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Sächsischer Landes-Anzeiger : 22.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188803224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880322
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880322
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-03
- Tag 1888-03-22
-
Monat
1888-03
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 22.03.1888
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. , ... - .. . ... . - -r-i--.^- — E - ch fi sch e r L a « d es - A»1 e i g er. Nr. L8. Donnerstag, 22. März 1888. Sparkassen eine ähnliche Einrichtung zu empfehlen, und eS kann nur im Interesse der Sparkassen selbst liegen, daß sie sich dazu verstehen, ihre gesammten Einrichtungen einer solchen, durch einen technisch ge bildeten und von den einzelnen Kassen ganz unabhängigen Berbands- beamten vvrgenommenen Revision zu unterwerfen. — Der Reichstagsschluß erfolgte nunmehr, nachdem das traurige Ereigniß vom 9. März denselben um fast zwei Wochen hinansge- schoben hat. Eine sehr kurze Session war cS, aber sie kann sich der ereignißreichsten ruhig an die Seite stellen. Zum ersten Male fand ein Thronwechsel im Reiche statt, es mußte sich zeigen, ob dieNeichs- iustitutionen und die Verwaltung dadurch in keincr Weise berührt wurden, vielmehr ruhig weiter fungirten. Und diese Probe ist glänzend bestanden. Kein Rädchen im komplizirtcn Mechanismus des Reiches hat versagt, nicht einen Augenblick ist eine Stockung eingetrete», trotz der tiefen Trauer haben alle Nei'chsämter ununter brochen ihres Amtes gewaltet. Das war die letzte Feuerprobe ans die Festigkeit des Reiches, und fortan haben wir deshalb nichts mehr zu besorge», Kaiser Wilhelms Werk wird im bisherigen Glanze un- gemindert bestehen bleiben. Kaiser Friedrichs Proklamation an den Reichstag ist ein Stern in der Trauernacht, das kernige Schriftstück Wird die gleiche Billigung finden, wie die Proklamation „An mein Volk". Damit ist der Ring zwischen Kaiser und Volk festgeschlossen And er wird in der Zukunft sich bewähren. Kaiser Friedrichs Cha rakter spricht dafür, daß auch in den kommenden Tagen die innere Reichsgesetzgebung eine bedeutende sein wird, und sie wird zusammen mit dem Fürsten Bismarck, nicht wider denselben zur Ansführung gelangen. Auch dem neuen Kaiser wird der Kanzler der treue Bc- rather bleiben, der er dem Kaiser Wilhelm gewesen. Es ist wahr scheinlich, daß Kaiser Friedrich einzelne Fragen mit größerem Nach druck behandeln wird, als sie bisher behandelt sind, aber das macht nichts aus. Für unfehlbar hat sich der Reichskanzler nie erklärt, und hat der Reichstag an von ihm vorgcbrachten Gesetzen wirkliche Verbesserungen vorgenommen, so hat Fürst Bismarck sie stets acceptirt. Wie kann man unter solchen Umständen nur an nehmen, es könnten zwischen dem Kaiser Friedrich und dem Reichskanzler wegen einiger geringerer Ansichts-Verschiedenheiten ernste Differenzen entstehen, immer noch vorausgesetzt, daß solche Verschiedenheiten vorhanden sind. Wenn Kaiser Friedrich die Frage einer Reform des Beamtenwesens aufgeworfen, so wird er darin sicher die volle Unterstützung des Reichskanzlers finden, denn Fürst Bismarck hat auch schon manchen Strauß aus diesem Gebiete zu bestehen gehabt und in seinem eigensten Ressort, dem Auswärtigen Amt, längst die Einfachheit durchgeseht, welche Kaiser Friedrich wünscht. Darum glauben wir zuversichtlich, der Reichstag wird in seiner nächsten Session nicht weniger, sondern sogar mehr Arbeit als bisher finden. Zu arbeiten gicbt es noch viel am inneren Ausbau des Reiches, und dieser Ausbau ist durch die großen Prinzipicn- streitigkeiten der letzten Jahre doch etwas ins Stocken gekommen. Die auswärtige Politik findet Kaiser Friedrich und seinen Kanzler in unbedingter und vollster Uebereinstimmung, hier wird auch nicht die leiseste Aenderung eintreten. — Preußisches Abgeordnetenhaus. Dienstagssitzung. Die von Mitgliedern aller Parteien beantragte Anwort-Adresse auf die Aller höchste Botschaft, welche sich zur letzteren zustimmcnd erklärt, wird «instimmig und ohne jede Debatte angenommen. Das Präsidium wird dieselbe übermitteln. Dann solgte die dritte Berathung des Staatshaushalts für 1888/89, der unverändert angenommen wurde. Die Debatte war sehr ruhig. Abg. Windthorst empsahl strenge Spar samkeit, aus welche auch im Allerhöchsten Erlaß Hingelviesen sei. Ans eine Anfrage des Abg. Nickert erklärte Finanzminister von Scholz, die Regierung erkenne die Nothwendigkeit an, den Vvlksschnllehrern die Willwen- nnd Waisenkasscnbeiträge ebenfalls zu erlassen, und be schäftige sich bereits mit dieser Frage. Bei der großen Schwierigkeit derselben könne aber noch nicht gesagt werden, wann eine Vorlage an's Haus kommen werde. Abg. von Ehnern (natlib.) befürwortet Bewilligung der in zweiter Lesung gestrichenen 6000 Mark zur Aus bildung altkatholischcr Theologen. Für den Antrag tritt Minister v. Gvßler ein. Dagegen sprechen von Schorlemer-Alst (Centrum), Richter (sreis.), Cramer (kons.) Der Antrag auf Bewilligung der 6000 M. wird mit 184 gegen 97 Stimmen abgclchnt. Mittwoch wird die Etatsberathung fortgesetzt. — Das preußische Abgeordnetenhaus wird heute Mittwoch wahrscheinlich die letzte Sitzung vor Ostern abhaltcn. Die Osterferien werden bis zum 10. April dauern. — Auch das preußische Herrenhaus beschloß am gestrigen Tage eine den Adresse» des Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses entsprechende Huldigung«- und Thciluahme-Adresse an Kaiser Friedrich. Im ferneren Verlauf der Sitzung wurden die Kreis- und Prvvinzialordnung für Schleswig-Holstein und mehrere kleinere Vorlagen angenommen. Mittwoch wird auch der Antrag betr. die Verlängerung der Legis laturperioden berathcn werden. — Die ostafrikanische Plantagcngesellschaft hat die Station Petershöhe für sich erworben. Schweiz. Der „Köln. Ztg." wird in Sachen des bekannten, beleidigenden Baseler Fastnachtsgedichtes berichtet, die deutsche Regier ung habe keine offizielle» Schritte zur Herbeiführung einer Untersuchung gcthan, weil der Schweizer Bundcsrath sofort freiwillig eine ent sprechende Anordnung getroffen. Daraus kam eS ja auch vor ollen Dingen an. Italien. Wie aus Rom telegraphirt wird, ertheilte die Depu- tirtenkammer dem Minister Crispi bei Berathung des Auswärtigen Amtes ein volles Vertrauensvotum. Frankreich. Während Boulangcrs Freunde den französischen Wählern den General als Messias der Republik empfehlen, der alle Schäden heilen werde, bekämpfen ihn die gemäßigten Republikaner auf's Heftigste. E n Aufruf gegen Boulangcr's erneute Kandidatur sagt, wenn sich die Wählerschaft für diesen ungehorsamen General ausspreche, gebe sie ihm das Recht, die Diktatur an sich zu reiße» auf Koste» der Freiheit Frankreichs. Das Hineindrüngcn der Offiziere in die Politik wird sehr scharf bekämpft und darauf hingcwiescn, daß noch niemals etwas Vortheilhaftes für Frankreich daraus ent standen sei. Die Sache wird in der Kammer zur Sprache kommen. Auch Clcmenceau erklärt sich jetzt mit seinem radikalen Anhang gegen Boulanger, und damit hat Boulanger fast alle parlamentarische Unter stützung verloren. Die Regierung hat am Dienstag nun doch be schlossen, Boulanger vor ein Militärgericht zu stellen, damit er wegen fortgesetzten Ungehorsams aus der Armee ausgeschlossen wird. Uebri- gcns erscheinen nun auch die Tage des Ministeriums Tirard gezählt. England. De» Londoner „Daily News" wird aus Konstan tinopel berichtet: Zwischen England und der Türkei schweben Unter handlungen wegen Abschlusses einer Uebereinkunft, der zufolge Eng land sich verpflichtet, vor dem 1. April 1889 Aegypten zu räumen, während die Pforte einwilligt, daß britische Kriegsschiffe die Darda nellen ohne besondere Erlaubniß passiren können. Diese Nachricht klingt mehr als unwahrscheinlich. Denn wenn die Türkei England eine solche Ausnahmestellung zugcsteht, werden alle Mächte dasselbe ordern. — Im englischen Oberhausc wurde ein Antrag Lord Rose- berry's auf Reform des Oberhauses abgelehnt. — Der Londoner „Standard" meldet aus Shanghai, daß bei -dem jüngst in Auman stattgchabtcn Erdbeben die große» Städte Shihping und Kienschai zerstört worden sind. Die Zahl der getödtcten Mensche» wird ans 4000 geschätzt. — Königin Victoria reist heute Mittwoch nach Flo renz und empfängt vor ihrer Abreise noch den außerordentlichen deutschen Botschafter,welcher die Thronbesteigung Kaiser Friedrichs anzeigt. Rußland. Dem Polizcimeister in Riga, welcher die Anlegung offener Trauer aus Anlaß des Hinschcidens Kaiser Wilhelms verbot, ist von Petersburg ein Verweis ertheilt worden. — Die Kaiserin von Rußland erklärte kürzlich eincr Vertranten über ihren letzten Be such in Berlin Folgendes: „In Berlin war wieder Alles recht freund lich, die Aufnahme liebenswürdig und das Gefühl der Sicherheit wohlthuend. Aber Eins ist mir vor Allem unvergeßlich geblieben: das ist die Stunde, welche meine Kleinsten ans Wunsch des Kaisers Wilhelm bei demselben zubrachten. Den treuen Augen des alten Herrn, aus denen die wahre Freude an dem Anblick der Kinder her vorleuchtete, gelang cs, die sonst etwas schüchternen Kleinen so zu gewinnen, daß sie sich nicht nur gern auf den Schoß nehmen ließe», sondern sofort Vertrauen hatten und auf das Harmloseste mit dem Kaiser plauderten, alle ihre französischen und deutschen Brocken be reitwilligst zum Beste» gebend. Ter Kaiser corrigirte munter scher zend alle Sprachfehler, ermahnte sie lächelnd, im Deutschen gute Fortschritte zu machen, und wußte sie längere Zeit auf das Lebhafteste zu amüsiren." Der Kaiserin kamen bei der Erinnerung die Thräne» in die Augen. Deutscher Reichstag. —IIN. Berlin, den 20. März. Am Bundesrathstische: von Bötticher. Das Haus ist gut besetzt Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Berathung der au Se. Majestät den Kaiser zu richtenden Adresse. Der vom Präsidenten von Wcdell-Piesdorf verlesene Adreßentwnrf lautet folgendermaßen: „Allerdurchlauchtigster, großmächtigstcr Kaiser und König, Allergnä digster Kaiser, König und Herr! In tiefster Ehrfnrcht hat der deutsche Reichstag Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät Botschaft ver nommen. Wir sind erfüllt von Dankbarkeit, daß Euere Majestät nach dem Heimgange Seiner Majestät, unseres in Gott ruhenden Kaisers, die mit der deutschen Kaiserwürde verbundenen Rechte und Pflichten, alle Hindernisse überwindend, sofort übernommen haben, mit dem Ent schlusse, die Reichsvcrfassung unverbrüchlich zu beachten und aufrecht zu erhalten und demgemäß die verfassungsmäßige» Rechte der einzelnen Bundesstaaten und des Reichstages gewissenhaft z» achten und zu wahren. Mit Eurer Majestät und dem Kaiserliche» Hanse trauert ganz Deutschland in bitterem Schmerz um den große» Herrscher, dem Deutschland seine Wiedervereinigung dankt, dessen Leben gewidmet war der Stärkung der für Deutschland gewonnenen Machtstellung als Leute werden zur Kirche gehen, und wie sonst wird sein Name in aller Herzen und auf aller Lippen sein . . . Aber nicht in froher Festesfreude, sondern in Trauer und bangem Schmerze. Denn der Held, dem sonst aller Jubel galt, schläft und wacht nimmer dem Frühling entgegen, mit dem er einst in ein ruhmvolles, segensreiches Leben eingczogen war.... Und an einem wcißbeschneiten Hügel wird eine trauernde Mutter Weinen und des glückseligen Stimmchens gedenken, mit dem ihr Knabe ihr immer wieder erzählt, „der Kaiser hätte ihm zugenickt". Und wieder, wie sonst, wird sie sich in den Gedanken vertiefen, wie «inst ihr Knabe der Nation hätte danken sollen, was ihr greiser Herrscher ihr errungen, und wieder, wie in der schrecklichen Trennungs stunde, wird sie flüstern: „Grüße mir meinen Kaiser Wilhelm!" Die letzten Gespräche des Kaisers. Dieselben wurden, wie schon erwähnt, ausgezeichnet. Nachdem sich der Kaiser von der schweren Ohnmacht erholt hatte, unterhielt er sich meist mit dem Prinzen Wilhelm, anscheinend an Gespräche anknüpfend, die er mit diesem über die politische Lage und die Heereseinrichtungen Deutschlands während der letzten Tage vorher gehabt hatte. Es war eine Art politischen Vermächtnisses an seinen Enkelsohn, das, halb im Delirium gegeben, bewies, wie ihn noch im Sterben das Wohl des Reiches beschäftigte. Er erwähnte, daß man in Frankreich nachgeahmt hätte, was er für das deutsche Heer geschaffen habe. Dann verbreitete sich der Kaiser über das Verhältniß zwischen Deutschland und Rußland und betonte, wie er davon überzeugt sei, daß es zu einem Kriege mit Rußland nicht kommen würde. „Wenn ihm aber der Krieg von Rußland aufgedrängt würde, werde er sich treu an der Seite seines Bundesgenossen, des Kaisers von Oester reich, schlagen." Die Großherzogin von Baden richtete darauf die Bitte an den Kaiser, sich durch zu vieles Sprechen nicht zu ermüden. Der Kaiser antwortete hierauf: „Ich habe nicht mehr Zeit, müde zu sein." Noch einmal richtete der Kaiser an den Prinzen Wilhelm das Wort und sagte unter Anderem: „Den Kaiser von Rußland mußt Du nur recht rücksichtsvoll behandeln; das wird recht gut für uns sein." Später legte der Kaiser dem Fürsten Bismarck die Hand auf die Schulter und sagte noch: „Das hast Du gut gemacht." Nach 2 Uhr stellten sich zu wiederholten Malen Phantasien ei» und der Kranke rief mit erlöschender Stimme mehrere Male: „Fritz, lieber Fritz!" -t- Als der Obcrhofprediger Kögel dem Sterbenden den Spruch vorbetete: „Herr, nun löstest Du Deinen Diener in Frieden fahren, wie Du gesagst hast, denn meine Augen haben Deinen Heiland ge- gesehen", fragte die Frau Grvßherzogin von Baden ihren Vater, ob er es verstanden habe. Er bejahte es, -indem er die letzten Worte vernehmlich wiederholte: „Meine. Angen haben Deinen Heiland gesehen." In einer der Pausen sagte der Kaiser, nnvcranlaßt, von sich aus: „Er hat mir mit seinem Namen geholfen." Ein anderes Mal sprach er wie ein Träumender vor sich: „Wir wollen eine Erbauungsstunde einrichten." Nach einem Zwischenraum erwachend, erklärte er: „Ich habe einen Traum gehabt. Es war die letzte Feier im Dom." Offenbar hatte er sich im Geist sein eigenes Lcichcnbcgängniß ver gegenwärtigt. In der Nacht znm Freitag um 4 Uhr betete vr. Kögel: „Erscheine mir zum Schilde, Zum Trost in meinem Tod, Und laß mich sehn dein Bilde In deiner Krcuzesnoth. Da will ich nach dir blicken, Da will ich glanbensvoll Dich fest an mein Herz drücken: Wer so stirbt, der stirbt wohl! Das darauf folgende Vaterunser sprach Ihre Majestät die Kaiserin laut mit. Als der Geistliche mit dem 27. Psalm, V. 1 begann: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?" und die Frau Großherzvgin an den Kaiser die Frage richtete: „Papa, hast Du es verstanden?" gab er zur Ant wort: „Es war schön." Die Großherzogin fragte hierauf: „Weißt Du, daß Mama an Deinem Bett sitzt und Dir die Hände hält?" Da schlug er sei» Auge auf und sah die Kaiserin lange klar an. Dann schloß er das Auge, um es nicht wieder zu öffnen. Der letzte Blick galt der Kaiserin. eine- Hortes des Friedens und der Befestigung des Bandes, welche» er um die Stämme Deutschlands geschlungen hatte, der bis an sei» Ende unablässig bemüht war, für das Wohl aller Klassen unsere» Volkes zu sorgen. Der Reichstag ist entschlossen, an der Lösung der Aufgaben, welche Kaiser Wilhelm sich gestellt und als ein Ver- mächtniß dem deutschen Volke hinterlasse» hat, an seinem Theile mit- zuwirkeu, in nie wankender Treue gegen Kaiser und Reich, in un erschütterlicher Hingebung an Eure Majestät und Allcrhöchstderen Haus. Euere Majestät haben den Willen kund gcthan, Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Ordnung im Vaterlande zu schirmen, die Ehre des Reiches zu wahre», den Frieden nach außen und im Innern zu erhalten und die Wohlfahrt des Volkes zu Pflege». Der Reichs tag ist bereit. Euere Majestät in der Durchführung dieses Willens mit allen seinen Kräften zu unterstützen. Einmüthig hat der Reichs tag bewilligt, was zur Erhaltung der Wehrkraft Deutschlands er forderlich war, in der feste» Hoffnung, damit ein Bollwerk zu schaffen, welches, so Gott will, den Frieden Europas erhalten wird. Wir leben der festen Zuversicht, daß das deutsche Volk fest geeint mit seinem Kaiser und den Regierungen der deutschen Staaten einer glücklichen Zukunft entgegengeht und alle Stürme, welche über uns Hereinbrechen könnten, siegreich übersiehe» wird. Möge Gottes Segen auf Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät und unserem Vaterlande ruhen. In tiefster Ehrfurcht verharrt Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät Allcrunterthänigster Der Deutsche Reichstag." Die Adresse wird auf Vorschlag des Präsidenten unter dem Beifall des ganzen Hauses einstimmig debattelos angenommen. Der Präsident erklärt, daß das Präsidium die Adresse dem Kaiser überreichen wird und dem- elbcn die Gesinnungen der Treue und Theilnahme .des Reichstages für die Mitglieder des kaiserlichen Hauses aussprecheu wird. Ein von Mitgliedern aller Parteien (ausgenommen Elsässer, Polen und Socialisten) gestellter schleuniger Antrag: den Reichskanzler zu ersuchen, den, Reichstage in der nächsten Session eine Vorlage betr. die Errichtung eines National-Denkmales für den hochscligcn Kaiser Wilhelm, den Gründer des deutschen Reiches, zu machen, nimmt das Haus ohne Diskussion einstimmig unter lebhaftem Beifall an. Ohne Debatte werden das Gesetz betr. den Reingewinn aus kriegsgeschichtlichcu Werken des großen Generalstabes, sowie die internationale Litterar- konvcntion in dritter Lesung angenommen. Ebenso werden die Vor lage betr. die Löschung nicht mehr bestehender Firmen im Handels register und die Jnstiznovelle für Elsaß-Lothringen in dritter Be- rathung genehmigt. Der Präsident theilt mit, daß die Arbeiten dieser Session nunmehr erledigt sind, und giebt die übliche Geschäftsübersicht. Abg. Graf von Moltke spricht Namens des Hauses dem Präsidenten den Dank sür die unparteiische und umsichtige Leitung der Geschäfte ans. Die Mitglieder erheben sich znm Zeichen des Dankes von ihren Plätzen. Der Präsident dankt den Mitgliedern vcs Hauses und des Bureaus für die ihm stets erwiesene Unterstützung. Darauf verlieft Staatssecretär von Bötticher die Botschaft Kaiser Friedrichs, datirt Charlottenburg, den 12. März, durch welche die Sitzungen des Reichs tages am 20. März geschlossen werden. Mit einem dreifachen be geisterten Hoch auf Se. Majestät den Kaiser Friedrich trennt sich das Haus. Ende der Session! Vom sächsischen Landtage. Die I. Kammer beschäftigte sich in ihrer Sitzung am 19. März, mit der Erledigung von Bittschriften. — Am 20. März stand in der I. Kammer das Budget der unter dem Ministerium des Innern stehenden Landes-Anstalten zur Berathung. Man bewilligte infolge Deputations-Antrags dem Landesverein für innere Mission eine ein malige Unterstützung von 100,000 Mk. zur Pflege von Epileptischen. Ferner wurde die Summe von 300,000 Mk. zum Ausbau des Carola hauses genehmigt und 13,000 Mk. zur Unterhaltung der Kreuzgänge des Freibergcr Domes. Der Etat der Landes-Anstalten fand Annahme und weiter gab die Kammer ihre Zustimmung zur Veräußerung und dem Erwerb von Grundstücken bei denselben. In der Sitzung der II. Kammer am 20. März standen mehrere wichtige Kapitel des Etats zur Berathung, z. B. direkte Stenern, Zölle, Matrikular-Beitrag. Eine längere Debatte entspann sich über die Grundsteuer und die auf Aufhebung bez. Herabsetzung derselben gerichteten Bittschriften. Die Deputation beantragte, letztere auf sich beruhen zu lassen. Abg. Matthes trat in längerer Rede für eine Reform der Grundsteuer ein. Das jetzige System sei veraltet und seit nahezu 50 Jahren nicht revidirt. Es sei von großem Werth für den Grundbesitz, daß der Ertragswerth der Grundstücke genau ermit telt werde. Die dadurch entstehenden Kosten einer Neuregulirnng würden ungefähr 3 Millionen Mark betragen; so viel sei die Sache schon werlh. Eine Berechtigung der Grundsteuer könne er überh.upt nur anerkennen in Verbindung mit einer Vermögenssteuer. An meh reren Beispielen zeigt der Redner, wie verschieden und ungerecht die Grundstcucrcinschcitzung von Gebäuden gegenwärtig sei. Wenn man also die Grundsteuer nicht abschaffcn wolle, so solle man dieselbe wenigstens gerecht vertheilcn. Ob 3 oder 4 Pf. sür die Einheit erhoben würden, sei ihm hierbei zur Zeit ganz gleichgilt,'g. Für eine dringende Nothwendigkeit halte er den Erlaß eines Berainungsgesetzes, da cs gegenwärtig, wenigstens im östlichen Landestheile, kaum einen Grundbesitzer gebe, der genau wisse, was sein Eigcnthnm sei. Abg. Uhlemann-Görlitz erklärt die Doppelbesteuerung ans Grund und Ein kommen allerdings für ungerecht, trotzdem könne er sich nicht sür die Aushebung der Grundsteuer entscheide», zumal da durch die Dotatio nen die Hälfte derselben den Gemeindcvcrbänden zurückerstaltet würde. Man könne nicht das ganze Steuersystem jetzt Umstürzen. Die Ab schätzung erfolge jetzt noch nach der veralteten Bonitirnng. Ganz unmöglich sei cs jedoch, auf Grund der alten Berechnungen eine Neubonitirnng vorznnchmen. Man müsse vielmehr mit der Intelli genz der Landwirthe rechne» und das Individuum mit in Betracht ziehen. Diese Bedingung zu erfüllen, halte er jedoch sür nicht möglich; es sei Niemand im Stande, ein Bonitirungsgesetz herauszngcben. das den Wünschen der Landwirthe entspräche. Er empfehle deshalb, di^ Einkommensteuer so gut als möglich auszubauen nnd dann vielleicht die Grundsteuer auf 2 Pf. herabzusetzen. Abg. Opitz steht auch auf dem Standpunkt, daß es jetzt nicht an der Zeit, ein neues Steuersystem einzusühren. Dasselbe könne nur ein Produkt der schwersten Kämpfe sein, die zu vermeiden man alle Ursache habe. Den 1878 gefaßten Beschluß, wonach eine Ermäßigung der Grundsteuer auch eine gleich- prozentuale Herabsetzung der Einkommensteuer zur Folge haben müsse, halte er aus Grund der Verfassung sür ungiftig, Jeden, ordentlichen Landtag stehe vollständig freie Verfügung in Besteuerungsfragen zu, und kein Gesetz sei befugt, einer zukünftigen Ständeversammlung etwas vorzuschreiben. Der Landtag habe sich also nicht durch jene Bestimmung für gebunden zu erachten. Die Grundsteuer halte er für vollkommen berechtigt, nicht aberdie Verfassung, in der sie sich hezite befindet. Nachdem noch verschiedene Redner sür und Wider den Gegenstand ge sprochen, nahm Minister v. Könneritz das Wort: Er glaube, daß Abg. Matthes die Schwierigkeiten etwas unterschätze. Zunächst wäre ein Berainungsgesetz nothwendig, danach eine Revidirung der Berai« nung im ganzen Lande, was sicher viele Prozesse zur Folge haben würde, dann erst habe eine vollständig neue Vermessung des Landes stattzufinden. Schließlich sei die Frage zu entscheiden, »ach welchen Grundsätzen die Bonitirung vorzunehmen sei. Da aber die Grund steuer nicht drückend sei, so glaube die Regierung, daß es sich empfehle» nicht so schnell an's Werk zu gehen mit einer Maßregel, die ca. 18 Millionen kosten werde. Die Kammer beschließt hierauf gegen 5 Stimmen, die erwähnten Petitionen auf sich beruhe» zu lassen, be willigt die Einnahmen an- den direkten Steuern mit 22,627,400 M.
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