Suche löschen...
Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 16.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189905169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990516
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990516
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-16
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 16.05.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
111 1894) gegeben hebe, um für Esterhazy «ne Art Alibi zu schafft». Rach der Freisprechung Esterhazys sei daS Bordereau wieder mit dem richtigen Datum (August 1894) versehen worden. Der 'Richter Grosjean, der infolge der Affäre Cuignet vor den obersten gerichtlichen Disziplinarhof gestellt werden wird, wird dem „Echo de Paris- zufolge ein zahlreiche amtliche Schriftstücke enthaltendes Buch üb« de« DreyfuShandel veröffentlichen. BemerkenSwerth war in der gestrigen Kammcrfitzung die Haltung der Mäliniste«; viele von ihnen sind zwar bereits abgefalle«, di« Kerntruppe« wollten aber mit den Anti semiten, Nationalisten und Monarchisten gemeinsame Sache machen, um dam Kabinett ein Bein zu stellen. Sie drängten Möline, das Wort gegen die Vertrauens-Tagesordnung zu er greifen. Meline wußte aber, daß das Ministerium, auf diesen Angriff vorbereitet, mit der Vorlage des Beweises antworten wollte, daß Meline dreimal amtlich von der Fälschung Henrys verständigt worden war und trotzdem dessen Verwendung in der Zola-Strafsache nicht verhindert hatte, und er zog vor, still zu bleiben; das trug derartige Verwirrung iu sei« letztes Carree, daß es mit der Linken stimmte. Aus Paris, 11. Mai, schreibt man der „Boss. Zeit.-: Die Empörung in der Polytechnischen Schule (auS welcher daS französische OffiziercorpS helvorgeht. Red.) wirft auf die französischen Zustände ein sehr zu beachtendes Streiflicht. Die Schüler zischen einen Lehrer a«S. Statt sie zu strafen, läßt Ler di« Schule befehligende General Toubya sie abstimmen, ob ksie den Lehrer noch dulden wollen. Sie beschließen mit 275 gegen 114 Stimmen, den Lehrer des Neuen auszupseife». Natür lich ist dies« dadurch beseitigt. Aber so ist es immer gewesen, die Polytcchniker haben stets über ihre Lehrer und den Befehls haber der Schule gesiegt. Es ist auch das erste Mal und über haupt etwas Unerhörtes, daß die Kammer sich über die Schule ausspricht und diese tadelt. Dabei ist di« Polytechnische Schule durchaus militärisch eingerichtet; die Schüler sind von Offizieren befehligt, in Kompagnien eingrtheilt, trage« Degen, GeneralS- unisor» und Dreispitz, marschiren in der Heerschau au nationalen Feste« auf. Natürlich lverden sie an alles Andere eher, d««n an militärische« Gehorsam und Unterordnung gewöhnt. Im Generalftab sitzen gar viele Polytrchniker, die sich durch festes Zusammenhalten wechselseitig voranbringen und ihren Willen durchsetze«. Deshalb fehlt es im Generalstab an Zucht und Ordmmg, Gehorsam und Ueberwachung, wie jeder aus den im „Figaro* veröffentlichten Zeugenaussagen entnommen Haden kann. Nebe« dieser Zuchtlosigkeit an der Spitze herrschen in Framkeich die strengsten Strafen für die Soldaten. Jedes Jahr Werden einig« Soldaten kriegsrechtlich wegen Ungehorsams und Widersetzlichkeit zum Tod« verurtheilt und erschossen. So jetzt wiederum der Seesoldat Vamingyam in Cherbourg, doch dies nur nebenbei. Im Geueralstab hat das politische Streberthum «» »«gemem günstiges Feld, Ränke und Eisersucht werden ohne- ^es durch de» Gegensatz zwischen Polytechnikern und anderen Offiziere» sehr gefördert, ja förmlich hervorgerufen. Die Politik Hst «atürlich Sderall im Spiel. Ms Scheurer-Kestner und laudeve unabhängige Männer sich zu regen begannen und Mathieu HlreyfuS den Major Esterhazy als Urheber des Bordereaus auzeigtr, herrschte große Besorgniß im Generalstab. Die zuge- mgene» Sachwalter TezSnaS und Jeanmaire arbeiteten eine Denychrist «es, i« der sie die verzweifelte Lage deS General- siabeS «kannte« und den Rath gaben, die ganze Sache auf die .'vaterländische, politische Karre zu laden. Sie müßte als ein Lamtzf deS internatioualenoder kosmopolitischen Verrätherringes 'gegen das He«, gegen Ehre und Sicherheit Frankreichs hingestellt weide». Tiso «n Betrug, ein« Irreführung des vaterländisch gesinnten Bölkes. Dies ist seither buchstäblich m geschicktesftr und inmsaffeildster Weife durchgesührt worden. Wer nicht gegen Dreysüch ist «in Berräther, steht nn Sold deS Auslandes, daS »ach de« nationalistische« Blättern kscho« über 6V Millionen für de« DreyfnSkamps gegeben hat. Diese Mache ging ganz leicht, denn hier hat di« Regierung die Presse, besonders für solche Zwecke, «ehr in der Hand als in irgend einem Lande. Nament lich a»fth däbalb, weil die melsten Blätter durch Panama und Ähnlich« Börsengaunereie« der Regierung verpflichtet find. So das „Petit Journ." mit einer Million Auflage, daS grundsätzlich Kits mit der bestehenden Regierung geht, dann das ihm nahe lammende „Journ." (3—400000), das von Leuten gegründet wurde, die als Unternehmer der Panama-Arbeiten viele Millionen ,ei«geheimst haben. „Echo de Paris" und „Eclair" haben stets bei der Unterstützung der Regierung ihre Rechnung gefunden. Rochefort („Jntransigeant") ging schon aus Judenhaß mit. Dtum«tt befand sich ohnedies auf dieser Bahn, auf der er zu Stellung und Ansehen gekommen, zu einer politischen Persön lichkeit geworden ist. Die konservativen Blätter glaubten ihre Sache mit derjenigen deS Heeres verschmelzen zu müssen. Die anständige« Blätter, wie „Figaro", „Matin", „Journ. des Deb.", „Temps", „Soleil", dann alle radikalen Blätter sind mit dem Selbstmord Henrys umgeschwenkt. Die Dreyfus-Sache in ihrer »jetzige« Entwicklung ist das Ergebniß des Zusammenwirkens der heillosen Zustände im Generalslabe und der damit zusammen hängenden Polytechnischen Schule, der politischen Rolle der Anwaltschaft, sowie des Verhältnisses des einflußreichsten Theiles der Presse zur Regierung. Die Regierung beschloß, daß Duruy seine Geschichtsvorlesungen i« der Polytechnischen Schule Montag wieder aufnehmen soll. „Jntrans." knüpft an die Mittheilung die Bemerkung: „Es bleibt z« sehen, «sie die so glühend vaterländischen Polytechniker ihren ehrlose« Professor empfangen werden." Heber die antisemitischen Unruhen in Nikolajew wird noch gemeldet: Ich erfahre, daß bei dem Aufruhr 15 Personen, unter ihnen zwei Frauen, getödtet worden sind. Die Frau eines TabakshändlerS war daS erste Opfer. Ihr Mann erhielt furcht bare Verletzungen, entkam aber mit dem Leben. Die Frau wurde in ihrem eigenen Hause zu Tode geprügelt. Sie wagte nicht einmal einen Schrei zu thun, um nicht die räuberischen Kosaken herbeizubringen, die in vielen Fällen mithelfen, Läden und Werk stätten zu plündern. Sechs oder sieben Infanteristen vom Prags- kischen Regiment und fünf Kosaken wurden getödtet. Vier Kosaken werden vermißt. Wahrscheinlich haben ihre Mörder ihre Leichen in aller Stille verscharrt. Die Zahl der mehr oder minder schwer Verletzten muß aus beiden Seiten nach Hunderten zählen. Die Hospitäler und Privatärzte aber haben den Befehl erhalten, keine Einzelheiten verlauten zu lassen. Neber politische Boeren-Sitten geht durch die füd- «tfttkanischsn Blätter eine Erzählung, wonach der deutsche Konsul in Pretoria, als er auf den Wunsch des neuen öster reichisch-ungarischen Konsuls diesen bei dem Staatssekretär Reitz einfuhren wollte, längere Zeit im Korridor unter anderen Be suchern warten mußte, obwohl die Zusammenkunft vorher verein bart war; als Grund, weshalb die beiden Konsuln ersucht wurden, zu warten, ward eine Unterredung angegeben, welche Herr Reitz -gerade «ft Le» Dr. Leyds, dem Vertreter der Republik in Eu ropa, hatte. Nachdem die beiden Herre« den Staatssekretär zwei mal an ihr« Auwesenheit hatte« erinnern lasse«, gingen sie fort. Der deutsche Konsul richtete an Herrn Reitz eine schärft Be schwerde, worauf dieser, nachdem er zuerst ein „Mißverständniß" vorzuschiebe« versucht und sich damit entschuldigt hatte, bei dem deutsche« Konsul erschien und diesem andeutete, daß vr. LeydS die Schuld trage. Dies soll auch ein anderer hoher Beamter der Republik mit den Worten bestätigt habe« : „Leyds erklärte, er wolle seine Revanche für Berlin haben, und er hat sie ge habt !" Herr Leyds soll bekanntlich bei seiner letzten Anwesenheit in Berlin nicht so rasch, wie er es wünschte, vom Kaiser em pfange» und nicht zufrieden gestellt worden sein. — Da der transvaalische Staatssekretär sich entschuldigt hat, so kann der Zwischenfall wohl als erledigt angesehen werden, zumal die diplomatischen Sitten in Pretoria wohl überhaupt nicht auf dem Niveau derjenigen von Berlin, Paris oder London stehen. Von Herrn LeydS und anderen Würdenträgern Transvaals wäre eS aber recht unklug, wenn sie Deutschland gegenüber für irgend etwas, waS ihnen nicht erwünscht war oder ist, „Revanche" zu nehmen versuchten. Bereinigte Staate«. Einem Washingtoner Drahtbericht der „Morn. Post" zufolge hat General OtiS in Manila vom Präsidenten Befehl erhalten, de« Feldzug gegen die Philippiner fortzusetzen. Die Regierung argwöhne, Aguinaldo würde einen Waffenstillstand nur zur Verstärkung einer Armee benutzen. Man erwartet demnächst eine größere Schlacht bei Bacoloor. Amerika» Kriegsflotte wächst mit unheimlicher Schnelligkeit. Nicht weniger als 46 Kriegsschiffe sind für die Vereinigten Staaten im Bau. Einschließlich ihrer vollständigen Ausrüstung werden diese Kriegsschiffe etwa 50 Millionen Dollars, daS sind mehr als 200 Millionen Mark, kosten. Acht davon sind Schlachtschiffe von modernstem Typus (zu fünf bereits vor handenen) und größtmöglicher Schnelligkeit bei stärkster Bewaffnung, 16 sind Torpedoboots-Zerstörer von durchschnittlich 29 Knoten Fahrgeschwindigkeit, vier sind Monitors für die Küsten-Vertheidigung, und 18 sind Torpedoboote. Zu diesen im Bau befindliche« 46 Schiffen komme« noch die zwölf Kriegsschiffe, deren Bau in der letzten Tagung des Kongresses »«geordnet worden ist, nämlich drei Schlachtschiffe, drei Panzer- und sechs Deckpanzer-Kreuzer. Nach Vollendung aller dieser Kriegsschiffe, die sich entweder im Bau befinden oder deren Bau beschlossen worden ist, werden die Bereinigten Staaten über eine im Vergleich zu den Kriegsflotten von Großbritannien und Frankreich zwar immer noch kleine Marine verfüge«, jedoch über eine neue und ausreichend mächtige Kriegsflotte, um die Interessen der Vereinigten Staaten in allen Theilen der Welt i« angemessener Weise zu vertreten. Der MilitärgerichtShof, den der KricgSsekretSr Alger eingesetzt hat, um dft von General MileS, dem Oberbefehlshaber der Armee der Vereinigten Staaten, und anderen erhobene Be schuldigung, daß den Truppen während der kürzlichen Kriegszüge schlechte Nahrungsmittel gesandt worden wären, zu untersuchen, berichtet, daß einige Anklagen wahr, andere nicht wahr wären. Der Gerichtshof tadelt den General MileS, daß er diese Anklagen nicht früher erhoben habe. Der General wird vage getadelt wegen verschiedener unbewiesener Jrnhümer. Der Gerichtshof tadelt ferner den Generalintendanten Eagan, daß er 5000000 Pfd. (100 Mill.Mk.)eing«machtes Fleischangekaufthabe,diegarnichtnöthig waren, läßt ihn aber sonst frei ausgehen. Ein weiterer Tadel trifft de« Hilss-Generalintendanten, daß er den Ankauf empfohlen habe. Sonst spricht der Militärgerichtshof jeden, mitsammt dem Kriegssekretär Alger, von aller Schutt frei. Präsident McKinley empfiehlt, keine weiteren Schritte iu der Sache zu thun. Unab hängige Blätter treten gegen daS Nrtheil des Gerichtshofes auf, daS gegen die Beweisaufnahme in hohem Maße verstößt. Die „New-Jork TnneS" »ennt den Bericht schamlos, unanständig und feige. Di« „World" sagt, das Gericht habe einen vorausbedachten Zweck gehabt, nämlich den Kriegssekretär Alger zu schützen und den General Miles anzugreisen. Die überzeugenden Beweise des Generals Miles, daß seine Beschuldigungen wahr seien, ließ der MilitärgerichtShof außer Acht. Keichstagsrede des Abg. vr. Oertel über das IuvalidiNsverßcherungsgchtz. M. H., ich würde die Erörterung nicht unnütz verlängern, wenn ich es nicht für nothwendig hielte, im Namen meiner politischen Freunde auf einige Aeußerungen der Herren Abgg. Molkenbuhr und Bebel ausdrücklich zu antworten. DerHerr Abg. Molkenbuhr hat gemeint, daß sein Parteigenosse Braun in Ostpreußen lediglich so gehandelt habe, wie von Großgrundbesitzern allgemein gehandelt werde. Ich glaube, der Abg. Molkcubuhr ist sich der Tragweite dieses Vorwurfes nicht bewußt; er hat auch kein Recht, derartig zu urtheilen, da er nur die Grundbesitzer kennt, die ihm nahe stehen. Unter den Großgrundbesitzern, die ich zu kennen die Ehre habe, ist eine Handlungsweise, wie die des Herrn Braun, undenkbar. Kommt sic in seltenen Ausnahme fällen vor, so wird der Mann einfach aus der guten Gesellschaft ausgewiesen. Wenn dann der Herr Abg. Molkenbuhr auf den Fall des Frhrn. v. Hammerstein zurückgekommen ist, was ich lebhaft bedaure, da man diesen Fall doch bald ruhen lassen könnte, so hat er gewagt, zu behaupten, daß die konservative Fraktion, als die Verfehlungen des genannten Herrn schon all gemein bekannt und offenkundig gewesen seien, ihn dennoch nicht abgeschüttelt hätte. Ich bezeichne diese Behauptung hier als eine thatsächliche Unwahrheit. (Widerspruch links.) Sobald die kon servative Partei von den Verfehlungen dieses Herrn Kenntniß hatte, hat sie daS gethan, was ihres Amtes war, hat sie ihn ent fernt. Und ich darf das umsomehr behaupten, als ich hier nicht pro ckomo spreche, da ich damals der konservativen Fraktion an zugehören noch nicht die Ehre hatte. Herr Abg. Molkenbuhr hat in scherzhafter Weise sich mit den Ausführungen des Herrn Grasen v. Klinkowstroem befaßt, daß die Sozialdemokratie keine gleichberechtigte Partei nach seiner Anschauung sei. Ja, m. H., Sie haben es vollkommen in der Hand, von uns als gleichberechtigte Partei angesehen zu werden, sobald Sie sich aus den Boden der Verfassung stellen. Stellen Sie sich aus den Boden der Monarchie, und es wird Ihnen Niemand die Gleichberechtigung bestreiten. (Sehr richtig! rechts.) So lange Sie aber im deutschen Reiche, in einem monarchischen Lande, im deutschen Reichstage erklären, wir sind unbedingte Gegner der Monarchie, so haben Sie eS sich selbst zuzuschreiben, wenn jeder verständige Mensch Sic nicht als gleich berechtigte Partei anerkennen und behandeln will. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Aba. Bebel hat freundlichst in Aussicht gestellt, daß seine Partei im Kampfe gegen Großkapital, gegen Uebcr- wucherung des Großbesitzes, gegen das Großbaukcnthum stets an unserer Seite zu finden sein werde. Leider fit das bisher nicht p er Fall gewesen, denn die Sozialdemokratie hat bekanntlich gegen di« Erhöhung der Börsensteuer gestimmt und sich jetzt wieder beim Reichsbankgesetz ganz und gar auf dft Seite des Groß kapitals geschlagen. (Sehr gut! rechts.) Ich hoffe, daß der heutige Tag der Beginn der Einkehr und der Besserung sein wird. (Glocke des Präsidenten) . . . Ich werde der sreuudlichen u«d entschiedenen Mahnung des Herrn Präsidenten Folge leisten, m«ß mir aber m aller Demuth und Bescheidenheit gestatten zu erklären, oaß von mir n«r etwas vorgebracht worden ist, was sich auS Herrn Bebels Rede unmittelbar ergab. Ich werde mich nun an den 8 3» allerdings in etwa» weiterer Form zu halten suchen. (Heiterkeit.) Der Herr Abg. Bebel hat gemeint, daß die Beschäftigung der ausländischen Arbeiter, um die es sich in 8 3« handelt, wesentlich deshalb mit gefördert worden sei, weil dft Naturalbezüge abgelöst worden seien in einer Zeit, wo die Naturalien einen sehr hohen Preis gehabt hätten. Das ist thatsächlich richtig. Aber weshalb sind denn diese Naturalbezüge in Geldbezüge verwandelt worden? Weil die Arbeiter es dringend verlangt haben. Und warum haben die Arbeiter es verlangt? Weil man ihnen vorgeredet hat, daß das Geld einen viel höheren Werth habe als die Naturalien. Auch jetzt wird immer noch in den Landarbeiterkreisen die Mär verbreitet, eS sei das Beste,Dwenn die Naturalien alle in Geldbezüge umgewandelt würden. Gerade von den Herren der äußersten Linken wird das in ihren Agitationen außerordent lich oft angewandt, und es wäre recht gut, wenn Herr Bebel seinen Einfluß dahin geltend machte in seinen Reihen, daß die Vortheile der Naturalbezüge wieder allgemein anerkannt würden. Die Autoritäten des Herrn Bebel, l)r. Max Weber, Professor in Freiburg, und Rudolf Meyer, ja, meine Herren, die erkennen wir als Autitoritäten hier nicht an. (Sehr richtig! rechts.) Pros. Max Weber gehört einer Schule des Kathedersozialismus au, die sich geradezu als agrarierfeindlich, ja ich möchte sagen, als eine Gegnerin der Landwirthschaft bewiesen und bewährt hat; und daß Herr Rudolf Meyer ein Einspänner war, der sei«« eigene« verschlungenen Irrwege ging, das ist doch allgemein bekannt und dürfte auch Herrn Bebel sicher bekannt sein. We«n Herr Bebel ferner als Grund der Beschäftigung ausländischer Arbeiter an führte, daß dft Großgrundbesitzer ihre Leute an die Scholl« zu fesseln suchten und daß das den Leuten nicht gefiele, so möchte ich ihn an seinen Parteigenossen KautSky erinnern, der seinerzeit auch vorgeschlage« hat, daß bis zu einem gewißen Alter die Abwanderung der landwirthschaftlichen Arbeiter verboten werd«. Wir befinden uns also in diesem Punkte in erfreulicher Uebereinstimmung mit den Herren von der äußersten Linken, mindestens mit denen, die eine gewisse Einsicht in die Land- Verhältnisse haben, zu denen allerdings manche Herren, die vor- gestern und heute hier gesprochen haben, nach meiner unmaß geblichen Meinung nicht zu gehören scheinen. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Abg. Bebel hat ferner gemeint, daß die noth wendige Beschäftigung ausländischer Arbeiter darauf zurückzu führen sei, daß die Großgrundbesitzer im Allgemeinen Gegner einer tüchtigen Schulbildung seien; sie wollten die Halbtagsschule einführen. Meines Wissens ist der Wunsch aus Einführung einer Halbtagsschule bisher zumeist im Westen, nicht im Osten geäußert worden. Aber man kann auch in einer Halb tagsschule viel lernen, Herr Bebel, wie Sie aus Ihrer eigene« Vergangenheit wissen können. Unsere höheren und mittleren Schulen sind jetzt fast sämmtlich, wenigstens in den großen Städte» Halbtagsschulen; also die Halbtagsschule als solche ist noch kein Gegensatz zu einer tüchtigen und ausreichende« Volks schulbildung. Nu« wundert michs, daß gerade die Herre« da drüben iu der Fleischbeschaukommission den Vorschlag gemacht haben, den Lehrer auszubilden zu den Fleischdeschau- zw ecken. (Heiterkeit links.) Von unserer Seite ist dagegen mit Recht geltend gemacht worden, daß die Arbeit des Lehrer» das nicht zulasse. Wenn weiter Herr Bebel die Latifundien- bildung als Grund dafür angegeben hat, daß die Großgrund besitzer immer mehr ansländische Arbeiter beschäftige« müßten, wenn er als solche Latifundienbildner unter Anderem auch den Herrn Baron Rothschild angeführt hat, ft kann ich für meine Parteifreunde erkläre», daß wir die Latifundienbildungen des Herrn v. Rothschild und seiner Gcsinnungs- und StammeL- genossen absolut nicht gutheißen (Heiterkeit links) und keineswegs gesonnen sind, ihn als Kronzeugen anführen zu lassen. Aber, Herr Bebel, die Latifundienbildung muß fortschreiten, wenn nicht etwas Durchgreifendes für die Landwirthschaft geschieht (Sehr wahr! rechts); denn unter der Noth der Landwirthschaft leidet am meisten der mittlere und kleinere selbständige Besitz, und wen« dieser selbständige Besitz nach und nach zu Grunde geht, dann werden an seine Stelle allerdings große Latifundien treten, frei lich nicht im Besitze der Herren, die hier um mich sitzen, sondern im Besitze der Herren Rothschild und seiner Gesinnungs-, Glaubens- und Stammesgenossen. Wenn Sie also die Lati- sundienbildung aufhalten wollen, dann sorgen Sie mit uns dafür, daß die Lage der Landwirthschaft eine bessere wird, daß sie den Landwirth auf seiner Scholle hält. (Schluß folgt.) Oertliches und Sachfisches. Freiberg, den 15. Mai. — Nach Meldungen aus Schlesien wird König Albert für die nächste Zeit als Jagdgast des Herzogs von Ratibor auf Schloß Räuden erwartet. — Eine neue Kreishauptmannfchaft in Sachse«. Für den 1. Oktober 1900 ist die Theilung der Kreishauptmann schaft Zwickau durch Neubegründung einer Kreishauptmannfchaft Chemnitz in Aussicht genommen. Der Rath der Stadt Chemnitz sucht ein bereits bestehendes oder neu zu erbauendes Haus mit etwa 25 Zimmern zur Unterbringung der Kreishauptmannschaft für 1. Oktober 1900 zu miethen. Vorläufig soll dieselbe aus eine Reihe van Jahren eingemiethet werden, für später steht selbst verständlich die Errichtung eines eigenen Gebäudes in Aussicht. — Verbandskästen in ven Etsenbahnzügen. Eine dankenswerthe Einrichtung ist kürzlich von der Generaldirektion der Staatseisenbahnen getroffen worden: in jedem Personen- und Güterzuge wird im Abtheil des Zugführers ein Verbands kasten für plötzliche Unglücksfälle bereit gehalten. Die Kästen enthalten je zehn Verbandspäckchen in Buchform, und jedes dieser Päckchen besteht aus Wundwatte, einer Mullbinde, einem drei eckigen Tuche, einem Stück Silbergaze, wasserdichtem Papier und zwei Sicherheitsnadeln. Außerdem befinden sich in einem be sonderen Behälter 10 braune Gläschen mit je 2 Gramm Jtrol (citronensaurem Silber). Die Vertheilung der Verbandsstoffe auf 10 kleine Päckchen erscheint sehr praktisch, da bei jeder einzelnen Person vielleicht nur ein einziges benutzt zu werden braucht und der Inhalt der nicht zur Verwendung kommenden Päckchen unberührt bleiben kann und ganz rein erhalten wird. Die Art, wie man die genannten Stoffe anzuwcnden hat, ist zwar äußerst einfach, nichtsdestoweniger liegt jedem Päckchen eine Gebrauchsanweisung bei, die den Vorschriften des HosratheS vr.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)