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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189907075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990707
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990707
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-07
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.07.1899
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HS 155 Freiberger A«zeiger mW Lageblatt, «eite S. — 7. Juli. IM» Samoa. Der Korrespondent der „Times" in Apia er fährt, wie er seinem Blatte in einem vom 28. Juni datirten Telegramme mittheilt, auS bester Quelle, daß die Kommissare für die Ernennung eines Administrators eintreten, der nicht Unter- than einer der drei Mächte sein soll. Demselben solle ein aus Vertretern der drei Mächte gebildeter Rath zur Seite stehen. Di« Kommissare begünstigten ferner den Plan, den Oberhäupt lingen «ne ausgedehnte Vollmacht in den ihnen unterstellten Distrikten zu geben und einen aus Eingeborenen bestehenden Rath zu bilden, in welchem die einzelnen Distrikte vertreten seien und der in Apia tagen soll. Dieser Rath soll das Recht haben, Beschlußanträge anzunehmen und Vorschläge in Angelegenheiten, welche lediglich die Interessen der Eingeborenen berühren, zu machen. Außerdem beabsichtigen die Kommissare, den Mächten eine Erweiterung der Jurisdiktion des Oberrichters namentlich mit Bezugnahme auf verschiedene Verbrechen anzuempfehlen. Von Weißen und Eingeborenen seien bei den Kommissaren und bei den Konsuln zahlreiche Ansprüche auf Schadenersatz für die Ver luste während der letzten Feindseligkeiten und während des Bom bardements gestellt worden. Dem Reuter-Bureau wird ferner aus Apia vom 28. v. M. gemeldet: Es sind bereits 3500 Gewehre (die unter dieMalietoa- leute vertheilten nicht mitgerechnet) eingeliefert worden. An Stelle des deutschen Kriegsschiffes „Falke", das nach Sydney ab gegangen, ist der „Cormoran" hier eingetroffen. Die Mataafa- häuptlinge und die Malietoahäuptlinge hatten an Bord des amerikanischen Kreuzers „Badger" in Gegenwart des deutschen, des englischen und deS amerikanischen Kommissars eine Zusammenkunft, in deren Verlauf sie sich die Hand reichten und Frieden schlossen. Zwischen Mataafa und Malietoa ist ebenfalls eine Zusammenkunft vereinbart, der die drei Kommissare bei wohnen werden. Der Friede ist gesichert. Beide Theile sind friedlich in ihre Dörfer zurückgekehrt und warten fetzt die Aktion der drei Mächte ab. Die Kommissare bereisen die Inseln, er klären den Eingeborene« ihre Beschlüsse und versöhnen dieselben. Dr. Sols übt das Amt des Präsidenten der Munizipalität aus und steht in gutem Einvernehmen mit den Eingeborenen. such abstattete. — Um 10 Uhr folgte der Besuch der Strohhnt- fabrik Reichel. Die Besitzer der Fabrik, die Herren Reichel Vater und Sohn, übernahmen selbst die Führung. Die interessante Besichtigung nahm ziemlich zwei Stunden in Anspruch. Di Fabrik besteht über 60 Jahre, sie ist vor einigen Jahren neu gebaut und mit den neuesten und besten Einrichtungen versehen worden. Man findet hohe luftige ArbeitSsäle, elektrisches Licht, elektrische Ventilation, Gypsdecken u. s. w. Der oberste Raum in der Fabrik ist der Lagerraum für die verschiedenen Stroh- geflechte. Die Besucher wurden hier auf die verschiedene Schwere der Geflechte aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, daß das japanische Geflecht das leichteste von allen ist. Im zweiten Saale sind die Nähmaschinen aufgestellt; es werden hier bei vollem Betrieb zu Saisonzeiten 150 Mädchen beschäftigt. Im nächsten Stockwerk sind die Räume für die Modelle und für daS Garmren der Hüte, während zwei weitere Stockwerke als Lager und Packräume für fertige Hüte dienen. Die Fabrik fertigt in einer Woche ungefähr 500 Dutzend Hüte. Nach Worten des Dankes an die Besitzer der Fabrik und nachdem sich die meisten Theilnehmer Andenken in der Form von Hüten erworben hatten, ward der alten Nikolaikirche ein Besuch abgestattet. Hier hatte der Gewerbeverein den Freiberger Gästen eine sinnige Aufmerksamkeit bereitet. Beim Eintritt in die Kirche ertönte Orgelklang und der Kirchenchor unter Leitung des Herrn Kantor Hellriegel sang zur Begrüßung zwei Lieder. Darauf übernahm der Herr Diakonus die Führung durch die Kirche. Letztere stammt aus dem 13. Jahrhundert, sie besitzt größere Wandgemälde mit Dar stellungen der Legende vom heiligen Nikolaus und Christo phorus. Die Gemälde sind neuerdings erst wieder frei gelegt worden, freilich sind sie ziemlich stark beschädigt. Außerdem besitzt die Kirche eine Anzahl alte interessante kirchliche Gegenstände. Inzwischen war die Mittagszeit herangekommen. An dem Mittagsmahl im Goldenen Stern betheiligte sich auch eine größere Anzahl Herren und Damen des dortigen Gewerbe vereins. Um 3 Uhr fand unter Führung des Herrn Stadtrath Mende ein Besuch des städt. Elektrizitätswerks statt. Dasselbe ist in dem Maschinengebäude der Müllerschule untergebracht, besitzt eine Maschine mit 90 U. k. und eine solche mit 50 U. k. Das Werk verzinst sich bis jetzt mit 8 Prozent. Nach eingehender Be sichtigung aller Betriebseinrichtungen ward noch dem alten Rath- haus ein Besuch gewidmet, worauf man nach dem Goldenen Stern zurückkehrte, wo sich inzwischen zahlreiche Mitglieder des Dippoldiswaldaer Gewerbevereins mit Damen eingesunden hatten. Es fand sodann ein Tänzchen statt, in dessen Verlauf seitens der Freiberger Gäste für die liebenswürdige Ausnahme gedankt ward. Die Mitglieder des Dippoldiswaldaer Gewerbevereins ihrerseits verliehen ihrer Freude Ausdruck über den Besuch, den sie im nächsten Jahre in Freiberg erwidern wollen. Gegen 10 Uhr Abends ward die Heimreise angetreten. — Der Erzgebirgsverein Freiberg ladet seine Mit glieder und ihre Angehörigen für nächsten Sonntag, 9. Juli, zu dem bereits angekündigten Ausfluge in das untere Colmnitzthal und nach Klingenberg nochmals ein in der Ueberzeugung, daß diese Wanderung den Theilnehmern hohen Genuß bereiten wird. Auf einige Einzelheiten und Vorzüge dieser Partie ist bereits hingewiesen worden. Hoffentlich begünstigt diesmal ein heiterer Himmel das Unternehmen und spornt zu lebhafter Betheiligung an dem sehr empfehlenswerthen Spaziergange an. Die Ver sammlung der Theilnehmer findet wieder punkt 2 Uhr an der Jakobikirche statt; die Rückfahrt mit der Eisenbahn von Klingen berg nach Freiberg erfolgt 7 Uhr 21 Minuten oder auch 8 Uhr 49 Minuten. — Sachsen zählt gegenwärtig 11000 Eingeschätzte mit einem Einkommen von 10000 bis 100000 Mark und 400 Eingeschätzte mit einem Einkommen von mehr als 100000 Mark. — Eine wichtige Rolle im heutigen Verkehr spielt das große Reisegepäck und doch findet dieses nicht immer vor der Abreise die erforderliche Beachtung. Dies gilt besonders von großen Koffern und Körben, welche der Eigenthümer für die Dauer der Fahrt gänzlich aus den Augen verliert. Je leichter die Stücke an Gewicht, desto geringer die zu zahlende Gepäckfracht. Man sei daher, wenn man mit dem Gelde haushälterisch umgehen muß, überlegt in der Auswahl der mitzunehmenden Effekten, insbesondere unterlasse man die Mitnahme von allzuviel Leib wäsche, welche bekanntlich schwer wiegt. Wer sich nicht mit viel Stücken schleppen will, thut gut, mittels Postpacketen, die sehr billig sind, Hüte, seine Wäsche u. s. w. vorauszusenden, diese Be- sörderung ist sehr schnell. Reisekörbe lasse man mit Leinwand : ausschlagen und versäume niemals die vollständige Adresse mit : Wohnort und Reiseziel im Inneren oben aufzulegen. Schon oft : hat diese Vorsicht zur schnelleren Herbeischaffung verloren ge- AuSbildung kümmern, und auch die zu Schaubezirken vereiute« Orte werden wohl daran thun, die von ihnen in Aussicht ge nommenen Personen zur Theilnahm« an den Kursen zu ver anlassen, da sie sonst Gefahr laufen, daß sie mit dem muthmaßlich am 1. April, spätestens am 1. Juli 1900 zu erwartenden Inkrafttreten des Fleischbeschaugesetzes sich der in benachbarten Bezirken befindlichen Fleischbeschauer oder der Thierärzte bediene» müßten, wodurch in jedem Falle der Gemeindekaffe die Vergütung der nothwendigen Reisen zur Last fallen würde. Weiterhin s« bemerkt, daß bis jetzt etwa 500 Laienfleischbeschauer auSgebildet und die meisten derselben auch bereits geprüft sind, daß aber weitere 500—600 gebraucht werden, daß ferner an den Schlacht höfen in Dresden und Chemnitz die Ausbildungskurse für die nächste Zeit voll besetzt sind, daß dagegen an den Schlachthöfen in Leipzig, Zwickau und Zittau Theilnehmer angenommen werden. — Im Monat Juni.meldeten sich zum Gewerbsbetttebe an: 1 Kurzwaarenhändler, 1 Produkten- und Flaschenbierhändlerin, 1 Kolonialwaarenhändlerin, 1 Schneider, 1 Näherin, 1 Lohn fuhrwerksbesitzer, 1 Baugewerke, 1 Scharwerksmaurer, 2 Fleischer, 3 Inhaber des Leichenbestattungsunternehmens „Pietät", 2 Bau unternehmer (1 Firma), 1 Garn-, Zwirn-, PosamentengeschäftS- Jnhaberin, 1 Woll- und Weißwaarenhänder, 1 Damenschneiderin, 1 Sattler, Tapezierer und Wagenbauer, 1 Wollwaarenhändlerin. — Mit klingendem Spiele traf gestern Nachmittag gegen 2 Uhr das hiesige Jägerbataillon in Dresden ein. Das Bataillon war von Offizieren der Garnison und der Kapelle deS 2. Jägerbataillons Nr. 13 eingeholt worden. Offiziere und Mannschaften befanden sich in guter Verfassung. — Die am Montag unternommene Exkursion des Hand werkervereins hatte sehr unter der Ungunst der Witterung zu leiden, auf 150 Theilnehmer hatte man gerechnet, aber nur 26 waren bei strömendem Regen früh ^6 Uhr am Bahnhof er schienen. Da das Wetter einen Spaziergang durch die Haide un- thunlich erscheinen ließ, fuhr man direkt nach Dippoldiswalde, wo die Ankunft ^9 Uhr erfolgte. Eine Deputation des dortigen Gewerbevereins empfing und begrüßte die Ankommenden. Nach kurzer Einkehr im Bahnrestaurant besichtigte man die Stadt, welche infolge deS Tags vorher stattgefundenen Elbgau-Turn- festes noch festlich geschmückt war, wobei man dem Ausschank des Freibergsdorfer Pillerbräu's in Stadt Dresden einen kurzen Be Religionsunterricht ertheilen dürfen, wenn dieselben die Be- cheinigung beibringen, daß sie aus ihrer bisherigen Religions- ^emeinschast entlassen sind, dann werden sie nur in sehr seltenen Fällen um die Ertheilung solchen Religionsunterrichts ange gangen werden; denn die katholischen Priester werden sich über haupt weigern, solche Zeugnisse zu geben und wenn Jemand daran denkt, seine Konfession zu wechseln, so will er doch die neue erst kennen lernen und begehrt deshalb Religionsunterricht und nur dann, wenn er sich infolgedessen von der Wahrheit der- elben überzeugt hat, wird er sich wirklich zum Uebertritt ent- chließen und sich das Entlassungszeugniß holen. Was soll denn aus ihm werden, wenn er das letztere schon vorher geholt hat und er kann sich nach dem Unterricht nicht zum Uebertritt ent- chließen? Deshalb wird auch der weitherzigste Geistliche als Zeelsorger geradezu die Pflicht haben, dem Manne zu sagen: ich änn dir das Entlassungszeugniß nicht eher ertheilen, als bis du durch den Religionsunterricht die andere Konfession genau kennen gelernt und du dich dann in Wahrheit für die eine oder die andere ^entscheiden kannst — also erst Religionsunterricht und dann Austrittsbescheinigung. Man denke sich, daß diese Bestimmung auch für die Juden- und Heidenmission gelten sollte, so könnten beide ihre Thätigkeit von vornherein einstellen. Und wenn die Apostel erst solche Entlassungs-Bescheinigungen von den jüdischen Religionsbehörden oder heidnischen Tempelvor ständen hätten verlangen sollen! — wo wäre dann die Aus breitung des Christenthnms geblieben? Sie hätten dann auch Niemand zu ihren Predigten zulassen dürfen, der nicht eine Entlassungs-Bescheinigung aufgewiesen hätte. Denn ihre Predigt war ja auch ein Unterricht. — Um die Absender eines Telegramms in die Lage setzen zu können, die Nacht-Zustellung eines Telegramms auszu schließen, was gegenüber kränklichen oder betagten Personen nicht selten von Werth ist, bestimmte das Reichspostamt schon zu Ende vorigen Jahres, daß mit dem vor die Aufschrift einer Depesche zu setzenden Vermerk: „Tages" bezweckt werden könne, daß ein solches Telegramm nur am Tage, d. h. von 6 Uhr früh bis 10 Uhr abends, bestellt werde. Der Vermerk „Tages" gilt als ein Textwort; seine Nutzanwendung ist im großen Publikum noch wenig bekannt. — Der Staatssekretär des Reichspostamtes hat bestimmt, daß diejenigen Postunterbeamten, welche voll beschäftigt, aber noch nicht angestellt sind, also die bisherigen „stäuVigen Posthilfs- boten", fortan den Titel „Postbote" zu führen haben. Die nicht vollbeschäftigten Unterbeamten, die bisherigen „nicht ständigen Posthilfsboten", haben den Titel „Posthilfsbote" zu führen. — Die Gesammtlänge der unter sächsischer Eisen bahnverwaltung stehenden Eisenbahnen beträgt gegen wärtig 3064,25 Km. Hiervon dienen 2946,66 km demPersonen- und Güterverkehr, 117 km aber dem Güterverkehr ausschließlich. Vollspurig sind 2669,63 km und schmalspurig 394 km. — Das „Dr. I." schreibt: Nach eingezogenen Erkundigungen lassen im Königreich Sachsen in der letzten Zeit die An meldungen zu den Ausbildnngskursen für Laien fleischbeschauer au einigen der dazu bestimmten Schlachthöse in ausfälliger Weise nach. Als Grund für diese Verminderung des ursprünglich stärkeren Andranges wird die Ungewißheit über die Gebührensrage für die Laienfleischbeschauer angeführt. Dem gegenüber kann, unbeschadet der bald zu erwartenden, nur durch die Reichstagsverhandlungen über die Fleischbeschau verzögerten Veröffentlichung der Ausführungsverordnung zum Fleischbcschau- gesctz wohl so viel voransgesagt werden, daß die eingesetzten Ge bühren auch dem Laicnsteischbeschauer auf dem Lande eine Ein nahme gewährleisten werden, welche den für die Ausbildung aufgewendeten Opfern entspricht. Im Allgemeinen kann nur > dringend dazu gcrathen werden, daß sich diejenigen Personen, die als Laienfleischbeschauer thätig sein wollen, baldmöglichst um ihre Die Anhänger Tanus, die entgegen den Abmachungen mit der Mataafa-Partei und gegen den Befehl der Kommission in der Stärke von ungefähr 1000 Mann auf der als Regierungs sitz geltenden Halbinsel Mulinu bei Apia zurückgeblieben waren und den Frieden ernstlich bedrohten, haben endlich diesen Platz geräumt. Das Kriegsschiff „Porpoise" hat Samoa erlassen. OerttichesUwSachfisches. Freiberg, den 6. Juli. — Nachgenannten Arbeitern der fiskalischen Erzbergwerke ist das mit Genehmigung des Königs vom Königl. Ministerium des Innern gestiftete tragbare Ehrenzeichen für Treue in Ver Arbeit verliehen und von Herrn Oberdirektor Fischer ans den Gruben vor versammelter Mannschaft im Beisein der Beamten feierlich überreicht worden: E. W. Partzsch in Freiberg, '. A. Scope in Freibergsdorf, I. W. Beier in Niederbobritzsch, '. H. Liebig in Freiberg, A. F. Fechtner in Conradsdorf, A. W. Müller in Freiberg, O- W. Heidenreich in Freiberg, L. I. Schubert in St. Michaelis, K. A. Liebscher in Brand, E. H. Eilenberger in Großhartmannsdorf, M. F. Flade in Linda, K. G. Pflugbeil in Linda, T. L. Naumann in Brand, H. E. Schubert, F. H. )elbig, F. G. Arnhold, H. G. Schaarschmidt in Erbisdorf, A. Reichelt, W. F. Hegewald, G. M. Schmidt, K. H. Andrä in Brand, K. M. Weinhold in Zug, I. K. Uhlemann in Großschirma, E. I. Böhme in Großschirma, E. R. Voigtle in Halsbrücke und E. I. Wahl in Halsbach. — Das Königl. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts pflichtet dem evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium in der Auffassung bei, daß es als unstatthaft und mit der Ansicht >es Mandats vom 20. Februar 1827 nicht vereinbar anzusehen k, wenn innerhalb der vierwöchigen Bedenkzeit, die den Ueber- retenden einzuräumen ist, eine religiöse Unterweisung derselben seitens der Geistlichen der Konfession, zu der der Ueber tritt erfolgen soll, vorgenommen wird. Erscheint eine solche Religionsunterweisung schon im Allgemeinen während eines Zeit raumes als unzulässig, während dessen der zum Uebertritt Ent schlossene rechtlich noch als Angehöriger der bisherigen Konfession angesehen werden muß, so stehen einem etwaigen Eingreifen der Geistlichen der künftigen Konfession während der Deliberations frist noch besonders starke Bedenken insofern entgegen, als zur Wahrung voller Willensfreiheit des Uebertretenden, sowie zur Verhütung von Störungen des konfessionellen Einvernehmens sogar die seelsorgerische Thätigkeit der Geistlichen der Konfession, die verlassen werden soll, nach geltendem Rechte in erheblicher Weise eingeschränkt ist. Das Ministerium kann es daher nur billigen, wenn das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium demnächst seinem Vorhaben gemäß den ihm unterstellten Geistlichen die Ertheilung des Unterrichts an Uebertretende vor Beibringung des Entlaßscheines untersagen bezw. verweisen wird. — Zu dem Erlaß wird dem „Reichsb." geschrieben: Die katholischen Priester werden sich um diese Verfügung des evangelischen Konsistoriums nicht kümmern und wir glauben mit Recht. Wenn aber die evangelischen Geistlichen einem Katholiken oder Juden erst dann heißer Wettkampf, in dem die Radikalen und die Sozialisten für die Vorrechte der Regierung fochten. Der Lärm war derart, daß der Kammerpräsident nach langem vergeblichen Schellen seinen Hut aufsetzte und eine Pause eintreten ließ. Nach zwanzig Minuten waren die Köpfe etwas abgekühlt und theilte der Präsident dem Hause mit, der Handelsminister Millerand sei bereit, dem Pariser Abgeordneten Beauregard auf eine Frage über die Arbeits bedingungen Rede zu stehen. Die Mälinisten waren stolz auf ihren angeblichen Sieg und knüpften daran die Hoffnung, es werde ihnen gelingen, die Regierung aufs Haupt zu schlagen oder wenigstens den sozialistischen Handelsminister aus dem Kabinett zu verdrängen. Die Verhandlung nahm dann aber, wie erwähnt, den entgegengesetzten Verlaus und endete mit dem Siege der Regierung. Nach einer Drahtmeldüng auS Paris hak eine gegen die Führer der Tschadfee-Mission, die Hauptleute Voulet und Chanoine, eingelertete Untersuchung wahrhaft erschreckende Thatsachen zu Tage gefördert. Die beiden Offiziere ließen ganze Dörfer zerstören, um sich Sklaven und Träger zu verschaffen, zahllose Frauen und Kinder wurden dabei nieder gemetzelt. ES heißt, daß diese haarsträubenden Grausamkeiten dem Kolonialministerium schon seit Langem bekannt gewesen seien, daß aber der frühere Kriegsminister Chanoine, der Vater eines der angeschuldigten Offiziere, alles aufgeboten hatte, um eine Untersuchung zu verhindern. Der berüchtigte Spitzel GuenSe, der Verfasser der von Mercier und später von Henry bestellten Polizeiangebereien gegen Dreyfus und Picquart, ist gestorben. Spante«. Trotz der Ankündigung, daß sowohl der KriegS- minister als auch andere Fachminister sich zu Herabsetzungen ihrer Voranschläge verstanden hätten, um die Einführung der gehässigsten neuen Steuern unnöthig zu machen, dauern die Unruhen in Spanien fort. In den Regierungskreisen herrscht hierüber um so größere Bestürzung, als man bei allen diesen Agitationen die Hand deS Karlismus im Spiele glaubt. Gleich nach den ersten Tumulten in Madrid und Saragossa ließ sich Herr Silvela vernehmen, nöthigenfalls werde er über ganz Spanien den Be lagerungszustand verhängen; jetzt wird diese Drohung wiederholt, wie sich aus nachstehender Meldung ergiebt: Madrid, 5. Juli. Der Minister des Innern hat erNärt, wenn die Unordnungen nicht bald aufhören, werde die Regierung genöthigt sein, die ver fassungsmäßigen Bürgschaften aufzuheben; in diesem Falle müßten die Cortes geschlossen werden. Diese Nachricht wirkt höchst ver stimmend ans die öffentliche Meinung. Der furchtbare Nothstand in Rußland zieht immer weitere Kreise. Die „Russkija Wedomosti" und die „Rossija" heben hervor, daß in vielen Nothstandsgegenden die Bauern einem neuen Elend entgegen gehen, selbst wenn die Ernte noch so gut ausfallen sollte. Die Sache ist die, daß die Bauern häufig, um einstweilen nur leben zu können, die künftige Ernte bereits auf dem Halm verpfändet haben, und zwar zu Spott preisen. Besonders ist dies im Gouvernement Ssamara geschehen. Voraussehen läßt sich, daß die Bauern nicht im Stande sein werden, ihre Ernte einzulösen und diese somit den Geldleihern anheim fallen wird. Die „Russkija Wedomosti" rufen nun die Gesellschaft auf, den Bauern zur Auslösung ihrer Felder behilflich zu sein und zwar ihnen das Geld nicht zu schenken, sondern gegen jährliche Rückzahlung von 1 Rbl. zu leihen. Aber wohl nicht mit Unrecht befürchtet die „Rossija", daß die Kräfte der Gesellschaft hierfür nicht ausreichen dürften. Das Blatt sieht nur einen Ausweg, den das Staatsinteresse gebieterisch fordere: alle Verpsändungsgeschäfte bezüglich der Aussaat für ungiltig zu erklären und den Gläubigern anheim zustellen, nur das zurück zuerhalten, was sie wirklich gegeben haben, und zwar in natura oder in Geld. Türkei. AuS Jaffa, 19. Juni, wird gemeldet: Ein Legat von zweihundert Millionen Francs wurde von Baron und Baronin Hirsch den Juden in Palästina vermacht, mit der Be stimmung, dessen jährliche Zinsen von 6 Millionen zur Unterstützung der Juden und zu kolonisatorischen Zwecken zu verwenden. Es ist das eine enorme Summe, welche alljährlich ausbezahlt wird, und es verdient eine solche Wohlthätigkeit im Großen alle Anerkennung. Von den diesjährigen 6 Millionen ist ein erheblicher Theil an die Juden in Jaffa gefallen und es wurde sofort ein Grundstück am Meeresstrand — am nördlichen Ende von Jaffa gelegen — erworben, auf welchem nun ein jüdisches Krankenhaus errichtet wird. Ein anderer Theil der Legatszinsen soll für kolonisatorische Zwecke verwendet werden. Zählt man dazu die Millionen, welche Baron Rothschild allein jährlich dem Lande zuwendet, so können sich die Juden gewiß nicht über Mangel an Unterstützung ihrer Glaubensgenossen m Europa beklagen.
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