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sen will, im preußischen Ministerrathe die Herren v. Bötticher und Thielen gestimmt. Anfang Februar wird in Berlin die vom Reichs kanzler berufene Commission zur Prüfung der Miss stände im Börsenwesen ihre Berathungen eröffnen. Aus der deutschen Schutztruppe ausgeschte- den ist der Compagnieführer Rochus Schmidt, welcher sich auf der Ausreise nach Afrika befand und jetzt wie der in Berlin weilt. Mit ihm zugleich haben auch Compagnteführer End und Lieutenant Bronsart von Schellendorff ihre Entlassung erhalten. Frhr. v. Eltz, von dem auch die Rede war, ist beretis nn vorigen Frühjahr nicht in die neuorgantsirte Schutztruppe über nommen worden. Die Entlassung dieser sehr tüchtigen Offiziere erregt in Colonialkretsen lebhaftes Aufsehen. Auf ihre Gründe einzugehen, dürfte zur Zeit noch ver früht sein. Das Ereigntß im Reichstage ist die auf Anregung des Abg. v. Bennigsen und unter Entgegenkommen der Abg. Bamberger und Eugen Richter erfolgte An näherung zwischen Nationalltberalen und Frei sinnigen. Nach den Reden der Parteiführer soll keine Partei das Geringste von ihren Prinzipien auf geben, es soll aber eine ruhige und sachliche Erörte rung eintreten und besonders e.n Zusammengehen aus den Gebieten, auf welchen beide Parteien gleiche An schauungen haben. Namentlich handele es sich um die Bekämpfung des preußischen Volksschulgesetzes. Die leitenden nationalltberalen Organe sind hiermit durch aus einverstanden. Die Köln. Ztg. sagt, daß es mit der Freundschaft zwischen Nationalltberalen und Con- servattven vorbei sei, wenn die Letzteren für dos Schul gesetz stimmten. Die „Nationalztg." betont, daß alle Liberalen sich vereinigen müßten, um dem schlimmsten Uebel, dem Muckerlhum, das sich jetzt breit mache, das Handwerk zu legen. Andere Blätter drücken sich noch weiter schärfer aus. r^ep.erreich-LiuZarrt. Der König Karl von Rumänien hat auf der Heimreise von Italien nach Bukarest Wien pasfirt. Zwischen dem österreichischen und ungarischen Finanz- Minister haben in den letzten Tagen Conferenzen statt- gesunden, in welchen eine volle Einigung über die Prinzipien der Valutaregulirung erzielt worden ist. Frankreich. Der Kontre-Admiral Gervais, der Befehlshaber des Kronstadt Geschwaders, ist unter Uebergehung zahl reicher Vordermänner zum Vice-Admiral ernannt. Italien. Der Papst ist jetzt wieder soweit gekräftigt, daß er t» gemessener Zahl Audienzen erthetlen kann. Im Gesammtbefinden ist aber doch der Eintritt von Alters schwäche deutlich zu erkennen. Es ist außerordentliche Vorsiä t geboten. Rußland. Der Großfürst Konstantin Nikolajewitsch, Oheim des Czaren, liegt im Sterben. Die Kaiserin leidet an einem hochgradigen Angstgefühl in Folge der letzten Attentatsversuche. Es kostet unendlich Mühe, sie zu beruhigen. Afrika. Sensationsmittheilungen aus Kamerun kündigen einen Aufstand der Schwarzen gegen die deutsche Verwaltung an. Im Berliner Colonialamt ist nichts davon bekannt. Amerika. In verschiedenen argentinischen Städten haben blu tige Straßcnkämpfe stattgefunden, bet welchen die Regierung ihre Autorität nur mit großer Mühe auf recht erhalten konnte. Auch in Brasilien sieht es gar nicht geheuer aus. Ein Telegramm aus Santiago meldet, der chileni schen Regierung sei von den Bereinigten Staaten von Nordamerika ein sehr entschieden gehaltenes Ulti matum zugegangen. Es werde darin erklärt, die UnionSregierung werde die diplomatischen Beziehungen s zu Chile abbrechen, sofern die chilenische Regierung s nicht die für die Vereinigten Staaten beleidigenden ! Ausdrücke der Depesche zurückziehe, welche der frühere Minister des Auswärtigen, Matta, am 14. December j v. I. an den chilenischen Gesandten in Washington, « Montt, gerichtet hat. Das Ultimatum fordert unver- - zügltch Genugihuung, für welche keinerlei Frist gewährt würde. Dem Vernehmen nach hätte die nordamerika nische Regiernng vier Kauffahrtheischiffe gechartert, um dieselben für den Fall eines Krieges mit Chile zur Aufnahme von Truppen und Proviant herzurichten. Zum Kriege wird es wahrscheinlich nicht kommen, da Chile voraussichtlich wohl nachgeben wird. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 25. Januar. Vergangene Nacht gegen 2 Uhr wurde hier in westlicher Richtung ein bedeutender Feuerschein wahrgenvmmen. Wie wir heute erfahren, ist In Nitzschka bet Gößnitz um diese Zeit ein Bauerngut weggebrannt. *— Für die Gemeinde Htnteruhlmannsdorf und Umgegend ist die Stelle einer Leichenfrau zu besetzen. Bewerbungen sind beim Pfarrame in Flemmingen ein zubringen. *— Ein Gewerbetreibender, welcher Waaren, tnsbe ' sondere Lebensmittel, an seine Arbeiter zu einem die ) Anschaffungskosten übersteigenden Preise gegen bar ver- kauft (also nicht kreditirt), macht sich nach einem Urthetl des Reichsgerichts dadurch nicht strafbar. Ein Gewerbe- z treibender, welcher an seine Arbeiter Bier zu einem - die Anschaffungskosten übersteigenden Preise gegen bar j verabfolgt hatte, wurde von der Strafkammer wegen ; Zuwiderhandelns gegen 8 115 Abs. 2 der Reichsge- - Werbeordnung verurthetlt. Auf die Revision des An geklagten hob das Reichsgericht das erste Urtheil auf, indem es begründend ausführte: „Abs. 2 des 8 115 verbietet nicht das Verabfolgen von Waaren an die Arbeiter, sondern, von Ausnahmen abgesehen, die Kre- ditirung von Waaren . . . ." — In Glaucha» ist am 21. d. über das Ver mögen des Schlossermeisters Robert Albin Bre'tfeld, sowie über dasjenige der Kleiderhändlerin Minna Amalie Rahm und am 22. d. über das Vermögen des Bäcker meisters Heinrich Robert Wilhelm ebendaselbst das Contursverfahren eröffnet worden. Aus dem Gachfenlande. — Die 2. Deputation der ersten Kammer beantragt in Uebereinstimmung mit der zweiten Kammer, folgende Titel des außerordentlichen Etats zu bewillig»»: 442,000 Mk. zur Erweiterung der Station Radeberg; 250,000 Mk. für Grunderwerb zur Anlage, eines neuen Vor rangirbahnhofs für Chemnitz; 1,260,000 Mk. zur Erweiterung der Station Coswig; 1,340,000 Mk. zur Erweiterung der Station Kötzschenbroda; 130,000 Mk. zur Verbesserung der Bahnhofsanlagen in Döbeln; 45,000 Mk. zur Erweiterung der Station Miltitz; 412,000 Mk. zum Ausbau des zweiten Gleises aus der Strecke Freiberg-Lichtenberg; 1,300,000 Mk. zur Umgestaltung der Bahnstrecke Kötzschenbroda-Pieschen und 183,000 Mk. für Grunderwerb zu einer künf tigen Verlegung der Ntcolaivorstadt-Haltestelle zu Chemnitz. — Die 4. Deputation der ersten Kammer beantragt, die Petition E. M. Richter's in Freiberg und Ge noffen der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen. Dagegen wird beantragt, folgende Petitionen auf sich beruhen zu lassen: die Petition des Gasthofsbesitzers Kästner in Vorder-Neudörfel, Zwickauer Stadtantheil, den Ersatz von Bergschäden und Revision und Ab änderung der darauf bezüglichen Bestimmungen des Berggesetzes betreffend, und die Petition des Gasthofs- besitzers Rößler in Zeidlitz b. Borna und Genossen, Aufrechterhaltung der Tanzregulative betreffend. — Die Beschwerde- und Petttions-Deputation der zweiten Kalymer beantragt, auf sich beruhen zu lassen: die Petition des Amtsgerichts-KafsencontroleurS Walther in Ostritz, Erlaß eines Gesetzes wegen der Ermäch- tigung der Sparkassenverwaltungen zur Annahme, Ver wahrung und Verwaltung von Werthpapieren betreffend, die Petition des Stadtrathes und der Stadtverordneten zu Döbeln, Erleichterung der Einquartierungslast be treffend, und eine Anzahl Anschluß-Petittonen, sowie die Beschwerde des Franz Walther in Leipztg-Conne- witz und Gen., ehemaligen Vorstandsmitgliedern des aufgelösten Leipziger Freidenkeroereins „Humboldt" über das Verfahren bei der polizeilichen Auflösung des Vereins. — Die Finanzdepulation L der zweiten Kammer beschloß, folgende Titel des außerordentlichen Etats zu bewilligen: 569,200 Mk. für Erweiterung der Sta tion Plagwitz-Lindenau und der daselbst einmündenden Jndustriegeleise; 350,000 Mk. für Erweiterung des Bahnhofes Borsdorf einschließlich der Beseitigung zweier Niveau Uebergänge; 1,500,000 Wk. zur Erbauung von Wohnungen für Beamte und Arbeiter der Staats eisenbahnen in Dresden, Leipzig und Chemnitz. — Aus dem Berichte des Geschäftsführers der deut- scheu Turnerschaft, vr. weä. Goetz Lindenau, über das Jahr 1891 ist zu entnehmen, daß die Kasse der Tur- Feuilleton. Eine dunkle That. Eine elsässische Geschichte aus dem Jahre 1870. Von Karl Wohlfahrt. Nachdruck »erdotrn (Fortsetzung.) 10. Kapitel. Wilhelm hatte wenig auf das geachtet, was sein Faktotum ihm vorgeplaudert hatte. Er war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, und diese Gedanken waren, wie man sich denken kann, nicht sehr erfreulicher Natur. Was war in den letzten vierundzwanzig Stun den nicht Alles auf ihn eingestürmt! Was für un erwartete Ereignisse, ganz dazu angethan, selbst einen starken und ruhigen Mann aus der Fassung zu brin gen, hatten sich an jene süßen Stunden angereiht, in der er die Geliebte in seine Arme schließen durfte. Die Nachricht von der Ermordung des Barons, die schweren Augenblicke, in denen er den beiden Frauen diese Nach- - richt mitthetlen mußte, am andern Morgen das Verhör, i der fürchterliche, für ihn unfaßbare Verdacht, der auf ! ihn gefallen war, die Rückfahrt unter dem Geleite der Sicherheitswache, dann diese Emeute der Arbeiter, — alles das hatte sein inneres Leben in Aufregung ver setzt und er bedurfte seiner vollen männlichen Energie, um nicht das Opfer einer trübseligen und verzagenden Stimmung zu werden. Und als sei es nicht genug an so viel Unerwartetem und Verwirrendem, das den ruhigen Kreislauf seiner geregelten Thätigkett unter brochen hatte, waren auch neue Nachrichten sehr ernster Art eingelausen, die die Aussicht auf die Erhaltung ! des Friedens verminderten und die Möglichkeit, ja i sogar die Wahrscheinlichkeit eines Krieges ankündig- ! ten, die nicht nur für sein Geschäft, sondern auch für sein Privatleben von verhängnißvollen Folgen sein konnte. Er riß sich zuletzt aus diesen Gedanken los und trat an das Fenster, die heiße Stirn an die Scheiben pressend, die von dem Gewitterregen, der mittlerweile seine Wuth ausgetobt hatte, noch feucht waren. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, um einen Brief an seine Braut zu schreiben. Es war ihm in der Stimmung, in der er sich befand, ein Bedürsniß, sich mit Derjenigen zu unterhalten, deren Bild sich aus dem Chaos von Gedanken und Besorgnissen, das auf ihn einstürmte, mit ruhiger Klarheit abhob. Aber er halte kaum einige Zeilen geschrieben, als Valentin wie der eintrat, diesmal ohne anzuklopfen, mit Mühe die Aufregung beherrschend, die sich in dem gerötheten Ge sichte, in seinem unruhigen Blick verrieth. „Eine verfluchte Geschichte, Herr Oberdank! 's ist zu dumm!" Wilhelm legte die Feder aus der Hand. „Was ist's?" fragte er. „Hab' mir gleich gedacht, daß es nichts Gutes zu bedeuten hatte, wie sie so ruhig die Straße hinab zogen. Wäre mir fast lieber gewesen, sie hätten uns ein paar Fenster etngeworfen. Sind zur Kammer- wtrthin gegangen und dort haben sie eine Verathung abgehalten, wie ich erfahren habe. Können sich denken, Herr, daß der Kleine da wieder die Hauptrolle spielte. Dann sind sie in die Fabrik gezogen, so zweihundert Köpfe stark, auch Weiber und Kinder darunter." „In die Fabrik?" „Denken vielleicht, sie hätten die Arbeit wieder auf nehmen wollen, Herr Oberdank? Da kennen Sie düse Gesellschaft nicht. Kein Gedanke! Sie haben die anderen Arbeiter aufgefordert, fich ihnen anzuschlie ßen und die Arbeit einzustellen." „Ah, das ist stark! Wer arbeitet noch in der Fabrik?" „Die Hundsrücker und so zehn oder zwanzig aus der Gegend." „In diesem Augenblicke hörte man das Läuten einer Glocke. j „Aha", — sagte der Riese, indem er eine große - silberne Uhr hinter dem Schurzfell hervorzog. „Sie j läuten den Feierabend ein. Eine halbe Stunde vor - der Zeit! Sie geben den Anderen das Signal, daß ' sie die Arbeit einstellen sollen. Aber die Hundsrücker j halten sich brav und ich wette, es kommt eher zu einer ; Prügelei als daß sie nachgeben." - Wilhelm hatte mittlerweile nach seinem Hute ge griffen und trat auf die Thür zu. Valentin hielt ihn am Arme zurück. „Wohin wollen Sie gehen, Herr Oberdank?" fragte er. „In die Fabrik." „Um Gotteswillen! Sie werden sich doch nicht unter die rabiaten Leute wagen?" „Was soll mich abhalten? — Es werden ver nünftige Leute darunter sein, mit denen sich reden läßt. Und glauben Sie, daß ich mich vor dem Gesindel fürchte?" I „Herr Oberdank, 's ist ein desperates Volk — sie haben getrunken —" ! „Lassen Sie mich." Wilhelm eilte die Treppe hinab auf den Hausflur. Hier trat ihm Einer der beiden Gensdarmen entgegen, der ihn in der höflichsten Weise daran erinnerte, daß ihnen die Weisung gegeben sei, ihn nicht aus dem Auge zu lassen. „Gut! So begleiten Sie mich. Ihre Anwesenheit dürfte so wie so dort mehr von Nutzen sein, als hier im Hause." Wilhelm trat durch die Hinterthüre des Hauses auf den Hof hinaus und schlug den Weg nach der Fabrik ein. Dicht hinter ihm ging der Riese, in einiger Entfernung folgten die Gensdarmen. Schon von Weitem drang der wüste Lärm verworrenen Durch- einanderschreiens an sein Ohr. (Fortsetzung folgt.)