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Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188810118
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881011
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881011
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-10
- Tag 1888-10-11
-
Monat
1888-10
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.10.1888
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Nr. 238. — 8. Jahrgang. Der joden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende..Sächsische LandcS-Anzelger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler 3. Sächsische Gcrtchtszcitung 4. Sächsisches Allerlei b. IllustrirtcS Unterhaltungsblatt 6. SonntagSblatt 7. Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pjg., bei den Post-Anstalten 76 Psg. (Post-Zeitungs-PreiSliste Nr. 5035.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Bnchdrnckerei, Chemnitz, Theaterstrahe Nr. Fcrnsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. 5. Donnerstag, 11. Oktober 1888. Von den Hauptblättern des „Sächsische,, Landes-Anzeigers" erscheint (ohuc dessen tägliche Extta - Beiblätter) eine billigere Sondcr-Ausgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 50 Pfg. mit Zntrage»; außerhalb Chemnitz monatl. 67 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 3. Nachtr. Nr. 1250a.) FürAbonnenten erscheitttjeeinmal iniJahrz Eonniier-Lisktibahtisahrplatthefl f»r Sachsen. Winter-Eisciibahnsahrhlaiikeft für Sachsen, Sllnstr. Kalender des Sächsischen Lmidboten, JltiisnirtrS Znhreöbuch des Laiides-Anzcigerä, Anzeigenpreis: Raum einer schmale» Corpnszeile 15 Pfg. — Bevorzugte Stelle (Isvaltige Pctitzcile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle mau de» Einrückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen je 3 Silben Corpnsschrift bilde» ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können »nr bis Vormittag angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — Die Anzeigen finden ohne Prcisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauvtblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter.) Nmtsgerichtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Landbezirl des Unterzeichnete» Amtsgerichts wurde heute ans Folinm 308 vcrlautbart, daß dem Kansman» Herrn Robert Vieweg in Mittclbach für die Firma C F. Vicweg daselbst Procura ertheilt worden ist. Chemnitz, am 9. October >888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute aus Folinm 3>69 die am 20. September 1883 errichtete Kommnnditgcsellichaft unter der Firma Dürr ». Co. in Chemnitz (Kroncn- straße Nr. 7) eingetragen und zugleich verlantbart, daß der Kaufmann Herr- Ernst Heinrich Thcophitns Dürr in Chemnitz und ein Kommanditist Inhaber der Firma sind. Chemnitz, am 9. October 1888 Königliches Amtsgericht. Jni Handelsregister sür den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute aus Folinm 3170 die Firma Julius Prager in Chemnitz (Jäger- straße Nr. 6) und als deren Inhaber der Maler Herr Ernst Gustav Prager daselbst eingetragen. Chemnitz, am 9. October 1888. Königliches Amtegericht. Im Handelsregister für de» Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute ans Folinm 3171 die am 1. October 1888 errichtete Firma Schacht u. Zichoche in Chemnitz (innere Johannisstraße Nr. 1) eingetragen und zugleich verlantbart, daß die Apotheker Herr Rudolf Herrmanu Johann Maximilian Schlicht und Herr Ernst Max Zschoche, Beide i» Chemnitz, In Haber der Firma sind. Chemnitz, am 9. October 1888. Königliches Amtsgericht. Neueste Nachrichten. Wien, 9. October. Der „Pvlit. Corr." wird aus Monastir (Maccdonien) gemeldet, daß die im vorigen Jahre verhafteten acht griechischen Notablen aus Klissnra freigclassen worden sind, da die Untersuchung die vollständige Schuldlosigkeit der Beschuldigte» in Betreff der ihnen zur Last gelegten hochverrätherischcn Umtriebe er geben hat. Budapest, 9. October. Die Thatsache, daß Bischof Stroß »iciycr eist Nechtfcrtigungsschrciben nach Nom gerichtet hat, wird von cingcweihter Seite nicht in Abrede gestellt. In den Hände» des Domherrn Racski befindet sich eine Abschrift des echten Schreibens, auf Grund welcher die in der „Köln. Ztg." erschienene Fälschung zweifellos coustatirt ist. Das Original ist nicht vom Tage Mathiae datirt, sondern nach der Rückkehr des Bischofs aus Nohits noch im August, somit vor den Bclovarer Ereignisse» nbgesendct worden. Der echte Text ist beiläufig um die Hälfte umfangreicher, als die von der „Köln. Ztg." publicirte Fälschung. Auch enthält derselbe ebenso wenig etwas von einer Katholisirung Rußlands, als Ausfälle gegen die ungarische Regierung. Politische Rundschau. Chemnitz, den 10. October. Deutsches Reich. Von den Hofjagden bei Mürzstcg. Die Montagsjagd, an welcher alle Fürsten mit Ausnahme des Königs Von Sachsen theilnahmen, hatte trotz des herrschenden Unwetters einen befriedigenden Erfolg. Es wurden 6 Hirsche, 3 Hirschkühe und 19 Gemsen ans die Strecke geliefert. Kaiser Wilhelm, welchem der österreichische Kaiser seinen Platz überlassen hatte, schoß 4 Gemsböcke, Kaiser Franz Joseph 1 Gcmsbock, Prinz Leopold von Bayern 4 Gemsen. Abends um ^6 Uhr fand im Jagdschloß die Tafel statt, darauf wurde die Strecke besichtigt. Am Dienstag war das Wetter fortdauernd miserabel. Trotz Allem brachen die hohen Jagd gäste doch schon am Morgen nach Kaltenbach zum Treibjagen auf, welches ungeachtet des immer heftiger werdenden Regens bis tief in den Nachmittag hinein dauerte. Die Jagdbeute war zufriedenstellend, auch Kaiser Wilhelm war wiederholt zum Schuß gekommen. Am Abend vereinte das Jagddincr wiederum alle anwesenden Fürstlich keiten. Heute erfolgt über Mürzzuschlag, wo bereits festliche Veran staltungen getroffen werde», die Abreise nach Italien. Leider überall bis nach Rom hinunter Regen! In den steirischen Gebirgen hat sich Kaiser Wilhelm von all' den Festlichkeiten der Vorwoche vollständig erholt und befindet sich durchaus wohl. Er wird seine Kraft aller dings bei den italienischen Festtagen gebrauchen können. Mit dem Prinzen Heinrich, seinem Bruder, trifft der Kaiser erst in Rom zu sammen, wohin der Prinz am Dienstag Vormittag mit dem fahr planmäßigen Kourierznge von München abgcreist ist. — Kaiser Wilhelm II. hat dem ungarischen Ministerpräsidenten von Tisza während seines Aufenthaltes in Wien bekanntlich den Schwarzen Aolcr-Ordcn, den höchsten preußischen Orden, verliehen. Diese Auszeichnung erregt großes Aufsehen, denn Herr von Tisza ist der europäische Minister, der am wenigsten Hvfmann ist und dem Ordensverleihungen sehr glcichgiltig sind. Einen Mann von schlichterem, allem äußere» Prunk mehr abholdem Wesen, wie den ungarischen Mi nisterpräsident, kann man sich gar nicht denken. Seine unmoderne Kleidung ist in Pest ebenso bekannt, wie der Umstand, daß es ihm gar nicht darauf ankommt, in die erste beste Restauration einzutretcn und dort zu Mittag zu essen. Zu einem Hofmann fehlt ihm so ziem lich Alles, »nd es füllt ihm gar nicht ein, diesen Mangel zu ver bessern. Wo immer es im Laufe seiner zwölfjährigen Minister- Präsidentschaft anging, hat er sich allen Hoffcstlichkciten entzogen, und wenn er erschien, hat mau ihn doch nie bewegen könne», im goldgestickten Frack zu erscheinen. Herr von Tisza ist denn auch der europäische Minister, der die wenigsten Orden hat. Selbst öster reichische Orden besaß er vor ein Paar Jahren noch nicht, und Kaiser Franz Joseph trug dem Wesen des von ihm hochgeschätzcn Mannes dadurch Rechnung, daß er ihn: sofort den höchsten Orden verlieh, womit dieses Kapitel ein für alle Male abgeschlossen ist. Herr von Tisza kam ans ausdrücklichen Wunsch des deutschen Kaisers nach Wie» und erhielt den höchsten Orden des Kaisers, womit auch allen weitere» Ordensverleihungen von Berlin ans an ihn ein Ende ge macht ist. Man erblickt in dieser Verleihung ein Anzeichen dafür, daß anch am deutschen Hofe bekannt ist, welche ausschlaggebende Rolle Ungarn in der Bestimmung der auswärtige» Politik der österreichisch' ungarischen Monarchie zngefallen ist. In der That hat die Ver bindung mit Deutschland in Ungarn seit dem Jahre 1867 ihre stärkste Stütze gehabt. Schon als ungarischer Ministerpräsident war Andrassh dem Treiben des Grafen Beust sehr offen entgegcngetrcten, und unvergessen sind wohl die Worte, welche er in Salzburg Napoleon 111. sagte, und welche nach dem Sturze des Kaiserreichs so oft wiederholt sind: „Ungarn wird nie erlauben, daß Oesterreich gegen Preußen Krieg führe." Im Jahre 1870, als Tisza dem Grafen Andrassh als Führer der Opposition im ungarischen Reichs tage gegenüberstand, erklärte er sich offen mit dessen deutscher Politik solidarisch und als später die ersten Annäherungsversuche zwischen Wien und Berlin erfolgten, war der jetzige Ministerpräsident ein warmer Befürworter dieser Bestrebungen. Seit dem Jahre 1876 an der Spitze der Geschäfte, hat Herr von Tisza unter drei Ministern des Auswärtigen stets einen hervorragenden Einfluß auf die aus wärtige Politik nusgeübt. In alle» Fällen blieb der enge Anschluß an Deutschland ein Hauptpunkt seines Programmes, in dessen Ver tretung er unter keinen Umständen wankend geworden ist. Selbst zur Zeit, da i» Ungarn und Oesterreich manche sonst sehr gemäßigte Stimmen Zweifel an dem deutschen Bündnisse auszusprcchen begannen, ist Herr von Tisza seiner Uederzengung treu geblieben. Es ist ge wiß nicht zu weit gegangen, wenn man eine Anerkennung dieser Haltung in der Auszeichnung seitens des deutschen Kaisers sieht. — Wie über Hamburg verlautet, hat das deutsche Schnl- geschwader im Mittclmccr den Befehl erhalten, nach Zanzibar zu segeln und bei der Wiederherstellung der Ordnung in Dcntsch- Ostafrika mitzuwirken. Die beiden dort stativnirten deutschen Kriegs schiffe sind zu schwach, um cs mit den Tausende» von Arabern anf- znnchmen. Das Geschwader besteht aus den Kreuzerfregattcn „Stosch", Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Nur der Zug seines Herzens zu dem Kinde, von dem er sich nicht mehr trennen mochte, überwand den Stolz des redlichen Alten, der sonst unter allen Umständen die Annahme eines solchen befleckten Sühnopsers seiner unwürdig gefunden haben würde. Der Tod Snchard's änderte an den Verhältnissen nichts, nur daß Schratt jetzt die Stelle des Verstorbenen an der Kasse cinnahm, Wo er mit seiner prophetischen Physiognomie von dem Publikum viel fach selbst als eine Wachsfigur augestaunt wurde. Während er mit Madame Suchard halb Frankreich durchzog, beobachtete er sie mit dem ganzen Scharfblick eines Vaters, der in den geheimsten Lebensblättcrn eines verirrten Kindes zu lesen trachtet. Nie wieder kam zwischen beiden die Rede ans die Vergangenheit, sie schien in Fannys Erinnerung vollständig ausgclöscht. So viel Schratt beurtheilen konnte, befand sich Fanny in günstigen Ver- mögcnsvcrhältnissen, die sich aber sehr wohl aus der Rentabilität des Wachsfigurcnkabinets erklären ließen. Daß sie übrigens auch in Frankreich für ihre Sicherheit fürchtete, zeigte sich in ihrer Scheu vor der Oeffcntlichkeit: sie ließ sich nie auf der Estrade an der Kasse sehen, wenn Leute davor standen, zog sich stets vor dem Publikum, Welches die Wachsfiguren besichtigte, in einen der Wagen zurück und ging nie aus, ohne ihr Gesicht in einen dichten Schleier zu hüllen. Der Commissionär, welcher den Geisterseher in jener kleine» Stadt unweit der deutschen Grenze zu finden gewußt hatte, giebt uns den Faden unserer Erzählung wieder in die Hand. Er hatte in dem gleichen Gasthofe Wohnung genommen und verweilte mehrere Tage, ohne daß cs seinen erneuerten Ucberrcdungskünstcn gelungen wäre, bei Schratt seinen Zweck zu erreichen. Inzwischen strengte dieser sein Gedächtniß an, sich zu erinnern, wo und unter welchen Verhältnissen er dem Fremden schon einmal früher begegnet war, aber vergebens. Als er sich eines Abends in seinem Zimmer befand, hörte er auf dem Gange draußen gedämpfte Stimmen. Das war nichts Ungewöhnliches. Auch daß er die Stimme Madame Suchards unterschied, hatte nichts Auffallendes, denn ihr Zimmer befand sich auf dem nämlichen Corridor. Aber es war ihm, als müsse die andere redende Person der Commissionär sein, »nd um sich davon „Charlotte", „Gncisenau" und Moltke", und steht unter dem Com- mando des Conlre-Admirals Hollmaun. — Die Beschlagnahme des Octobcrhcftes der „Deutschen Rund schau", in welchem das kronprinzliche Tagebuch-Fragment enthalte» war, ist jetzt erst in dep Expedition erfolgt. Die Beschlagnahme hat gegenwärtig nur noch die Bedeutung, zu constatire», daß in der Veröffentlichung der Thatbestand einer strafbaren Handlung erblickt wird. — Wie die „Post" berichtet, ist Geheim-Rath vr. Geffcke» in das Untersuchungs-Gefäugniß in Moabit abgeliefert worden und hatte am Dienstag bereits ein mehrstündiges Verhör vor dem Unter- nchungsrichter Landrichter Hirschfcld zu bestehen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Durch die Blätter geht die Mitthcilung, daß sich drei Bände Tagebücher Kaiser Friedrichs im Besitz der Wittwe eines früheren Hofbcamten, des Haushofmeister- Krug, welcher 18 Jahre lang im Dienste Kaiser Friedrichs stand, befinden. Einer unserer Berichterstatter erfährt von einer der Familie Krug nahestehenden Seite, daß dieselbe thatsächlich im Besitz de- Tagebuches von 1870 sich befunden hat. Kaiser Friedrich habe den Haushofmeister Krug zu Bertraucnsarbciten herangezogen, da dieser, im Besitze einer guten Handschrift, am besten Copialien besorgen konnte. Krug erzählte bei Lebzeiten oft, und seine Frau hat da- vielfach bestätigt, er habe das Tagebuch von 1870 abschreiben müssen, weil Seine K. K. Hoheit davon mehrere deutliche Abschriften zu nehmen wünschte. Später habe der Kronprinz zum Danke für seine Mühe und als Zeichen des Wohlwollens ihm eine der Abschriften als „Souvenir" geschenkt. Es giebt in Berlin eine ganze Reihe von Personen, Bekannte der Krug'schcn Familie, welche das Manuscript cingesehc» und zum Theil gelesen haben." Die Verinnthnng, Or. Gcffcken könnte von dieser Seite das Tagebuch haben, ist indessen nicht zutreffend. Er sagt ausdrücklich, er habe es von Kaiser Friedrich selbst erhalten. — Die „Nordd. Allg. Ztg." ist sehr erbittert über das zwischen Freisinnigen und Nationallibcraleu in Königsberg in Preußen abge schlossene Wahlkartell für die bevorstehenden Landtagswahle». Namentlich richtet sic heftige Angriffe gegen die Abgg. Hobrccht und Römer, welche besonders die liberale Seite der nationalliberalen Partei in ihren Wahlreden hervorgehoben und betont hatten, die Partei müsse vor Allem einen liberalen Standpunkt vertreten. Der Abg. Römer hatte geäußert, die Worte „national" und „reichstreu" seien leere Schlagworte, die Hauptsache sei der Liberalismus. Oesterreich-Ungarn. Gras Herbert Bismarck wohnte am Dienstag in Wien einem Diner bei dem deutschen Botschafter Prinzen Neuß bei und fuhr da»» mit de», Gcfotg- Kalscc Wilhelms nach Mürzzuschlag, von wo die Reise nach Italien aiigelreten wird. Italien. Ans New Jork waren vor einigen Tagen WarnnngS- Telegramme in Nom ciugcgangen, welche eine eifrige Thätigkcit der Anarchisten und Dynamitards meldeten. Weder in italienischen, noch in deutschen Polizcikrcisen scheint man aber außerordentliche Vorsichts- maßregeln für nvthwendig zu erachten. Von Berlin ist im Hinblick ans die Ankunft des Kaisers der Polizeirath Krüger in Rom ange- kvinine»; weitere Beamte der politischen Polizei begleite» den Kaiser nicht. — Auf Sieilicn haben eine größere Zahl von Verhaftungen slattgefunden. Vorsichtshalber hat die italienische Regierung bekannte Banditen, welche sich zu den Kaisertagcn nach Nom zu begeben ge dachte», einfach cinsperren lassen. — Mit dem Könige Humbcrt und den Prinzen des italienischen Königshauses werden Ministerpräsident Crispi, der Kommandant, der Präfekt und der Prosindaco in Nom den Kaiser Wilhelm auf dem Bahnhof empfangen. Unmittelbar nach der Ankunft im Qnirinalpalast wird der Kaiser die Minister» die Präsidenten der Kammern und sonstige hervorragende Persönlichkeiten empfangen. Der Besuch im Vatikan findet voraussichtlich am Freitag statt. Der Kaiser nimmt mit seinem Gefolge an diesem Tage in der preußischen Gesandtschaft das Frühstück ein und begiebt sich um 1 Uhr im eigenen vierspännigen Pruukwagen mit Spitzenreiter und PLI W j zu überzeuge», öffnete Schratt leise seine Thür. Ec hatte sich nicht getäuscht, durch die schmale Spalte blickend, sah er den Commissionär mit Fanny den Gang entlang kommen und vor deren Zimmcrthüc Halt machen. „Das will ich gerade nicht behaupten, daß er ganz zufällig zu uns gestoßen wäre," vernahm Schratts scharfes Ohr Fannys halb laute Rede. „Aber ich verstehe nicht, was er mir noch sein sollte. Er ist mein Gchülfe, inein Kassirer." „Und wie Pflegen Sie ihn anzureden?" fragte der andere in schlau forschendem Tone. „Bei seinem Namen: Schratt." „Das war früher auch Ihr Name. Sind Sie nicht mit ihm verwandt?" „Nein." „Aha! jetzt verstehe ich: Hier ist sie todt," sagte er. „Wer?" „Lassen wir das. Es thut nichts zur Sache." Der Kommissionär, der ein Licht trug, nahm jetzt Madame Suchard zuvorkommend den Schlüssel aus der Hand, um zu öffnen. Wie er den Schlüssel im Schlosse herumdrehte, die Thür aufstieß und dann Fanny zuerst eiutreten ließ, mußte Schratt an sich halten, um sich nicht durch einen lauten Ausruf der Ucberraschung und des Schreckens zu vcrrathen. Ein Schleier hatte sich bei diesem Anblicke plötzlich von seiner verworrenen Erinnerung gehoben, ein flüchtig ge schautcs Bild tauchte klar in seinem Geiste wieder ans. Es war nach dem Verhör vor dem Untersuchungsrichter gewesen, das er mit Fanny gemeinsam bestanden, als sie beide von einem Gendarmen in die Haft zurückgcführt wurden. Auf dem Wege durch die öde» Korridore wurde Fanny von dem Schließer ihrer Gcsänguiß zelle in Empfang genommen, und als Schratt, im Weitergehen nach der Männerabtheilung, noch einmal nach seiner Tochter zurückblickte, sah er noch, wie der Gcfüngnißwärtcr den Kerker aufschloß und wie Fanny dann hcreintrat. Der Vergleich hatte ihm mit ciuemnialc das Räthsel gelöst, wer der Fremde war. Derselbe Mann, der ihr soeben die Thür des Zimmers geöffnet, hatte ihr damals ihre Gcfängnißzclle erschlossen. Es war Fannys Kerkermeister. Schratt wußte nicht, was er davon denken sollte, sie in so friedlichem Verkehr mit dem Mann zu sehen, der ihre Flucht mit dem Verluste seines Amtes halte büßen müssen und jetzt hinter ihr ins Zimmer trat. I Athemlos lauschte der alte Mann auf dem Gange, aber er ver nahm nichts auffallendes. Er hörte nur das Rasseln des Klingclzugs, sah von seinem Versteck aus den Kellner herbeieilen, wieder fortgehen und nach einer Weile mit Wein und kalten Speisen zurücklchre», die er hincinlrug. Dann hörte er das Klirren der Gläser, das Klappern von Messer» und Gabeln und endlich sah er den Kommissionär wieder heraus- tretcu, hörte sein höfliches „Gute Nacht!" und lauschte seinen Schritten, bis diese sich gerade über dem Korridor, wo sein Zimmer lag, verloren. Am anderen Tage war der Commissionär abgereist. An Ma dame Suchard vermochte Schratt nichts zu bemerken, was auf eine Störung des Friedens und ihrer Behaglichkeit hingedentet hält«. Nicht einen Tag früher, als ursprünglich bestimmt gewesen, wurde die Wach-figurbnde abgebrochen, und daun ging die Reise weiter nach der nächsten Stadt. Als Schratt hier eines Morgens nach seiner Gewohnheit mit der kurzen Pfeife im Munde einen Spaziergang um die Bude machte, fand er die Bretterwand derselben an verschiedenen Stellen mit Kreide beschrieben. Ueberall las er in denselben festen Züge»: „Am 13. August um Mitternacht!" Erstaunt blickte er auf die vielsagende Inschrift. Es war jene verhüngnißvvlle Nacht, wo sein Kind in der Nolle der Gliederpuppe ihm jenen grausamen Trug vorgcspielt hatte, um unter dem Deckmantel desselben ein noch straf würdigeres Verbrechen zu begehe». Er hatte diesen Tag damals, um ja nicht zu irren, auf einen Zettel geschrieben mit dem Zusatz: „Am Gcistcrsee!" Diesen Zettel bewahrte er noch heute, um einen Gold- guldcn geschlagen, den er der Münzensammlung entnommen hatte, um ihn, nach Epiphanias Vorschrift, unter Anrufung der Gräfin nach drei Jahren in den Gcistcrsee zu werfen. Er hatte den Goldgnldcn sorgfältig aufgehoben, ehe noch das unerwartete Erscheinen der Polizei seinen Glauben an das Ueber- sinnlichc seines nächtlichen Abenteuers zerstörte, und vor Gericht die Verheißung Epiphanias, die am Geistersce ihre Erfüllung finden sollte, verschwiegen, weil er die Lächerlichkeit fürchtete, die sein treuherziger Bericht schon hinlänglich herausgefordert hatte. Daher leugnete er nachträglich den Besitz des Goldguldens, weil er sonst auch den Zweck hätte eingestchen müssen, der ihn veranlaßt hatte, eines der Goldstücke in seine besondere Obhut zu nehmen. Das Erscheinen jener Kreideschrift an der Bude war eine Mah nung an den nahen Termin, denn in wenigen Monaten waren die drei Jahre abgelaufen.
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