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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189911291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18991129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18991129
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-29
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.11.1899
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Wkelderger ««zeige* ««d Tageblatt. Sette r. — 29. Rovemder LVVU. sprechen, ist selbstverständlich. Genug, Rußland kann ein Ver sprechen, auf fernere Erwerbungen chinesischen Gebiets zu ver zichten, kaum abgeben, wenn es sich nicht selbst schwer schädigen will. Daß Frankreich an der Seite seines Verbündeten zu fin- , den ist, ist nur natürlich. EL leistet in solchen Fällen dem Zaren l afrika. Die Blatter hoffen, daß die neunten Ulanen, welche die gern Heeresfolge. Aber der französische Handel hat auch in der That, s««» ganzen Natur nach, gern die Unterstützung durch die politische Gewalt, die ihm bei Auftheilung Chinas ae- I'chert wäre. Die Haltung dieser vier Mächte ist also leicht verständlich und durch die Verhältnisse begründet. Ob nun aber das Deutsche Reich sich, wie die englischen Berichte behaup ten, auf die Seite Englands und Nordamerikas gestellt hat möchte doch zu bezweifeln sein. Es würde das weder dem Nach^ druck entsprechen, mit dem anläßlich deS Zarenbesucher in Pots dam die Uebereinstimmung der deutschen und russischen In teressen versichert wurde, noch der Zurückhaltung, die von un serem Kaiser bei der jetzigen Anwesenheit in England mit aller Vorsicht beobachtet ist. Uns kann aus verschiedenen Gründen an einer allzuschnellen Abbröckelung in China auch nichts gele gen sein; unserem Interesse entspricht es vielmehr, den Prozeß in Ostasien hinauszuschieben, ja, wir könnten uns w^bl sogar mit dem Prinzip der „offenen Thür" befreunden, d üben Nordamerikanern und Engländern würde uns immer .wh eia recht ansehnlicher Theil zufallen. Aber andererseits Haden wir doch auch kaum einen Anlaß, unser Verhalten in dieser Ange legenheit, die mit der Zeit eine ganz andere Gestalt annehmea kann, schon jetzt auf Jahrzehnte hinaus festzulegen. Ebenso wenig liegt für uns ein Grund vor, der russischen Politik an einem Punkte entgegenzutreten, wo wir mit Rußland ganz gut auskommen können. Darum, denken wir, wird Deutschland gar keine besondere Eile haben, daß die von der Union ange regte Frage zur Entscheidung gebracht wird. Der bekannte bayrische Minister Graf Montgelas hatte, wenn ihm irgendeiner der Räthe eine schwierige Frame vortrug, die Antwort: „Wissen's was, lassen wir's noch eine Weil' liegen." Er ist durch dieses Pflegma tatsächlich über viele Schwierigkeiten hinweggelom- men. Denn die meisten kitzlichen Fragen löste die Heil selbst. Vielleicht könnte es mit der Frage der Auftheilung Chinas eben so gehen. während Tolivry den Oberbefehl führte." Mit diesem zweiten Sieg oes Lord Methuen scheint es noch weniger auf sich zu haben, als mit dem, den Methuen am Don nerstag davongetragen hat. Denselben Eindruck hat man wohl auch in London von dem Bericht über das Treffen bei Graspan. dafür spricht der nachstehende Drahtbericht: London, 27. Novbr. Methuens Bericht über das zweite Treffen mit den Buren bei Graspan befriedigt nicht ganz. „Daily Mail" sagt, der Be richt erwähne nichts über Wegnahme von Kanonen oder um Kriegsgefangene, ohne welche die Errungenschaften des Sieges nicht als vo?ständia bezeichnet werden können. So hartnäckig sei der Widerstand des Feindes, so unerwartet stark seien seine Streitkräfte in der Nachbarschaft von Kimberley, daß es weise sein dürfte, den Vormarsch nach Kimberley einzustellen, bis die kleine Kolonne Methuens verstärkt werden könne. Schwach an Kavallerie, sei sie außer Stande dem beweglichen Feinde entschei dende Niederlagen beizubringen. Sie dürfte denselben Feind aber- und abermals zu bekämpfen haben, sie sei sogar der Gefahr ausgesetzt, isolirt zu werden. „Daily Mail" dringt auf sofor tige Einschiffung der fünften und sechsten Division nach Sud- dessen ihre Gemächer im Palast, die besonders geschützt sind, fast nie verläßt. Zu dieser freiwilligen Einkerkerung, zu der oie Furcht sie verurtheilt und die ihre Gesundheit untergräbt, kommt die aufreibende und anstrengende, fast ununterbrochene Thätigkeit der greifen Kaiserin-Mutter, die oft Nächte hindurch Denkschriften, die ihr eingereicht werden, prüft oder Reskripte im Namen des Kaisers entwirft. Ueber die Reformbestrebungen ist nicht viel zu berichten, es geht damit hier wie anderswo auch sehr langsam vorwärts. Der Generaldirektor der Minen und Bergwerke in Tschili und Jeho, Tschang Aen-mao, ist wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung der ihm unterstellten Betriebe, sowie wegen des Verdachtes der Be stechlichkeit verhaftet worden; es scheint das indessen mehr auf einen Racheakt des Censors des Prinzen Tsching, der die An klage erhob, als auf übergroße Gerechtigkeitsliebe zurückzufüh ren zu sein. Der Haß der beiden Rivalen Jung Lu und Prinz Tsching nimmt anscheinend eher zu als ab, und es ist zwischen den beiden und ihren Anhängern so lange zu Reibereien und offenen Streitigkeiten gekommen, daß die Sache schließlich auch der Kaiserin-Mutter zu viel geworden ist und sie einige der Hauptkrakehler kurzer Hand hat einsperren lassen. Der französische Gefandte Pichon hat die Hinrichtung des für die Ermordung der französischen Offiziere in Kwangtschau- wan verantwortlichen Beamten und die Bezahlung einer kleinen Geldbuße verlangt. China wird wahrscheinlich gern hierzu seine Zustimmung geben, da man dort auf viel schwerere Beding ungen qefaßr war. Damit würde der Zwischenfall als erledigt angesehen werden können. — Die Ernennung Li Hung Tschangs zum Handelsminister wird als ein hervorragender Schritt in der Richtung einer bedeutenden Hebung der chinesischen Handelsbe ziehungen dem Auslande gegenüber betrachtet. Colonialpolitisches. AuS Samern« wird der „Köln. Ztg." unter dem Datum 1. November berichtet: Neuerdings heißt es hier wieder, Leutnant v. QueiS sei noch am Leben, aber am Croßfluß von den Eingeborenen eingeschlossen. Die Gegend ist im Aufruhr. Herr v. Queis hat thatsächlich den alten, einflußreichen HSuptling von Ndebindschi erschießen lassen, ist auch gegen andere Häupt linge mit ungewöhnlicher Strenge vorgegangen. Boten, die an Leutnant von QueiS gesandt waren, mußten umkehren. Der Gouverneur läßt die Angelegenheit militärisch untersuchen, doch kann nicht militärisch eingeschritten werden, da die Truppe noch nicht von dem Feldzug von Tibati zurückgekehrt ist, und die Polizeitruppe damit beschäftigt ist, die Ordnung in Kribi wieder herzustellen, wo die Mission Ende September von den Auf ständischen geplündert worden ist. (Die Nachricht von dem Tode des Leutnants v. QueiS ist inzwischen amtlich bestätigt worden. Auch ist die Schutztruppe laut telegraphischer Meldung nach der Küste zurückgekehrt.) — Zur Zeit befindet sich der frühere Gouverneur Frhr. v. Soden an der Kameruner Küste^ um die Pflanzungen, an denen er betheiligt ist, zu besichtigen. Die Austhtilass Waas. Durch englische Blätter erfahren wir, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika sich gegen eine weitere Auftheilung Chinas ganz entschieden ausgesprochen und in einer Note Zu sicherungen von den anderen Mächten verlangt haben, daß sie weitere Annexionen nicht vornehmen wollen. Rußland und Frankreich wollten sich aber auf solche Zusicherungen nicht ein- lassen, und es seien ernste Zerwürfnisse zu erwarten. England stehe völlig auf Seite der Vereinigten Staaten, und von Deutsch land werde erwartet, daß es dieselbe Haltung einnehmen werde. Hier haben wir wieder einen Fall, wie geschickt die britische Politik andere Mächte vorzuschieben versteht, wenn es gilt, sich selber aus fatalen Situationen herauszuwinden. Wenn die Nachricht von dem Vorgehen der Union wahr ist, so hat diese sich durch den angelsächsischen Vetter zu einem recht abenteuer lichen Streich verführen lassen. Denn Angesichts der Schwie rigkeiten auf oenPhilippinen und der bevorstehendenPräsidenten- wahl, die im nächsten Jahre die Aufmerksamkeit des amerika nischen Volles vollständig in Anspruch nehmen wird, hätte Mac Kinley wirklich besseres zu thun gehabt, als eine Frage aufzuwerfen, die durchaus nicht drängte, oie unter Umständen aber zu recht unangenehmen Verwickelungen führen kann. Wenn er den überflüssigen Schritt doch gethan hat, so hat er's augen scheinlich unter dem Einfluß der britischen Staatsmänner ge- than, denen unter den gegenwärtigen Umständen viel daran liegen mußte, Rußland und Frankreich in Schach zu halten, da mit sic sich nicht die Verlegenheiten Englands zu nutze machen. Man mag im Auswärtigen Amte zu London nicht wenig Angst auSstehen, daß Rußland und Frankreich eines Tages in Asien oder in Afrika mit irgend einer Ueberrafchung aufwarten. Da kommt denn ein solcher von der Union abgefeuerter Schreckschuß sehr gelegen. An sich ist das Widerstreben Nordamerikas gegen die Auf- theilunq Chinas ja völlig verständlich. Die Union will ihre Interessen in Ostasien in vollem Umfange geltend machen, und sie hat deren auch nicht geringe. Sollte sie nun durch dir Thei- lungsgelüste der anderen Mächte genöthigt werden, auch zuzu greisen, so würde ihr das bezüglich der Vertheidigung und der Verwaltung Aufgaben stellen, auf die sie, bis jetzt wenigstens, gar nicht eingerichtet ist. Bleibt China aber unaetheili. unter Aufrechterhaltung des Prinzipes der „offenen Thür", so kann die Union die wirthschaftliche Ausbeutung Chinas unter all' den günstigen Umständen antreten, die ihr ihre reichen Hilfs mittel und die geographische Lage bieten; sie hat dabei noch den Vortheil, daß ihr dann das ganze chinesische Reich offen steht und nicht blos der Landestheil, der bei einer Tbeiluna für sie ab- fallen könnte. In ähnlicher Lage ist Englano; auch dieses wird das Prinzip der „offenen Thür" verfechten, weil es mit seinen reichen Mitteln und seinem erfahrenen Kaufmannsstand selbst bei dem heutigen scharfen Wettbewerb der Nationen immer noch ansehnliche Geschäfte erhoffen darf, bessere sicher, als wenn /de Macht sich ihren Antheil abgrenzt und die Thür hinter sich zu- schließt. Umgekehrt kannRußland bei dem jetzigen Stande seiner In dustrie garnicht daran denken, in freiem Wettbewerb mir den anderen Nationen zu treten. Im Gegentheil, gerade der jetzige Zustand seiner Industrie und der Wunsch, ihn in die Höhe zu bringen, nöthigt Rußland zur Annexionspolitik. Die russische Industrie soll rasch gefördert werden, an Absatz wird's bald fehlen, denn der russische Landmann kann ja nichts kaufen, was liegt da näher, als ein dicht bevölkertes Land zu annektiren, dem man dann durch Abschließung gegen fremde Waaren die russi schen Fabrikate aufzwingen kann? Daß daneben auch noch wichtige politische Gründe für die Annexionspolitik Rußlands länder natürlich besiegt wurden und die Berliner den unbelieb ten Engländern die „Senge" herzlich gönnen. Mit „Oom Krü- aer", dem Präsidenten von Transvaal, und dem Burengeneral Joubert wird hier ein förmlicher Cultus getrieben. Man kann sich davon jeden Abend in einem hiesigen Vari616theater über zeugen. Dort tritt ein Mimiker auf. Derselbe copirt verschie dene Berühmtheiten, erzielt aber den größten Erfolg, wenn er Typen aus dem Transvaalkriege ankünvigt. Während die Darstellung des englischen Colonialministers Chamberlain und des englischen Generals Buller mit eisigem Schweigen ausge nommen wurde, brach gleich einem Gcwittersturm der Beifall los, als der Boerengeneral Joubert heranschritt, und als gar „Oom Krüger" sich dem Publikum präsentirte, kannte die Be geisterung keine Grenzen mehr. Stürmisch verlangte das Pub likum „noch mehr Boeren", aber sie blieben aus. Offenbar war der Künstler nur auf die beiden Typen eingerichtet. Der ReichStagS-Abgeordnete Adolf Jacobsen, der im Reichs tage al» Hospitant der freisinnigen Volkspartei den Wahlkreis SchleSwig-Eckernförde vertritt, hat sich genöthigt gesehen, beim Amtsgericht! in Berlin den Konkurs zu beantragen. Herr Jacobsen ist ebenso wie der in Konkurs gerathene Sozial demokrat Agster, der als geisteskrank eine Nervenheilanstalt auf sucht, nicht gesonnen, sein Mandat niederzulegen. Vielfach ist die Annahme verbreitet, daß der Konkurs eines Reichstagsabgeord neten den Verlust deS Mandats nach sich ziehe. Das ist aber nicht der Fall. Die Verfassung bestimmt nur, daß Personen, die sich im Konkurs befinden, nicht wählbar sind; sie enthält aber keine Bestimmung, wonach das Mandat eines Abgeordneten, der erst nach der Wahl in Konkurs gerieth, erlischt. Wahrscheinlich wird sich die GeschäftSordnungskommissio» deS Reichstages mit den beiden Fällen zu beschäftigen haben. Während des letzten Herbstmanövers haben verschiedene Truppentheile der preußischen Garde ein neues Gewehr probeweise in Gebrauch genommen. Dem Vernehmen nach hat sich dieses neue Gcwehrmodell sehr bewährt, und die Umänder ungen gegen das Modell 88 haben sich als so praktisch erwiesen, daß die neuen Gewehre auch schon an einige Linien-Kompag- nien auLgegeben worden sind. Die Verbesserungen, die das neue Modell aufweist, find folgende: Der Laufmantel ist durch einen Handschützer ersetzt, und das Bajonett am Schaft (bisher am Lauf) befestigt. Während bisher der hohe Aufsatz den Aus blick beeinträchtigte, gestattet die neue Visireinrichtung ein be quemes Zielen auch auf kurze Entfernungen. An Stelle der Packetladung tritt die Ladung von einem Ladestreifen in ein Kastenmagazin mit zickzackartiger Anordnung. Das Schloß hat Vorrichtungen erhalten, um ein Doppelladen unmöglich zu machen und um nach hinten ausströmenden Gasen einen unge fährlichen Abzug zu schaffen. Ein bayerischer Pilgerzug soll im nächsten Jahre nach Rom gehen. Ein gemeinsamer Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe wird daS katholische Volk Bayerns zur Theilnahme an dem Zuge ausfordern. Ein General- und acht Diözesanausschüffe sollen nach der „Germ." zur Organisation des ZugeS eingesetzt werden. Im österreichischen Abgeordnetenhaus wird die Todtrede debatte sortgesetzt. Bianchini sprach, zumeist in kroatischer Sprache, von 11'/^ bis 3*/, Uhr und bat dann um Unterbrechung der Sitzung, damit er sich erholen und seine Rede sortsetzen könne. Um 3*/, Uhr wurde die Sitzung auf 5 Minuten unterbrochen, nach deren Ablauf Bianchini seine Rede fortsetzte. England. Unterrichtete Kreise rechnen mit der Möglichkeit, daß Lord Salisbury theils mit Rücksicht auf seine erschütterte Gesundheit, theilS in Folge des Todes feiner Frau in absehbarer Zeit von der Leitung der Geschäfte zurücktreten werde. Als sein muthmaßlichcr Nachfolger im Ministerpräsidium gilt der Herzog von Devonshire. Das Staatssekretariat des Aeußeren dürfte Lord Roseberry angeboten werden. Frankreich. Der Abg. Camille Pelletan tritt im „Matin" der Schönfärberei deS Finanzministers Caillaux entgegen, welcher der Kammer in der Generaldebatte über das Budget für 1900 klar zu machen suchte, der französische Steuer pflichtige sei nicht schlimmer daran, als beispielsweise der deutsche. In Deutschland, hatte Caillaux gesagt, stellt die Steuerlast 11A v. H. des StaatseinkommenS dar, in Frankreich 11*/, v. H. Pelletan bemerkt dazu: Diese Angaben sind enorm ungenau. Da ich nicht an der Aufrichtigkeit des Ministers zweifle, so bedaure ich ihn, weil man ihn so schlecht unterrichtet. Solche Vergleiche mit dem Auslande sind überhaupt nicht zu lässig, weil die Verhältnisse nicht die gleichen sind und die Buch führung auch eine andere ist. Trotz der Vermehrung der Aus gaben, welcher der deutsche Steuerzahler in den letzten Jahren nicht entgangen ist, bleibt die Last, die er trägt, weit hinter der des Franzosen zurück. Nach einer Arbeit, die ich selbst vor vier Jahren im Auftrage deS Budgetausschusses ausführte, entfielen damals auf einen Franzosen 67 Franken, auf einen Engländer 50, einen Italiener 40, einen Holländer 35, einen Oesterreicher etwas über 30, einen Preußen und Belgier etwas unter 30 Franken. Seitdem sind überall Aenderungen eingetreten, aber der Franzose ist und bleibt unter den europäischen Steuer zahlern der meist belastete. Nichts ist gefährlicher, als das Publikum in Täuschungen zu wiegen. Die erdrückende Steuer last, die wir tragen, äußert sich für unS in einem immer deut licher zu Tage tretenden wirthschaftlichen Verfall und verweist unS inmitten unserer Nebenbuhler auf dem Weltmärkte von Jahr zu Jahr auf eine tiefere Stufe. Wir liefen eine Todesgefahr, wenn wir dies vergessen oder unS darein ergeben würden. Um unser selbst würdig, um Frankreich zu bleiben, müssen wir eine gewaltige Anstrengung auf dem Gebiete der Reformen machen, unserer Fehler unablässig eingedenk sein und sie gut machen wollen. ... Ich gebe zu, daß Caillaux sein Möglichstes gethan hat, um die Vermehrung der Budgetausgaben zu verhindern. Das berechtigt ihn aber noch nicht zum Optimismus. Nur indem man dem Londe die wahre Lage enthüllt, wird man die noth wendigen Anstrengungen erreichen. Wir sind die meist belasteten Steuerzahler Europas, und unsere Hilfsmittel sind keineswegs in der Zunahme begriffen. Hüten wir uns wohl, auf der schiefen Ebene einzuschlummern, von wo wir in den Abgrund gleiten könnten. Türkei. Nach Berichten ans Konstantinopel soll gie Zahl der infolge jungtürkischer Umtriebe vorgenommenen Verhaftungen von Türken 57 erreicht haben. Unter ihnen befinde sich der Oberst der Militärfeuerwehr Raschid. Unter der türkischen Be völkerung Konstantinopels herrsche große Beunruhigung. China. Aus Peking, 13. Oktober, wird der „Schles. Ztg." geschrieben: Ein hoher Beamter, der vom Kaiser in Audienz empfangen wurde, erzählt, der Kaiser sehe sehr wohl aus und habe sich mit lebhaftem Interesse nach verschiedenen Verhält nissen in der Provinz, aus der der Beamte gekommen sei, er kundigt. Die Kaiserin-Mutter dagegen sehe müde und abge magert aus. Das wird damit erklärt, daß sie seit dem Staats streich in steter Furcht vor einem Attentat lebt und in Folge -er Krieg iu Südafrika. Auf allen drei KriegStheatern bereiten sich die Käwpsl, welche darüber entscheiden werden, ob bezw. wo die Boeren in ihrerVorwärtsbewegung beharren u. ob sie theilweift, wenn nicht überhaupt, sich auf oie Vertheidigung werden beschränken müs sen, erst vor. Im Westen, südlich von Kimberley, verfolgen die Boeren offenbar den Plan, oie Engländer möglichst zu ermüden und ihnen möglichst große Verluste beizubringen, ehe sie den Riet- oder Mooderfluß erreichen, wo dann die Würfel darüber fallen w-rden, ob die Belagerung von Kimberley aufgegeben werden muß und die westlichen Boerenkorps sich, sei es in den Oranjefreistaar zurückziehen, sei es in westlicher Richtung aus- biegen werden, oder ob Lord Methuen in rückläufige Bewegung kommt und niindestens auf seinen angeblich befestigten Stütz punkt de Aar zurückfallen. Sich bis dahin in hart näckige, aufs Aeußerste durchgefllhrte Gefechte zu verbeißen, liegt den Boeren fern. Von schwer zugänglichen beherrschenden Stellungen aus suchen sie die Kolonne Lord Methuens möglichst zu zerzausen und zu demoralisiren, ohne sich selbst großen Ver lusten auszusetzen. Dies scheint ihnen insofern auch wohl zu gelingen, als sie offenbar den Engländern sehr starke Verluste zufügen, während ste selbst nur wenige Leute verlieren. Nur so kann man es sich erklären, wenn der englische Bericht über das Gefecht bei Belmont denUnfinn auftischte, die angeblich total ge schlagenen und von Kavallerie verfolgten Boeren hätten die meisten ihrer Todten mit sich genommen, doch wohl nur um die Engländer über die Zahl derselben zu täuschen. Die Boeren haben eben unzweifelhaft nur so geringe Verluste gehabt, daß der englische Gefechtsbericht dem englischen Publikum zulieb die Mär von den weggefchleppten Leichnamen beigab. Aber die taktische und strategische Bedeutung deS „Sieges von Belmont" verflüchtigt sich trotz dieses Kunststücks immer mehr. Am Sonnabend wurde nämlich bei Graßpan ge fochten. Dieses Graßpan liegt aber nach der Perthesschen Karte höchstens 11—12 Kilometer nördlich von Belmont, ebenfalls an der Eisenbahn. Es kann aber von einem nennenswerthen eng lischen Erfolg bei Belmont nicht die Rede sein. Das Gefecht bei Graßpan war nach dem englischen Berichte selbst für die Eng länder sehr verlustreich und sie mußten sich sogar eines Angriffs im Rücken erwehren. Von Kimberley sind sie noch immer über hundert Kilometer entfernt, auch nachdem sie Graßpan besetzt haben. Möglicherweise kommen sie in der Nähe der belagerten Stadt in einem Zustande an, welcher ihnen statt des Entsatzes den eigenen Rückzug nahe legt. Unser gestriges Telegramm über den Kampf bei Graspan schloß: „Die Buren zogen sich in der Richtung auf einen Punlt zurück, wo das 9. Lancier-Regiment Aufstellung genommen batte, um sie abzuschneiden. Im Augenblick der Absendung des Telegramms war das Ergebniß dieser Bewegung noch nicht be kannt." — Die weitere Fortsetzung dieser Meldung lautet: „Die Artillerie benutzte sofort den Rückzug der Buren. Bei Beginn des Gefechtes griffen 600 Buren die englische Nachhut an, die Gardebrigadc schlug sie aber zurück und deckte die Flanken. Die Marinebrigade focht mit großer Tapferkeit und erlitt große Verluste. Einzelheiten sind nochnicht bekannt. Die Buren leisteten hartnäckigen Widerstand und „müssen" große Verluste erlitten haben. So viel bis jetzt bekannt, sind 31 Buren gefallen und 48 verwundet. Auf einem Platze lagen 50 Pferdeleichen. Die englische Kolonne wird einen Tag bei Graspan bleiben, um zu rasten und Vorräthe und Munition zu erneuern; sie ist bereit, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Ueber das Gefecht vom Donnerstag sagt das Telegramm Methuens noch: Wir wissen, daß 81 Buren ge fallen sind. Wir haben 64 Wagen der Buren verbrannt, sowie 750 Gefchcsse, 50 000 Patronen und eine große Menge Pulser vernichtet. Die Artillerie der Buren kommandirte Albrecht,
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