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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189902025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990202
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-02
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.02.1899
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27 Freiberger Anzeiger rind Tageblatt. Seite S. — 2. Februar. L8SS. außerordentlich scharfe» Auseinandersetzung über Zukunsts staatliches und ähnliche Dinge provozirte. Der Redner machte dabei gleich seinem Aeraer über den neuen Kurs in der Präsidial führung Luft, die den Reichstag noch zu einem Kaffeekränzchen machen werde, was zu einem hitzigen Zusammenstoß mit dem Präsidenten Graf Ballestrem führte. Aber Liebknecht erntete schließlich de» Ordnungsruf, der bei dieser Tonart nicht aus bleiben konnte. Eine dramatische Erregung hatte sich während dieses Vor ganges der Abgeordneten und der Tribünenbesucher, die auf solche Momente lauern wie die Kinder auf die Rosinen im Haus gebackenen Napfkuchen, bemächtigt. Und als der Kiautschou-Etat gegen die Stimmen der Sozialdemokraten genehmigt worden war, hatte kein Mensch mehr Lust, seine Gedanken von dem fernen Osten auf unsere geschützte Post zurückzulenken, die nun an die Reihe kommen sollte, unter die parlamentarische Lupe ge nommen zu werden. Kiautschou hat im deutschen Reichstage sehr gut abgeschnitten, aber an einem Fehler krankt es noch, dem nun ehestens ab geholfen werden sollte, namentlich da die Beseitigung desselben keinen Pfennig kostet. Es sollte endlich eine authentische Be zeichnung für diese interessante Gegend festgelegt werden. Der eine Minister nennt die Kolonie Kiautschu, der andere Kiautschau, und Herr Tirpitz heute gar Kiautschao! Mögen sich die maß gebenden Stellen über diese Frage leichter und schneller einigen, als s. Zt. über die neue Puttkaniersche Orthographie. Im Einzelnen wird noch berichtet: Staatssekretär von Tirpitz führt aus, für die Ver waltung von Kiautschou seien in erster Linie wirthschaftliche Ge sichtspunkte maßgebend gewesen. Kiautschou werde sich seinen Platz gegenüber den fertigen Niederlassungen wie Hongkong erst erringen müssen. Er möchte also die Aussichten für Kiautschou nicht zu günstig darstellen. Aber bedenke man, wie Hongkong angefangen, so brauche Kiautschou bis jetzt den Vergleich nicht zu scheuen. In wirthschaftlicher, militärischer und maritimer Hin sicht alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, dazu bedürfe es einer gewissen Zeit. Die Gewerbesreiheit in Kiautschou sei eine voll kommene, in steuerlicher Beziehung werde sehr vorsichtig vorge gangen. Bei der Landpolitik werde keineswegs zu fiskalisch ge handelt. In Bezug aus Äulturaufgaben seien gute Ansänge gemacht. Den Missionaren sei mit strengster Parität entgegen gekommen worden. Auch mit Schulen sei begonnen. Die sanitären Verhältnisse seien noch nicht gute, berechtigten aber, namentlich angesichts der Lage, zu guten Hoffnungen. Schon jetzt sei ein Einströmen, über Erwarten, von Handel und Industrie nach Kiautschou erfolgt, lieber die Vergebung der Eisenbahnkonzession nach dem Innern schweben Verhandlungen, die er nicht heute durch Mittheilungen stören wolle. Nach neuesten Mittheilungen haben sich in nächster Nähe mächtige Kohlenlager herausgestellt, von guter Qualität. Es werden mit den Kohlen bereits Heiz- verstiche auf den Schiffen gemacht. Ich kann danach wohl d,e bestimmte Hoffnung aussprcchen, daß daS in Kiautschou hinein gesteckte Geld sich wohl rentiren und allen Theilen Deutschlands direkt oder indirekt zu gute kommen wird. Aber man darf na türlich nickt Erfolge von heute aus morgen erwarten. Abg. Bebel erklärt, nicht recht zu wissen, worauf sich alle diese Hoffnungen stützen. Inwieweit sei denn die Provinz Schantung ein reiches Land? Wolle Tirpitz sich nicht darüber noch näher äußern ? Neben Militarismus und BureaukratismuS, die sich in Kiautschou breit machen, habe sich die bürgerliche Thätigkeit dort noch nicht bethätigen können. Kiautschou, daß mit 8*/, Millionen Mark im Etat stehe, werde als maritimer Stütz punkt bezeichnet. Solle es etwa zum Kriegshafen gemacht werden ? Zum Ausfallsthor für weitere Unternehmungen oder für den Fall von Verwicklungen dort zwischen oder mit anderen Staaten? Ja dann genügt gewiß diese eine Stelle nicht und wir stehen dort mit den Ausgaben erst am Anjange! Die jetzigen Opfer werden verschwindend sein gegenüber denen, wenn wir dort etwa „Weltpolitik" treiben. Staatssekretär von Tirpitz: Herr Bebel meint, unser und anderer Staaten Vorgehen dort könnte gejährlich sein für das alte Europa. Ich will ihm darauf nicht antworten, sondern nur sagen: wenn wir es nicht thun, so nahmen Andere das, was wir jetzt genommen haben. Man sieht ja, wie England wohlhabend geworden ist durch seine Kolonialpolitik, und zwar einschUeßlich der englischen Arbeiter. So hoffen wir, wird auch Kiautschou Deutschlands Wohlhabenheit fördern. Ob Kiautschou nur ein Stützpunkt wird oder ein Ausgangspunkt für eine, ich will mal den schrecklichen Ausdruck brauchen, Weltpolitik, daraus kann ich gar nicht antworten. Es handelt sich hier nur um ein augenblickliches Bedürsmß. Unsere Schisse hatten ja nicht einmal eine Stätte für Reparaturzwecke, einen Umlade- und Stapelplatz. Wir haben uns also einen Stützpunkt geschaffen, den wir noth wendig brauchten. Abg. Graf Oriola (natlib.) verwahrt die Negierung gegen den Vorwurf zu bureaukratischen Vorgehens in der Verwaltung von Kiautschou. Durch hämische Kritiken in der Presse werde nur das Ansehen Deutschlands im Auslande geschmälert. Jeden falls dürfe man von Kiautschou mit der Zeit eine Hebung unseres Exports erwarten. Redner äußert weiter seine Genngthuung über die Erklärungen des Staatssekretärs betreffs der wirty,chaft- lichen Aussichten Kiautschous. Abg. Bebel bestreitet in einer an den Vorredner gerichteten Entgegnung namentlich den Nutzen aus unserem ostasiatischen Vor gehen sür unsere Arbeiterwelt. Gerade agrarische Blätter hätten übrigens in China ein Reservoir erblickt, aus dem unsere ost elbische Landwirthschast ihrem Arbeitcrmangel abhelsen könnte. Herrn v. Tirpitz erwiderte er: Weltpolitik stecke doch dahinter. Staatssekretär v. Tirpitz ergänzt seine Darlegungen über die sanitären Verhältnisse dahin, datz im letzten Jahre von der Be satzung von Kiautschou nur fünf Mann an klimatischen Leiden gestorben seien, das sei nur sechs pro Mille. Auch die Hanse- städte hätten ihre Ansichten über unsere Kolonialpolitik geändert, seitdem sie, die srüher nur gleichsam Agenten des englischen Handels gewesen seien, gesehen hätten, daß Deutschland auch aktiv für seinen Handel eintreten könne. Abg. Richter stimmt insofern durchaus mit dem Staats sekretär überein, als derselbe hauptsächlich die wirthschastlichen Interessen betont habe. Wir wollen doch m der That die Chinesen nicht beherrschen, wir wollen nur Geld von ihnen. Daß Steuern in Kiautschou erhoben werden müssen, ist nur richtig. Es ist doch selbstverständlich, daß die 8^ Millionen, die wir jetzt ausgeben, doch möglichst bald durch Abgaben von den Eisen bahnen und Kohlen gedeckt werden müssen. Was die Verwaltung anlangt, so haben sich bisher in unserer Kolonialpolitik der Leutnant und der Assessor schlecht bewährt, in Kiautschou versucht man es daher jetzt mit dem Marineoffizier. Theoretisch läßt sich gegen die in der Denkschrift niedergelegtcn Grundsätze nichts em- wenden, Es fragt sich nur, ob sic auch praktisch sich als passend erweisen werden, und es heißt daher vorläufig: abwartcn! lind wir können nur hoffen, daß die Zuschüsse, die uns einstweilen zugemuthet werden, sich nicht gar zu sehr steigern. Abg. Graf Arnim (freikons.) freut sich, daß die Leisetreterei und die Angst vor Nasenstübern vorbei sei, sowie daß Richter sich der Kolonialpolitik genähert habe. Redner wendet sich dann gegen Bebel. Er selbst begrüße freudig den Grundsatz, den wir an der Seite Englands proklamirt haben: daS Programm der offnen Thür! Abg. Frese (freis. Ver.) führt aus, der Hansa-Handel und speziell auch der seiner Vaterstadt Bremen habe sich doch schon viel früher, als der Staatssekretär meine, von der Agenturschaft für England freigemacht. Gleichwohl müsse er der Regierung dafür danken, daß sie durch Ausbau unserer Flotte für einen weiteren Schutz unseres Handels gesorgt habe. Richter habe darin recht, daß Japan für uns noch wichtiger sei als China. Jedenfalls sei es für uns nöthig, dort einen Stützpunkt zu haben, und dazu sei Kiautschou durchaus geeignet. Abweichend von Richter halte er es aber für außerordentlich wünschenswerth und wichtig, daß das Kapital schon jetzt sich in Kiautschou bethätige. Aufrichtig freue er sich darüber, daß Graf Arnim die Bedeutung von Handel und Industrie für Deutschland im kommendeu Jahr hundert so prophetisch betont habe. Gras Arnim möge nun aber auch die Konsequenzen ziehen und mit uns die Handelsverträge be willigen! (Beifall links.) Abg. vr. Oertel (kons.): Ich kann Herrn Frese versichern, daß wir bei dem Abschluß neuer Handelsverträge berücksichtigen werden, daß die gesammte wirthschaftliche Lage Deutscklands sich gedeihlich entwickelt. (Beisall.) Meine Partei ist mit der Er werbung Kiautschous als maritimen und wirthschastlichen Stütz punkts einverstanden. Doch verschließen sich meine — ich darf wohl sagen argrarischen — Freunde gewissen Bedenken nicht. Wir hegen die Befürchtung, daß Kiautschou vielleicht ein Kon kurrenzland für unsere Industrie werden könnte, so wie Argen tinien em Konkurrenzland sür unsere Landwirthschast geworden ist. Wenn unsere Industrie in Folge des vermehrten Exportes noch mehr Leute heranzieht, wird die Leutenoth der Landwirth- schaft noch immer größer werden, zumal Rußland den Gedanken hegen soll, ein Auswanderungsverbot für seine Arbeiter zu er lassen. DaS wäre der Ruin sür unsere Landwirthschast, wenn nicht andere ausländische Kräfte herangezogen werden können. Die Gejahr der Kulieinwanderung liegt allerdings nicht vor, die Kulis eignen sich nicht für unser Klima, aus diesem Grunde können wir also nicht Kiautschou bekämpfen. Wir sind mit der Boden- vertheilung, wie sie jetzt vorgenommen wird, einverstanden. Auch wir wünschen die Bethe.ligung des Privatkapitals, hoffen aber, daß die Allgemeinheit auch an dem Gewinn theilnehme. Bedenk lich ist es, daß die Wasserverhältnisse in Kiautschou schlecht sind. In Bezug auf das Opium meine ich, daß wir es vorläufig zu- lossen müssen, wir müssen jedoch danach streben, den Gebrauch allmählich ganz einzuschränken. Staatssekretär Tirpitz: Der Vorredner hat bedauert, daß die Wasserverhältnisse in Kiautschou schlecht seien. Dies scheint jedoch nach den neueren Mittheilungen nicht so sehr der Fall zu sein. In unmittelbarer Nähe von Tsintau ist gutes Wasser ge bohrt worden, das jedoch leider etwas kochsalzhaltig war. Das Wasser jedoch, daS aus den Höhenzügen gewonnen wurde, war recht gut. Es kann sich bei der Wassersrage also nur um Wasser leitungen und Sammelbassins handeln. Das Opium können wir nicht ganz verbieten, weil es sonst eingeschmuggelt würde, und zwar nicht nur von der Seefeste ans, sondern vom Landinnern her. Anch stünde bei dem gänzlichen Verbot zu befürchten, daß sich jenseits unserer Grenze zahlreiche Opiumschcnken etabliren würden. Abg. Liebknecht (soz.) weist Aenßerungen zurück, welche Graf Oriola gegen die koionialgegnensche Presse gerichtet hatte, als ob diese das Ansehen Deutschlands im Auslande schädige durch hämische Kritik. Unsere Presse ist ja ohnehin 'chon so ziemlich geknebelt, fast so wie die russische. Und selbst im Reichs tag sollen wir nur noch so reden dürfen, daß wir beinahe schon in den Ruf eines gcmüthlichen Kaffeekränzchens gekommen sind. (Heiterkeit.) Brauchen wir Ausdrücke wie Schreckgespenst, schreitet das Präsidium ein, und wenn wir über gewisse Reden sprechen wollen, müssen mir befürcht n, daß wir von dort aus (rum Prändialtischc zeigend) daran gehindert werden. Präsident Graf Ballestrem: Ich muß aber den Redner ausfordern, nicht die Geschäftsführung des Präsidiums zu kritisiren. Abg. Liebknecht: Nun, Sie sehen ja, durch das, was der Herr Präsident eben sagte, wird ja nur bestätigt, was ich eben nusgesührt habe. (Links: Sehr richtig.) Präsident Gras Ballestrem: Ich bitte den Redner von Kiautschou zu sprechen. Kiautschou steht aus der Tagesordnung. Hierauf entspinnt sich eine Reihe von Ansem- anderjetzungen zwischen Liebknecht und Graf Arnim über den sozialdemokratischen „Zuknnstsstaat". Als Liebknecht schließlich bemerkt, sehr ehrenhaft wäre es vom Grasen Arnim nicht, aus dem Zusammenhang gerissene Aeußerungen von ihm aus der „Kosmopolis" hier wiederzugeben, ruft der Präsident den Redner zur Ordnung. Damit endet die Debatte und der Etat für Kiautschou wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bewilligt. — Mittwoch: Initiativanträge, und zwar betreffend Jesuitengesetz, dritte Lesung; desgl. betr. Seidenzoll; Antrag Rickert, betr. Schutz des Wahl geheimnisses, und ander«. Politische Umschau. Freiberg, den 1. Februar. Die Prinzessin Heinrich wird, wie schon gemeldet, ihre Rückreise von Shanghai aus nach Deutschland im April antreten. Der beabsichtigte Besuch Japans ist seitens des Prinzen und der Prinzessin Heinrich aufgegeben, da nach einer Meldung des „Ostas. Lloyd" die japanische Regierung auf eine vocläufige An frage hat durchblicken lassen, daß sie nicht im Stande sei, für die persönliche Sicherheit des Prinzen zu bürgen. Aus Wanzleben wird der „Nat.-Ztg." Folgendes berichtet: Es gehört zu den Gepflogenheiten unseres Landraths von Kotze, alljährlich beim Kaiseressen in seinen Kaisertoast persönliche Erinnerungen und Erlebnisse aus dem verflossenen Jahre zu verflechten. So geschah es auch diesmal: Herr von Kotze be merkte, daß nach seinen Informationen die Ausweisungspolitik des Herrn von Köller, die straffe Haltung der Regierung gegen über den Anmaßungen des Polenthnms und die bisherige Nicht- bcstätigung des Berliner Oberbürgermeisters auf die eigenste Initiative des Kaisers zurückznführen sei. In letzterer Sache sei es überhaupt wahrscheinlich, daß der neue Oberbürgermeister der Reichshauptstadt nicht bestätigt werden würde, da die be kannten Beschlüsse der freisinnigen Stadtvertretung über die Ehrung der Märzgefallenen den Kaiser sehr verstimmt hätten und diese den Hauptgrund sür die verzögerte Bestätigung bildeten. — Ter endlich bcigelegte Fall Kotze habe solgendermaßen sein Ende gefunden. Der Kaiser war schließlich von der Schuldlosig keit des Herrn von Kotze (eines Vetters des Landraths) über ¬ zeugt, hatte wohl auch eingesehen, daß er mit der damaligen Ver haftung zu schnell vorgegangen war, und sich nun vorgenommen, den Gekränkten zu rehabilltiren. Die Orientreise verzögerte dieses. Die Absicht, Herrn von Kotze zunächst wieder bei Hose einzuladen, ließ der Monarch fallen, vielmehr befahl er denselben zur Audienz. Herr von Kotze mußte am Schreibtisch unseres Kaisers Platz nehmen und letzterer setzte sich ihm gegenüber (be merkt sei hierzu, daß der Kaiser sonst stehend empfängt und so die betr. Angelegenheiten erledigt). Der Kaiser ließ sich sodann mit Herrn von Kotze in ein längeres Gespräch ein und sagte schließlich: „Sehen Sie, wenn wir uns damals schon so gegen über gesessen hätten wie jetzt, dann wäre das alles nicht vor gekommen!" Als der Kaiser sich am 24. Januar zur Parade nach Hannover begab, die bekanntlich dem 10. Armeecorps so viel Ehrung brachte, bemerkte ein Herr in seiner Begleitung, der Oberstallmeister von Wedell, im Hofzuge in seinem Abtheil eine Uniform des Königs-Ulanen-Regiments (Hannover), das be kanntlich aus dem frühem hannoverschen Garde du Corps-Regiment hervorgegangen ist. Herr von Wedell hatte vor 1866 bei jenem Regiment als Premier-Leutnant gestanden, war dann abgegangen, Oberstallmeister in Weimar gewesen und schließlich nach Berlin in derselben Eigenschaft gekommen. Herr von Wedell sprach seine Verwunderung über die Uniform zu seiner Umgebung aus, die ihm dann bedeutete, er möge doch Majestät danach fragen. Und was erwiderte der Kaiser: „Ziehen Sie die Uniform nur an und melden Sie sich bei mir!" Da dieselbe mit dem Majors zeichen versehen war, hatte der ehemalige Premier ein schnelles Avancement gemacht. Die Uniform hätte der Kaiser heimlich bei dem Schneider des Oberstallmeisters anfertigen lassen und so eine wahrhaft gelungene Ueberraschung bereitet. Bei den Hof bällen liebt es der Kaiser sehr, den Tanzenden zuzuschauen, und es ist schon Vorgekvmmen, daß er Offiziere, die das Tanzbein schlecht schwangen, zu sich rief und ihnen sagte, sie möchten erst ordentlich tanzen lernen, bevor sie sich wieder eiuladen ließen; desgleichen verfährt er mit jungen Damen. — Soweit aus dem Erinnerungsschatze unseres Landraths. Uns fällt jedoch noch eine kleine Geschichte vom Kaiser ein, die wenig bekannt sein dürfte und die wir darum hier erwähnen möchten. Unter den Jagd gästen deS Herrn Amtsraths v. Dietze-Barby befindet sich häufig der Rechtsanwalt Hagemann aus Leipzig, der wegen seines Witzes allgemein beliebt ist. Als der Kaiser im Jahre 1896 Jagdgast dort war, wurde abends Skat gespielt, und Rechtsanwalt H. „saß so im Pech", daß er etwa 20 Mark verlor. Dieses Defizit veranlaßte ihn zu der Aeußerung: „Hier ist man ja wahrhaftig unter die Räuber gerathen!" Alles lachte über diesen Redeaus- sall, und der Kaiser nicht minder. Als er nun 1897 wieder bei Herrn v. Dietze weilte und Herrn H. bemerkte, ging er auf ihn zu, überreichte ihm ein in Brillanten gefaßtes 20-Markstück in Form einer Busennadel und sprach dabei die Worte: „Von den Räubern zurück!" Der Herzog von Sachsen-Altenburg hat sich am Sonntag der Operation eines linksseitigen grauen Staars unter zogen, die durch den Medizinalrach vr. Pause unter Assistenz des Leibarztes Geh. Medizinalarzt vr. Frommelt vollzogen wurde und gut verlaufen ist. Oberpräsident Graf Wilhelm BiSmarck wurde am 30. Jan. auf dem Königsberger Amtsgericht in dem bekannten Civil- prozeß des Oberförsters Lange als Zeuge vernommen. ES handelt sich, wie erinnerlich, um höhere Pcnsionsansprüche, die Lange geltend machte. Gras Bismarck leistete jedoch den ihm zugcschobenen Eid. Die Klage des Oberförsters Lange wurde darauf kostenpflichtig zurückgewiesen. — Damit ist die leidige Angelegenheit, die wohl am besten aus anderem Wege erledigt worden wäre, nunmehr hoffentlich zu Ende. Die Verstimmung im Braunschweiger Lande über die preußische Eisenbahnverwaltung charakterisirt ein Bericht der Finanzkommission des Landtags, in dem es heißt: „Es ist schwer zu beklagen, daß die preußische Eisenbahnvermaltung sich den Verkehrsverhältnissen unseres Landes gegenüber von so engherzigem Standpunkte leiten läßt; wir haben aus Bahnen, deren Bau vertragsmäßig von dem preußischen Staate beim Ankauf unserer Eisenbahn zu gesagt war, lange Zeit warten und bitten und schwere Opser an Beihilfe bewilligen müssen. Dagegen hat unser Land in dem bezüglich des Uebergangs der braunschweigischen Eisenbahn auf den preußischen Staat im Jahre 1884 abgeschlossenen Vertrage für Vie durch Ankauf übernommenen Bahnen nahezu vollständige und für die später gebauten Bahnen vollständige Steuerfreiheit dem preußischen Staate zusichern müssen. Jedes braunschweigische Gemüth muß es darum auch bitter berühren, wahrzunehmen, daß unserem befreundeten Lande gegenüber die preußische Eisenbahn- Verwaltung einen Standpunkt einnimmt, wie er in solch fiskalischer Weise un eigenen Lande wohl kaum angenommen werden darf. Es ist nach vielen Erfahrungen kaum mehr möglich, daß sich das Privatkapital sür Bahnbautcn in unserem Lande noch erwärmen kann. Denn wirklich eine Renre versprechende durchgehende Bahn- banten übernimmt der preußische Staat selbst, jedoch auch nur unter Zusicherung der denkbar höchsten Zuschüsse, während er Bahnbauten untergeordneter Bedeutung den Privatunternehmern überläßt, dann aber noch engherzig darauf bedacht ist, durch etwaige Festlegung der Tarife, Höhe der Ueberführungsgebübren, Erschwerung deS Anschlusses an die StaatSbahnen u. s. w. Sorge zu tragen, daß den eigenen Bahnen keine die Einnahmen ver mindernde Konkurrenz erwachsen kann. Dem braunschweigischen Lande stehen keine Mittel zur Seite, diesem den Verkehr in unserem Lande schwer schädigenden fiskalischen Standpunkt der preußischen Eisenbahnver waltung entgegenzutreten; wir müssen uns daran genügen lassen, der wegen dieser leidigen Thatsache im Herzogthum all gemeinherrschenden, durchaus gerechtfertigten Mißstimmung un umwunden Ausdruck zu geben." — Die „Deutsche Tageszeitung" bemerkt dazu: „Wir haben von dieser Kundgebung Notiz ge nommen, weil auch uns ähnliche Klagen über Engherzigkeit und Partikularismus der preußischen Eisenbahnvermaltung, und zwar nicht nur aus Braunschweig, zugegangen sind." Auch wir in Sachsen wissen ein Lied hiervon zu singen! In Bezug auf Aenderungen in den Uniform abzeichen sind mancherlei Gerüchte im Umlauf, die sich auf Erwägungen zurücksühren lassen, welche der „Straßburger Post" zufolge an maßgebender Stelle gepflogen werden. Die Rang abzeichen auf den Mänteln bezw. Paletots der Offiziere bilden schon seit längerer Zeit einen Gegenstand der Erörterung; man ist sich aber nicht schlüssig darüber, ob man sie mit Gradsternen und Tressen nach österreichischer Art oder etwa mit Achselklappen nach russischer Art wählen soll, da man unsere Achselstücke, namentlich die der Generale und Stabsoffiziere, nicht gut aus dem Mantel anbringen kann. Auch spricht man davon, daß die Epaulettes, die Kaiser Friedrich bald nach seinem Regierungs antritte nur noch sür die Hossestlichlciten bcibchaltcn, für den Dienst im Heere aber abgeschafft hatte, ganz beseitigt werden
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