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Sächsischer Landes-Anzeiger : 09.05.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188605091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860509
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860509
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-05
- Tag 1886-05-09
-
Monat
1886-05
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 09.05.1886
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UUM - ^ ^ ^ - ^ " ^ 'l'l-' .»"^' '. l- ,»M>»«W-, II I»! " ' '' ' ""''' ' '' ^-.' -'s ^ Tägliches Unlerhallungsblatt zum Sächsischen Landes Aiyeiger. ^ 10«. — «. Jahrgang. Verlags «Expedition: Alexander Wiede, Buchdruckern, Chemnitz, Theaterstraße Ar. L. Sonntag, 9. Rai 188«. Fraueuftoh «ud Mauncsehre. ftow«, k» zwei Büchern «n» dem Mau»feldischen von «mil König. Nachdruck verboten. Fortsetzung. Mit Wohlgefallen ruhte sein Auge ans den schönen Zügen de» Reiter», der in stolzer Haltung zu Pferde saß. Kaum ab« bemerkte ieuer, daß er beobachtet wurde, al» er langsam weiterritt und beim ««Überresten mit Anstand grüßte. Dobeneck entging nicht, daß der junge Manu di« Farbe wechselte. .Aha,* — murmelte er — .er schämt sich, daß ich ihn beim Lonsche» ertappt habe; er wird eifersüchtig sein!* Jetzt glaubte er die Situation zu überschaue». Ein unbestimmte» Etwa» sagte ihm, da» müsse die Obersteiger»tocht«r sein, welche die Fama al» die Brant Haller » bezeichnete. Nur konnte er da» jung« Mädchen nicht begreifen, daß e» Adalbert, seinen Neffen, diese» Hase«, herz, einem Haller vorzieheu konnte. .Da steht man wieder,* — dachte er — »wa» der Name bei tzr, Dämchen vermag." Langsam kehrte er «ach dem Schlöffe zurück. — Bus dem Hofe de» Gute» herrschte rege» Leben. Ein Enke lStalljnnge) führt« de» Administrator» Pferd auf und nieder und ei» Diener trug ei« reichliche» und appetitliche» Frühstück in da» kleine Hnn». Dobeneck vermuthete, für wen e» bestimmt sei. Da flog ihm Hedwig entgegen, welche ihn vom Fenster an» be- mrrkt hatte. Sie öffnet« die Thür eine» freundlichen Gemache», in welche« ei« reichbesetzter Frühstückstisch ihm einladend entgegenlachte. .Jetzt Onkel,* bat sie, »jetzt mach« e» Dir bei mir bequem, lnß Dir'» wohlschmeckeu. Hier find auch Cigarren und Journalei* .Aber Kind!* scherzt« Dobeneck — .Wen« ich Dich habe, wa» bedarf ich da der Zeitungen?* Er nahm den Kaffee, den sie ihm zuvorkommend präsentkrte und zündete sich dazu, sein« Gewohnheit gemäß, ein« Havanna an. Die» hänkliche Wesen stand ihr reizend und da» langentbehrte Gefühl de» Daheims«!«» überkam den Baron. »Hier ist gut fein!* — sagte er behaglich. — »Jetzt soll mir auch da» Frühstück munden, ich war bei Zeiten »«»gerückt.* »Wo warst Du denn in all« Frühe, lieber Onkel?* — lagt« sie, indem sie einen verstohlene» Blick nach dem gegenüberliegende» Fenster warf. »Je nun," — «tgegnete er — „ich ging spaziere« und da lief mir denn schon am frühen Morgen ei« LiebeSpärchen üb« den Weg. Sie stutzte. „Das Mädchen war ei» ganz reizende» Geschöpf.* — fuhr er fort — .e» hatte ei» liebe», fromme» Gesicht, der Liebhaber gefiel mir weniger.* Hedwig enöthete. — „Ist sie blond und war sie schwarz ge- kleidet?* — fragte sie hastig. „Getroffen!* — bestätigte der Onkel. — .Kennst Du sie?" .ES ist Lnise Stockhans* — versetzte sie, ihre Erregung be zwingend — .so viel ich erfahren habe, ist dieselbe auf einige Tage bei de» Hüttenmeister» Frau znm Besuch. Und ihr Begleiter?' „Nun, wa» de« betrifft, so thnt e» mir leid, daß durch ihn da» hübsche Kind z« Deine, Rivalin gemacht zu sein scheint.* Hedwig fnhr heftig empor und fragte stolz: .Wie meinst Du da». Onkel?* .Ganz einfach!* — entgegnet« der Baron — „ich bedauere, daß jener Konrmacher, der «och unter Dir steht, Deine Zuneigung verschmäht und sie einem Mädchen zvwendet, da» äußerlich und ge sellschaftlich Dir nicht ebenbürtig ist.* Wieder bedeckte tiefe Rötbe ihre Wangen und mit vor Bewegung zitternd« Etimwe fragte sie: „Habe ich Dir denn offenbart, Onkel, daß dieser Man« mir then« ist? Traust Du mir die Schwäche zu, daß * „Närrchen I* siel ihr Dobeneck in» Wort, „wer lernt Euch Frauen au»! Ich für «ein« Person habe da» Mißverhältuiß nicht geglanbt, und deithalb kam ich, um zur rechten Zeit Einspruch zu «heben, in dessen «eine Schwägerin bildet e» sich ein und D« mußt ihr anch Hoffnung gemacht haben." »Aber gnter Onkel I* — rief Hedwig und legte ihren Ar» auf seine Schult« — „Du redest von Adalbert?" .Bon wem sonst? Oder besitzt «in Ander« größere Ansprüche auf Dein Herz?* Hedwig zuckte zusammen, aber «S war ein freudige» Erschrecken. Tief ausathmend «widerte st« und schmiegt« sich an ihn: „Du wachtest mich schon ganz bang».* Er blickte >hr zärtlich in die dunklen Augen und sagte lächelnd: Sonderbare» Wesen, da» scheint Dir ja eine förmliche Fiende zu sein, daß Adalbert die hübsch« Louise Dir vorzieht. Oder «wartest D« eine schlimmere Botschaft?* Sie ging ans de» Baron» scherzende Frag« ein und bemerkte: „Jedenfalls wäre ejne Untreue nach dn Hochzeit fataler.* „Du bist glücklicherweise nicht eifersüchtig wie Dein Administrator. Der schaute unwirrisch de« Beiden zu." „Der Administrator?* wiederholte sie, den Kopf rasch «hebend. Sähest Du ihn, wie er fl« belauscht«?* „Freilich! Und «, schien versteinert!* „Ich glaube, sie ist ihm sehr theuerl* sagte Hedwig leise und fast traurig. Daun schwieg sie. Eben lief ein prächtiger Neufundländer über den Hof. „Ein majestätische» Thier I* rief Dobeneck. »Gehört der Hund Dir, Hedwig?" .Nein, dem Inspektor. Er besucht mich aber hänflg.* Sie öffnete da» Fenster und lockte den Hnnd, der sofort in mächtigen Sätzen zur Thür lief nnd von ihr eingelassen wurde. „Da hast Du ihn in dn Nähe, den Earo, Onkel, Hall«'» Nenfnudländ«,* scherzte st«, indem sie den Hnnd förmlich vorstellte und dann den schönen Kopf de» mächtigen Thiere» streichelte. .Ls ist ein Prachtexemplar, so treu und gelehrig, ich habe ihn sehr gern. Er besucht wich öfter auf meinem Zimmer, da» früh« sein Hen bewohnte.* „Für den Inspektor ist diese Wohnung auch sehr paffend,* be merkte der Baron, „er kann von dort an» Alle» beobachten, wa» aus dem Hofe vorgeht. Für Dich scheint stk weniger angenehm, Leine ganze Aussicht ist da» kleine Hau» de» Inspektor».* Sie warf einen fragenden Blick aus da» Gesicht de» Baron», al» wollte st« «forschen, ob der Sinn seiner Worte so arglo» sei, als ihr Ton und wollte etwa» entgegnen, al» ein Diener de« Admini strator aumeldete. Im nächsten Augenblick trat der Angemeldete ein Jetzt war für den Onkel der Augenblick gekommen, den viel geliebten Mann, für den er rin so ««erklärliches Interesse empfand, näher kennen z« lernen. Hedwig stellte di« Herren einander vor. Haller verbeugte sich mit Würde und Anstand. Dobeneck dn gegen war sichtlich betroffen, als er dem jungen Manne in» Auge sah, nnd seine Erregung entging weder Hedwig noch Haller. Letzterer ging sogleich zur Sache über. Er erinnert« Fräulein von Löwensprung daran, daß heute bereits der 2. Oktober sei, an welchem Tage sie die Zinsen ihres Baarvermögen» in Empfang zu nehmen habe und legte dabei ein Packet Kassenanweisungen ans den Tisch. .Würden Sie die Angelegenheit nicht lieb« mit meinem Bat« erledigen?"- fragte Hedwig — „Ich bin in Geldsachen so un erfahren* »Sie quittiren einfach, mein Fräulein!" — erwiderte er. »laut Testament gilt kein« andere Unterschrift al» die Ihre; deshalb kann ich da» Geld Ihrem Her,« Vater nicht aushäudigeu * Hedwig biß sich auf die Lippen» indessen setzte sie sich nieder, um die Quittnngeu zu vollziehen. Dobeneck hatte «einen Blick von dem Inspektor gewandt. Mit der ihm eigenen Treuherjigkeit redete er ihn endlich au; Eine Fahrt durch das Muldenthal. Von vr. Max Bogler-Lunzenau. Schluß. Nachdruck verboten- Da» schöne Bild, welche» das Dörfchen Rochsburg mit seinen zwischen Obstbäumen am Berge hinauf verstreuten Häusern und seiner die Höhe krönenden, schlichten Kirche bietet, ist leider durch den Schienenweg theilweise zerstört worden. Doch genießt man noch immer von dem Platze au», der sich auf dem hohen Ufer vor dem Schlöffe befindet, einen entzückenden Blick auf das Band der Mulde, auf die friedliche Häusergruppe, welche, ganz im Thal, von ihr umflossen wird, aus den Bahnstrang und die darüber (sich erhebenden, hell schimmernden Häuser. Von Rochsburg aus fährt die Bahn wieder eine ganz kleine Strecke auf hohem Uferdamm, um dann sogleich in einen ziemlich langen, theilweise unter dem Dorfe hinführenden Tunnel einzu rollen .... Kaum aus dem Letzteren wieder an das Tageslicht gekommen, bietet sich uns ein überraschender Anblick dar. Wir be finden uns auf einer über die Mulde führenden Brücke. Rechts scheint sich das ganz bewaldete, selsenreiche Thal immer enger zu sammen zu schließen; unten braust und schäumt der Fluß über zer klüftete» Gestein, und wenn wir tief im Thal, am Fuß des dicht zu unserer rechten Seite emporstrcbenden, an einzelnen Stellen spärlich von Bäumen bewachsenen Felscolosses, der sogenannten Amtmanns- kluft, uns befänden, so würden wir bald mit noch lauterem Getöse einen den Wald herniederjagcnden Bach wahrnehmen, welcher da, wo er in der Nähe einer über ihn führenden Holzbrücke sich in die Mulde ergießt, daS »Brauseloch* bildet . . . Hier öffnet sich ein überaus malerische», wildromantisches Seitenthal, durch welches in neuerer Zeit vom ErzgebirgS-Zweigverein Burgstädt ein bequemer Weg gelegt ist nnd dessen Besuch sich für de» wanderfrohen Touristen vor allem lohnt. Leider hat man auch hier ganz jüngst in einer wahrhaft unbarmherzigen Weise mit der Ausrodung des herrlichen Waldes begonnen und den hohen landschaftlichen Reiz der in ihrer Art groß artigen Schlucht t. Wenden wir jetzt unsere Blicke nach links in das sich weitende Thal hinein, so nehmen wir zunächst in unmittelbarer Nähe ein dicht am linken Flußufer gelegenes, ausge dehntes Fabriketablissement wahr» während weiter nach vorn schon die wundervoll in halber „Wildniß* gelegene Villa .Friedheim* von der Höh« deS Ufers au» dem dichten Nadelwald hervorblickt. Hoch über der Mulde sausen wir weiter, und nicht langer Fahrt bedarf e», um da» Städtchen Lunzenau äußerst anmuthig tief im Thal liegen zu sehe». Einen besonderen Eindruck bringt der Gebäude- eomplex einer mechanischen Weberei, welcher für uu» die Häuserzeile Lunzenau'« beginnt, hervor. Lunzenau ist der Geburtsort der Schwindlerin Anua Sophie Apitzsch, welche sich bekanntlich für den Kurprinzen Friedrich August «u»gab nnd in Männerkleidung, humbugtreibend, da» Land durch streifte. 1716 gehörte diese» saubere Frauenzimmer zu den Insassen be» Znchthause» Waldheim. Sohn. Bruno. Jurist. Sind Sie vielleicht mit dies« Familie verwandt?" „Jener Fabrikant war «ei« Großvater!" — «ntaeauete b« Administrator, sich leicht versengend. „Ihr Großvater!" — rief d« Baron — „Ich irrt« »ich M, nicht! Ihr He« Bat« war Jnristl Lebt « noch?" „Er ist todtl* — versetzte Hall« ohne anfznsehen. .Todt I* wiederholte Dobeneck. — „Tr war ein ganz« Mau», «in vortresflich« Mensch!" Er trat vor Haller hi« mrd sagte ent schlossen: „Sie kennen jetzt meinen Name», vielleicht wissen Sie anch, daß e» ein« Zeit gab, t« welcher derselbe innig mit dem Ihre« ver bunden war?" Haller nickte bejahend. .Sie hatten eine Tante — sie war meine Gattin" — fuhr Dobeneck mit bebend« Stimme fort — „wa» ist an» ihr geworden?" .Ein unglückliche» Weib!" antwortete d« jung« Mann finster. Der alte Baron zuckte leicht zusammen. Er Kat an'» Fenster und drückte die Hand au dl« Stirn. Theilnehmend Kat Hedwig Hinz«, zog leise seinen Arm herab und blickte ihn mit zärtlich« Besorgniß an. .Ich bin unschuldig au ihrem Unglück l" — bernhigt« er sie. — Aber «ein arme» alte» und zähe» Herz ist voll Tran« um fiel" Seine Trauer war eine so aufrichtige, daß sie selbst anf Hall« «inen wohlthätigen Eindruck wachte. Zu Haller gewendet, begann er von Neuem: „Ich konnte nicht ahnen, Sie hier z» finde«, Herr Hall«.' Hedwig kannte von der unseligen Affaire zu weuig, nnd ihr Bat« hat e» nute,lassen, mir mitzutheile«, daß Sie Anna » Neffe find, ich würde sonst unsere Begnnug vermieden haben. Da e» der Zufall aber so gefügt, werden Sie mir gewiß einige Anfschlüff« gebe», die für mich von größter Wichtigkeit find, und bitte ich Sie, mir zu gestatten, Sie zu dem Behuf« in Ihr« Behausnug anfsnchen ,» dürfen!" Die offen«, gutherzige Bitte de» alten Herrn konnte Hall« un- möglich versagen, ja er schlug sogar in seine dargrbote«, Rechte ein. »Sie find stet» so voll Eis« für mein Interesse, Herr Inspektor," bemerkte Hedwig artig — .Ich weiß in der That nicht, wie ich Ihne» dafür danken soll.* G, verbeugte sich kurz. Dann sagt« «: „Ich bebau,«, Si, «och auf Etwa» aufmerksam machen zu müssen." „Uud da» wäre?* — fragte sie. — ,E» ist Befehl gegeben, z« ein« Festlichkeit in E. da» Gewächs haus «ud namentlich di« Palmen zu plündern." .8« einer Festlichkeit?' wiederholt« sie — „und ich weiß kein Wort davon? Ich dank« Ihnen für Ihre Mittheilung, werde aber nicht zugeben, daß sich irgend Jemand an den Palmen vergreift, die, wie ich weiß, de» Verstorbenen Freude waren.* Ueberrascht blickt« Hall« auf. Ueb« sein Gesicht glitt eku Strahl der Freud« und der Blick voll Anerkennung «ud Bewunderung^ den er auf sie richtete, drang ihr in» Herz hinein nnd ließ sie «zittern, in einem ueuen, «ngekaunten Befühle. „Und wa» befehlen Sie in d« Angelegenheit?" begann Hall« wieder. ' „Nicht auf Grund meine» Rechte», sondern i« Namen der Fra« Oberstleutnant hebe ich die Anordnung hiermit auf!* «ntgeguele sie. „Ich übernehme e», mich mit ihr abzufinden, während ich Sie, Herr Inspektor, bitte, den Leuten entsprechende Befehle z« ertheilen.* Noch immer fühlte sie seine« Blick auf sich gerichtet, sie hätte den ihren unmöglich jetzt erheben können. Aber sie vernahm, wie « sich mit seiner klangvollen Stimm« empfahl, und dies« AbschiedSgruß hallte wider in ihr« Brust. Er war hinan». Ihre Gedanken waren mit ihm gegangen. Wir haben kaum noch Zeit gehabt, zu sehen, wie sich eine hübsche steinerne Brücke über den Fluß spannt, als wir schon den äußerst freundlich gelegenen und vorzüglich bewirthschasteteu Bahnhof erreichen. Derselbe gewährt einen Antblick auf das breiter gewordene Thal, welches drüben von allmählich abfallenden Feldern, Wiesen- und Gehölzgruppen begrenzt wird. Vor uns aber dämmert schon wieder der grüne Wald, welcher zu Spaziergängen einladet: Lunzenau kann allerdings zum Ausgangs punkt der reizvollsten Parthien ersehen werden . . . Auf hohem Steindamm, welcher zum Theil erst den nun ver letzten, am Ufer sich erhebenden Felsen abgenöthigt werden mußte, wendet sich der Schienenweg immer am Walde und dicht am Flusse hin, Wechselburg zu. Schon eine Weile hat hoch vom Berge das kleine Kirchlein des Dorfes Göhren mit seinem spitzen Thurme herabgegrüßt, als die imposante Brücke der Chemnitz-Leipziger Eisen bahn sichtbar wird. Die letztere, durch ihre kolossalen Bogen um so eindrucksvoller, gehört zu den größten derartigen Bauten ganz Deutsch lands; und doch brauchte man zu ihrer Aufführung noch nicht völlig drei Jahre. Unmittelbar in der Nähe des gewaltigen Baues breitet sich die Häusercolonie der Mühle Göhren außerordentlich malerisch am linken Ufer des Flusses auS. Die Bahn läuft am rechten Flußufer über eine Keine Spann- werkbrücke, um unmittelbar nachher den Weg durch einen Bogen der eben genannten großen Bahnbrücke — und noch dazu durch einen der kleinsten — zu nehmen. Nachdem bald darauf die fast dem Dorfe Altzschillen gegenüber in die Mulde mündende Chemnitz über brückt worden, dauert es nur noch eine kurze Weile, bevor wir in dem Marktflecken Wechselburg wieder Halt machen. Auch dieser, an der Höhe hinaufgebaute Ort hat eine schöne Muldenbrücke, von welcher aus sich die weißen Gebäude des sonst in sehr einfachem Stile aufgesührten Schlosses, welches uns hier vor Allem interesfirt, am vortheilhaftesten darstellen. Wenn uns nicht schon der wieder sehr ausgedehnte und die wildromantischsten Parthien enthaltende Park reizte, in den Wohnsitz des Grafen Karl von Schön burg einzutreten, so würde unS doch die zu den schönsten romantischen Bauwerken von Deutschland gehörende Echloßkirche dazu veranlassen. Dieselbe trägt keinen Thurm, ist aber durch die ganze künstlerische Ausführung, welche sich besonders am Portal, dem Altar und der Kanzel, sämmtlich aus Rochlitzer Porphyr gearbeitet, bekundet, ein Baudenkmal von höchstem Werth. In dieser Kirche liegt auch Dedo „der Fette* begraben, welcher das Gotteshaus in den Jahren 1174 bis 1184 erbauen ließ. Ihm, der bekanntlich dumm genug war, sich von einem unklugen Klosterarzte da» Fett au» dem Leibe schneiden zu lassen, sowie seiner Gattin ist in der Mitte der Kirche ein großes Grabmal errichtet worden. Dieser Dedo IV. hat auch erst den Grund zu Wechselburg ge- legt, indem er hier da» Kloster Zschillen erbaute. Weil die Mönche ein sehr lüderliche» Leben führten und sogar ihren Probst ermordeten — ein großes, schwarze» Kreuz auf dem innerhalb de» Parke» an der Mulde sich erhebenden Felsen, der „Eulenklnft", be zeichnet wahrscheinlich die Stelle» wo der Ermordet« in d« Flnß geworfen wurde, — mußten sie schon im Jahre 1278 da» Kloster wieder verlassen. Im Jahre 1539 wurden die Söhne Heinrich'» des Frommen, Moritz uud August, Besitzer de» Kloster»; sodanu tauschte Graf Ernst von Schöuburg Zschillen gegen Wehlen, Hohen stein und Lohmen ein (1543). Wegen diese» wiederholten Tausche» erhielt der Ort später den Namen Wechselburg. Auf der weiteren Fahrt umläuft der Zug in immer romantischer Umgebung, an einigen äußerst malerisch gelegenen Dörfern vorüber, den dichtbewaldeten Rochlitzer Berg. Derselbe ist bekannt durch sein« sehr ergiebigen Porphyrbrüche, und sowohl um der letzteren als auch um der auf seiner Höhe sich eröffnenden Rundschau willen ist dn Besuch diese» Berge», welcher auf seinem Haupte den geschmackvolle«, weithin sichtbaren Friedrich-August-Thurm kägt, sehr lohnend. Die Stadt Rochlitz liegt, in einem Halbbogen von der Mulde umrauscht, im tiefen Thalkeffel und bringt mit ihrem doppelgethürmten alten Schloß und der schönen, in gothischem Stile meisterhaft aufge führten Kunigundeukirche einen sehr wirksamen Eindruck hervor. D« Grund zu ihr wurde vermuthlich schon um das Jahr 800 gelegt, und die Geschichte des Mittelalters thut ihrer öfter Erwähnung; als eine Pflegerin der Gesangslunst stand in jener Zeit die Rochlitzer Cantorei in hohem Ansehen, und während im Jahre 1519 die Pest in Leipzig herrschte, wurde sogar die LandeSuniversität nach dies« Stadt verlegt .... Sie könnten un» so manche» erzählen, die beiden Schloßthürme der sehr reinlichen und freundlichen Stadt, die so genannten Rochlitzer Jupen, aber wir dürfen ihnen heute nicht lauschen, ebensowenig als wir die prachtvolle Umgebung durchskeifen können, welche reich ist an schattigen Waldspaziergängen und die schönsten LandschastSbilder aufweist. Bald über fruchtbare Wiese« uud Felder, bald an grünen Waldessäumen hin geht jetzt die Fahrt in zwar weniger großartiger, aber um so anmuthigerer Umgebung das Thal entlang weiter. Bei 'dem Dorfe Lastau überbrückt der Zug wieder die Mulde, an deren rechtem Ufer eine schöne Pappelallee der Stadt Colditz zuführt. Die Letztere ist auch unser nächste» Ziel. Der Name wird den Lesern schon anzeigen, daß Colditz gleich Rochlitz in jener Zeit entstanden sein mag, wann die Sorben über Sachsen hereinbrachen. Jedenfalls ist die sehr hügelig gelegene Stadt sehr alt. Das auf der Höhe thronende, später bedeutend ver größerte Schloß ist vielleicht um das Jahr 1080 vom Grafen Wiprecht von Groitzsch erbaut worden; es wird jetzt als Asyl für unheilbare Geisteskranke benützt. Der dasselbe umgebende, mit einer 3600 Ellen langen Mauer versehene Thiergarten dient jetzt nicht mehr seinen ursprünglichen Zwecken; er wurde einst unter den „Wunderwerken* Sachsens genannt. Schon liegt auch diese oft von Brand und KriegSunglück heim gesuchte Stadt hinter un», und an dem Dorfe Groß-Sermuth vorüber, woselbst sich die Zwickau« und die Freiberger Mulde vereinigen» find wir bald in Grimma angekommen, dem letzte» landschaftlich wirklich schönen Punkte, welche unsere Fahrt berührt. Der Dichter Seume, einer der edelsten Menschen welche je geathmet, lebte mehrere Zehre in dies« freundlichen Stadt: „Zwei
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