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spräche einen Rückblick auf die Vergangenheit warf. Ohne Jena hätten wir auch nicht Sedan gehabt. Die geführten Kriege seien nolhwendtg gewesen, aber fernere Kriege dürften nur Defensivkriege sein. Ein starkes Parlament muß der Brennpunkt des öffentlichen Lebens sein. In der Centrumspartei seien der ehrlichen Mit glieder viele, aber die Tendenz der Leitung sei keine reichsfreundliche. „Ich war eingeschworen auf die Leitung eines evangelischen Kaiserthums!", hob der Fürst unter Anderem hervor. Was den Vorwurf antimonarchischer Gesinnung betreffe, der wider ihn erhoben worden sei, so verweise er auf die Verfassung, nach welcher nicht der Kaiser, sondern der ReichSkanz- ler für die ganze Politik verantwortlich sei. Er sei ein treuer Anhänger der Dynastie des Königs und des Kaisers, ohne, wie es bei Göthe im Götz von Ber- lichingen heiße, die Weisheit der Lommifsarien des Kaisers als unfehlbar anzuerkennen. Dem Trinkspruche des Fürsten folgten endlose Hurrahs und Hochs, der Altreichskanzler vermochte sich kaum von den ihn Um drängenden zu retten. Nach wiederholten Toasten auf den Fürsten und seine Familie und nachdem dieser sich mit der Abordnung der thüringischen Städte und zahl reichen Festgästen unterhalten hatte, folgte die Rückkehr ins Hotel, wo ein Frühstück stattfand und dann unter den stürmischsten Kundgebungen die Fahrt zum Bahn hof und die Weiterreise. Auf der ganzen Fahrt, in Weimar, Halle, Magdeburg rc. nahmen die begeisterten Kundgebungen kein Ende. Die „Schief. Ztg.", der wir für ihre Meldung die Verantwortung überlassen müssen, constattrt das Auf treten der Cholera in der russisch-preußischen Grenz station Sosnowice. Die Entscheidung, wenn die in Aussicht stehende neue große Militärvorlage dem Reichstage unterbreitet werden soll, ist während der letzten kurzen Anwesenheit des Kaisers in Potsdam noch nicht getroffen. Erst späterhin soll hierüber Näheres bestimmt werden. Das Gleiche gilt von der Frage einer großen Ausstellung in Berlin. Bon einer Weltausstellung wird indessen, wenn nicht alles trügt, in Folge der Abgeneigtheit eines erheblichen Theiles der Industrie und der verbündeten Regierungen abgesehen werden und eS wohl zu einer deutschen oder DreibundauSstellung kommen. Der Staatssekretär von Bötticher, der in der Weltaus stellungsfrage auch mitzusprechen hat, ist am Sonn abend nach Karlsbad gereist. In radikalen Deputirtenkreisen in Paris besteht die Absicht, einen Antrag auf Aufhebung der Präsident schaft der Republik einzubringen. An der Spitze des Staates sollen nur die verantwortlichen Minister stehen. Im Bochumer Schtenenprozeß vor dem Land gericht in Essen stehen die Dinge für die Beklagten im Ganzen günstig. Den wenigen belastenden Aus sagen stehen zahlreiche günstige Gutachten von Sach verständigen, Behörden und Schienenabnehmern gegen über. Wenn keine außerordentliche Wendung emtritt, so wird der Ausgang dieses Prozesses dem des Pro zesses Buschoff in Xanten sehr ähnlich sein. Eine Sitzung des preußi sch enStaatSmintsteri ums fand Sonnabend Mittag unter dem Präsidenten des ! i Grafen Eulenburg in Berlin statt. In derselben soll ' die definitive Beschlußfassung über die Fortführung der - Steuerreform erfolgt sein. Zum Streit Vollmar-Liebknecht schreibt die, socialdcmokratisch-fraktionelle „Berliner Volkstribüne': z ! Wir haben gegen die Person Vollmars ganz und gar ? nichts. Er ist einer unserer gebildetsten Genossen und - > hat ein gut Stück Arbeit geleistet. Aber seit einigen - i Jahren ward die Person Vollmars zu einem Typus i in unserer Bewegung. Warum denn leugnen? Ja- ! wohl, es giebt auch unter uns Schwach- und Klein- ! - müthige, die mimosenhaft zusammenschrecken, sobald der erste Windhauch der rauhen Wirklichkeit sie anbläst. , Hat die Partei ein Interesse daran, daß sich die Zahl s dieser Massen vermehrt? Es ist Pflicht eines jeden überzeugten Soctaldemokraten, dem der Kampf für. > seine Ideen noch Herzenssache ist, gegen die Bremser ! und Handschuhmänner in den eigenen Rethen Stellung > zu nehmen, sie anzufeuern und vorwärts zu treiben, z Aus Deutsch-Ostafrika meldet Eugen Wolff: - Or. Stuhlmanns Befinden hat sich soweit gebessert, j daß er in das Hospital der französischen Mission vom heiligen Geiste in Zanzibar gebracht werden konnte, - . wo er vorzügliche Pflege hat. Ich habe vr. Stuhl- ! mann am 30. Juli besucht und gesprochen. ' In Wien ist Sonnabend eine einst vielmals genannte f s politische Persönlichkeit aus dem Leben geschieden: Graf ' , Alexander Hübner, der ehemalige Botschafter der s habsburgischen Monarchie am Pariser Hofe, an welchen i der dritte Napoleon die berühmte Neujahrsrede richtete, welche den italienischen Krieg von 1859 einleitete. Hübner ist 81 Jahre alt geworden. s Der wegen Betrugsversuches in Wien inhaftirte - preußische Abgeordnete Graf Gersdorff dürfte in " diesen Tagen nach Einziehung genügender Bürgschaften wieder frctgelassen werden. Der Fall macht peinlichstes Aufsehen und in hohem Maße befremdet, daß der Graf, I welcher noch keiner Sitzung der gegenwärtigen Legis- - i laturperiode des preußischen Abgeordnetenhauses beige- ' s wohnt, wohl ober seine Diäten fortwährend eingestrichen s hat, nicht sein Mandat nied-rlegt. Hrautrerry. Die französische Regierung, die in Afrika wirklich i schon hinreichend Acrger hat, hat nun auch noch einen Conflict mit dem Kongostaat bekommen. Kongo- ! soldaten haben nämlich auf einen französischen Mili- l tärposten geschossen und einen Mann getödtet. Ebenso i haben bewaffnete Kongo Eingeborene eine französische Patrouille überfallen und zersprengt. Von Parts aus i l ist sofort energische Genugthuung von der Kongo- . ! regterung beansprucht worden. England. j In London heißt es, die Vermählung des Kron- i Prinzen Ferdinand von Rumänien mit der Prin- - zessin Marte von Edtnburg solle schon im August : stallfinden. Es geschieht das wohl, um den Jntrtguen der früheren sogenannten Braut des Prinzen, des Fräulein Vacarescu ein Ende zu machen. Gladstone ist etwas unpäßlich, hofft aber zur nahen Parlamentseröffnung wieder wohlauf zu sein. Man bezweifelt aber doch, ob der alle Herr noch deü An strengungen des Premierministerpostens lange gewachsen sein würde. Rußland. Die Petersburger Regterung läßt tapfer dementtren, daß in diesen und jenen Orten keine neuen Cholera fälle vorgekommen seien. Ob das wirklich immer so ist, ist selbstredend schwer zu sagen. Hingegen ist die ununterbrochene Weiterverbreitung der Cholera ganz unbedingte Wahrheit. Die Regierung scheint sich noch gar kein klares und richtiges Bild von der ungeheuren Krankheitsausdehnung gemacht zu haben, so wenig ent sprechen die Mittel, welche sie zur Verfügung stellt, der Gefahr. Das Reinemachen in den Städten hilft wenig; um die entsetzliche Unsauberkeit in den Straßen zu beseitigen, muß man Monate haben, und die niedere Bevölkerung ist überhaupt nicht aus dem Dreck Heraus zureißen. Sie betrinkt sich, schlägt die Aerzte und Gehilfen in den Spitälern todt und trinkt wieder. Weiter denkt sie nicht und kommt sie nicht. In Tasch kent mußten die durch die Cholerapanik entstandenen Unruhen mit Waffengewalt unterdrückt werden. Einige Personen wurden getödtet, mehrere verwundet. DaS Observationsschiff auf der Wolga wurde durch Mili tär gegen die erregten Volksmaflen geschützt. Die Schiffsmannschaften auf der Wolga weigern sich, weiter zu dienen. Die Arbeiter laufen zu Hunderten aus Angst vor der Cholera aus der Arbeit. In dieser Woche wird ein russisches Kriegsge- schwader aus Kronstadt in Cherbourg erwartet. Spanien. Das Madrider Ministerium beschloß umfassende Schutzmaßregeln für Andalusien, Catalonien und die baskischen Provinzen, da dort die Gährung im Wachsen begriffen ist. Sämmtliche Garnisonen werden ver stärkt. Plätze ohne Garnisonen erhalten Kavallerie- Einquartierung. Afrika. Der im Sultanat Marokko ausgebrochene Aus stand breitet sich immer weiter aus. Die Verhand lungen zwischen den Sultanatsbehörden und den auf ständischen Andschara's find ergebnißlos verlaufen. Die Aufständischen rückten vor und legten vor Tanger drei befestigte Lager an, so daß die Stadt von drei Setten völlig etngeschlossen ist. Die SultanatStruppe»' sollen arg dcmoralifirt sein. Die Aufständischen haben ver sprochen, das Eigenthum der Europäer zu schonen. Nus dem MuLdenttzaLe. *Waldmbrrrg, 1. August. Gestern Sonntag kurz vor Mittag erhing sich hier in der Nähe der Ktrch- hofsmauer auf der Seilerbahn der in den 70er Jahren stehende Fleischermeister CH. von hier. Ueber die Motive zu diesem bedauerlichen Schritte verlautete nichts Be stimmtes und nimmt man Lebensüberdruß an. *— Die letzten Tage waren überaus gewitterretch. Schon am Sonnabend Abend zogen sich in verschie denen Himmelsrichtungen Gewitter zusammen, die am Feuilleton. Um Gold imd Liebe. Roman von O. Holzhauer. Nachdruck verdat«. f (Fortsetzung.) „Das ist alles, Herr," war die Erwiderung. Stefan schwieg einen Augenblick, dann wandte er s fich zum Schreibtische und schrieb einen kurzen Brief. „So, gehe morgen zu Moses und sage ihm, daß er Herrn Newcombe nicht pressen solle — ich denke nicht, daß es mehr als dieses Winkes bedarf — aber sage ihm weiter, daß ich alle Schuldscheine und Wech« sel des Herrn Newcombe gegen guten Preis kaufen werde. Verstehst Du? Ich wünsche jede Schuldfor derung zu erwerben." „Ich verstehe, Herr," erwiderte Stimmers, während ! ein malitiöses Lächeln in seinen Zügen spielte. „Und wenn Herr Moses dem Herrn Newcombe mit einem weiteren Darlehen aushelfen will, so werde j ich die Schuldscheine nehmen. Verstehst Du?" Stimmers nickte. „Hier ist der Brief an Moses, der ihm als per- sönliche Sicherstellung gelten mag; meinen Namen aber wird er nicht erwähnen." „Sonst gar nichts Neues, Stimmers?" sagte Ste fan und schaute scheinbar nach einem Porträt. Stimmers lächelte. „Ich war in Cheltenham Terra«. Wir waren richtig unterrichtet, Herr. Der alte Herr Treherne ist gestorben und Fräulein Treherne seitdem verschwun den." Stefan athmete tief auf. „Nichts weiter?" Glimmers verneinte. — Wenn je zwei junge Menschenkinder glücklich waren, so waren es Una und Hermann. Für Una flossen die Tage gleich einem schönen Traum dahin, ihren Himmel trübte kein Wölkchen; es schien fast, als ob ? alles nur für sie da sei, so erfreute und entzückte sie Alles und Jedes. An jedem Morgen, gleich nach dem Frühstücke, ver- i nahm Una den raschen Tritt Hermanns auf den Stein- stufen und im nächsten Augenblicke trat er ein und ! stammelte wohl eine Entschuldigung über sein unange- meldetes Eintreten. Frau Davenant lächelte ihm ein freundliches Willkommen zu und Una — nun, Unas j Blicke waren beredt genug, ob auch ihre Lippen keinen i Gruß für ihn gehabt hätten. Hermann blieb dann gewöhnlich für eine Stunde, - erzählte seine Neuigkeiten und Una fand stets eine Aus- i rede, um in seiner Nähe sein zu können. In der That ; schien jeder Tag ihre leidenschaftliche Hingabe an Her- - mann zu vergrößern, und in gleicher Weise wurde sie von Hermann angebelet. Auch an Zerstreuungen fehlte es nicht, an jedem ' Morgen hatte Hermann einen neuen Plan. j Zuweilen bat Hermann seinen Cousin, sich ihnen s anzuschließen, allein Stefan hatte stets eine Entschuldi gung. Bald hatte er mit seinem Rechtsanwälte zu verhandeln, bald wieder einer Einladung zu einem Diner Folge zu leisten. Zuweilen speiste er bei seiner Mutter oder trank eine Tasse Thee dort, aber nie hielt er sich für längere Zett dort auf und immer wieder mußte er fich bei der Frage beruhigen: Was konnte Stefan durch eine solche Handlungsweise ge winnen? Natürlich waren die vielen Unterhaltungen für Her mann mit großen Kosten verknüpft, aber er hatte gleich zeitig an dem alten Moses einen wunderbaren Wechsel bemerkt. Statt der bisherigen drängenden Mahnungen für die alten Schulden drängte derselbe jetzt nur, mehr zu nehmen, und Hermann war allzu bereit, solchen Aufforderungen zu entsprechen. „Ich kann ihn später von meinem Gehalte bezahlen, wenn ich meine Anstellung habe," erwiderte er auf Lconard's Einwendungen und Warnungen. „Ja, wenn Du eine solche haben wirst," bemerkte Leonard. „Was willst Du damit sagen? Denkst Du, daß Stefan unzuverlässig sei?" „Ich habe nicht die Ehre, Herrn Davenant zu ken nen und kann daher nicht beurtheilen, ob er zuverlässi ger ist, als viele andere Leute, welche Anstellungen zu versprechen haben; nur weiß ich, daß Mancher während des Wartens auf die Erfüllung solcher Versprechungen graue Haare bekommen hat." „Du kennst Stefan nicht," sagte Hermann vertrauens voll. „Er versteht Alles zu erreichen, was er einmal zu erreichen entschlossen ist; er ist ein ganz anderer Charakter als ich. Nun, laß das und komm mit nach Walmington Square zum Diner." Leonard nahm die Einladung gerne an, und Una freute fich, wenn er kam; sie fühlte sich besonders zu ihm hingezogen, da er Hermann stets ein so treuer Freund gewesen war. „Armer Leonard," seufzte Hermann. „Warum bedauerst Du ihn?" fragte Una. „Nun, das ist eine wunderbare Geschichte," sagte Hermann und erzählte ihr des Freundes Begegnung mit Laura Treherne. „Und er hat sie nicht wiedergefunden?" Nein!" ^Und doch denkt er noch an sie und liebt sie noch?" flüsterte Una. „Ja, ich mag Deinen Freund sehr wohl leiden, Hermann, und hoffe, daß er die jungt Dame wtederfinden und glücklich sein wird. Ich möchit alle Welt so glücklich sehen, wie ich es bin." „Ab, aber siehst Du nicht ein, daß nicht alle Leu« solche Engel sind, wie Du?" entgegnete Hermann und küßte sie. (Fortsetzung folgt.)