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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189904196
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990419
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990419
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-19
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.04.1899
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L8SV vor obli- Ver- ein- allein als Vertheidigcr gewonnen; aber nach dem glänzenden Plaidoyer, welches vr. Scllo bei dem Rosengartschen Gatten- mordprvzeß ui Königsberg gehalten hat, und nach dem Ausgange dieses Prozesses mutzte auch noch vr. Sello dem Angeklagten zur Seite gestellt werden. Der stille Beobachter der Zeugen und des sonstigen Publikums ans dem Korridor des Gcrichtsgcbäudcs und in den umliegenden Kneipen, wo die Prostituirten und ihr der Sterilisirung bei dem hohen Hitzegrad die Gefahr weniger groß. Ich wünsche gewiß, daß die deutsche Landwirthschaft den Fleischbedarf decken kann, aber man muß den Thatsachen objektiv entgegentreten. Nicht Erwägungen der Rücksicht aus das 'Ausland find es, sondern die Rücksicht auf unseren eigenen Vieh bestand und die Volksgesundheit sind es, wenn wir ausländische Fleischwaaren zulassen wollen. Die preußische Regierung ist mit ihrer Polizei-Verordnung eben nicht ausgekommen, sie hat sich 'an das Reich gewandt, und der vorliegende Entwurf hat das volle Einverständniß der preußischen Regierung und des preußi schen LandwirthschaftSministers. In den räumlich großen Bezirken wird sich praktisch die Sache so gestalten, daß der Beschauer das lebende Thier besichtigt, das vor seinen Augen geschlachtet wird und daß er dann sofort die zweite Besichtigung vornimmt. Wir haben uns ja übrigens Vorbehalten, schärfere Bestimmungen jeden. Augenblick auch auf das Ausland anzuwenden. ' Abg. Wurm (Soz.): Die Fleischbeschau müsse nicht nur auf ,die Hausschlachtung, sondern auch auf alle Thiere ausgedehnt werden. Wenn das Ausland Interesse an dem Export nach Deutschland habe, so werde es sagen: Schickt uns Beamte herüber >zur Untersuchung vor dem Versandt, wir werden sie bezahlen. Vielleicht seien internationale Vereinbarungen über die Fleisch beschau möglich. Auf den Konsum auswärtigen Fleisches seien wir ja angewiesen. Die Fleischschau müßte auf dem Lande auch gegen den Willen der Bauern durchgeführt werden und zwar auf ' Staatskosten. Abg. Sieg (natl.) spricht sich für die Vorbeschau auS. Die Kosten der Viehversicherung auf das Reich zu übernehmen, dürfte micht angängig sein. Der Gesetzentwurf werde eine große erzieh liche Wirkung auf die Landwirthschaft haben und sei geeignet, dahin zu führen, daß die deutsche Landwirthschaft den Bedarf ,des Inlandes decken könne. Wir hätten nicht eine Fleischnoth, -sondern eineFleischernoth gehabt. Die sich ergebenden Schwierig- ' ketten würden sich überwinden lasten, da es sich um ein großes Ziel handle. Abg. Pachnicke (freis. Vgg.): Die Ausdehnung der Vor beschau auf die Hausschlachtung sei schwierig. Woher wolle man die Beamten nehmen, die ausreichten, um die zahl losen, sich auf wenige Wochen des Jahres zusammendräugeudeu Hausschlachtungen zu überwachen. Seine (Redners) Partei wünsche aber nicht, daß unter dem Vorwand veterinärer Maß- - regeln protektionistische Absichten verfolgt werden, daß man ans -Schleichwegen geschlossene Verträge zu umgehen sucht. Für die -.Erweiterung der Vollmachten des Bnndesraths würde seine ,Partei nicht stimmen. Die agrarische Agitationspresse habe sich in staatserhaltender Entrüstung wahrhaft überschlagen. Man habe gesagt: man hätte zur Regierung ein sehr abgestuftes Ver trauen. Das Interesse der Konsumenten und Produzenten müsse gleichmäßig berücksichtigt werden. Abg. Holtz (Reichsp.): Wir erkennen die Nothwendigkeit einer reichsgesetzlichen Regelung der Materie an. Auf die Haus schlachtung darf die Fleischschau nicht ausgedehnt werden. Das hat auch der Abg. Mendel-Steinfels nicht gesagt, der nur von einer gewerbsmäßigen Ansnntzung der Hausschlächterci gesprochen hat. Nednerverweist auf die genügende, schon bestehende Anzeige pflicht für Seuchen und Viehkran theiten. Der Zweck der Fleisch- schau bei der Hausschlachtung wird durch das Gesetz gar nicht erreicht. Dann müßte die Konservirung des Fleisches im Hause auch staatlich kontrolirt werden, die Kontrole müßte bis an den Kochtopf und die Wnrstkammcr der Hausfrau ausgedehnt werden. Der kleine Züchter würde sich den neuen Verhältnissen sehr schwer unterwerfen können. Unter allen Umständen müssen wir ver langen, daß das ausländische Fleisch denselben Bedingungen unterworfen werde, wie das inländische. Die Begründung des Entwurfs führt selbst an, daß der Haupintz der Thicrlrnntheilen die Eingeweide seien, also ist eine Kontrole unportirten Fleisches ohne Eingeweide immer ungenügend. Aus d,c importirtcn zwei Angriffe gerichtet worden: erstens, daß man die Haus schlachtungen in das Gesetz cingeslochten hat, und dann, daß man scheinbar die Kontrolle, die man auf das inländische Fleisch an- 'zuwenden beabsichtigt, auf das Ausland nicht anwenden will. Reber diese Angriffe möchte ich zunächst zwei Leitsätze für die ganze Behandlung der Frage feststellen: Erstens, dieses Gesetz ist nn hygienisches, im Interesse des Schutzes der Gesundheit unseres Bolles liegendes und ein veterinärpolizeiliches Gesetz, um die weitere Verbreitung der Viehseuchen zu verhindern. Der zweite Leitsatz ist folgender: Wir find unzweifelhaft berechtigt, alle Kontrolle, die wir auf das inländische Fleisch anwendeu, auch auf daS ausländische Fleisch anzuwenden, weil wir im Gebiete der inneren Verwaltung Herr in unserem eigenen Hause sind. Zu nächst, meine Herre«, bin ich einigermaßen überrascht, daß man jetzt von agrarischer Seite Angriffe dagegen gerichtet hat, daß bas Gesetz die Hausschlachtung unter die obligatorische Fleisch beschau stellt. Im preußischen Abgeordnetenhause ist einiger Zeit der Antrag gestellt worden, die gatorische Fleischbeschau generell nach Maßgabe der ordnung für die Provinz Hessen-Nassau in Preuße« Fleischwaaren können wir gern verzichten. Wir müssen gerade vom ausländischen Fleisch eine volle Garantie für völlig gesunden Zustand verlangen. Wünschenswerth ist es, daß die Kommission zu einem Resultat kommt. Abg. Lenzmanu (fr. Bp.): Wir begrüßen eS, daß die Regierung auf diesem Gebiete gesetzgeberisch vorgeht, aber der Entwurf bietet doch manche Bedenken. Wir müssen fragen: WaS erheischt die Gesundheit des Volkes? Aber wir müssen auch fragen: Geht nicht durch eine allzu große und scharfe oder un geeignete Kontrole dem Volke eine große Summe von Wohlstand verloren? Und schon jetzt wird vielfach darüber geklagt, daß durch ungeeignete Organe der Kontrole gesundes Vieh vielfach fälschlich für schädlich erklärt wird. Agrarische Interessen be stehen für uns nicht. Die Doppelschau für die Hausschlachtung ist aber beinahe undurchführbar. Wir wollen uns heute noch nicht entscheiden, ob wir die eine oder die andere fallen lassen wollen. Man könnte vielleicht die Fleischschau für die Haus schlachtung entbehren, wenn man besonders das Volk in Nord deutschland dahin erziehen könnte, daß eS weniger rohes Fleisch äße. Bei dem gewerbsmäßigen Betrieb wird man die Doppelschau nicht entbehren können. Das beweisen vielfach thierärztliche Gut achten. Bedenklich ist eS, dem Bundesrath die Bestimmung zu überlassen, was eine Nothschlachtung sei, denn darüber sind zu gestandenermaßen die Gelehrte« noch nicht einig. Die Beschau müsse von Leuten ausgeführt werden, die Veterinäre Bildung be sitzen und unbestechlich sind. Vom Veterinär-Mediziner müßte die Maturitätsprüfung verlangt werden. Die Einfuhr aus ländischen Fleisches dürfe nicht unmöglich gemacht werden. Wenn es nicht angängig sei, das ausländische Fleisch ebenso zu behandeln wie inländisches, müsse man sich dieser Unmöglichkeit fügen. Staatssekretär v. Posadowsky: Man habe ein Fleisch beschaugesetz verlangt und jetzt scheine es, daß sich bei näherer Vertiefung Bedenken aus wirthichaftlichen Gründen ergeben. Wenn Abg. Holtz ausführte, daß vieles Vieh schon deshalb nicht in den Verkehr kommen dürfe, weil es unter daS Viehsenchen- gesetz fällt, deshalb sei die Kontrole über die Hausschlachtung überflüssig, so sei darauf zu erwidern, daß eine Reihe von Vieh krankheiten, die das Fleisch für den Genuß schädlich machen, nicht unter das Viehseuchengesetz falle. Das preußische Abgeordneten haus sei einstimmig der Ansicht gewesen, daß die Fleischbeschau auch auf die Hausschlachtung auszudehnen sei. Durch die Ein führung der obligatorischen Fleischbeschau trete eine wesentliche Verbesserung für die deutschen Fleischproduzenten ein. Es sei was Anderes, ab Mafien von Fleisch ununtersucht ins Land gingen, als wenn an bestimmten Zollstellen hervorragende Sach verständige zu dessen Untersuchung angestellt werden. Weiterberathung heute. zuführen. In der Verordnung für Hessen-Nassau ist die Be freiung der Hausschlachtung von der Fleischbeschau aber nicht vorgesehen. Hiernach mußten die verbündeten Regierungen an- nehmen, daß man die Hausschlachtung mit embczirken sollte. Auch der Abg. Mendel-Steinfels hat erklärt, er stehe auf dem Stand punkte, daß die obligatorische Fleischbeschau auch auf das platte Land ausgedehnt werden müßte. Es ist auch in den Berathungen des Bundesrathes erörtert worden, ob man «icht mindestens die Hausschlachtung von der Kontrolle freilafien könnte, wenn das Fleisch nur zum Verbrauch nn eigenen Hause, zu Geschenken an Pfarrer und Lehrer u. s. w. verwendet wird. Aber bei Haus- schlachtunaen handelt es sich nicht nur um den engsten Kreis der Familie; letzt, wo so viele Arbeiter in der Kartoffel- und Rüben ernte verwendet werden, wird das im Hause geschlachtete Fleisch nicht mehr ün engsten Hausstande verwendet. Man kann nicht .sagen, daß durch di« Fleischbeschau eine wesentliche neue Last den Landwirthen auferlegt wird. Die neue Last wäre nur die, daß infolge der Untersuchung vielleicht Manches zurückgestoßen wird, das bisher verbraucht wurde, weil die Krankheit für Laien nicht erkennbar war. Fachmänner w« Virchow haben «achgewiesen, «daß nach Einführung der Fleischbeschau Erscheinungen, wie das Eindringen von Finnen i« daS menschliche Gehirn, wesentlich zurückgegangen sind. Ich kann »icht anerkennen, daß es so ganz unbedenklich sei, die Hausschlachtung auszunehmen. Es ist notorisch, daß viele Leute im Hause schlachten, nachher aber das Fleisch verkaufen. Daß wir das Recht haben, das Ausland ebenso zu behandeln wie daS Inland, ist klar. Das wäre aber daS absolute Einfuhrverbot. Klar ist, daß ein« Borbeschau im Ausland nicht angeht, und daß eine Beschau deS zu uns gelangenden erkalteten Fleisches ergebnißloS bleiben wird. Diese ev. absolute Prohibition wirft aber die Frage auf, ob bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf ausländisches Fleisch verzichtet werden kann. Die Einfuhr besonders von Konserven ist aber zur Zeit ein bedeutendes Moment in unserer Volksernährnng. Bei Konserven ist wegen Politische Umschau. Freiberg, den 18. April. Deutschland. ES ist nicht zu verwundern, daß die Er örterungen über den recht peinlichen Verlauf derSamoa- Verhandlung im Reichstage noch immer die Spalten der Presse füllen. Es ist aber gleichwohl nicht zu bestreiten, daß man im Auslande sich die ernsten Worte des Herrn Staatssekretärs des Aeußeren aä notam genommen hat, und daß man auch dort sehr wohl zwischen politischem Dilettantismus, wie er in der Begründung der Interpellation sich breit machte, und praktischer Staatskunst, wie sie aus den Worten des Herrn von Bülow, sowie aus den verschiedenen Aeußerungen der Fraktionsführer sprach, zu unter scheiden weiß. Thöricht ist es, bei dieser Gelegenheit von einem „Chauvinismus" zu reden, der sich in Deutschland breit mache, aber im Reichstage eine Niederlage erlitten habe. Uns Deutschen sammt und sonders ist jeder Chauvinismus fremd, wir bean spruchen nichts, als daß man im Auslande unsere Interessen respektirt und sind allerdings, wie auch Herr von Bülow erklärt bat, jeden Augenblick bereit, zur Wahrung unserer nationalen Ehre kräftig aufzutreten. Wenn dilettirende Politiker eS für besonders tapfer halten, mit der Faust zu drohen, so hat das auf die Gesammthaltung des deutschen Volkes keinen Einfluß. Man muß eS allerdings bedauern, schreibt die „Kons. Korresp.", daß die „staatsmännischen" Nationalliberalen, deren Presse es sich sonst zur Aufgabe macht, die übrigen Parteien, namentlich die Konservativen, zu schulmeistern, in dem vorliegenden Falle einen so großen Mangel an staatsmännischer Klugheit gezeigt haben. Die peinliche Episode nach der Beantwortung der Samoa-Jnter- pellation konnte bei Beobachtung auch nur geringer politischer Vorsicht leicht vermieden werden. Die Aufgabe der interpellirenden Parteien im Reichstage war es doch gerade, eine möglichst ein- müthige nationale Demonstration zu stände zu bringen. Nun ist ja diese, einem Vertrauensvotum für die Leitung unserer aus wärtigen Politik gleichkommende Cinmüthigkeit allerdings zutage getreten; allein die nothwendig gewordenen Verwahrungen, die gegen die Regierungsrede gleichzeitig erfolgten, haben dennoch einigermaßen abschwächend gewirkt. Der Spezial - Korrespondent des „New-Jork, Herald" hatte Sonnabend Abend eine Audienz beim Staats sekretär des Aeußeren, Herrn v. Bülow, den er über die Samoa-Frage und ihre gegenwärtige Lage ausfragte. Ueber diese Unterredung giebt der „New-Jork Herald", wie wir dem „Berl. Tagebl." entnehmen, folgenden telegraphischen Bericht: „In der kurzen Unterhaltung, die ich mit dem Staatssekretär über die Samoa-Frage hatte, sagte dieser: „Ich bin überzeugt, daß wir jetzt auf dem besten Wege zu einer vollständigen friedlichen Verständigung sind. Sie dürfen ruhig sagen, daß die allgemeine Meinung in Berlin dahin geht, daß die amerikanische Regierung durch ihr weises und staatsmännisches Verhalten viel dazu beige tragen hat, die Dinge zu jener befriedigenden Erledigung zu bringen, zu der sie jetzt gelangt sind." — „Haben Sie etwas über den Konsul Rose zu bemerken?" fragte ich. — „Nein," antwortete Herr von Bülow, „das ist eine Sache wie viele andere, über die sich die Mitglieder der Kommission auseinanderzusetzen haben." — „Halten Sie es für wahrscheinlich, daß diese Kom missionsmitglieder zu einer Verständigung gelangen werden?" — Hierauf antwortete Herr von Bülow mit vielem Nachdruck emphatisch: „Aber natürlich, denn ihre Instruktionen sind so ab- gefußt, daß sie in versöhnlichster Weise mit einander verhandeln und Alles thuu sollen, um zu einer sreundschastlichen Verstän digung zu gelangen, und bei diesem Bestreben können sie ja gar nicht sehlgehen." Die „Berl. Reuest. Nachr." versichern wiederholt auf Grund bester Information, daß die deutsche Industrie und die deutschen Schiffswerften den Ausbau der deutschen Kriegsflotte be schleunigen werden, wenn nur der Reichstag die Mittel früher zur Verfügung stelle. Versuche mit reinem Zucker, und mit Pastillen auS Zucker, mit Kaffee- oder Citronenzufatz, in Wasser in mitgeführten Blech bechern aufgelöst, angestellt werden, um sestzustellen, ob sich da durch Strapazen leichter ertrage» lassen. Ueber die Schwiegermutter des Königs Tanu von Samoa lesen wir folgendes ergötzliche Stückchen in der„Staats- imrgerzeitung": „In ihrem Lobartikel auf die „besonnene" und orgsam abgetönte" Führung unserer auswärtigen Angelegenheiten äßt die jüdisch-demokratische „Berliner Zeitung" auch dieSchwieger- inutter des samoanischen Königs Tanu im Reichstage erscheinen. Das genannte Blatt schreibt nämlich: „Als Herr von Bülow ge endet hatte, war das Stück aus. Die erhoffte große Erörterung' blieb aus, und die zahlreichen Zuhörer — darunter die in licht blauer, hochmoderner Gewandung erschienene Schwiegermutter des samoanischen „Königs" Tanu, eine Engländerin — entfernte > sich einigermaßen enttäuscht." — Der Leitartikler der „Berl. Ztg." ist mit dieser Bemerkung einem Tribünenwitz zum Opfer ge fallen. Jedenfalls war die gebräunte alte Madame mit schwarzem Haar und lichtblauer Gewandung in der Loge, die in ihrer jugendlichen Tracht allgemein auffiel, nicht die Schwiegermutter Tanus, sondern eine Jüdin von etwa 60 Lenzen, deren Wiege nicht auf Samoa, sondern in Nakel, Filehne, Czarnikau oder sonst einem Judennest des Ostens gestanden hat. Daß der Leit artikler des jüdisch-demokratischen Blattes die Bemerkung eines Journalisten, der mit gutem Witz die alte Dame im Gespräch zu seinem Nachbar als Schwiegermutter Tanus bezeichnete, ernst nehmen konnte, stellt seinen journalistischen Scharfsinn allerdings in ein recht zweifelhaftes Licht." Ueber einen Fall von katholischer Proselyten macher e i am Bette eines Sterbenskranken, der wenn er sich wirklich so, wie geschildert, abgespielt haben sollte, in der That einen unerhörten Uebergriff in das Glaubensleben einer protestantischen Familie bedeuten würde, berichtet der „Neichs- bote". Wir entnehmen seiner Darstellung das Folgende: Inder Boeckhstraße wohnt der Arbeiter H. Er ist seit einem Jahrzehnt unheilbar und schwer leidend. H., ursprünglich Katholik, hat sich in evangelischer Kirche trauen und darin alle seine Kinder taufen lassen. Bor fünf Jahren trat er selbst zur evangelischen Kirche über, empfing aus den Händen deS genannten Pastors das h. Abendmahl und hat es sich seitdem wiederholt von diesem reichen lassen. Erst am Sonnabend, 18. März, wurde es ihm, seiner Frau und einem kleinen Kreise von Glaubensgenossen wiederum und ebenfalls durch den Pastor Riemer gereicht; die Todesstunde schien nahe zu sein. Bei diesem Stande der Dinge ge brauchte die Frau, eine Mutter von vier unerzogenen Kindern, Hilfe, zumal für die Nachtwachen. Leider konnte eine evangelische Diakonissin nicht zur Verfügung gestellt werden. Auf den Rath einer Freundin wurde nach der Lausitzerstraße 41 um Hilfe ge schickt; diese kam auch — in Gestalt einer katholischen Schwester. Die Frau H. hatte angeblich keine Ahnung davon, daß die in der Lausitzerstraße wohnhaften Schwestern katholischer Konfession seien. Die betreffende Schwester hielt die erste Nachtwache vom 6. bis 7. d. M. und begann sofort mit der Propaganda, indem sie an den Kranken die Zumuthung stellte, die Kommunion aus den Händen eines Priesters zu empfangen. Dies Ansinnen wurde mit rückhaltlos offener Darlegung des Glaubensstandes der Familie und mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Abendmahls feier des 18. März abgelehnt. Dennoch äußerte diese Schwester am Sonnabend: „Es wird Jemand kommen und Sie besuchen." Montag früh 8 Uhr erschien die Schwester (eine andere hatte die Nachtwache gehabt), deckte sofort den Tisch in der Krankenstube und stellte die Kommuniongeräthe darauf, trotzdem Frau H. so fort sagte: „Schwester, daS heilige Abendmahl nimmt mein Mann nicht." Der Kranke selbst lag schwach und apathisch da. Zehn Minuten darauf erschien ein katholischer Geistlicher; er kleidete sich schnell der Feier entsprechend an, kniete am Tische nieder, die Schwester zu seiner Rechten that dasselbe und die Feier der Kommunion begann. Trotz der wiederholten Proteste der Frau schickte er diese aus dem Zimmer, drehte den Stubenschlüssel um und schloß sich mit dem Kranken ein. Erst aus wiederholtes Klopfen der Frau H. öffnete er wieder. Dann fuhr er die un entwegt protestirende Ehefrau mit den Worten an: „Seien Sic ruhig oder ich lasse einen Schutzmann holen." Mindestens zlvei- mal ist diese Aeußerung gefallen. Ja, er verstieg sich zu der Frage: „Wollen Sie sich denn ins Zuchthaus bringen lassen?" Erst dem Dazwischentreten des zur Hilfe herbcigeholten Vizewirths gelang es, den Akt der Kommunion wider Willen zu verhindern. Doch drohte diesem der Geistliche, daß ihm diese Einmischung „theuer zu stehen kommen solle". Beim Weggehen hatte er noch die Stirn, der Frau H. zuzurufen: „Sie haben Ihren Mann auf dem Gewissen!" Eine behördliche Untersuchung und Feststellung des Sachverhalts dürste wohl nicht ausbleiben. Der „Reichsanz." veröffentlicht im nichtamtlichen Theile eine Auslassung über die Beamtenvereinen in der es u. A. heißt: „Einige von Beamten des Reichs und Preußens gebildete Vereine haben eine bedauerliche und bedenkliche Haltung ange nommen. So fern auch der Regierung die Absicht liegt, den Beamten die Bildung von Vereinen und Gesellschaften zur Ver besserung ihrer wirthschaftlichen Lage, zur Hebung der geistigen und sittlichen Ausbildung der Mitglieder und zur Förderung ihrer Standesinteressen zu verwehren oder sie in ihrem Petitionsrecht zu beschränken, so bestimmt muß doch von den kaiserlichen und königlichen Beamten erwartet und verlangt werden, daß sie dabei diejenigen Schranken inne halten, welche für alle Beamten durch ihren geleisteten Eid und ihre amtliche Stellung gegeben sind. — Niemals mehr als in der gegenwärtigen Zeit, wo die Umsturzpartei au den Grundfesten unseres Vaterlandes zu rütteln sucht, ist dies eine der obersten Pflichten aller öffentlichen Beamten. Sie müssen es als eine Ehrenpflicht erkennen, in dieser Richtung der königstreuen Be völkerung ein Vorbild zu sein." Der Corpsgeist des Verbrecher thumS, so schreibt ein Berliner Blatt, hat sich gelegentlich des M o rd p r o ze s ses, Guthmann (Ermordung einer Dirne durch einen Zuhälter) wieder einmal gezeigt. Der Angeklagte hatte gar nicht die Mittel, welche erforderlich sind, um einen Wahlvertheidiger durch eine halbe Schwurgcricbtsperiode zu honoriren, noch weniger war seine Familie dazu im Stande. Ta sprangen aber die Leute seines , Schlages ein, die Zuhälter, die sich da sagten: „Das ist einer von den Unserigen, den dürfen wir nicht fallen lassen!" Diese Leute haben stets offene Taschen, denn ihre Opfer müssen un- i ansgesetzt für deren Füllung sorgen. Zuerst war vr. Schwindt. Höheren Orts ist angeordnet worden, daß zwei Compagnie» von zwei Regimentern eines jeden ArmeeeorpS jetzt und besonders im Sommer längere Uebungsmärschc aussührcn sollen, auf > uno in ocn umuegenven kneipen, wo oic Propiruirlen uns ,yr denen von den intelligenteren Mannschaften dieser Compagnien I Anhang sich restauriren, hört cs in den verschiedensten
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