeamten und Geistlichen mit eingerechnet ist. Unter diesen befinden sich sehr viele Personen, deren Aemter einen kolonialen Charakter tragen und die jetzt ebenso abgeschafft werden müßten wie das Kolonialministerium. Die bezeichneten Oppositionsgruppen verlangen deshalb die Streichung zahlreicher Hofämter und die Verkürzung der Civilliste um etwa 5 Mill., während die freiwillige Verzichtleistung der Königin auf eine Million nur für dieses Jahr giltig ist und sich voraussichtlich nur so lange fortsetzen wird, als die gegenwärtigen Finanz schwierigkeiten andauern. Schweren nnd Norwegen. Die Negierung veröffentlichte im Amtsblatt die Aenderung zweier Paragraphen des Strafge setzes (Arbeiterschutzgesetz), durch welche derjenige mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren bedroht wird, der Arbeitswillige durch Gewalt, Drohungen u. s. w. an der Arbeit verhindert. Diese Gesetzesänderungen wurden nach Annahme durch den Reichstag dein höchsten Gerichte vorgelegt, welches die Bestätigung durch den König widerrieth. Die königliche Bestätigung ijl indessen jetzt erfolgt. In der Provinz West-Gotland herrscht seit einigen Tagen eine Milzbrand-Epidemie, welche jetzt gefährliche und eigenthüm- liche Formen angenommen hat. Die Seuche ergreift nicht nur das Vieh, welches massenhaft stirbt, sondern auch Menschen, welche durch die Berührung der kranken Thiere angesteckt werden. In Falköping liegen sieben Milzbranderkrankte darnieder. Trotz der Absperrungsvorkehrungen verbreitet sich die Seuche mit großer Schnelligkeit und hat schon zahlreiche Kirchspiele erreicht. RutzkanV. Man schreibt aus St. Petersburg, 15. Juli: Die von der gesammten gebildeten Welt in Rußland erjetM Kalenderreform nähert sich immer mehr der Verwirklichung. eigentlich kokett nennen konnte. Gerade deshalb war sie gegen den jungen Offizier vielleicht diesmal abweisender als sonst, weil sie sich erinnern mochte, daß sie ihm in der letzten Zeit eine größere Annäherung gestattet hatte, als sie verantworten wollte. Oder auch, es machte ihr Spaß, ihn ein wenig zu foltern und ihn ihre Üeberlegenheit fühlen zu lassen. Wer konnte sagen, was in ihr vorging? Leutnant Brockstreek wurde einsilbig. Die Tafel nahm ihren Verlauf. Der Hausherr klopfte an sein Glas und brachte einen kurzen Willkommen auf seine Gäste ans. Die Stimmung belebte sich immer mehr. Leonie war um Unterhaltung nicht verlegen. Ihr rechter Nachbar, ein jovialer alter Geheimer Rath, und die Gegenübersitzenden kehrten ihr nun, als hätten sie auf die Ge legenheit schon längst gewartet, ihre Aufmerksamkeit zu. Leonie wurde sehr aufgeräumt und heiter, der alte Herr wagte schon in allem schuldigen Respekt sie einmal scherzhaft „Frau Komman deuse" zu nennen und der Champagner, von dem sie selbst nur wenig trank, that seine allgemeine gewohnte Wirkung. Nur Brockstreek saß mit mühsam bezähmter Unzufriedenheit da und knetete Brotkügelchen. „Sie sind mit mir nicht sehr gesprächig, Herr von Brockstreek," sagte Leonie, als man beim Eis angelangt war, und ein ver söhnliches Lächeln spielte wieder über ihr Gesicht. „Ich fürchte, Gnädigste zu ennuyren," erwiderte Herr von Brockstreek kalt. „Sie sind empfindlich. Es scheint, ich habe Sie verletzt. Wenn es der Fall ist, dann bitte ich Sie um Verzeihung." Sie sah ihn dabei mit einem kurzen, aber so bezaubernden Blick an, daß er selbst einen Feind hätte zu Boden zwingen müssen. That es ihr nm ihn leid? Fühlte sie, daß sie zu weit gegangen war und wollte sie einen solchen Verehrer nicht aus den Händen geben? Oder wollte sie an der Tafel, wo die Schweigsamkeit ihres Nachbarn vielleicht endlich bemerkt wurde, nur jedes Auf sehen vermeiden. „Gnädigste sind in sehr guter Laune," sagte Brockstreek so ironisch, als es die Höflichkeit erlaubte. „Sie sind wirklich heute nicht sehr amüsant," lächelte sie wieder und Jeder, der sie beobachtete, mußte glauben, sie unter halte sich mit ihrem Nachbarn über so landläufige Dinge wie die Anderen am Tisch — „heute in acht Tagen ist wieder mein Jour. Ich hoffe Sie bei mir zu sehen. Werden Sie kommen? Ant worten Sie! Man steht schon auf." In der That erhob sich, nachdem die Hausfrau das Zeichen dazu gegeben hatte, jetzt Alles von den Stühlen. „Ja oder nein?" fragte Leonie noch einmal leise, indem sie gleichfalls ausstand. „Ich werde kommen," antwortete endlich Herr von Brockstreek. Die ganze Gesellschaft begab sich wieder in den anstoßenden Salon zurück. Die Herren traten zum größten Theil ins Rauch zimmer, um dort der Cigarre und einem wohlgekühlten Pilsener zu sröhnen, auch der Oberst, Curt und Herr von Brockstreck hatten sich dazu gesellt. Die Damen verfügten sich in das durch offene Vorhänge abgetrennte Musikzimmer, wo Leonie auf Bitten ihrer mütterlichen Protektorin sich am Klavier niedcrließ. Ihr Klavier spiel war bereits berühmt geworden. Es schien, als gäbe es nichts, worin sie nicht Meisterin war. Curt wäre gern den Damen gesolgt. Aber seine Schüchtern heit hielt ihn zurück. So hörte er jetzt einem ernsten Gespräche zu, das sich wieder um den Obersten bildete. (Forts, folgt.)
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