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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189909155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990915
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-15
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.09.1899
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-VS18. Ure»erg-r ««zeige» ««d Lageblatt. Sette S. — 15. September. kammer verurtheilte gestern 1. den Schneiderlehrling Paul Otto Feustel auS Hainichen wegen Diebstahls zu 2 Jahren Gefängnis worauf 2 Monate der erlittenen Untersuchungshaft anzurechnen; 2. den Schmiedelehrling RichardKarl Böhle auS Waldheim wegen Diebstahls und Hehlerei zu 10 Monaten Gefängniß, worauf 2 Monte Untersuchungshaft anzurechnen; 3. den Tischlergehülfen Robert Moritz Hoher auS Hainichen wegen Diebstahls und Hehlerei zu 10 Monaten Gefängniß, worauf 2 Monate Unter suchungshaft anzurechnen; 4. den Klempnergesellen Paul Moritz Hammer aus Waldheim wegen Diebstahls und Hehlerei zu zwei Monaten Gefängniß, worauf 1 Monat der Untersuchungshaft anzurechnen; 5. den Kaufmann Karl August Seifert, geboren den wohnhaft in Reichenbach, wegen ;r 2 Monaten Zuchthaus und 26. September 1863 zu Freiberg, wohnhaft in Reichenbach, wegen : gewerbsmäßiger Hehlerei zu 1 Jahr 2 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Ehrenrechtsverlust; 6. den Gerber Karl Richard Homola, geboren den 29. Februar 1869 zu Oederan, wohnhaft in Freiberg, wegen Hehlerei zu 9 Monaten Gefängniß und fünf Jahren Ehrenrechtsverlust; 7. den Handarbeiter Ernst Heinrich Klingner, geboren den 5. April 1843 zu Gleisberg, wohnhaft in Kleinbauchlitz, wegen Sittlichkeitsverbrechens auS Z 176 3 deS R.-St.-G.-Buches zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus und sechs Jahren Ehrenrechtsverlust. -I- Kleinwaltersdorf, 14. September. Am DienStag schleunigung, zur theilweisen und zur vollständigen Unterdrückung derselben. 15. lieber die Anwendung antiseptischer Mittel für Gerbereizwecke. 16. Untersuchung der Gerbmateriolien nach der v. Schroederschen Spindelmethod« (mit praktischer Ausführung). 17. Untersuchung des LederS auf Durchgerbung mit Hilfe d« Essigsäureprobe (mit Praktischer Ausführung). — Einen Aufruf an die Wähler des S. städtische« Landtagswahlkreises — Freiberg, Tharandt, Wilsdruff — veröffentlicht der Wahlausschuß für die Wahl des Herrn Schneider meister Stadtrath Braun im Jnseratentheile der heutigen Nummer. — Im Evangelische« «ännerverei« finden von nächstem Sonntag an wieder die üblichen Vereins- und Vortrags abende statt. . . — Vom September, für den R. Falb in seinen Wetter prognosen angekündigt hat: »Dieser Monat muß in seine« ganzen Verlauf als sehr trocken bezeichnet werden" (!) sind jetzt 14 Tage verflossen, und davon find nicht weniger als 12 zu Regentagen geworden. Die gesammte Wassermenge, die unS du 14 Tage schon geliefert haben, macht in Freiberg 124,7 Liter für 1 gm BodenflLche auch während gewöhnlich nur etwa 45 I biS zum Schlüsse des Monats zu erwarten find. Ausschlaggebend für die ungewöhnliche Regenhöhe der vergangenen Septembertage war zunächst der vorige Freitag; daS Gewitter au diesem Tage war von einem Regenguß begleitet, welcher in etwa 3 Stund« 33,9 nun Niederschläge ergab, während vom Mittag deS 12. (Montag) bis zum Mittag deS 13. (DienStag), also in vierundzwanzig Stunden, insgesammt 34,3 nun Regen fiel«. Ferner waren für diese abnorme Regenhöhe der DienStag und Mittwoch mit dem anhaltenden Landregen ausschlaggebend. Bo« frühen Morgen an hat eS DienStag ohne Unterbrechung fort- geregnet, wonach der Regen in schwachem Maße fast die ganze Nacht hindurch und sodann am Mittwoch beständig anhielt. — Wechsel mit zwei Accevtanten st«» ««gilti-. Ein Gewerbetreibender hatte aus ein Ehepaar einen Wechsel an eigene Ordre gezogen. Die Adresse lautete: Herrn L. und Frau L. in B. Beide Eheleute hatten acceptirt, am Verfalltage aber nicht bezahlt. Der Gewerbetreibende ließ Protest erheben und klagte, wurde jedoch in allen Instanzen, auch vom zweiten Civilsenat V«S ReichSgerichtS, abgewiesen, weil der Wechsel zwei Bezogene nenne und deshalb ungiltig sei. DaS Reichsgericht stützte seine Ansicht hauptsächlich darauf, daß die Wechselordnung im Artikel 4, Ziffer 7, von „dem" Bezogenen spreche, womit nach Ansicht deS ReichS gerichtS nur eine Person gemeint sein könne. Die Folgerungen, die sich auS der Zulassung der Benennung mehrerer Bezogener ergeben würden, wären mit den Grundsätzen des Wechselrechts unverträglich. — Im Gegensatz zu der vorjährigen Preitzelbeerernte ist die diesjähre außerordentlich knapp. Die Zufuhren aus Schlesien, Bayern und Böhmen fehlen dieses Jahr ganz und ebenso solche auS den einheimischen Waldungen. Nur auS Schweden, wo die Ernte aber ebenfalls nur gering sein soll, sind in den letzten Tagen wenige Wagenladungen Preißelbeeren eingegangen. —Wirksamkeit der von Ausländern in Sachsen geschloffenen konfesstonellen Erziehungsverträae. Ein Ehemann römisch-katholischer Confession, dessen Ehefrau der evangelisch lutherischen Kirche angehörte, beabsichtigte seine aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder der römisch-katholischen Erziehung zuzuführen, obwohl früher zwischen beiden Eheleuten ein auf evangelisch-lutherische Erziehung lautender gerichtlicher Vertrag geschlossen worden war. Das sächsische Ministerium des Cul- tus und öffentlichen Unterrichts bemerkt in einer hierzu erlasse nen Verordnung, daß der Ehemann hierzu nicht für befugt zu erachten sei, solange nicht im Einverständniß beider Eheleute der gerichtliche Vertrag wieder aufgehoben worden sei. Die von den katholisch-geistlichen Behörden erhobenen Zweifel, ob dieser Vertrag nicht im Hinblick darauf rechtsunwirksam sei, daß der Ehemann zur Zeit des Vertragsabschlusses die sächsischeStaats- angehöriakeit nicht besessen habe, konnte das Ministerium nicht für gerechtfertigt ansehen. Denn insoweit handele es sich nicht um einschränkende Vorschriften des Gesetzes vom 1. November 1836, sondern um das Recht der freien vertragsmäßigen Ver einbarung der Ehegatten über die konfessionelle Erziehung der Kinder. Daß aber ein solches Recht auch den in Sachsen auf hältlichen Ausländern (Nichtsachsen) zustehe und daß sie sich demgemäß rechtswirksam verpflichten könnten, gehe aus den 887 und 9 des Gesetzes vom 1. November 1836 hervor, wo aus drücklich der Vertragsabschluß seitens eines Ausländers und bez. eines Ehepaares, das sich erst später nach Sachsen wende, erwähnt und rechtlich geordnet werde. Danach sei davon aus zugehen, daß auch die von Ausländern unter Beobachtung der Formvorschriften des erwähnten Gesetzes in Sachsen abge schlossenen Verträge Rechtswirksamkeit hätten und solche be hielten, dafern von den Vertragschließenden später die sächsische Staatsangehörigkeit erworben werde. Den Gerberkursen an der deutschen Versuchs anstalt für Lederindustrie zu Freiberg liegt folgendes UnterrichtS-Programm zu Grunde: 1. Gerbmaterialien und Gerbstoffextrnkte, deren Zusammensetzung; Gerbstoffgehalte, Eigen schaften und Wirkung; Anwendung derselben. 2. Wasser; Be schaffenheit und Wirkung bei der Verwendung für Gerberei, Färberei und Kesselspeisezwecke; Reinigung des Wassers. 3. Fette und Oele, deren Zusammensetzung und Wirkung. 4. Farbstoffe (vegetabilische und künstliche), deren Eigenschaften und Verwendung. 5. Die Rnhhaut und deren Verwendung. 6. Ueber Blößen- rendements, unter Aufzählung der Faktoren, welche von Einfluß auf das Blößenrendement sind. 7. Zusammensetzung der Blößen. 8. Zusammensetzung des lohgaren Leders im Allgemeinen; Zu sammensetzung der verschiedenen lohgaren Ledersorten. 9. All gemeines über den Gerbeprozeß (Prinzipien der Gerberei.) 10. Zusammensetzung der Gerbcbrühen. 11. Prinzipien der Extraktion. 12. Prinzipien der Trocknung. 13. Prinzipien der Fettung. 14. Ueber Fäulniß und Währung, soweit dieselben für die Gerberei in Betracht kommen, und über Mittel zur Be Mittag war der in der hiesigen Aktienziegelei beschäftigte Arbeiter Ernst Oskar Augustin von hier damit beauftragt, eine mit Ziegel« beladene Lowry in den Zug einzurangiren. Hierbei glitt er auS und fiel so unglücklich, daß ihm ein Rad der Lowry über beide Beine ging und ihm verschiedene Verletzungen zufüate. (D Rothenfutth, 14. September. Nächsten Sonntag findet hier das Erntedankfest statt. Die Getreide-Ernte, welche sehr gut eingebracht werden konnte, wird als eine gute bezeichnet, namentlich sind Weizen und Hafer vortrefflich gediehen, die Haupt frucht aber, der Roggen, hat infolge der nassen Witterung wäh rend seiner Bluthzeit sehr gelitten und steht mit seinem Köruep- ertrag den Vorjahren gegenüber zurück. Auch die Kartoffel-Ernte wird nicht sehr günstig ausfallen, da eineStbeils der Samen in folge der anhaltenden Nässe im Frühjahr nicht vollständig, theil weise sogar schlecht aufgegangen ist, anderntheilS aber auch jetzt schon sehr viel über Kartoffel-Fäule geklagt wird. ** Großschirma, 14. September. Am Mittwoch Vormittag wurde der Leichnam des Hüttenarbeiters Karl Ernst Urban auch Halsbrücke am hiesigen Wehrteiche auS der Mulde gezogen. Der Verunglückte ist Dienstag Abend auf dem Nachhausewege vom Gasthofe zur Sandmühle in Sand jedenfalls vom Wege abge kommen, in die Mulde gefallen und ertrunken. Urvan «ar 31 Jahr alt, verheirathet und Vater von sieben Kindern. .!. Weigmannsdorf, 13. September. Im hiesigen Orte mußten drei Militärpferde unter Bewachung eines Jägers zurück gelassen und unter Sperre gestellt werden, weil dieselben in Dresden mit einem rotzkranken Pferde in Berührung gekommen sind. Nachdem der Stadtgemeinderath zu Eiebeniehn d« ge forderten Garantiebctrag übernommen hat, ist die Errichtung einer öffentlichen Fernsprechstelle daselbst gesichert. Im Nittergutsteiche zu Choren bei Nossen ertrank daS ^/yjährige Töchterchen des Zimmermanns Altmann daselbst. Das Kind hatte am Teichrand gespielt und war dabei in-Wasser gefallen. Eine allen Naturfreunden auS dem Herzen gesprochene Abfertigung gegen die Reklamen, die man trotz . vielfachen Protestes in berühmten, von Touristen viel besuchten Naturschönheiten anzubringen sucht, hat die Köuigl. preußische Hof-Pianosorte---Fabrik von Heinrich Knauß Söhne, Koblenz, einer Firmen-Schilder-Fabrik in Dresden zugehen lassen. DaS genannte Koblenzer HauS erhielt vor Kurzem von dem Dresdner Firmenschilder-Fabrikanten I. K nachstehende Zuschrift: „An die Königl. preußisch« Hos-Pianoforte- Fabrik Kuauß, Koblenz. Mit Gegenwärtigem gestatte mir höflichst, , Ihnen Offerte zu machen für Reklame in der Sächsischen Schweiz und zwar für Rathen und Wehlen. Die in beide« Orten für Manöverschluß in der Nähe von Dippoldiswalde, Frauenstein, Klingenberg zu erwarten gewesen wäre, kommt nur daS 3. Jnf.- Regiment Nr. 102 zur Beförderung auf der Bahn; die anderen Truppen erreichen ihre Garnison, Dresden, mit Fußmarsch. Die Ein schiffung des genannt« Regiments erfolgt in Klingenberg- Colmuitz. Zwei Souderzüge, vormittags 9 Uhr 57 Min. und 11 Uhr 29 Min. dort abgehend, bringen es nach ihrer Garnison Zittau, woselbst die Ankunft nachmittags 5 Uhr 17 Min. und 6 Uhr 21 Miu. stattfinden wird. — Durch das anhaltende Regenwetter der letzten Tage, das den Wasserläufen gewaltige Mengen Wasser zuführte, trat für die Flußgebiete eine «eue Hochwassergefahr ein, die zum Glück als beseitigt betrachtet werden kann, nachdem seit heute trockenes Wetter eingetreten ist. Die Freiberger Mulde schwoll gestern derart an, daß sie an einzelnen Stellen auS ihren Ufern trat, ohne jedoch wesentlichen Schaden anzurichten. Eine unmittel bare Hochwassergefahr bestand nicht, doch wurde daS schnelle Steigen des Wassers an einzelne Ortschaften am unteren Lauf der Mulde signalisirt. AuS Rothenfurth berichtet man unS vou gestern: Noch sind die Schäden der Hochwasserkatastrophe vom 30. Juli 1897 nicht gauz geheilt und schon wieder drohte neue lleberschwemmung; nur wenig Flucht war noch und die Mulde mußte aus ihren Ufern treten. DaS Waltersbachthal war schon ganz überschwemmt. Glücklicherweise hat sich die Witterung noch zur rechten Zeit geändert, sodaß die Fluthen langsam wieder im Rückgang begriffen sind. — Aus Roßwein wird gemeldet: Abermals ist hier Hochwasser eingetreten. An mehreren Stellen ist die Mulde bereits über die Ufer getreten und hat Wege unter Wasser gesetzt. Die llferbauteu auf Roßweiner Flur sind zum Theil wieder zerstört worden. — Aus anderen Flußgebieten liegen folgende Hochwassernachrichten vor: In Tharandt hatte der Wasserstand der Weißeritz gestern früh 7 Uhr eine Höhe von 75 Centimeter erreicht, */,1 Uhr betrug er 1 Meter und nachmittags ^/,4 Uhr bereits 1,25 Meter. Eine unmittelbare Gefahr war noch nicht vorhanden. Der Wasserstand bei der Hochfluth im Jahre 1897 war ein um ca. 1 Meter höherer als der jetzige. — Aus Schmiedeberg wurde "gestern Nachmittag 4^/,Uhr gemeldet: Gefahrungsmarke überschritten, Wasser steigt. — In Rehefeld Wassergefahrenmarke erreicht. Steigt. — Die Elbe war gestern in Böhmen in starkem Steigen begriffen. Heute waren in Dresden 200 om über Null zu erwarten. — Auch die Neiße ist aus ihren Ufern getreten und überschwemmt die Niederung bei Kleinschönau. Der Betrieb auf der Sekundärbahn Zittau-Reichenau-Markersdorf ist daher zwischen Zittau und Kleinschönau seit gestern Mittag eingestellt. Auf der Theilstrecke Kleinschönau-Markersdorf konnte der Verkehr noch aufrecht erhalten bleiben. Infolge gleicher Ursache ist auch der betrieb der Linie Taubenheim-DürrhennerSdorf zwischen Oppach und Dürrhennersdorf gestört. Hier ist die lleberschwemmung bei Schönbach am bedeutendsten. Innerhalb der höher gelegenen Strecke Taubenheim-Oppach verkehren die Züge regelmäßig. — Die Gerichtsferien erreichen morgen ihr Ende. Am Sonnabend nehmen die Gerichte ihre Thätigkeit wieder in vollem Umfange auf. As Krchlikd »errichta! D« „Hamb. Nachr." und einigen anderen Blättern, dir eS «geht, schlecht die „Boss. Ztg." Folgendes inS Stammbuch: Seit Fürst'Bismarck gestorben ist, haben die „Hamburger Rachr." jede Bedeutung verloren. Kein Mensch kümmert sich um sie in politischen Dingen. Selbst wenn sie herostratische Anstrengungen machen, genannt zu werden, es ist vergebens. Was ist der Dreifuß ohne Pythia? Aber der Dreifuß ist stolz und will selbst orakeln. Was Wunder, daß er der Lächerlich keit verfällt? Jetzt aber haben es die „Hamb. Nachr." erzwun gen, sie werden genannt: man beschäftigt sich mit ihrer Enthü- una. Und die Enthüllung verdient es, Aufsehen zu machen. Erstaunlich nur, daß die Gewährsmänner der „Hamb. Nachr." nicht von Herrn Quesnay de Beaurepaire nach Rennes zitirt wurden! Sie hätten dort eine ebenbürtige Rolle neben Herrn Mertian de Muller vom Schlafgemach des Kaisers, dem Darm- saitenmacher vom Centralhotel und dem Stallknecht Germain spielen können. Wir haben schon im Morgenblatt verrathen, welche Offen barung von Hamburg kommt. Dreyfus ist em Verräther; aber er hat sein Vaterland nicht an Deutschland, sondern an Ruß land verrathen. „Wir haben die Nachricht aus einer Quelle, die jeden Zweifel ausschließt, und außerdem ist sie uns mehrfach von unterrichteter Seite als zutreffend bestätigt worden." Nun also weiß mans ganz gewiß. Zwar der Geist Bismarcks ist es nicht, der die „Hamb. Nachr. erleuchtet; denn ein anderes Watt, das heute bessere Beziehungen zum Hause Bismarck hat als der frühere Anzeiger für Friedrichsruh bezeichnet Dreyfus als unschuldig und das Urtheil von Rennes als Justizmord. DaS find die „Berl. Reuest. Nachr." Aber was thuts? An der Alster weiß man auch mit anderen Kälbern als denen Bis marcks zu pflügen. Die Hellseher von Hamburg wissen es genau, die Richter von Rennes sind mit Erfolg bemüht gewesen, „die russische Seite der Dreyfus-Affäre zu verhüllen". Auch sind die „Hamb. Nachr." befriedigt, daß ihre Auffassung von anderen Blättern gethcilt wird. Als diese Blätter füNen sie M die drei antisemitischen oder agrarischen Zeitungen: „Deut sche Warte", „Deutsche Zeitung", „Deutsche Tagesztg." Die „Staatsbürgerztg.", weshalb wird sie übergangen? Daß die „Kreuzztg." an die Enthüllung nicht glaubt, sondern Dreyfus als unschuldig bezeichnet, wird den „Hamb. Nachr." tiefen Schmerz bereiten. Also an Rußland verrathen! Die Quelle schließt jeden Zweifel aus! Das Urtheil verhüllt nur diese „russische Seite!" Denn Herr Jouaust ist ein geschickter Mann. Und auch die Zeugen find geschickte Leute. Dreyfus ist verurthcilt worden, weil er die im Bordereau verzeichneten Schriftstücke an eine fremde Macht ausgeliefert habe, und Casimir-P6rier hat am 12. August in Rennes auf seinen Eid ausgesagt, er habe am 6. Januar 1895 den Grafen Münster empfangen und ihm wört lich gesagt, das Bordereau sei „in der deutschen Botschaft ge funden worden". Wer der ehemalige Präsident der Republik hat sicherlich nur die „russische Seite der Dreyfus-Affäre" ge schickt verhüllt. Wenn er von der deutschen Botschaft sprach, meinte er die russische. Wenn er Graf Münster sagte, meint^ er Baron Mohrenbeim. Der ehrenwerthe Herr de Muller hat ausgesagt, daß er die .Libre Parole" mit der Bemerkung „Dreyfus ist gefangen" in Potsdam im Schlafgemach des deutschen Kaisers gesehen habe; aber er verhüllt nur geschickt die „russische Seite", denn er war nicht in Potsdam, sondern in Gatschina, und nicht die deutsche, sondern die russische Sprache hat zwanzig Worte für den einen Begriff„pris". Der Darmsaitenmacher vom Centralhotel hat nur zur Ver hüllung der „russischen Seite" erzählt, daß er in Berlin ein Ge spräch zwischen hohen Offizieren belauscht habe, die sich darüber unterhielten, daß der Generalstab von Dreyfus den Mobilmach ungsplan erhalte. Dieses Gespräch hat nicht in Berlin, sondern in Petersburg stattgefunden, zwischen einem General und einem Obersten in russischer Uniform. Der Stallknecht Germain hat nicht bezeugt, für Dreyfus des Pferd gesattelt zu haben, als er von Mülhausen aus zu den deutschen Uebungen ausritt und mit deutschen Offizieren freundschaftlich frühstückte. In Rußland ist Dreyfus gewesen, und mit russischen Kameraden hat er sich verbrüdert. Auch daß Labori sich drahtlich an den deutschen Kaiser ge wandt und die Zeugenaussage des Herrn v. Schwartzkoppen er beten hat, ist nichts als eine Erfindung der Dreyfusards zur Verhüllung der russischen Seite gewesen. Thatsächlich hat sich Labori mit Nikolaus II. in Verbindung gesetzt, damit Baron Fredericks in Rennes erscheine. Der Regierungskommissar CarriLre hat auf ein Schreiben des Grafen Münster an Schwartzkoppen vom 17. Januar 1895 angespielt, wonach der deutsche Kaiser „in Harnisch" gewesen sei, aber man „jetzt hier beruhigt" sei. «Wissen Sic, wer das geschrieben hat?" Jetzt weiß man es sicher; ein russischer Bot schafter schrieb es an einen russischen Militärbevollmächtigten. Im Bordereau ist der Feldzugsplan für Madagaskar ver zeichnet. Seine Wichtigkeit für Deutschland wurde von den Belastungszeugen damit begründet, daß Deutschland in Afrika Besitzungen habe. Das war eine Behauptung, nur bestimmt zur „Verhüllung der russischen Seite". Denn nicht Deutsch land, sondern Rußland hat Kolonien in Ostafrika. Zwar die deutsche Regierung hat „zur Erfüllung einer Pflicht der Menschlichkeit'^ die feierliche und amtliche Erklärung abgegeben, daß sie mit Dreyfus nichts zu thun gehabt habe. Aber ist daraus zu schließen, daß sie aus Menschlichkeit für einen Unschuldigen eintrete? Mit Nichten, sie will damit nur sagen, daß Dreyfus Frankreich an Rußland verrathen habe. Oder noch besser, die Erklärung ist gar nicht von Deutschland, sondern von dem Grafen Murawiew im russischen „Regie rungsboten" abgegeben worden. Die Gewährsmänner der «Hamb. Nachr." werden es aus einer Quelle wissen, die über jeden Zweifel erhaben ist. Uno somit ist nur die eine Frage übrig, wo diese Quelle zu suchen ist. Das verräth das Hamburger Blatt nicht. Aber wir wollen diese Lücke ausfüllen. Es ist die Jrrenstation des Hamburger Krankenhauses. OerttichesH^SSchfisches. Freiberg, den 14. September. — Mit Rücksicht auf den anhaltenden Regen der letzten Tage wurden auf Befehl des Königs die Divisionsmanöver des (1. kgl. sächs.) Armeecorps abgebrochen. Der Rücktransport der Truppen erfolgt heute. DaS hiesige Jägerbataillon wird von Bautzen aus mittelst Sonder- zuges, der abends 7 Uhr 24 Min. in Freiberg eintrifft, in seine Garnison zurückbesördert. Die übrigen, zu der 2. Division ge- horigen Truppen, welche in der nordwestlichen Lausitz, nahe Bautzen-Elstra manövrirt haben, werden mit vier Sonderzügen ach ihren Garnisonorten befördert. Bon der 1. Division, deren
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