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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 13.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990613
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990613
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-13
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 13.06.1899
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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Gelte S. — 13. Juni. Bom 1. Oktober ab erhalten in Preußen die Feldartillerie, die Telegraphenbataillone und die Betriebsabtheilung der Eisen bah nbrigade neue Uniformabzeichen. Di: Feldartillerieregimenter erhalten namentlich an Stelle der bisher durchweg schwarzen Schulterklappen solche in den Farben der Jnfanterrieregimenter ihres Armeecorps. Die Telegraphen bataillone erhalten Pionierunisorm mit ponceau-rothen Schulter klappen und als besonderes Abzeichen auf denselben ein senkrecht stehendes, gelbes Blitzbündel nebst der Bataillonsnummer in römischer Ziffer. Die Uniform der Betriebsabtheilung der Eisen bahnbrigade ist gleich der der Eisenbahnregimenter; auf der ponceau-rothen Schulterklappe wird als Abzeichen ein gelbes ge flügeltes Rad getragen. Eine weitere Uniformveränderung tritt bei denjenigen Truppentheilen ein, die Litzen am Waffcnrock tragen; wie schon jetzt das 5. Garde-Regiment zu Fuß und das Garde- Grenadierregiment Nr. 5, so sollen hinfort auch alle übrigen Truppentheile des Gardecorps und diejenigen Grenadierregimenter der Linie, die Litzen tragen, nach einer im Armecverordnungsblatt bekannt gegebenen Kabinettsordre fortan auch auf den Kragen patten des Mantels Litzen in der Form und Farbe tragen wie auf dem Waffenrock. Die ersten Siegeszeichen aus China, welche bei der Besetzung Kiautschous eine leichte Beute unserer Marine wurden, sind nunmehr in Kiel eingetroffen und dem historischen Museum der Marineakademie eingerecht worden. Die Sendung umsaßt zwei leichte Kruppsche Kanonen, drei alte Wall geschütze, Geschosse, Säbel, Schwerter, Pfeile, Bogen und mancherlei andere Waffen, die an sich ganz interessant sind, aber auch ein grelles Licht auf daS Armeewesen des himmlischen Reiches werfen. Es erscheint kaum glaublich, daß diese Waffen ältester und primi tivster Art zur Vertheidigung bestimmt gewesen sind. Eines der Geschützt, ein Hinterlader aus dem Jahre 1872, befindet sich in einem erbärmlichen Zustande, da die Chinesen überall geflickt haben. Die Räder der Kanone haben beispielsweise die Stärke eines FahrradreifeuS und die kleine Deichsel läßt erkennen, daß es mit dem Vorspann auch nicht weit hergewesen ist. Für die chinesische Kriegsführung ist das alles recht bezeichnend. Die Budgetkommission des Reichstages trat am Freitag nach Schluß der Plenarsitzung nochmals zusammen. Namens der verbündeten Regierungen erklärte Staatssekretär v. Thielmann sich einverstanden mit der Erhöhung der Ent schädigung an dieGebr. Denhardtaus 150000 Mk. Im Dispositiv wurde eine von vr. Müller-Sagan (fr. Vp.) vor geschlagene Fassung beschlossen, wonach die Gebr. Denhardt bei Zahlung der Abfindung von 150000 Mk. aus alle weiteren An sprüche an das deutsche Reich zu verzichten haben. Ueber die Bären-Jnsel, auf der die deutsche Flagge gehißt worden ist, theilt die „Marinepolit.Korresp." Folgendes mit: Auf der Halbwegs zwischen Spitzbergen und dem Nordkap im nördlichen Eismeer belegenen bisher herrenlosen Bären-Jnsel hat Deutschland im vorigen Jahre einen Hafen erworben. Be kanntlich ist sowohl der westliche Theil Spitzbergens als auch die Bären-Jnsel an ihrer Nord- und Ostküste reich an Steinkohlen lagern. Außerdem ist die Bären-Jnsel als Stationsort für Hochseefischerei in den nördlichen Meeresgebieten außerordentlich günstig gelegen. Im Jahre 1898 unternahm auf dem Dampfer „Helgoland" eine kleinere Anzahl deutscher Männer unter Führung des Kapitäns zur See Rüdiger einen Jagdausflug nach dem Norden. Den Reisenden fiel jedoch gleichzeitig die Aufgabe zu, die allgemeinen Voraussetzungen für eine veutsche Land erwerbung im Polarmeere zu prüfen. Die Bären-Jnsel hat einen Reichthum an Steinkohlen, der den Spitzbergens eherüber ragt, als ihm nachsteht; außerdem sind durch seine Lage südlich von Spitzbergen und durch seine vom warmen Golfstrom stark beeinflußte Temperatur die klimatischen Verhältnisse so günstig, daß eine dauernde, nicht bloß auf einen Theil des Jahres be schränkte Ausbeutung der Mineralschätze möglich ist. Die Insel liegt unmittelbar an der südlichen Grenze des Treibeises unter 73—74 Grad n. B. und etwa 19—20 Grad ö. L. und inmitten des von Archangel ausgehenden Seeverkehrs. Lange Zeit ist die Bären-Jnsel, welche durch Nebel den größten Theil des Jahres über dem Blick der vorbeifahrenden Seeleute verborgen ist, für viel kleiner gehalten, als sie in Wirklichkeit ist. Noch im Jahre 1864 gab Nordcnskjöld die Größe derselben aus 1,23 deutsche Quadratmeilen an. Die im Jahre 1868 ausgeführten schwedischen Vermessungen haben indeß ergeben, daß die Insel genau zehnmal so groß ist, nämlich 12,35 Quadratmeilen. Sie liegt auf 74 Grad 30' Nordbreite und 19 Grad Ostlänge von Greenwich und hat eine ovale Gestalt. Die Küste steigt ziemlich steil an und das ganze Innere der Insel bildet eine flache Hochebene mit zahlreichen Seeen und Morästen. Der südliche Theil dieser Ebene ist theilweise dicht mit Gras bewachsen. Die höchste Er hebung bildet der Elend-Berg in der Nähe des Südhafens, welcher 250 Meter hoch ist. Auch an der Westküste befinden sich einige kahle Bergkuppen. Steinkohlenlager befinden sich an der Ostseite der Insel an der deswegen so benannten Steinkohlenbucht und an der Mündung des englischen Flusses, wo sich das Grab eines Engländers befindet. Hier erhebt sich auch in geringer Ent fernung von der Küste ein wellenbespülter, cylinderförmiger, 30 Meter hoher Felsen, die sogenannte englische Säule, und etwa eine Meile von ihr entfernt ein kegelförmiger, noch mit dem Lande zusammenhängender Felsen „Der Hals", auf dessen Spitze unzählige Vögel nisten. Das Meer um die Bären-Jnsel hegt einen unerschöpflichen Reichthum an Fischen, auch von solchen Arten, die für den Handel von Wichtigkeit sind. Außer dem Walfang ist auch die Walroßjagd sehr ergiebig. Welche Wichtig keit die deutsche Regierung der Meeresausbeutung im hohen Norden beilegt, ergiebt sich aus der im vorigen Jahre erfolgten Entsendung des zum Schutz der Fischerei dienenden Kreuzers „Olga" in jene Gegend. Das Schiff hat die Insel seinerzeit angelaufen, verschiedene Häfen besucht und zum Theil vermessen, sowie die ganze Insel dicht an der Küste umfahren. Die nach der Bären-Jnsel entsendete Expedition hat mit solcher Umsicht gehandelt, daß jede nachträgliche Einmischung Dritter von vorn herein ausgeschlossen ist; sie hat Namens des Reichs nur von der Hauptzugangsstelle der Insel, dem Südhafen, Besitz ergriffen. Dieser hat eine solche Größe und Tiefe, daß auch eine große Panzerflotte gefahrlos ein-und ausfahren kann. Die Erwerbung des Hafens für Deutschland ist von Bedeutung sowohl in wirth- schaftlicher Beziehung mit Rücksicht auf die Seefischerei, als auch in politischer Hinsicht. Als Flottenstation bilde': die Bären-Jnsel eine Etappe auf dem Wege von dem neuen russischen Kriegshafen an der Murman-Küste, Katharinen-Hafen, nach dem atlantischen Ozean bezw. der Ostsee. Zur Frage der Leutenoth meldet der Draht aus Rom, 10. Juni: „In einer gestern abgehaltenen Versammlung der italienischen Ackerbaugescllschaft empfahlen derDeputirte Ambrosoli und der Senator Pecile die Frage der Auswanderung italienischer Bauern nach einigen Gegenden Preußens, wo Mangel an land- wirthschaftlicher Bevölkerung herrscht, in Erwägung zu ziehen." — Auch in Deutschland ist die Einführung italienischer Land arbeiter und zwar mehrfach erörtert worden. Der Fleiß und die Nüchternheit der Italiener werden überall anerkannt, allein viele Landwirthe furchten, daß sie sich den Verhältnissen des Ostens nicht anzupassen vermögen. Den russischen und österreichischen Polen aber würden sie insofern vorzuziehcn sein, als von ihnen keine nationalen Schwierigkeiten zu erwarten sind. Freisinnige und sozialdemokratische Blätter suchen mit einer Aeußerung des Fürsten Bismarck, die der Altreichskanzler am 12. Januar 1887 im Reichstage über den Karolincnstreit von 1885 gethan hat, gegen den beabsichtigten Erwerb der Karolinen u. s. w. -Inseln Stimmung zu machen. Fürst Bis marck bezeichnete damals die Karolinen als „Lumperei", und zwar gebrauchte er diesen Ausdruck im Hinblick auf die Interessen der dort Handel treibenden deutschen Firmen im Vergleich mit der Möglichkeit eines Krieges mit Spanien. Mit vollem Rechte bemerken hierzu die „Berl. Neuest. Nachr.": Heute hat die Karolineusrage für Deutschland eine ganz andere Bedeutung, die zunächst allerdings auch nicht aus dem wirthschaftlichen, wohl aber ans dem politischen und militärischen Gebiete liegt. Damals gab es weder eine chinesische Frage, noch deutschen Besitz in China, damals war Amerika weit entfernt von jeder Ausdehnungspolitik, die es jetzt in den Besitz der Philippinen gebracht hat, damals gravitirten überhaupt die Interessen der europäischen großen Mächte noch in Europa, während sie heute in Asien und Afrika liegen und im äußersten Osten Asiens wie in einem großen Brennpunkte zusammenlaufen. Damals dachte auch noch Niemand an die Möglichkeit, daß England eines Tages alle Kohlenvorräthe von Aden bis Schanghai aufkaufen und damit sämmtliche aus dieser Strecke sich hewegenden Handels- und Kriegsschiffe aller Nationen zwingen könnte, sich dem britischen guten Willen aus Gnade und Ungnade zu ergeben. Diese letztere Lektion hat Deutschland die Nothwendigkeit auserlegt, sich nach eigenen ver- theidigungsfähigen Kohlendepots umzusehen. Tsintau liegt zu weit nach Norden; in Zukunft wird sich für deutsche Schiffe die Möglichkeit bieten, ihren Kohlenbedarf auf den Marianen- oder den Palau-Inseln, weiter östlich auf den Karolinen decken zu können, während diese Inselgruppen zugleich für deutsche Geschwader im Stillen Ocean einen erwünschten Stützpunkt bieten. Wie ein Nichtorganisirter geächtet wird! In der amtlichen Denkschrift heißt es auf Seite 27: „Unter welchen Ver folgungen bis zur Vernichtung ihrer wirthschaftlichen Existenz solche Arbeiter zu leiden haben, die aus der Organisation ausge schieden sind, mußte ein Weißgerbergeselle V. zu Osterwieck er fahren. Dieser Mann, der in einer Glaceleder-Fabrik zu Oster wieck beschästigt wurde und als ruhiger, fleißiger Arbeiter be zeichnet wird, hatte seinen Austritt aus dem Verbände der Leder arbeiter Deutschlands genommen, weil ihm die Bestimmungen dieses rein sozialdemokratischen Bestrebungen huldigenden Vereins nicht zusagten. Hierdurch hatte er sich den Haß seiner Mit arbeiter zugezogen; es kam zu Beleidigungen, sowie zu Thätlich- keiten, und der Betriebsinhaber sah sich auf das Verlangen der organisirten Arbeiter alsbald zur Entlastung des V. genöthigt. Dieser fand zwar in einer anderen Osterwiecker Handschuhfabrik wieder Beschäftigung, aber hier erschien schon am zweiten Tage nach seinem Arbeitsantritt eine Abordnung von Arbeitern bei dem Besitzer und gab ihm zu verstehen, daß sie die Arbeit nieder legen würden, falls er den V. behielte. Infolge besten wurde V., der verheirathet und Vater eines Kindes ist, auch hier entlasten. Er suchte hierauf nothgedrungen als Handlanger bei einem Maurermeister Arbeit, aber auch dorthin verfolgte ihn der Haß der organisirten Arbeiter. Das Schreiben, in dem der eine der Fabrikbesitzer dem von ihm wegen seiner Tüchtigkeit geschätzten V. die Entlastung mittheilt, mag im Wortlaute hier folgen: „Herrn Ang. V-, hier. Theile Ihnen hierdurch mit, daß ich ge zwungen bin, Sie zu entlassen; gestern Abend nach dem Lohn auszahlen kamen sämmtliche Mann und erklärten mir, keine Stunde Montag zu arbeiten, wenn ich bis 8 Uhr mich nicht er klärt hätte, Sie zu entlassen. Es ist für mich kein anderer Aus weg; wie Sie wissen, habe ich eine Unmasse rohe Felle und käme dadurch in die größte Verlegenheit; ich kann nicht anders, da können Sie sehen, was man als Fabrikant ist. Hochachtend N. N." Oesterreich. Aus Wien wird vom Sonnabend offiziös ge meldet: Die heutige Konferenz der österreichischen und ungarischen Minister hat zu einem vollen Einverständniß in der Ausgleichs- srage geführt. Der Ministerpräsident Szell, welcher Nachmittags von dem Kaiser empfangen wurde, theilte dem Kaiser die That- sache mit, daß ein Kompromiß zu Stande gekommen ist. Alle in den Blättern über den Inhalt desselben erschienenen Angaben sind unzutreffend. Authentisches ist nicht vor den Mittheilungen zu erwarten, welche der Ministerpräsident Szell voraussichtlich am Mittwoch in dem ungarischen Abgeordnetenhause machen wird. — Die „Wiener Allgemeine Zeitung" erfährt über den Standpunkt der österreichischen Regierung bei den jüngsten nun mehr abgeschlossenen Verhandlungen bezüglich der Ausgleichsfrage, daß nach dem Wegfall der Perennirungs-Klausel für die^ster- reichische Regierung zwei Lösungen möglich erschienen: entweder Beibehaltung des Termins für den gejammten Ausgleich, ein schließlich der Verlängerung des Bankprivilegiums mit dem alten Statut bis zum Jahre 1903 oder längere Dauer des gesammten Ausgleichs einschließlich des Bankprivilegiums mit dem neuen Statut über das Jahr 1903 hinaus. Hinzu kam ein weiteres für Die Sonne. Roman von Anton v. Perfall-Schliersee. (22. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Barbara zog sich plötzlich zurück, die alte Herbheit kam über ne. Treuberg sah schon alles verloren, den innigen Verkehr und Gedankenaustausch mit Barbara, der ihm zum Bedürfnis; ge worden war, und sein Werk, welches wohl hoffnungslos im Theaterbureau begraben lag. Es schien ihm jetzt selbst von Tag zu Tag schwächer. Doktor Wieland, dem er ein Exemplar ge schickt, hatte ganz Recht, daß er es nicht der Mühe werth sand, ihm nur zu antworten. Um keinen Preis hätte er es gewagt, ihn selbst aufzusuchen. Er trieb sich planlos in der Stadt umher, um die qualvolle Zeit des Wartens auf die Entscheidung zu tobten, und fand sich immer wieder vor dem großen Auslagefenster der Firma Gerhcim, durch welches er Barbara in rastloser Thätigkcit erblickte. Dann erschien ihm plötzlich sein Beruf in sonderbar unsicherem Lichte, und die verworrensten Fragen tauchten in ihm auf. Wozu denn das alles? Um zu bessern? Zu belehren! Aus Mitleid, aus innerem Drange? Alles Lüge! Aus Gier nach Ruhm, nach einem Namen, nach einer glänzenden Zuknnst — hatte er das Werk geschaffen! Die Bühne ist ja der Mittelpunkt der Welt, alles dreht sich um sie. Ein gutes, neues Stück ist ja wichtiger als alle Großthaten der Wissenschaft, der Staatskunst, und sein Verfasser ist ein Halbgott, der mit dem gewöhnlichen Menschen pack nichts zu thun hat. — So liest man es in unzähligen Zeit- und Fachschriften, wenn auch nicht in Worten, so doch dem ganzen Stile nach. Alles Lüge! Man geht in ein Stück, um ei» Paar Stunden das häßliche Leben zu vergessen, die Langeweile zu tödten. Ge lingt das, lobt man es. Gelingt es nicht, schmäht man es. An den Verfasser denkt dabei nur ein verschwindend kleiner Theil, dessen Sport der Theaterklatsch, die grausame Cirkuslust der Premiere ist. Warf dann Barbara eiuen fragenden Blick hinaus: Noch nichts gekommen? dann verflog im Nu diese schwarze Stimmung. Er schlich wie ein Raubthier um das Theaterge bäude, in der dumpscn Hoffnung, etwas zu erfahren, irgend Jemand zn begegnen. Er sprang die drei Treppen zu dem Bureau des Doktor Wieland hinaus, um seine Ansicht zn hören, und kehrte vor der Thür wieder um. Er eilte im Sturmschritt nach Hause, von einer plötzlichen Ahnung ersaßt, daß ein Schreiben des Intendanten für ihn angekommen sei. Und eines Abends war wirklich eins gekommen Nlit einem großen Amissiegel. Angenommen! Tic Bedingungen und Klauseln las er nicht mehr. Er hatte nur einen Gedanken — Barbara! In einer Stunde mußte sie kommen. Er wartete fnn' Minten, dann oinq er ihr entgegen. Vor der Fähre hielt er. Wie leicht konnte er sie verfehlen im Gewühl der Straße. Er ging den Fußweg zurück, durch den Buchenwald. Hier wollte er sie erwarten, überraschen. Angenommen! — Es war ein eisiger Wintertag, der Frost hing an dem Geäst der Buchen, doch dieses Wort, das er immer wieder vor sich hinsprach, durchwärmte ihn wie Julisonne. Un zählige, verführerische Bilder woben sich vor ihm — von rauschen den: Erfolg, Rcichthum, Ehren. Er hätte jetzt das Ungeheuer da drüben, dessen tausend Augen eben auszuleuchten begannen, au sein Herz drücken können. Den „Moloch", wie er es nannte in seinem Stück, für ihn war es ein Gott, der ihn aus dem Nichts emporhob. Er vergaß über seiner Phantasie ganz den Zweck des Wartens. Ein Licht, das sich über den Strom grade auf ihn zn bewegte, erinnerte ihn daran; es war das Signallicht der Fähre. Der Brief knisterte unter seinen Fingern. Was wollte er denn eigent lich von dem Mädchen? Warum trieb es ihn mit Allgewalt, ihr entgegenzueilen mit der frohen Botschaft? — Die Dankbarkeit? Dagegen sträubte er sich. Wie konnte er diesem einfachen Mädchen nur den geringsten Antheil cinräumen au diesem Werk! Rein lächerlich! — Die Liebe also! Ja, das war's! Er liebte sie! Er liebt ihre herrliche Gestalt, die verhaltene Gluth ihrer Augen, ihr üppiges Haar, den schmerzlichen Zug um ihren Mund, ihre Stimme, ihren kühnen Muth, und daran konnte dieser Brief nichts ändern. Ja, was sollte er denn daran ändern? Er trieb ihn ja hier her, die unbändige Freude, die nach Mittheilung drängte, nach der Geliebten — und doch — wenn er es ihr zu Hause sagte — er sagte daun — nichts — hier sagte alles! Schon ging er zurück dem Dorfe zu, da erblickte er sie schon. Sie betrat eben das Wäldchen. Ihre dunkle Gestalt zeichnete sich scharf ab im Weiß der Umgebung. Da packte ihn ein mächtiges Gefühl, zugleich aber einige Verachtung des Gedankens, der ihn eben noch bewegt hatte. Barbara blieb dicht vor ihm stehen, wandte sich und blickte unverwandt gegen die Stadt. Da hörte sie plötzlich ihren Namen rufen. Treuberg stand vor ihr. Der Schreck wohl hemmte ihr den Äthern, raubte ihr die Sprache. „Angenommen! Sieg!" jubelte Treuberg. Die regungslose Haltung Barbara's ernüchterte ihn. Das war die erste Ent täuschung. „Und da wollen Sie nicht einmal mehr den Abend bei uns zubringen?" fragte sie. „Wer sagt Ihnen denn das?" „Sic sind doch auf dem Wege zur Stadt. — S:e haben Eile, cs ist die letzte Fahrt," entgegnete Barbara. „Aber uh will ja gar nicht zur Stadt, nur zu Ihnen wollte ich, um Ihnen die Freudenbotschaft zu bringen — weil ich Sie nicht erwarten konnte zu Hause — weil ich . . . Aber Fräulein Barbara, so reden Sie doch auch ein Wort. Freut eS Sie denn gar nicht?" Barbara ergriff seine Hand. „Wenn Sie wüßten, was ich eben dachte, als ich dahinüberblickte! Welcher Kleinmuth mich plötzlich ergriff und wie da plötzlich mein Name hereintönte, wie ein Freudenschrei — und dann — Sie mir entgegen, dem armen Ladenmädchen, im Augenblicke Ihres höchsten Triumphes! Herr Treuberg, ich bm so wenig Freude gewöhnt, — ich könnte leicht etwas — recht — Albernes sagen." „So sagen Sie es doch — daß Sie mir gut sind, nach so treuem Zusammenarbeiten — das nennen Sie albern? Ja, dann bin ich ein entsetzlich alberner Mensch! Wenn ich Ihnen nur gut wäre, hätte ich Ihre Rückkehr geduldig in der warmen Stube erwartet — anstatt hier in der Winterkälte, hinter einem Baume verborgen wie ein Räuber. Solche Albernheit entschuldigt nur eins, Fräulein Barbara —." Er drückte heftig ihre Hand und legte den Arm um ihre Hüfte. Aber jetzt sprechen Sie — noch nicht?" Das Mädchen blickte mit einem sonderbaren Ausdruck zu ihm auf, Schmerz und Frage lag darin, nur nicht das, was er allein darin suchte — dann fühlte er sich plötzlich umklammert, wie von einem Feind, und Barbaras Haupt lag an seiner Brust. Diese ihm fremdartige, plötzlich hervorbrechende Leidenschaft jagte ihm saft Schreck ein, während sic zugleich alle seine Sinne weckte. Er hob das Haupt eben so jäh, und die Lippen begegneten sich in einem heißen Kuß. Barbara erwachte zuerst aus der süßen Betäubung, doch sträubte sie sich nicht in seinen Armen, sie schmiegte sich sogar noch inniger, fester an ihn an und warf scheue Blicke zurück auf die jetzt von einer förmlichen Lichtaureole gekrönte Stadt, als ob von dort her Störung drohe. „Ich bin eine rechte Thörin," sagte sie dann, ich weiß es schon — aber einmal möchte maus doch ertrotzen." Der feindliche Zug verzerrte wieder den Mund, und die großen Augen leuchteten durch die Nacht. „Einmal? Für immer wollen wirs ertrotzen," entgegnete feurig Treuberg, „und gerade das Ungeheuer da drüben, das Du so sehr hassest, soll uns dazu verhelfen. O, es ist lange nicht so schlimm, als es Dir erscheint. Akan muß ihm nur ein wenig schmeicheln, wie einer Katze, und ich glaube, ich verstehe mich daraus. Sieh nur den Glorienschein über ihr" — er wies hinüber auf die Stadt — „wie es in ihr aufzuckt, als gelte es uns! O, ich habe Muth und Zuversicht — wer weiß — wer weiß!" „Ich weiß nur Eines. — Barbara sah ihn mit einem ver klärten, sonderbaren Blick an. „Ich bin unendlich glücklich in diesem Augenblick." lFocisesung fo'zt.)
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