Suche löschen...
Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 13.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-190001130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-19000113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-19000113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-13
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 13.01.1900
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
yreiverger Anzeiger «nd Tageblatt. Sette S. — IS. Januar. desselben auf das sogenannte jus ansariae, welches den Krieg führenden neutralen Schiffen gegenüber zustande: Ein Krieg führender habe das volle Recht, neutrale Schiffe in den inländi schen Gewässern des Feindes in Beschlag zu nehmen, wenn dies die Selbstvertheidigung fordere; die Entschädigungspflicht falle nicht ihm, sondern dem Aufent haltsstaate zu. Nur aus freundschaftlichen Ge fühlen für England wolle man in diesem Falle von seinem Rechte abgehen und eine Entschädigung bewilligen. Der Konflikt endete damit, daß die deutsche Regierung, nach einer Schätzung der englischen den geschädigten Interessenten 7073 Lstrl. zahlte (vergleiche Staatsarchiv 21 Nr. 4498 sg.)." — In dem echt demokratischen Eifer, das Ausland gegen das eigene Land in Schutz zu nehmen, wird dabei ganz übersehen, daß der ganze Vergleich überhaupt nicht paßt. Damals wurde auf dem Kriegsschauplatz selb st in einem Akt der Nothwehr neutrales Material vernichtet, weil es kein anderes Mittel gab, um eine direkte Schädigung des einen kriegführen den Theils durch den andern zu verhindern. Ebenso wird auch jetzt nichts dagegen zu sagen sein, wenn z. B. auf einem Ge- scchtsfelde in Natal eine einem Deutschen gehörige Farm zu Kriegszwecken zerstört wird. Abgesehen von dieser völligen Verschiedenheit beweist der Fall auch sonst gerade das Gegen theil von dem, waS er nach Ansicht des Briefschreibers beweisen soll. Denn obwohl gar keine ungehörige Verletzung der Neu tralität vorlag und die Franzosen eigentlich die Entschädigung hätten leisten müssen, kam Fürst Bismarck den Beschwerden der englischen Regierung sofort freundlichst entgegen und beseitigte den Grund zur Verstimmung. Die „Deutsche Tgsztg." schreibt: Die Interpellation über die Beschlagnahme deutscher Reichs- postdampfer durch englische Schiffe wird, wie wir be stimmt erfahren, sicher eingebracht werden und vo'aussichtlich im Anfang nächster Woche zur Verh indloaz kommen Die Vertreter der Reichsregierung hatten gewünscht, daß die Beroth- ung einen Aufschub erfahre, weil sie fürchteten, daß durch eine iorort erfolgende Besprechung der Jnt'-pellation die Angelegen heit nicht gefördert werde. Wir sind nicht in der Lage, zu prüfen, ob diese Befürchtung begründet sei, begrüßen es aber mit Freuden, daß der deutsche Reichstag in dieser das ganze "lolt tief bewegenden Frage Stellung nehmen und sowohl die Reichsregierung cls auch das Ausland über e allgemein herr schende Stimmung aufklären wird. Das preußische Abgeordnetenhaus verhandelte gestern über die Interpellation der Abg. Arendt und Genossen (kons.). „In wieweit erachtet die Regierung die im vorigen Sommer im An schluß an die Abstimmung dritter Lesung über die Kanalvor lage gegenüber einer Anzahl von Staatsbeamten von ihr getrof- f-men dienstlichen Maßnahmen im Einklan" mit den Vorschrif ten der Artikel 83 und 84 der Verfassung?" Abg. v. Köller (kons.) begründet dieselbe: dessen Ausführungen bei der schlechten Akustik leider zum großen Theil unverständlich blieben. Unter dem Beifall der Rechten und häufigem Widerspruch der Linken führte er etwa das Folgende aus: Rechter Hand, linker Hand, alles vertauscht, das sind die Folgen der letzten Kanalvoclage. Als die Regierung im vorigen Jahre zur Ueberzeugung gelangte, daß für den Kanal eine Mehrheit nicht zu gewinnen sei, nahm sie zu Maßregeln Zuflucht die höchst bedenklich erschienen. (Sehr richtig) rechts.) Der Reichskanzler verlas eine Erklärung, in der den Landwirthen für den Fall der Ablehnung des Kanals mU einer ungünstigeren Ausgestaltung der künftigen Handels verträge gedroht wurde. Am Morgen der entscheidenden Ab stimmung zitirte der Minister des Innern sämmtliche Landräthe unk Regierungspräsidenten und verlas ihnen eine Erklärung, die daraus hinauslief: „Stimme für den Kanal oder Du wirst gemaßregelt!" Darin laa eine verfassungswidrige Bedrohung. Ich mache nicht den Minister, sondern das Staatsministerium dafür verantwortlich. Der Minister hätte aber erklären fallen: „Das mache ich nicht mit, ich bitte um meine Entlastung." Das Wort: „Ich nehme meine Entlastung" wird in dem Lexikon der Minister doch noch zu finden sein. Nach der Kanalablehnung folgte die Maßregelung auf Grund des DiSziplinargcsetzes. Da rin liegt eine Verfastungsverletzung, die im 8 84 ausdrücklich bestimmt, daß ein Mitglied der Kammer wegen seines Votums nicht zur Verantwortung gezogen werden darf. Die Regierung hat nicht nur gegen die Verfassung, sondern auch sehr unklug gehandelt. Jene gemaßregelten Beamten haben als überzeug- unqStreue Männer gehandelt und werden wieder gewählt. Sie baden das gethan, womit der Liberalismus sich immer rühmt, Unabhängigkeit und Männcrstolz vor Königsthron bewiesen. Und jetzt billigtderselbe Liberalismus die Maßregelung dieser überzeuqungStreuen Männer, statt den liberalen Zeitungen, die die Maßregelung verlangten, die Köpfe zu waschen? Nichts war unbegründeter als die Hetze gegen die Konservativen, aus An laß der Ablehnung der Kanalvorlagr, und die Hetze gegen die Ostelbier. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der große König gerade mit Hilfe der Ostelbier es möglich gemacht hat, ganz Europa zu widerstehen? (Widerspruch links). Ist den Herren nicht be kannt, daß im Jahre 1812 gerade die ostpreußischen Stände unter Führung emeS Dohna die ersten waren, die die Fahne der Freiheit erhoben? Ist den Herren nicht bekannt, daß auch die Ostelbier, obgleich die räumlich entferntesten dieselben Hüter der Wach! am Rneine waren? Ist Ihnen nicht bekannt, daß bei der Armeeorganisation die Konservativen die ersten waren, die da für eintraten? Eine solche Partei will man abschülteln, wie einen alten Handschuh? Und das alles um eines elenden Ka nals willen? Die konservative Partei wird trotz aller Maß regeln nach wie vor nach Recht und Pflicht prüfen, ob die Millio nen für den Kanal gut angewendet sind und wird den Kanal ihrer Pflicht gemäß in der Zukunft genau so ablehnen, wie vor her. (Beifall rechts.) Die konservative Partei erwartet, daß auch ihr der Grundsatz 8unm auigue zugebilligt werde. Die Regierung hat das Recht, den Landtag aufzulösen, aber sie wird noch eine größere Kanalgegnerschaft erhalten und wird dann gut thun, sich zu bescheiden, sich selbst besiegen, ist der größte Sieg. (Lärm links). Ich frage deßhalb, wie die Regierung die Maß regelungen mit der Verfassung vereinbar halten kann. — Ministerpräsident Fürst -u Hohenlohe: Die Interpellation berührt einen Gegenstand, der seit dem Schluß de: letzten Session den Gegenständ scharfer Angriffe in der Presse gebildet hat. Die Regierung erareift daher gern die Ge- logenhelt, um ihre Stellung zu begründen. Davon, daß dieMatz- «adme geqen die Beamten wegen ihrer Abstimmung getroffen seien kann gar keine Rede sein. (Lachen rechts.) Es handelte sich einfach um eine Maßnahme im Jntereste des Dienstes. Hm Interesse der Autorität der Regierung liegt eS, daß sich die Re gierung auf die politischen Beamten verlassen kann. Das kann nicht der Fall sein bei Beamten, die die Regierung direkt be- Wnipfen und dadurch die Autorität der Regierung im Lande be einträchtige« mufft«. Deßhalb allein ist die Maßregel getrof fen worden, und zwar vorbehaltlich der Verwendung der zur Disposition gestellt«: Beamten in anderen Stellungen. Die Reaieruna war dazu gezwungen im Interesse ihrer Autorität und des Landes. Die sämmtlichen Redner aller Parteien stimm ten überein in der Verurtheilung der Maßregelung, die sie stets als verfassungswidrig, theils als unklug und unpolitisch bezeich neten. .Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Wie an der Berliner Börse verlautete, soll daS Aeltesten- Kollegium vom preußischen Handelsminister die Aufforderung erhalten haben, dem Produktenhandel in dem ehemaligen Hospital ein Ende zu machen. (Vergl. die Rede unseres Herrn Abg. vr. Oertel.) Von zuständiger Seite wird mitgetheilt, daß zwar ein jenen Verkehr der Getreidehändler betreffendes Schreiben deS Handelsministers den Aeltesten zugegangen sei, welches jedoch nur die Aeltesten veranlassen solle, in ihrer Eigenschaft als berufene Vertreter des Berliner Produktenhandels zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. In der Angelegenheit der Kruppschen Geschoß- lieferungen, an deren Fertigstellung augenblicklich in Essen mit Aufbietung aller Kräfte gearbeitet wird, wird heute abermals von einwandfreier Seite behauptet, daß sie thatsäch- licy für England bestimmt sind, während als Besteller eine englische Privatfirma vorgeschiitzt wird. Es muß hierzu wieder holt bemerkt werden, daß vonSeiten dcrKruppschenFabrik bisher mit keinem Worte den umlaufenden Gerüchten entgegengetreten worden ist. Unter diesen Umständen wird die Frage immer dringlicher, ob die deutsche Regierung es mit ihrer Neutralität wird vereinbaren können, wenn diese 45 000 Geschosse unbe anstandet die deutsche Grenze passiren, um dann sofort nach Südafrika verschifft und gegen die Buren verwendet zu wer den. An Beispielen für eine'Intervention, wie sie in diesem Falle von der Regierung erwartet werden muß, fehlt es in der Ge schichte der letzten Jahrzehnte durchaus nicht. So sollten während des Krieges zwischen Chile und Peru zwei von der Howaldtschen Werst in Diedrichsdorf bei Kiel anscheinend für Kriegszwecke erbaute Dampfer, „Sokrates" und „Diogenes", den Kieler Hafen verlassen. Die Schiffe waren nicht armirt. Kurz vor ihrem Auslaufen wurden jedoch beide Schiffe von der kaiserlichen Marine durch Wegnahme von Scbrauben und Ven- tilcn am Abfahren gehindert. Die Firma Howaldt suchte in cincr Beschwerdeschrift nachzuweisen, daß die Dampfer nichts weiteres wie Viehdampfer wären. Demunqeachtet mußten die beiden Schiffe bis zur Beendigung des Krieges an der Gaar- dener Seite des Kieler Hafens liegen bleiben. An den ReichStogSabgeordneten Bebel hat vr. Karl Peters folgenden offenen Bries gerichtet, der heute übermittelt wird: „Sie haben in der Reichstagssitzung vom 13. März 1896 be hauptet: 1. Ich hätte am Kilimandscharo einen Diener und eine Konkubine von mir aufhängen lassen, weil sie Umgang mit ein ander getrieben hätten. Ich hätte diese Thatsache in einem Briese an Bischof Tucker selbst zugegeben. Wie Sie nunmehr längst wissen, sind diese Behauptungen unwahr gewesen. Ich fordere Sie hierdurch auf, mir den Mann zu nennen, welcher Ihnen diese Sachen aufgebunden hat, damit ich ihn zur Rechenschaft ziehen kann, da Sie selbst sich hinter Ihre Unverletzlichleit als Reichstagsabgeordneter verkriechen, um der Verantwortung für Ihre Aeußerungen zu entgehen. Sie würden im Jrrthum sein, wenn Sie glaubten, daß ich beabsichtigte, diese Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Ich würde meine Aufforderung früher an Sie gerichtet haben, wenn ich nicht in Südafrika beschäftigt gewesen wäre. Ergebenst (gez.) Karl PeterS." Es wäre sehr wünschenswerth, daß diese Angelegenheit gründlich geklärt wurde. Bisher bestehen über den Ursprung der bekannten Lügen nur Vermuthungen, die vor Gericht schwer zu beweisen sein würden. Die Sozialdemokratie und das Heer. In der sozialdemokratischen „Münchener Post" ist zu lesen: „Je weiter der sozialdemokratische Gedankt und wahrhaft demokra tische Ideen sich ausbreiten, um so mehr geheime Anhän ger müssen sie auch in der Armee haben. Doch noch nicht genug damit. Die allgemeine Wehrpflicht nimmt dem Bauern seine Söhne und Arbeiter und macht damit gerade un ter den konservativsten Elementen des Landes Stimmung für die Opposition. Außerdem bringt sie den Bauernsohn wie den Knecht in die aufgeklärtere Atmosphäre der Stadt, wo gar mancher zum Industriearbeiter wird und damit den ersten Schritt ins Lager der Sozialdemo krat i e t b u t. So entwickelt sich die allgemeine Wehrpflicht trotz aller reaktionären Absichten von Oben zu einem mächtigen Gliede der freiheitlichen Bewegungen unserer Zeit. Und noth wendig muß der Tag kommen, wo das Kind der Demokratie wieder zur Mutter zürückkehrt." — Wohl ist hier zunächst der Wunsch des Gedankens Vater; allein der obige — allerdings nicht neue — Hinweis verdient fortgesetzte Beachtung. Ließe man die Sozialdemokratie ungehindert im Volke weiter wühlen, so könnte schließlich die Hoffnung der Sozialdemokratie doch noch Erfüllung finden. Oesterreich. Der „N. Fr. Pr." zufolge ist Sektionschef Rezek nach wie vor als czechischcr, jedoch sind Chlendowski als polnischer Laudsmannminlste r und der Romanist Czyhlarz oder der Pathologe Knoll,beide WienerUniversitätsprofcssoreu, als deutsche Landsmann- minister in Aussicht genommen. — Derselben Zeitung zufolge verlautet in parlamentarischen Kreisen, daß die Czechen neben der Einführung der inneren czechischen Amtssprache im czechischen Sprachgebiete auch die Zusage verlangen, daß bei der Regelung der Spracheufragc die Beamten im geschlossenen deutschen Svrach- gebiete zwar nicht zur Kenntniß beider Landessprachen verpflichtet werden sollen, daß aber daselbst Beamte extra statum ernannt werden, um bei czechischen Eingaben eine czechische Erledigung zu ermöglichen. Die Engländer beschlagnahmten ein auf der Fahrt nach Philadelphia (?) begriffenes russisches Lloydschiff. Der Lloyd rief die Intervention der russischen Regierung an. Colonialpolitisches. Zufolge telegraphischer Meldung des Kaiser!. Gouverneurs von Kamerun ist der Kaufmann Conrau von Eingeborenen ermordet worden. Nähere Nachrichten fehlen, doch ist anzu nehmen, daß das traurige Ereigniß in Verbindung steht mit den Vorgängen, die im Rio del Rey-Gebiet zum Tode des Leutnants Queis geführt haben. Courau war als einer der erfahrensten und besonnensten Kameruner vom kaiserlichen Gouverneur da mit beauftragt worden, der von der Küste abgeschnittenen Expedition Queis zu Hilse zu eilen. Die neugegründete Handels gesellschaft Nordwest-Kamerun hatte erst vor Kurzem Conau unter sehr vortheilhasten Bedingungen für ihre Zwecke ge wonnen. Der Krieg m Südafrika. Endlich sind die so sehnsüchtig Erwarteten, Feldmarschall Lord Roberts und Lord Kitchener of Chartum in Kapstadt ein getroffen. Sie werden nun zu zeigen haben, ob sie dem Krieg eine für die Engländer günstige Wendung zu geben im Stande Die Lage, die sie treffen, ist eine sehr verfahrene. Am Modderflusse steckt Lord Methuen mit seiner Kolonne fest, und wie „Daily Mail" berichtet, unterliegt eS keinem Zweifel mehr, daß seine Gesundheit vollständig untergraben ist. Die Auf regung und die ihm auferlegte, für seine Schultern viel zu schwere Aufgabe haben ihn wohl auch geistig etwas aus dem Gleichgewichte gebracht. Er dürfte also der General sein, der durE einen anderen ersetzt werden soll. Freilich wird es für die nächste Zeit nicht ganz leicht sein, von außen her einen Ersatz mann an den Modderfluß zu bringen da die dortige englische Streitmacht von den Buren eingeschlossen ist. Im Osten aber bedrängen die Buren Ladysmith an scheinend so hartnäckig und nachdrücklich wie je. Der Kampf vom Sonnabend hat die Stadt zwar nicht in ihre Hände geliefert, aber es ist doch auffallend, daß General White immer noch mit dem Zählen seiner Verluste beschäftigt zu sein scheint; er wollte dieselben mittheilen, wenn sie festgestellt wären, bis jetzt aber hat er noch nichts verlauten lassen. Man muß daraus schließen, daß der letzte Sonnabend für ihn besonders verlustreich gewesen ist. Es soll wohl nur dazu dienen, hiervon die Aufmerksamkeit abzulenken, wenn von englischer Seite die Verlustnngaben der Buren be mängelt werden, nnd wenn die alte Mär abermals aufgetischt wird, daß zwischen den Transvaalern und den Buren vom Oranjefreistaat Zwietracht herrsche, weil die letzteren von den ersteren immer auf die gefährlichsten Punkte gestellt werden. Nach Meldung verschiedener Blätter haben die Buren am Montag einen neuen Sturm auf Ladysmith begonnen, über dessen Ausgang jedoch keine Meldungen vorliegen. Was ist bei Lavysmith geschehen? AusLondon 10. Januar wird geschrieben: Wir wissen immer noch nichts Klares, Bestimmtes, Endgültiges über die Ereignisse deS letzten Freitags und Sonnabends, nördlich und südlich vom Tugela. Regierung und Kriegsamt schweigen wie stets nach einem „Unglück", und die Censur läßt nur bis zur Unkenntlichkeit und Unverständlichkeit verstümmelte Kabelrümpfe durch, die nur das in der Morgendämmerung des Sonntag verschwommen und in nebelhafter Ferne austauchendc Bild des Ringens um die belagerte Stadt noch mehr verzerren. Und doch scheint diesmal die englische öffentliche Meinung gar nicht im Zweifel über das zu sein, was wirklich sich dort unten abgespielt: Ladysmith ist gefallen und General Sir Ge orges White selbst in heroischer Verlheidigung seiner unhaltbar gewordenen Position, ein Held, gefallen. Das ist die einzige be kannte Darstellung, welche in den Kreisen der obersten „Zehn tausend" des Westends Glauben gefunden. In all' jenen Fa milien und Klubs, denen die hohen Militärs, die Mitglieder der Regierung und ihre nächste Umgebung angehören, erzählte man sich noch in den späten Nachtstunden zum Mittwoch — trotz aller gegcntheiligen offiziösen Versicherungen — der Herzog von Connaught sei besonders auf das Kriegsamt gerufen worden, um der greisen und schon so lies gebeugten Monarchin die Trau er mär mit schonender Hand, und all mählich bekannt zu machen, und Lady White habe sich sofort nach ihrem letzten Besuche auf dem Kriegsamt, wo Lord Wolseley ihr persönlich die Trauernachricht von dem Heldentode des Gatten schonend mitgetheilt, in ihre Zimmer eingeschlosseu und seither Niemand empfangen. Aber die Presse, die sonst so allwissende, weiß nichts von alledem; der „Globc" fordert sogar in einem Leiter an erster Stelle, daß man den Elenden entdecke und zur Bestrafung ziehe, welcher diese „Erfindungen" im Umlauf gesetzt. Bei dem herrschenden Antagonismus und dein Konkurrenzneid unter den einzelnen Nachrichtenquellen aber ist kaum abzusehen, wie sich diese Darstellung, wäre sie wirklich die richtige, so voll ständig in jenen hohen Kreisen und so lange versteckt halten könnte, wenn auch bisher die Bestunterrichtetsten sich stets gerade in den vornehmen Klubs gesunden haben. Wir selbst haben gerade dort fast immer unsere eigenen Informationen bestätigt und häufig ergänzt und erklärt gesunden. Aber diesmal scheint man weniger Positives zu wissen, als sich dem eigenen logischen Urtheil und der Deduktion aus den Prämissen zu überlassen. Und diese können, abgesehen von dem angeblichen Tode Whites, kaum zu einem anderen Resultate führen. Die Thatsachen, G spärlich sie auch sind, widersprechen der englischen Darstelluna, als hätten die Buren einen Versuch ge macht, Ladysmith mit stürmender Hand zu nehmen. Das Fehlen der blanken Waffe, und die Abneigung der Buren gegen den Angrif allein, würden kein Beweis sein, denn die Buren haben bereits zur Genüge bewiesen, daß sie selbst ihre altge wohnte Taktik den Bedürfnissen des Fortschritts anzupassen verstehen, aber nichts, absolut nichts lag vor, das sie gerade in diesem Augenblicke zu einem, immer große Opfer an Blut und Menschenleben fordernden Sturme hätte Hinreißen müssen. Sie wußten sehr gut, daß Stadt und Garnison am Ende ihrer Widerstandskraft angelanot sein müssen; sie wußten auch, ^aß Buller alle seine Verstärkungen längst erhalten, daß er sie an greifen könnte, ja das man daheim von ihm einen Entscheid ungsschlag erwarte, aber sie waren ebenso überzeugt, daß er sich in diesem Falle den Kopf, wie das erste Mal, an ihren Stellun gen südlich vom Tugela einrennen würde; und jedenfalls diesen nicht siegreich und rechtzeitig überschreiten können, um die schwer bedrängte Stadt zu entsetzen. Sie mußten mindestens damit rechnen, daß General White versuchen werde, durch einen An griff zu Hilfe zu kommen und sich eventuell sogar bis zu 'hm durchzuschlagen, und da, und in solchem Augenblicke, hätten sie ihre bewährte Taktik, den Feind in ihren Verschanzungen ruhig zu erwarten, zumal sie sich in fast uneinnehmbaren Positionen befanden, aufgeben sollen, um sich selbst an den steilen Berg wänden von Waggonhill und Vesters Kopse blutige Köpfe zu ho len, grade an dem Punkte, wo der Gegner seine besten Truppen zusammengezogen und zum Ausfall bereit hielt, während seine schwersten Geschütze gerade von diesen Höhen herab seinen Durch bruch decken sollten?! — Wollten die Buren aber trotzdem, des langen Harrens müde, oder um mit allen ihren Streitkräften nunmehr Buller umstellen zu können, vielleicht damit Streit kräfte frei würden, mit deren Hülfe Cronje Methuen nach Prä- toria auf den Weg bringen könne, Ladnsmith mit Sturm zu nehmen, so mußte ihr Angriff vom Osten und nicht vom Süden aus erfolgen, da, wo die Stadt selbst ganz offen vor ihnen liegt und sie vom Bulwana und dem Lombards-Kop aus mit ihrem Belagerungsgeschütz die geoenüberliegenden Stellungen desFein- des und dessen Artillerie leicht zum Schweigen bringen konnten. Offenbar haben sich die Dinae in ganz natürlicher Weise abge spielt. Die Buren bombardirten die Stadt etwas stärker als sonst, um General White zu zeigen, dcG sie wachsam und n'cht zu überraschen seien, und sollte er trotzdem einen Versuch ma chen, Buller die Hand zu reichen, wenn dieser, wie erwartet, an- grc ifc, so werde man ihn entsprechend empfangen. Das ist denn auch geschehen. White glaubte, wohl durch den starken Kano- nentonner irregeführt, Buller greife an, und machte einen Aus fall. Vielleicht blieb ihm gar kein anderer Ausweg, selbst wenn Buller ihm nicht zu Hülfe eilte. Die Entfernung zwischen den beiderseitigen Stellungen Lei Ladvsmith auf Vesters Kop—Waagonbill (eiiglisch) und Mid lehib—Flatto pedhill (Buren) beträgt höchstens 3500 Meter; die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)