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ziehung. Daß das Klima ungünstig ist, giebt er zu, er hofft aber auf Besserung, wenn die Pflanzungen bis an die Gebirge des Innern vorgeschoben sein werden. Die Grafen von Bismarck verschwinden immer mehr aus der Armee und es dürfte fraglich sein, ob die .beiden Söhne des Fürsten Bismarck, von denen Graf Herbert als ältester Oberstlieutenant, und Graf Wilhelm als Major unter den Offizieren L 1» suits der Armee geführt werden, im Avancement noch weiter aufrücken. Die in Jahresfrist erfolgten Verabschie dungen des Majors Grafen August Bismarck und des Rittmeisters Grafen von Bismarck-Bohlen, welche das neueste „Milit.-Wochenbl." meldet, erregen ein gewisses Aufsehen. Beede, als äußerst tüchtige Offi ziere bekannt, gehörten dem 1. Garde-Dragonerregt- ment Königin von Großbritannien und Irland an und standen, bevor sie den erbetenen Abschied erhielten, L 1» suite des genannten Regiments. Die Gründe, welche die beiden Grafen bestimmt haben, aus dem Dienst auszuscheiden, find unbekannt. Bei einer Berliner Socialdemokraten-Versamm- lung kam es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Bebels und den „Unabhängigen", so daß die Redner nicht mehr verständlich waren. Die Redner wurden dermaßen gestört, daß sie nicht weiter sprechen konnten. Auch der Abg. Singer drang mit seiner Stimme bet der steigenden Unruhe nicht durch. Während seiner Rede wuchs der Tumult, bis er schließlich in eine große Prügelet ausartete, bet der Unabhängige und Offizielle sich mit Stuhlbeinen, Gläsern, Ochsenziemern und Gummischläuchen derartig bearbeiteten, daß es auf beiden Seiten eine große Anzahl leicht und schwer Verwundeter gab und zer brochene Stühle, Stöcke, Gläser und Hüte das „Schlacht feld bedeckten. Die Polizei räumte das Lokal und drängte die Versammelten auf die Straße, wo sie von Schutzleuten auseinandergetrieben wurden. Wie die „Nat.-Ztg." hört, haben schon vor einigen Wochen durch die Provinzial-Steuerdirectoren bet den Hauptsteuerämtern vertrauliche Erhebungen darüber stattgefunden, wie sich voraussichtlich der Bierconsum bet Erhöhung der im Gesetz vom 31. Mat 1872 mit 4 Mk. vom Doppelcentner Malz festgesetzten Brausteuer auf 8 Mk. stellen würde. Diese Erhe bungen stehen selbstverständlich mit der Frage der Deckung der Kosten der Militärvorlage tm Zusammen hang«. Um den Verkehr an den Karawanenstraßen von DeutschOstafrtka in geordnete Bahnen zu letten, wird seitens des kaiserlichen Gouverneurs beabsichtigt, für dte Dienste der Eingeborenen, auf welche dte Ka rawanen bei ihrem Durchzuge durch das deutsche Schutz gebiet angewiesen find, Herbeischaffung von Trinkwaffer und Lebensmitteln, Stellung von Führern und dergl., die Vermittlung der Stationen vorzuschreiben. Durch diese soll der Entgelt für die geleisteten Dienste gezahlt und die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen überwacht werden. z Wie mehrfach gemeldet wird, sollen die Kaiser- Manöver des 8. und 16. Armeecorps tm Herbst 1893 in derselben Wetse stattfinden, wie sie für dieses Jahr geplant waren. Dte „Kreuzztg." erhält von dem Grafen Mirbach- Sorquttten eine Zuschrift, in welcher es heißt: Trotz der diesjährigen etwas besseren Ernte wird sich dte wtrthschaftltche Lage der Grundbesitzer tn Folge des sehr bedeutenden Sinkens der Preise ungünstiger ge stalten als tm Vorjahre. Dte Landwirthe werden sich tn ihren wirthschaftltchen Betrieben zu weitgehenden Einschränkungen gezwungen sehm, namentlich hinsichtlich der Ausführung von Meliorationen, des Bezuges von - Maschinen und Geräthen und des Ankaufs künstlicher - Düngemittel. Letztere sind viel zu theuer, um bet den gegenwärtigen Getreidepreisen eine auch nur an- ! nähernd lohnende Verwendung zu finden. Mit welchem Eifer dte Russen die militärischen Fortschritte Deutschlands verfolgen, beweist, daß sie nicht nur einen geregelten Brieftaubendtenst eingerichtet haben, sondern auch fortgesetzt groß ange legte Versuche aeronautischer Art machen. Dte Luft schiffertruppen find zweifellos sehr gut geschult und mit allen neuen Apparaten ausgerüstet. Jetzt beginnt man auch, Krtegshunde abzurichten und dem Fahrrad größere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Versuche, welche mit Radfahrern angestellt worden sind, sollen sehr befriedigt haben. Vom Dienstag Mittag bis Mittwoch Mittag war tn Hamburg eine Zahl von 211 Choleraerkran kungen und 100 Todesfällen zur Anmeldung gelangt. Das ist eine Abnahme gegen dte früheren Tage, doch t letder hat dieselbe nicht angehalten: Am Mittwoch trat bet Regenwetter schon wieder eine Zunahme der Erkrankungen ein, viele Kranken-Transporte bewegten sich durch dte Straßen. Jnsgesammt find tn Ham burg nunmehr über 7000 Personen an der Cholera s gestorben. Eine Untersuchung des Elbewassers bet j Hamburg und Wittenberge hat dte Durchsetzung des« > selben mit Kommabactllen ergeben. Auch Havel und Spree müssen als verseucht bezeichnet werden, das tritt tn den fortdauernden Erkrankungen von Schiffern und deren Famtltenangehörtgen zu Tage. Berlin, das ! tn dieser Woche sechs Choleraerkrankungen und zwei Todesfälle schon hatte, wies am Mittwoch abermals vier Neumeldungen auf: Dte Erkrankten find etne . Handelsfrau Baberskt, Kleine Auguststraße 6, welche Spreewafser getrunken hat, weiter der Bootsmann i Gerecke, der auf einem Kahn an der Schleuse bet ' Plötzensee erkrankte, etne Schtffersfrau Michaelis gleich falls daher, und deren fünfjähriger Sohn, der schon i auf dem Transport zum Lazareth starb. Außerdem find noch acht verdächtige Erkrankungen gemeldet. Man sieht also: dte Ansteckung durch geflüchtete Ham« ' burger ist viel weniger zu befürchten, als etne An« i steckung tn Folge des Genusses von verseuchtem Wasser. Hamburg tst schon von zahlreichen auswärtigen Aerzten tn Folge des lächerlich geringen Honorars (3,30 Mk. pro Tag), welches der Senat zahlte, verlaffen; das ' kann böse Folgen bei der nun wieder constattrten Zu« x nähme der Seuche haben. Einer der jungen HilfS- s ärzte, ein Hallenser, tst gestorben. Neue Fälle find s constatirt In Swinemünde, Uckermünde, Stettin und tn der Umgegend von Bremen. Dte Amerikaner, welche - sich durch dte schärfsten Absperrungsmaßrcgeln vor der E Seuche zu schützen suchten, scheinen auch genauere Be- - kanntschaft mit der Cholera machen zu sollen. Wentg- stens tst dieselbe schon in einer ganzen Reihe von : Städten vereinzelt ausgetreten. ^etterrerey-LLuguru. Dte österreichisch-ungarischen Militärausgaben sollen vom neuen Jahre ab um 16 Millionen Mark ; erhöht werden. > In Krakau und Umgegend find verschiedene neue : Cholerafälle vorgekommen, doch hat die Epidemie l noch keinen besorgnißerregenden Character. Dte An« k ordnungen find außerordentlich scharf, dte Durchführung s wird von starker Gendarmerie überwacht. Hrantretch. Dte Franzosen find jetzt wieder tüchtig ins Fest- feiern hineingerathen. Am Dienstag feierte man den - hundertsten Jahrestag der Kanonade von Valmy, > Donnerstag wird das Jubiläum der Proclamtrung der Republik durch Festfeter tm Pantheon und große historische Umzüge begangen werden. Und da nun Alles spricht, will auch der Prinz Victor Napoleon ntcht schweigen, sondern hat wieder einmal ein Manifest zur Glortficirung der Familie Napoleon verbrochen. s Freilich ist es auch darnach geworden. Die Stellung des russischen Botschafters von Mohren- heim in Parts, des eifrigsten Trägers der russisch- ! französischen Freundschaft, soll erschüttert sein. ' Mohrenhetm soll durch eine hochstrebende Aeußerung beim Kaiser Alexander tn Ungnade gefallen sein. Belgien. Nachdem die beiderseitigen Regterungen bisher keinen - rechten Ernst gezeigt haben, dte blutigen Raufereien zwischen französischen und belgischen Bergarbeitern in Nordfrankretch zu unterdrücken, haben sich mehrere belgische und französische soctaltstische Abgeordnete zu diesem Zweck zusammengethan und auch eine Ansprache an dte Arbeiter gerichtet. Bisher tst dte Antwort hierauf eine erneute mächtige Prügelet gewesen. Italien. Von der schwetzertsch-italienischen Grenze wird etne Grenzverletzung gemeldet: Italienische Grenzwächter verhafteten trotz der kräftigen Gegenwehr der schwitze« rischen Zollbeamten einen italienischen Flüchtling auf schweizerischem Gebiet und brachten ihn über dte Grenze. Zwischen den Bürgern der beiden italienischen Städte Genzano und Ctvtta Lavinia ist etne blutige Fehde entbrannt, dte aus lokalen Streitigkeiten erwachsen tst. Da sich dte feindlichen Nachbarn nun schon an Leib und Leben gehen, tst ein Mtlttärcommando dorthin gesandt worden. England. Die Londoner Regierung erhob tn Brüssel Etn« spräche gegen dte nach Wadelat ausgedehnte, an Feuilleton. Die Bettlerin. Ortgtnalnovelle von F. Fichtner. Nachdruck »«rtot«» (Fortsetzung.) „Gott weiß es — Herr Baron, — Sie find gütig wir schon immer," und bebend barg fie ihr Gesicht tn beiden Händen. „Ist dies Ihr Kind?" Und er streckte Elli dte Hand entgegen, welche furchtlos ihr Händchen htneinlegte und den alternden Herrn mit liebevollem Blick vertrauens voll anschaute. »Ja, Herr Baron — und noch drei andere — sie find mein Leben!" — „Etn süßes Kind," sprach er und strich dte rosige Wange. Dann fuhr er fort, indem er den Brief wieder aufnahm: „Ihr Mann erinnert mich an die Beziehungen Ihres Vaters zu mir." „Warum — weshalb? Er war Ihr Diener und Sie ihm stets etn gütiger Herr und selbst davon weiß doch mein Mann nichts!" fiel Edith erregt ein, ohne noch immer ntcht zu ahnen, was dies bezwecken sollte. „Es war nicht nöthtg — Edith! Ihr Vater war ein Ehrenmann"; und mit unverkennbarem Bemühen, das Nachfolgende möglichst zu mildern, sprach er weiter: „Gewiß kann es mir nur lieb sein, seiner Tochter tn augenbltckltch bedrängter Lage etwas beizustehen; es wird ja wieder besser werden; wären Sie zu mir ge kommen, Edith, — damals — Sie hätten auch etn Hetm gefunden." „Ich konnte ntcht — Herr Baron — ich konnte ntcht!" sprach sie, qualvoll die Hände ineinander ver schlungen, mit unverkennbarem Seelenschmerz tn den groß und dunkel auf ihn gerichteten Augen. „Nun — so nehmen wir es eben, wie es Gott ge fügt; wer weiß, welch' frohe, glückliche Tage noch für Ste aufgespart find; Sie müssen ja Segen haben, schon um Ihrer Kinder willen! — Und — hier, Du kleiner Engel, gteb das der Mama." Damit drückte er fünf schon bereit liegende große Goldstücke Elli tn das Händchen. „Mama, Mama steh' doch — lauter goldene Pfennige," rief mit Hellem Jubel dte Kleine, „nun hast Du so viel Geld, jetzt find wir glücklich, nicht wahr, Mama? — Ich werde Dir immer so viel Glück brin gen — aber — warum weinst Du denn, liebste Mama, freust Du Dich nicht?" — Und verständnißlos schaute sie ganz betroffen auf Edith, welche endlich, Alles er fassend, regungslos dasaß, aber nicht im Stande war, die großen, schweren Tropfen zurückzuhalten, dte sich unter den geschlossenen Lidern hervordrängten. „Lasten Ste es gut sein, Frau Sandour — fasten Ste sich und Gott set mit Ihnen," sagte der Baron aufstehend. Wortlos faßte Edith seine Rechte und wollte fie küssen; er wehrte fie ab. „Ich thue das ja öfter — und hier that ich es gern, gehen Ste mit Gott und schonen Ste sich!" — Elli aber hatte seine beiden Hände erfaßt und küßte fie immer wieder. „Du bist so gut — so gut wie Onkel Paul, und Du kannst auch einmal zu uns kom men, da zeig' ich Dir alle meine Puppen." »Ja — gewiß und nun grüß' mir Deine Geschwister," sprach er noch, indem er dte Thür zum Vorzimmer öffnete. Mit nochmaligem Gruß ging er zurück und Edith stieg langsam wie im Traum dte Treppen hin ab. Kaum auf Ediths Geplauder achtend, wurde fie erst unten tm Flur aufmerksam, als ihr dieselbe das Geld entgegenstreckte. „Bitte, Mama, nimm Du es — daß ich es nicht verliere, jetzt gehen wir gleich was kaufen, was Gutes, ntcht wahr, ltebe Mama?" Und während Edith noch immer wie traumbefangen sich bemühte, das Gold zu bergen, kamen zwei Per sonen die Treppen hinab. Eine Dame, in kostbare Pelze gehüllt, von schlankem Wuchs und schnellen Be wegungen, dicht verschleiert, vor derselben her, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, ein kecker, junger Mann; das Cerevis, fast auf der Nase fitzend, verrieth den Studenten. Dte muthwtlltgen, tn diesem Augen blick boshaft scheinenden Augen um sich werfend, ge wahrte er sofort Edith, welche, sichtlich erschrocken, sich zurückzuziehen suchte. „Siehst Du, Louise," wandte er sich laut sprechend mit leichtfertigem Ausdruck an dte Dame, „da hast Du gleich wieder etne Kundt« von Papa. — Das tst dte Bettlerin, dte er heut sogar erwartete — solchem Volk wtrft er das Gold unge« zählt htn, während ich um jeden Groschen Rechnung legen muß! Und hier — den kleinen Fratz — daS wird schon bald dazu abgertchtet! — Steh' mal, hast Du einen besseren Muff?" Und damit war er mit einem Satz neben Elli und rteß ihr den Muff vom Halse, um ihn der Dame hinzuhalten. „Und das geht betteln!" — Wie etne kleine Katze sprang Elli nach und rang um ihren Muff. „Gtebst Du mir gleich meinen Muff, Du garstiger Mensch!" rief fie. „Schämst Du Dich nicht, das ist mein Muff! Wirst Du ihn gleich hergeben!" Und mit flammenden Auge» streckte sie sich, so hoch es ihr möglich war. „Günther, mach keine Scene," sprach dte Dame tot verweisenden Ton. „Herr! — mäht das Augen!" Und interessirt schaute der junge Mann auf dte Kleine, welche mii glühenden Wangen, das Mützchen zurückgefallcn, über- fluthet von lockigem Goldhaar, ihn mit zornsprühende» Augen zu verntchten drohte. „Loutse — sieh nur — da liegt Temperament drtn —!" „Quäle das Kind ntcht," erwiderte dte Dame un geduldig. „Da — fang auf" — und er warf ihr den Muss ins Gesicht, aber etne der grünen ChantllenquasteN hatte sich losgelöst und hing an den großen Knöpft" seines Mantels. (Fortsetzung folgt.)