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Sächsischer Landes-Anzeiger : 24.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188805246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880524
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-05
- Tag 1888-05-24
-
Monat
1888-05
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 24.05.1888
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Nr. 118. — 8. Jahrgang. D«r jeden Wochentag Übend (mit Datum - -- — SSchsischrr k»- folgenden —» - —. fangende „Sächsische Landes-Anzeiger" Wt täglich einem besonderen Unter- b-ltunaSblatte und mit dem Extrabeiblatt giftiges «ilderbuch kostet bei den Ausgabe- stellen monatlich 70 Psg., bei denPost-Anst. 7b Pf. (1888er ZtgS.-Preisliste Nr. 508ö.) DmmerStag, L4. Mai 1888. «>^»pn<rdt-,.Stchs.em>»««.«i>,ei>»«^ Namn «in« schmalen LorpuSzeNe 18 ML Bevorzug,» Stelle (Ispalt. Petit,eil«) W Pf. BeiWiednholung großer AnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifiiaen (je 8 Silben CorpuSschrift bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahme nur bis Bormittag. Verlag-. MM Me, Bnchdnickerei. Chemnitz. lheaterstraße K (Fernfprechstelle Nr.lSS). Telegr -Adr-: Lander-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einen: besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeit,,ng 4. Sächsisches Allerlei — 5. Illustrirteo Unterhalt,mgSblatt — 6. Somitagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. IrAbonnenten erscheint je eininal im Jahr: ^ommer-Eisenbahnfahrvlanhest für Sachse». Sinttk-Eisendahnfahrplandeft für Sachse». Zllustr. Kalender der Sächsischen Landdote». IlluftrirleSJahrerbuchdtSLaiideS-ilnzellierS. §>>«i»es.A«)eistr mit „ChemnitzeV Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Für den Monat Juni nehmen die Ausgabestellen in Chemnitz und Um gegend zum Preise von 70 Psg. (die Postanstalten zu 7b Psg.) Abonnements- Bestellungen auf den Sächsischen Landes-Anzeiger entgegen. Der Sächsische Landes-Anzeiger ist in der deutschen Post-ZeitungS- Preislistc unter Nr. 503b (in der österreichischen unter Nr. 2307) eingetragen. Alle» Abonnenten wird vollständig gratis als Extrabeigabe geliefert: Eisenbahn-Fahrplanheft für Sachsen (Sommer-Halbjahr 1888). (Giltig vom 1. Juni 1888 ab.) Dieses EisenSahn-Fahrplanhest ist in Umschlag geheftet und enthält in sanberein deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlicher Strecke» des sächsischen Eisenbahn-Netzes nebst den Anschlüssen sowie mit Angabe der Entfernungen und der Fahrpreise. Preis dieses Heftes für Nicht-Abonnenten 20 Psg. Ferner erhält jeder neubeitretende Abonnent, welcher die Abonnements- Quittung (Post-Abonnenten wollen lO-Pfg.-Marke für Porto beifügen) direct an die Verlags-Expedition einsendet, vollständig gratis geliefert: 1. Jllustrirter Kalender für 1888, 84 Seiten 4° mit Oeldrnckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Verzcichniß; reich-illustrirtem umfangreichen humoristische» Theilu. fesselnden Erzählungen. (Preis f.Nicht-Abonnentcn40Psg.) 2. Des Sächsischen Landes-Anzeigers Jllustrirtes Jahresbnch für 1888; 64 Seiten gr. 8" mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis für Nicht-Abonnenten 40 Psg.) Abermalige» zahlreiche» Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Verlags-Expedition des Sächsischen Landes-Slnzeigers. Um Verwechslungen zu vermeiden, werden Post-Abonnenten ersucht, bei Bestellung srenndlichst genau zu verlangen: den in Chemnitz erscheinenden „Sächsischen Landes-Anzeiger" (Nr. 5035 der Post-Zeitnngs-Preisliste). Telegraphische Nachrichten. Vom 22. Mai. Petersburg. Wenn auch widerstrebend, erkennen die russischen Blätter die Eröffnung der Bahn »ach Saloniki als einen „politischen Sieg Oesterreichs" an, welches damit für seine Eroberungsiust eine gnie Grundlage geschaffen habe und seine Agenten bereits in Mace- donien wühlen lasse; die Türkei habe dem Bau der Strecke Wranja- Ucsküb widerstrebt, nur die in der Türkei angcstellten Deutschen hätten die Pforte von der Befestigung Ueskübs abgehalten. Rom. Entgegen dem Pariser „Matin" erklärt der „Osservatore Romano", daß die Ceniralmächte keine Pression auf den Vatikan, betreffend die Aufhebung des französischen Protektorats über die katholischen Missionen des Orients, ansgeübt haben. Paris. Der „Ganlois" meldet, daß in der imperialistischen Parte! große Anstrengungen gemacht werden, um beim Jahrestag de? Todes des kaiserlichen Prinzen, am 1. Juni, am Grabe des Ver storbenen eine Versöhnung zwischen dem Prinzen Victor und seinem Vater Jerome herbcizusühren, aber Ersterer setze diesen Versuchen lebhaften Widerstand cnlgegen. Be r lin, 23. Mat, 12 Uhr Mittags. Der Kaiser hatte eine recht befriedigende Nacht. Er verließ /zlv Uhr das Bett «nd begab sich eine Stunde später nach dem Parke. Straß bürg, den 23. Mai. Durch Ministeriatver- fngnttg wird vom 31. Mai ab der Grenzpaßzivang ein- gesnhrt. Nur solche Pässe sind gültig, die mit einem Visum der deutschen Botschaft in Paris versehen find. Zum 24. Mai. ü) Chemnitz, den 23. Mai. In Charlottenburg wird morgen Donnerstag die Vermählung des Prinzen Heinrich von Preußen, des zweiten Sohnes Kaiser Friedrichs, mit seiner Cousine, der Prinzessin Irene von Hessen, stattfinden, und daraus erwächst auch dem kranken Kaiser ein Freuden tag. Der Kaiser ist nicht wicderhergestellt zu diesem Tage, aber er ist doch bei leidlichem Wohlbefinden, welches ihm voraussichtlich ge statten wird, der feierlichen Ceremonie beizuwohnen und dem jungen Paare seine Glückwünsche auszudrücken. Und mit den Wünschen des Kaisers und Vaters werden sich die des ganzen deutschen Volkes Vereinen, das mit Freude ans diesen Bund zweier Sprossen erlauchter deutscher Fürstenhäuser blickt, zweier Fürstenhäuser, welche beide un endlich viel zum Wohle des deutschen Vaterlandes gcthan haben. Die Theiluahme ist um so größer, als die Nation von dem jungen Prinzen, den, dcrciustigen Admiral der deutschen Kriegsflotte, noch Großes erwartet, als wir wissen, daß Prinz Heinrich der echte Sohn seines Vaters ist, der Lernen und Arbeiten über den Vorzug der Geburt stellt. Und dann, es ist eine echte, rechte Neignngsheirath, fern von allen Beeinflussungen der Politik, welche die beiden Fürsten- kinder verbindet. Die geplante Verbindung stieß zuerst auf Schwierig keiten wegen der nahen Verwandtschaft der beiden Liebenden; waren doch die verstorbene Mutter der Prinzessin, die heute noch hochver ehrte Großherzogin Alice von Hessen, und Kaiserin Victoria, die Mutter des Prinzen Heinrich, Schwestern. (Die Großhcrzvgin Alice erlag der Diphtheritis, als sie sorgend bemüht war, ihre von dieser schrecklichen Krankheit ergriffenen Kinder zu Pflegen.) Indessen alle Hindernisse wurden glücklich überwunden, und das fürstliche Paar wird nun zum Traualtäre schreiten, in ernsterer Zeit, als cs wohl erwartet. Um so tiefer wird aber auch die Theiluahme sein für das Brautpaar und für den Vater des Bräutigams, unseren thcnren Kaiser. Prinz Heinrich, von dem Kaiser mit Vorliebe „Heinz" ge nannt, ist ein Liebling seines Vaters, dem er in manchen Stücken gleicht; er ist sogar das direkte Abbild des ehemaligen „Prinzen Fritz" in Haltung, Gesichtszüge» und der Weise, sich zu geben. Pr-inz Heinrich besitzt auch das launige, humorvolle Temperament seines Vaters. Der Prinz steht heute im 26. Lebensjahre. Er erhielt seine Erziehung zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder, dem Kronprinzen Wilhelm, unter der Leitung des verdienstvollen Or. Hinzpeier. Nach dem Besuch des Gymnasiums von Kassel trat Prinz Heinrich zur Marine über, während Prinz Wilhelm zur Universität Bonn ging. Der Prinz, heute Kapitänlentnant, ist ein ganzer, tüchtiger Seemann geworden, seine Kameraden rühmen seine Entschlossenheit ebenso sehr, wie seine Ein sicht. Seine erste, zweijährige Reise um die Welt legte er an Bord der Korvette „Prinz Adalbert" zurück, und mannigfache Huldigungen wurden ihm auf der weiten Fuhrt von den Deutschen in überseeischen Ländern, als dem Enkel des deutschen Kaisers, dar gebracht. Während dieser großen Reise des Prinzen starb sein jüngerer Bruder Waldemar. Die damalige Kronprinzessin Victoria sehnte sich nach ihrem fernen Sohne und trug dem Kaiser ihre Bitte um Rückberufnng des Prinzen vor. Kaiser Wilhelm lehnte die Bitte in seinem eisernen Pflichtgefühl ää. Er wies die trauernde Biutter darauf hin, daß der Prinz nun einmal Seemann geworden und alle Pflichten des neuen Standes getreulich erfüllen müsse. Weitere Reisen folgte», auf allen gewann sich der junge Weltumsegler durch Freund lichkeit und gewissenhafte Pflichterfüllung die Zuneigung von Kame raden und Mannschaft. Der Prinz war sehr schnell gewachsen und infolgedessen etwas schwächlich; auf dem Meere hat er aber nach und nach einen feste» Körper nnd eine kernige Gesundheit gewonnen. Seine Verlobung mit der Prinzessin Irene fand am 90. Geburtstage Kaiser Wilhelms statt, der greise Monarch hatte seine innige Freude an dem jungen Paare. Im selben Jahre (1887) taufte die Prin zessin-Braut auch ein neues Schiff der deutschen Marine auf ihren Name», und der junge Bräutigam hatte znm ersten Male ein selbst ständiges Marinccommando. Er führte ein deutsches Tvrpedogeschwader in der Nordsee, das auch an der großen Parade der englische» Flotte aus Anlaß des Regierungsjubiläums der Königin Victoria Theil nahm und dessen Leistungen allgemeine Anerkennung fanden. Seit dem Kaiser Friedrich erkrankt, hat sein zweiter Sohn meist an der Seite des Vaters geweilt, am besten verstanden, ihn anfzuheitern und seinen Sinn von allen trüben Gedanken abzuziehen. So verweilte er geraume Zeit in San Remo. Seit der Rückkehr nach Berlin arbeitet der Prinz auch in der deutschen Admiralität. Mit seiner um vier Jahre jüngeren Braut verbindet den Prinzen, wie schon weiter oben gesagt, eine wahre Herzensneignng. In unseren un ruhigen Zeiten treten die deutschen Fürstentöchter so gut wie gar nicht hervor; nach hohem und edlem Vorbilde wirken sic im engeren Kreise nnd pflegen die erhabenen Werke der christlichen Nächstenliebe. So auch die Prinzessin Irene, und als künftige Prinzessin Heinrich von Preußen wird es ihr erst recht nicht an Gelegenheit fehlen» Gnies zu üben und Leid zu lindern, wo sie es findet. Herzliche Glückwünsche kommen zum Ehrentage des jungen Paares nach Char lottenburg ; mag ihm viel Glück in ernster Pflichterfüllung und treuer Liebe beschicken sein, die „stille" Hochzeit doch die Kündigen» eines langen und freudigen Lebens sein. Das ist unser Wunsch. Politische Rundschau. Chemnitz, den 23. Mai. Deutsches Reich. Aus Schloß Charlottenburg. Die Nacht zum Dienstag war ziemlich gut und wenig gestört. Der Kaiser ver ließ bereits gegen 8 Uhr das Bett und empfing um 9 Uhr die Aerzte zur Konsultation. Mehrfach trat er ans Fenster, von der auch an diesem Tage hinausgeströmten Menschenmenge jubelnd begrüßt. Gegen 10 Uhr begab sich der Kaiser nach dem Park, um 1(U/g Uhr erschien der Kronprinz zum Besuch und um II Uhr traf eine Deputation des uniformirte» Kriegervereins aus Berlin im Schlosse ein, um ein präch tiges Blumenkissen zu überreichen. Der Kaiser, der sich recht wohl befand, hörte dann noch mehrere Vorträge und empfing um 1 Uhr den Besuch der Erbprinzessin von Meiningen und des Prinzen Hein rich. Nach dem Mittagsmahle ruhte er wieder einige Zeit und em pfing dann mehrere Besuche. Später wurde bei dem prächtigen Wetter eine Spazierfahrt unternommen, bei welcher dem kaiserlichen Paare zahlreiche Ovationen zu Theil wurden. Das Befinden des Kaisers ist fortgesetzt ein recht befriedigendes, die Einstellung der Bulletins ist deshalb bald zu erwarten. Im Schlosse Charlotten bürg selbst herrscht in Vorbereitung der Vermählungsfeierlichkeit ein ziemlich reges Leben, wenn auch die Gemächer des Kaisers selbstverständ lich von jedem Lärm möglichst verschont bleiben. Die Extraloge in der Schloßkapelle, die, ganz nahe dem Ausgange gebaut, den Kaiser und die Kaiserin Angusta während der Trauung beherbergen und den beiden hohen Patienten es ermöglichen soll, erst im letzten Moment vor Beginn der Feier Eintritt zu nehmen und ohne jede Störung des Ceremoniells Zeugen des festlichen Moments zu sein, ist jetzt vollendet und mit Blumen und Teppichen reich geschmückt. — Zu den Berliner Hochzeitsseierlichkeiten sind schon eingetroffen resp. werden erwartet: Der Prinz von Wales, der Großfürst und die Großfürstin Sergius von Rußland, der Kronprinz von Griechen land und der König von Sachsen. Die Prinzessin-Braut trifft mit ihrem Vater und Geschwistern heute Mittwoch Abend 8»/z Uhr auf dem Bahnhöfe zu Charlottenburg ein und wird dort von der Kaiserin, dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, dem Prinzen Heinrich und den Prinzessinnen empfangen werden. Bei der Antunft werden auch die Gewerke Spalier bilden, während die Mannschaften des in Char lottenburg garnisonirenden Bataillons, welche nicht zur Ehrenwache kommandirt sind, direkt vor dem Schlosse Ausstellung nehmen. Am Donnerstag Mittag 12 Uhr findet in der Charlottenburger Schloß kapelle die Vermählung statt. Die Hoftrauer wird für beide Tage abgelegt. Der Hochzcitszug zur Kapelle wird von den Hofchargen eröffnet, denen das Brautpaar folgt. Die Kaiserin Victoria wird geführt von ihrem Gemahl und dem Grvßhcrzog von Hesse», daran schließen sich sodann die übrigen Fürstlichkeiten. Die Trauung voll zieht der Oberhofprcdiger vr. Kögel. In dem Augenblick, in welchem die Ringe gewechselt werden, werden drei Mal zwölf Kanonenschüsse abgefeuert. Bei der Hochzeitstafel wird, nach dem Programm, Kaiser Friedrich sein Glas auf das Wohl des Brautpaares, weiches den Ehcenplatz an der Tafel hat, erheben. Noch an demselben Abend reist das junge Ehepaar nach dem Schlosse Erdmaimsdorf in Schlesien ab. Ob der Kaiser wirklich an Zug und Tafel theilnimmt, steht indessen noch dahin. — I», „Reichsanzciger" findet sich jetzt die zweite, vom Kron prinzen Wilhelm in „Vertretung des Königs" Unterzeichnete Ordre. Suzon's Ende. Bon Emil Peschkatt. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Aber Mathieu kan» nicht, und der Alte versuchte es, aufzustehen Uber er hatte sich kaum erhoben, als er auch schon wieder in den Stuhl zurücksank. „Mathieu, Mathieul" Nun erschien Gilberte und suchte ihn zu beruhigen. Er hörte sie nicht und schien zu phantasiren. „Mathieul" schrie er dann wieder auf, und endlich versuchte er es noch einmal, seinen Platz zu verlassen. Aber es gelang ihm auch diesmal nicht. „Mathieu, was thust Du — was willst Du — komm zurück, Mathieul« Gilberte hatte die Vorhänge geöffnet und nun fiel sein Blick auf das Bild Suzon's, das an dem Schreibtische stand. „Gilberte — das Bild — gieb mir das Bild." Und als er «S in den Händen hatte, zerbrach er es, warf die Stücke zu Boden und trat mit den Füßen darauf. Dann sank er ermattet zurück und schloß die Augen. 9. Athemlos, mit den Zeichen der heftigsten Aufregung trat Mathieu zehn Minuten später in das Amtszimmer des Polizei präfekten. Herr Favarolles schien in ungewöhnlich guter Laune zu sein, da- Lächeln von seinen Lippen wollte nicht verschwinden, auch als Mathieu ihm mit zitternder Stimme entgegenrief: „Desaris ist der Mörder!" „Sachte, sachte, mein lieber Herr!" entgegnete er und deutete auf einen Stuhl. „Ich will Ihnen nur sogleich mittheilen, daß die Sache bereits vollständig klargestellt ist. Haben Sie vielleicht auch vergiftete Konfitüren bei ihm entdeckt?" „Ich verstehe Sie nicht," erwiderte Mathieu unwillig. „Ach so — Sie kennen die Geschichte noch nicht — eine kost bare Geschichte. Herr Legat ist mit seinem System einmal gründlich abgeblitzt, ganz gründlich — und wenn ich an die Küffe dieses Dromedars denke — dieser Goton — hahaha. Aber Sie müssen ja Goton kennen — die Magd von Herrn Crocheton." Mathieu rückte ungeduldig seinen Stuhl. „Ich kenne sie." „Das gäbe ein Bildchen für Lormagny. Herr Legat mit dicker Uhrkctte und dicken Ringe», wie er Goton die Ehe verspricht und auf vergiftete Konfitüren lauert. Hahaha! Aber Sie wollen ja wissen, wie es kam — hören Sie also. Herr Legat hielt Crocheton für den Mörder, de» Geizhals Crocheton. Um den Verbrecher zu entlarven, hat er die Magd Goto» bethört — Herr Legat als Don Juan mit dicker Uhrkctte und dicken Ringen, es ist auch zu köstlich! Also er hatte die Magd Goton bethört und durch diese erfahren, daß Herr Crocheton in seiner Schublade Konfitüren «»(bewahre. Eine dieser Konfitüren erwies sich als vergiftet, und nun schoß Herr Legat los. Stellen Sie sich das Alles nur recht vor. Die Hausunter suchung, die Verhaftung! Herr Crocheton halb todt — Frau Crocheton in Verzweiflung auf den Knien liegend und Herrn Legat anbctend. Und dann das Weitere. Man untersucht die Schublade des Sekretärs, und was findet man? Konfitüren — allerdings Konfitüren. Und daneben Malagatraubcn, Knackmandeln, Bonbons, mexikanische Nüsse — ein ganzes Lager von Näschereien. Und dann weiter ganze Stöße von Briefpapier mit den Firmrnköpfen der Hausbewohner, Couverts, Rechnungsformulare, Wechselblankctts, Prospekte und andere Druck sachen. Und dann ein ganzes Sortiment von Stahlfeder», Bleistifte», Visitenkarten, Bindfaden nnd so weiter. Das Räthsel löste sich leicht, denn Herr Crocheton gestand in seiner Todesangst sofort Alles. Er liebt es, in der Abwesenheit seiner Mieiher ihre Wohnung einer Visitation zu unterziehen. Und dabei konnte er eben nie der Ver suchung widerstehen und nahm immer und überall eine Kleinigkeit mit. Dieser Mensch, der fast eine Million reich ist, konnte kein Stück Bindfaden liegen sehen, ohne seiner Leidenschaft zu sröhncn — er mußte es mitnehmen. Dieser Mensch, der nie Leckereien aß, weil er immer an das Geld dachte, das sie kosteten, entwendete die Süßig keiten Mademoiselle Grevet und stapelte sie bei sich auf. Er aß, wie gesagt, nichts davon, die theure» Sachen thaten ihm leid, und das war sein Glück, denn es ist erwiesen, daß einige der Früchte Gift enthalten. Ist das nicht köstlich, unbezahlbar? Was für ein jämmer licher, schmutziger Geizhals, der nicht einmal die gestohlenen Bonbons ißt, weil sie doch auch Geld gekostet haben! Und dieser vortreffliche Herr Legat! Aber ich will ihm nicht Unrecht thun. Solche Leute sind immer verwendbar, wenn sie den Spuren einer höhere» In telligenz folge». Ich bin längst zu der Uebcrzcugung gekommen, daß Suzanne Grevet sich selbst das Leben nahm und Herr Legat hat nun dafür ein Beweisstück erbracht, das vollständig genügt, um die ganze Angelegenheit als erledigt betrachten zu können." „Das ist unmöglich," unterbrach ihn Mathieu, „Suzon und Selbstmord — unmöglich!" „Bitte — hören Sie mich an und dann urtheilen Sie. Man hat nachträglich den Ofen in dem Zimmer von Fräulein Grevet untersucht und in der vom letzten Winter zurückgebliebenen Asche Papierstückchcn entdeckt. Man bemühte sich, dieselben zusammeiizusetzen, und es gelang ziemlich gut. Wenn auch einzelne Buchstaben und Worte fehle», so ist der Inhalt doch verständlich. Es handelt sich um einen angefangenen Brief, den Fräulein Grevet in der Nacht, in welcher sie sich vergiftete, wahrscheinlich kurz vor ihrem Tode schrieb, und zwar an Herrn Desaris." „Ei» Brief — in dieser Nacht — an Desaris?" „Ja — ein Brief an Desaris. Sie muß indeß ihren Entschluß bald geändert haben, denn es handelt sich, wie gesagt, nur um den Anfang eines Briefes. Sie zerriß das Blatt dann und warf die Stücke in de» Ofen. Ich werde Ihnen vorlesen, was wir gefunden haben," Herr Favarolles öffnete eine Schublade und nahm daraus einen Karton, der mit kleinen Papierstückchcn beklebt war. Dann setzte er seinen Kneifer auf und las: „Lieber Desaris!" „Lieber Desaris — Herr Gerard. Das sagt übrigens gar nichts, denn diese Damen, ich meine diese Damen vom Theater, sind mit solchen Anreden sehr freigebig. Man schrieb mir auch oft genug: „Lieber Favarolles" und doch war alles ganz harmlos. Nur Gattinnen nehmen das stets ernster, als es gemeint ist. „Lieber Desaris" also und dann heißt es weiter: „Ich schreibe Ihnen in der Nacht — ich kann ja nicht schlafe» vor Aufregung. Morgen kommt Mathieu — was soll ich thun? Kommen Sie Morgen früh wenn möglich sofort nach Empfang dieser Zeilen — und lassen Sie uns darüber sprechen. Ich bin rathlos. Mein Herz will nicht und doch mahnt eine Stimme in mir — immer und immer — und ie mahnt so laut, daß ich keine Ruhe finde. Mein Lebe» floß bis her so still dahin und nun dieser Zwiespalt! Ich versuchte es z« lesen — dann summte ich mir ein Lied — aber warum schreibe ich Ihnen das Alles, Desaris — es ist die Sehnsucht nach einem Menschen — nach einer Entscheidung — ich weiß nicht mehr, Wa lch thun soll."
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