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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 14.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990614
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990614
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-14
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 14.06.1899
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I8S9 HS rrs. Krewerger Anzeiger nnd Tageblatt. Sette S. — 1^. Juni — Laut Erlaß deS Königl. Kriegsministerium erhalten mit Allerhöchster Genehmigung vom Jahre 1899 ab an Ehrenpreisen (Säbel für Offiziere, silberne Taschenuhren für Unteroffiziere) die Infanterie-Regimenter jede« Armeeeorp- all jährlich drei Preise, einen für den besten Schützen unter de» Infanterie-Offizieren, zwei für die besten Schützen unter den Infanterie-Unteroffizieren. Die Offiziere und Unteroffiziere der Unteroffizierschule und Unteroffiziervorschule nehmen an dem Wettbewerb um die Preise des XIX. (2. Königl. Sächsischen) Armeecorps theil. Fernerweit erhalten, ebenfalls vom Jahre 1899 ab, das Abzeichen für die im Schießen beste Kompagnie (Königs-Abzeichen) von der Infanterie jeden ArmeecorpS alljähr lich eine, beziehungsweise — wenn das 6. Infanterie-Regiment Nr. 105 „König Wilhelm II. von Württemberg" in Frage kommen sollte — bei dem XIX. (2. Königl. Sächsischen) Armee corps zwei Kompagnien. — In der am Sonnabend stattgefundenen öffentliche« Spruchsttzung des Königl. Landes-verstcherungsamtS in Dresden wurde u. A. in folgenden streitigen Fällen entschieden: Ernst Otto Hüttner inHalsbach war Hüttenarbeiter und Mitglied der dortigen freiwilligen Feuerwehr. Der Besitzer des Rittergutes Halsbach ließ einen alten Ziegeleitrockenschuppen, der in der letzten Zeit landwirthschaftlichen Zwecken gedient hatte, niederreißen und beauftragte damit die Halsbacher freiwillige Feuerwehr, der er eine Vergütung von 50 M. bewilligte. Beim Niederreißen des Schuppens wurde der Feuerwehrmann Hüttner durch nieder stürzende Balken schwer verletzt. Er ist seitdem in der Erwerbs- sähigkeit beeinträchtigt. Die in Anspruch genommene land- und forstwirthschaftliche Berufsgenossensckast für das Königreich Sachsen hatte Entschädigung abgelehnt, weil der Unfall den Kläger nicht als landwirthschaflichen Arbeiter, sondern in seiner Eigenschaft als Feuerwehrmann betroffen habe. Seine Berufung hatte das Schiedsgericht verworfen, da der Zweck, den die Mit glieder der Feuerwehr zur Zeit des Unfalls verfolgten, in erster Linie der Vornahme einer Uebnng gegolten und dabei der land- wirthschaftliche Betrieb des Rittergutsbesitzers eine untergeordnete Bedeutung gehabt habe. Der Kläger bestreitet dies, da daS Er gebniß der Arbeit dem Rittergutsbesitzer zu gute gekommen sei. Wenn die landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft nicht ent- schädiaungSpflichtig sei, so sei es die Bau-Berufsgenoffenschaft. Der Gerichtshof beschloß, die Akten zur Entscheidung über den Rekurs an das Reichs-Versicherungsamt abzugeben, da eine dieser Behörde unterstehende Genossenschaft mit in Frage komme. — Der Brettschneider Gustav Adolf Schlegel inHeidelbergver- letzte sich am 19. Februar 1898 an der Kreissäge in der Weise, daß ihm Daumen und Ballen der rechten Hand abgerissen wurden. Er bezog dieserhalb eine Unfallrente, die zuletzt 60 Proz. der Vollrente betrug. Vergleichsweise erhöhte die Be rufsgenossenschast die Rente auf 66^ Proz., wodurch sich die Entscheidung über deu Rekurs Schlegels erledigte. — Der Tage arbeiter Paul Hermann Engel in Schmi edeberg ist am 21. August 1895 auf dem Felde des Rittergutes Naundorf mit dem Ausladen vo» Korn beschäftigt gewesen. Dabei ist er von einer Aehre am rechten Auge getroffen worden, daS sich infolge dessen entzündet hat. Im Mai 1898 hat er die Erhöhung der rechtskräftig festgestellten Unfallrente beantragt. Die BerusSge- nossenschaft hat dieS abgelehnt, weil eine Verschlimmerung im Zustande Engels nicht eingetreten sei. Seine Rechtsmittel hatten weder in der BerufungS- noch in der RekurSinstanz Erfolg. — Die Staatseisenbahnverwaltung hat die Einrichtung getroffen, daß von den Beamten unv stänvigen Arbeitern Kohlen zum Hausbedarf zu Vertragspreise« bezogen werden können. Es werden zu diesem Zwecke die jeweiligen Lieferanten, die Kohlensorten und die Vertragspreise ab Werk alljährlich be kannt gemacht. Eine Abgabe von Kohlen und Mittheilung der Preise au Private ist streng untersagt. Der Bezug hat in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Oktober zu geschehen. Die bestellte Kohlensorte muß eine Ladung zu 10 Tonnen umfassen. Die Kohlen entstammen dem Zwickauer, Oelsnitz-Lugauer Becken, dem Plauenschen Grunde, dem Meuselwitzer uno Bornaer Becken so wie den böhmischen Werken. — Am Sonntage verabschiedete sich Herr Pastor Nr. Friedrich von seiner Nieolaigemeinve. — Wenn man schon in der verflossenen Amtszeit des Herrn vr. Friedrich das geräumige Gotteshaus von einer andächtigen, begeisterten Gemeinde stets gefüllt zu sehen gewöhnt war, so war dasselbe am Sonntage bereits eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes überfüllt, und Schaaren der nach Tausenden zählenden aus Nah und Fern herbeigeströmten Kirchenbesucher suchten vergeblich Ein laß. Wer die Bedentung des Scheidenden als Redner und Seel sorger, wie den lebendigen kirchlichen Sinn der Nicolaigemeinde kennen und schätzen gelernt hat, der wird sich nicht darüber wundern. Mag auch die Neugier Viele zu diesem Sonntage znr Kirche geführt haben, so waren dies doch nur Einzelne gegen über der Zahl Derer, denen es Bedürfniß ist, regelmäßig zu ihrem Gotteshause und Seelsorger zu kommen. Alle aber haben im Herzen die gewaltigen Eindrücke dieser Weihestunde empfunden und Viele verließen thränenfeuchteu Auges und mit den Zeichen tiefster Ergriffenheit die heilige Stätte. — Herr Pastor vr. Friedrich legte seiner Predigt die Schriftworte Ev. Joh. 14, 25—31 zu Grunde. Er führte ungefähr Folgendes aus: „Nach nahezu vier zehnjähriger Thätigkeit will ich nun Abschied nehmen von meiner Gemeinde, die mich mit seltener Liebe getragen. GotteS Finger ist es, der mich berufen. Eigenwillig wäre es daher, dem Rufe dessen ausweichcn zu wollen, der über uns steht und das Einzel leben gestaltet. Unsagbar schwer wird mir der Abschied; denn sollte nicht der Mensch gleich einem Baume festwurzeln, wo er eine Stätte des Glücks und des Friedens gesunden hat! Zum Glück nnd Frieden möge auch die neue Wendung werden! — Zwei Bilder aber erfüllen unvcrlöschlich meine Seele. Zunächst das der alten Bergstadt! Gar bald hat sie mich überzeugt, daß hier nicht nur Edelmetall in den Bergen, sondern auch in den Herzen zu finden ist. Nicht bloß die Ursprünglichkeit und Frische ihres Volkscharakters hat sich die Stadt erhalten, auch im kirchlichen Leben hat sie den alten Ruhm bewahrt und denselben in den letzten Jahrzehnten gewaltig gemehrt. Dankbar bin ich, daß Gott mich hier mein erstes Amt antreten, mein Haus gründen und unter solchen durch Bürgertugend und Bürgerkrast ausgezeichneten Menschen wohnen ließ. — Ein zweites Bild bietet uns unsere altehrwürdige, schlichte und doch so heilige Nicolaikirche, deren Steine und Mauern, vor 7 Jahrhunderten in Glaubenszuversicht zusammengcfügt, auch jetzt von Glaubenstreue zeugen würden, wenn sie zu reden vermöchten. Von dieser Kanzel ist zu Beginn der Reformation zuerst die Lutherlehre verkündet worden. Auf diesen Bänken r haben die aus ihrer Heimath gekommenen Salzburger ihre Wanderlieder gesungen. Und es waren immer Weihestunden, die ich mit Euch hier verlebte, wenn wir uns um Gottes Wort sammelten; mochte das Wort sich erheben, wie der Frühlingswind oder wie der Sturm daherfahreud, um an den verzweifelten Seelen zu rütteln. Möge auch dwse letzte Stunde eine Weihestunde werden! Mich Der Pariser Polizeipräfekt ordnete in Folge der Beschwerden über gewaltthätiges Vorgehen einzelner Polizeiorgane am gestrigen Tage eine strenge Untersuchung an. Die schuldigen Polizisten sollen bestraft werden. Von den gestern Verhafteten wurde etwa ein Dutzend in Polizeigewahrsam gebracht. Es wird gegen dieselben wegen Ausstoßens aufrührerischer Rufe, Beschimpfung von Polizeibeamten und Beleidigungen des Präsi denten der Republik Untersuchung eingeleitet werden. Türkei. Aus Konstantinopel, 12. Juni, wird berichtet: An der armenischen Mädchenschule der Stambuler Vorstadt Psamatia ist folgender Aufruf angeschlagen: Der Augenblik der Erhebung ist gekommen. Die kretensische Frage ist erledigt. Möge das Blut von 300000 Armeniern unvergessen bleiben. Armenier, erhebet Euch! Man glaubt, daß es sich hier um eine Mystifi kation oder um die Jntrigue eines Agent provocateur handle. Es wurden zahlreiche Personen verhaftet, von denen einige wieder freigelassen worden sind. Ostafien. Nachdem die deutsche Expedition von^ichao nach Erledigung ihrer Aufgabe Ende vorigen Monats nach Tsintau zurückgekehrt war, sind wenige Tage später auch die beiden noch in Peking und Tientsin stationirten deutschen Marinedetachements abgezogen, welche seiner Zeit zum Schutze der Gesandtschaft bez. der deutschen Kolonie angesichts einer in der chinesischen Be völkerung bemerkbar gewordenen feindseligen Haltung dorthin ge legt worden waren. England and Transvaal. Es ist eigenartig, daß gerade die radikale englische Presse, die vor einigen Jahren in der Transvaalangelegenheit die Sache des Rechts gegenüber dem räuberischen Vorgehen Jamesons vertrat, sich anläßlich der gescheiterten Verhandlungen zwischen dem Prä sidenten Krüger und Sir Milner besonders heißspornig gebärdet. So giebt beispielsweise der „Daily Chronicle" der Ansicht Aus druck, daß Chamberlains Antwortstelegramm aus die Petition der Uitlanders zwar kein Ultimatum enthalten, aber keinen Zweifel daran lassen werde, daß eventuell ein Ultimatum erfolgen werde. Dieses, wenn man so sagen darf, Vorultimatum, auf welches gegebenenfalls noch ein Hauptultimatum folgen soll, erinnert einigermaßen an das Ultimatum Rußlands vor dem Krimkriege, auf welches dann noch ein „Ultimatissimum" folgte. Eine solche Steigerung der „Ultimata" pflegt nur dann einzutreten, wenn man sich nicht ganz im Rechte fühlt und wenn man demgemäß wünscht, schon durch Wiederholung und Steigerung einer diplo matischen Pression das Ziel zu erreiche». So stand es damals mit den russischen Forderungen gegenüber der Türkei, so steht es heute mit den englischen Forderungen gegenüber der südafrika nischen Republik. Formell freilich ist die englische Forderung der unterschieds losen Gewährung des Bürgerrechts an die Uitlanders nicht Un berechtigt, denn es verträgt sich an sich mit dem modernen Staat und ganz besonders mit der republikanischen Staatsform sehr wenig, daß die Mehrzahl der in einem Staate wohnenden Per sonen des Bürgerrechts beraubt sein soll. Wäre der Einfall Jamesons unterblieben, so würde die englische Forderung auch der allgemeinen Sympathie sicher gewesen sein. Nach jenem Vorfälle aber begreift man es, wenn die Buren nicht ohne Weiteres geneigt sind, durch die Ertheilung des gleichen politischen Rechts die Macht im Staate an Personen auszuliefern, die diese Macht vielleicht dazu benutzen würden, der Selbstständigkeit des Staates ein Ende zu bereiten, der sie gastfreundlich ausgenommen nnd ihnen vertrauensselig die politische Macht in die Hände ge spielt hätte. Auf der anderen Seite ist allerdings der gegen wärtig bestehende Zustand auf die Dauer nicht aufrecht zu er halten, weil das Transvaal eine solche Bedentung gewonnen hat, daß eine allgemeine Schädigung einträte, wenn die rückschrittliche und eigensinnige Regierungsweise der Buren nicht dadurch ab geändert würde, daß durch die Gleichberechtigung der Uitlanders frisches Blut in die Verwaltung Transvaals hiireinkommt. Nach dem, was über die Verhandlungen bekannt geworden ist, will der Präsident Krüger auch gar nicht für ewige Zeiten den bestehenden Zustand aufrecht erhalten; er will ihn nur noch für eine gewisse Zeit sicher stellen, wohl um in der Zwischenzeit Vorkehrungen zu treffen, einer Majorisirung durch die Uitländers späterhin begegnen zu können. Auch muß er darauf Rücksicht nehmen, daß die Erinnerung an Jamesons Neujahrsbescheernng von 1896 bei den Buren noch sehr frisch ist, und daß es ihn seine Stellung und sein Ansehen kosten könnte, wenn er sich allzu nachgiebig gegen England zeigte. AuS allen diesen Gründen konnte man von vornherein annehmen, daß bei der Besprechung in Bloemfontein nicht mehr heranskommen würde als thatsächlich herausgekommen ist. Es ist deshalb nur vernünftig, wenn Eng lands bedeutendstes Blatt, die „Times", sich verhältnißmäßig ruhig über das Scheitern der Verhandlung ausläßt. Diese Ruhe des sonst so chauvinistischen Organs hat freilich ihre guten Gründe. Die „Times" weiß, daß die Buren heute noch viel besser gerüstet sind, als vor nahezu zwei Jahrzehnten, wo sie trotz ihrer unzulänglichen Kriegsbereitschaft den Eng ländern schwere Schlappen beibrachten. Sie weiß ferner, daß auf der Seite der Buren der südafrikanischen Republik die Buren des Oranjefreistaates stehen, und sie weiß schließlich, daß auch die holländische Bevölkerung der Kapkolonie offen mit den StammeS- geuossen im Transvaal sympathisirt- Es ist von hoher Be deutung, daß gerade vor einigen Wochen angesichts des gespannten Verhältnisses zwischen England und der südafrikanischen Republik in einem kapländischen Wahlkreise ein Anhänger des Afrikander bonds gewählt worden ist, während derselbe Wahlkreis vorher durch einen Anhänger der Rhodespartci vertreten gewesen war. Daraus ergiebt sich, daß die Sympathicen für den Bond in der letzten Zeit nur noch gestiegen sind. Nur so ist es zu erklären, wenn trotz des Scheiterns der Verhandlung voraussichtlich der Frieden zwischen England und der südafrikanischen Republik erhalten bleiben wird, und wenn die Engländer auch in Zukunst bemüht sein werden, sei es auf dem Wege des diplomatischen Druckes, sei es durch das Mittel der Anstiftung von Unruhen in Transvaal die Buren kirre zn machen. Bei dem zähen Charakter dieses Volksstammes kann man sich freilich darauf verlassen, daß die Engländer sich werden einigermaßen in Geduld fügen müssen, ehe sie auf diesem Wege irgend einen sichtbaren Erfolg erringen werden. Oertliches und Sächsisches. < , Freiberg, den 13. Juni. — Titel- und Ordensverleihung. Der König hat dem Vorstande der dritten Abtheilung der Generaldirektion der Staatseisenbahnen Oberfinanzrathe Bergmann den Titel und Rang eines Geheimen Baurathcs und dem Mitgliede der genannten Behörde Fmanzrathe vr. Otto das Ritterkreuz 1. Klasse vom Älbrrchtsorden verliehen. Wohnung. Die erste Wohnung hat ein lungensüchtiger, todt" Banker Maurer mit seiner achtköpfigen Familie inne. Die ganze 85,9 Kubikmeter große Wohnung kostet 26 Mark monatlich, vor anderthalb Jahren war der Miethpreis 18 Mark. Die zweite Wohnung nebenan, von einem Schmiedegebilfen gemiethet, besteht ans 3 Zimmern, 1 Kammer und Küche. , Obwohl die 10 Köpfe starke Familie, Eltern, 7 Kinder unter 14 Jahren, die Wohnung dicht genug belegen könnten, so sind doch ein Zimmer, die Kammer und die Küche an eine weitere Familie abvermiethet. Die Wohnung kostet 40 Mark, ein geradezu horrender Preis, da oben unterm Dach, ohne Wasserleitung und «Klosett, bei einer Größe von 125,7 Kubikmetern Luftraum. Für , sämmtliche 41 Personen ist ein Abort vorhanden, Antheil von ! Keller, Speicher oder Waschhaus hat keine der Parteien. Der ^MiethspreiS sämmtlicher Wohnungen macht 124 Mark monatlich." — Gegen derartige Wohnungsverhältnisse sind selbst die schlechtesten ländlichen Verhältnisse noch ausgezeichnet. Nach der „Franks. Ztg." wurde das Urtheil des Kriegs- ! gerichts, wonach der Leutnant Döring wegen des Duells mit Lövekorn zu 2^ Jahren Festung verurtheilt wurde, bereits vom Kaiser bestätigt. Leutnant Döring hat die Strafe auf der Festung Wesel bereits angetreten. Der Sekundant Leutnant Köpke erhielt 14 Tage Festung, der zweite Sekundant Horn wurde frei gesprochen. Ueber die JnvaliditStsversicherungs-Novelle ist in einer freien Kommission eine Verständigung erzielt worden, sodaß eine glatte Annahme in dritter Lesung zu erwarten ist. Die erste sozialdemokratische Zwangsinnung in Berlin hat sich am Sonnabend Abend konstituirt. Bei der Wahl des Vorstandes für die neue Drechsler- Zwangsinnung siegten die Sozialdemokraten. Zum Obermeister wurde mit 149 von 279 Stimmen ein alter Gegner der Innungen gewählt. Zu Beisitzern wurden mit etwa 20 Stimmen Mehrheit 6 Sozialdemokraten und 1 Anarchist gewählt. Die Übernahme des etwa 27500 Mk. betragenden Innungs- Vermögens wurde von der neuen Zwangsinnung abgelehnt, was wohl den Schluß zuläßt, daß es schon jetzt auf die baldige Auf lösung der Innung abgesehen ist, was bei der jetzigen Zusammen setzung das Beste wäre. Niederlande. Ueber die Stellung Deutschlands zu derSchiedsgerichtsfrage berichten englische Blätter: Der Haager Sonderberichterstatter der „Daily News" drahtet einen Auszug aus der Rede Professors Zorn in der Freitags- ' sitzung. Zorn sagte, er sei beauftragt, zu erklären, die deutsche Regierung könne den Grundsatz eines ständigen Schiedsgerichts, wie er sich in dem Plane Pauncefotes verkörpert, nicht annehmen. Die Einrichtung eines ständigen Schiedsgerichts sei unvereinbar mit der Souveränetät des Monarchen und der Unabhängigkeit der Nationen. Ein König von Gottes Gnaden könnte nicht einen Augenblick daran venken, sich eines wesentlichen Theiles seiner Souveränetät zu entledigen, nämlich des Rechtes, das Verfahren der Nation in kritischen Zeiten zu gestalten. Der deutsche Kaiser wolle sich nicht verpflichten, sich Entscheidungen von Richtern, die nicht von ihm ernannt sind, über Fälle, die noch nicht entstanden sind, zu fügen. Zorn erhob auch Einwendungen gegen die Zweck mäßigkeit eines ständigen Schiedsgerichts. In Frankreich ist ganz unerwartet eine Ministerkrise ausgebrochen. Man hat das Vorgehen des Ministerpräsidenten Dupuy nicht energisch genug befunden. In den späteren Stunden deS Sonntags war das Auftreten der Polizei stellen weise recht sonderbar. Es schien fast, als wollten manche Schutz leute sich für einen Zwang rächen, unter dem sie tagüber gestanden hatten; sie fielen über Leute, die „Hoch die Republik!" „Hoch Zolak" „Hoch Picquart!" riefen, mit Berserkerwuth her und ver holzten sie wie in den schönsten Tagen der Esterhazy-Begeisterung. Hierüber wurde gestern in der Deputirten-Kammer interpellirt. Es wird darüber berichtet: Saal und Tribünen sind gefüllt. Vaillant (Sozialist) bringt eine Interpellation ein wegen der von der Polizei begangenen Gewaltthätigkeiten bei dem Tumult im Pavillon d'Armenonville und namentlich im Verlauf des gestrigen Abends. Redner führt Klage gegen die Polizei, welche eine Gruppe, der er auch angehört habe, vor dem Gebäude des Blattes „Petite Republique" angegriffen habe. Vaillant fragt, welche Anweisungen die Regierung der Polizei gegeben hinsichtlich ihres Verhaltens den Sozialisten gegenüber, welche die Republik gegen die Reaktion vertheidigt hätten. (Beifall auf der äußersten Linken.) Ministerpäsident Dupuy erkennt an, daß der gestrige Tag ein republikanischer Festtag gewesen; aber ein Festtag für alle Republikaner, nicht für eine bestimmte Gruppe derselben. (Beifall.) Es hätten sich Zwischenfälle ereignen können. Die einzige Anweisung jedoch, die der Polizei ertheilt worden, sei die gewesen, der Ordnung Achtung zu verschaffen. Der Tumult im Pavillon d'Armenonville wäre zwischen Gästen und Bediensteten des Cafss ausgebrochen. Es seien bei demselben drei Polizeiagenten verwundet worden. Er, Dupuy, habe, weil in der Ruc Montmartre Gläser und Utensilien einer Buchdruckerei auf die Polizeiagenten geworfen wurden, angeordnet, festzustellen, wen die Schuld treffe. Schon jetzt aber spreche er der Polizei seine Anerkennung aus. Wenn man nicht Achtung vor der Ordnung herstelle, sei ;cde Regierung unmöglich. (Beifall im Centrum; Widerspruch auf der äußersten Linken.) Clovis Hugues beklagt sich über das gestrige brutale Vorgehen der Polizei gegen eine Gruppe von Sozialisten, in deren Mitte er sich befand. Mehrere andere sozialistische Deputirte sprechen in demselben Sitine. Das Centrum verlangt sodann den Schluß der Debatte, welcher von der Kammer genehmigt wird. Es werden hierauf drei Tagesordnungen eingebracht, darunter eine von Saümande, in welcher die Erklärungen der Regierung gebilligt werden. Mehrere Deputirte beantragen die Annahme der ein fachen Tagesordnung. Ministerpräsident Dupuy lehnt diese aber ab und erklärt sich mit der von Sauniande eingebrachten Tages ordnung einverstanden. Unter großer Erregung des Hauses wird dann zur Abstimmung geschritten und die einfache Tagesordnung mit 336 gegen 219 Stimmen abgelehnt. Die Kammer spricht sich ebenso mit 376 gegen 109 Stimmen dagegen aus, der Tages ordnung Vaillant den Vorrang zu geben, in welcher die Pariser Bevölkerung für ihre gestrige Manifestation beglückwünscht und die Haltung der Polizei getadelt wird. Im weiteren Verlauf der Sitzung wird sodann über eine Tagesordnung des radikalen Ab geordneten Ruau znr Abstimmung geschritten, nachdem Minister präsident Dupuy erklärt hatte, daß die Negierung diese Tagesordnung ablehne. Dieselbe lautet folgendermaßen: „Die Kammer, entschlossen, nur eine Regierung zu unterstützen, welche gesonnen ist, mit Entschiedenheit die republikanischen Ein richtungen zu vertheidigen und die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, geht zur Tagesordnung über." Die Kammer nimmt die Tagesordnung Ruau mit 321 gegen 173 Stimmen an, worauf die Minister sofort den Sitzungssaal verlasse», umsich »ach dem El-säe zu begeben.
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