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WWWWW Nr. 68. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische LaildeS-Anzcigcr" mit täglich einem besonderen Unter- baltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet bei de» Ausgabe stellen monatlich 70 Pf»., bei den Post-Anst. 75 Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. 5035.) Für Abonnenten erscheint je eininal im Jahr: Souimer-EisenbahnfahrPlauheft für Sachsen. «luter-Eiseubahufahrpianbeft für Sachse». Jllustr. stillender des Sächsische» Landboten. Jllustrirtes Jahresbuch desLandes-AnzeigerS. Sächsischer MilkS-AllskjM mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Donnerstag, 22. März 1888. In»elgen»reisder „SSchs. Saades.«ntel«er<"r Raum einer schmalen EorpnSzeile 18Pfa. Bevorzugt« Stelle (tspalt. Petitzcile) 30 Pf. BeiWiederholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle nian JnsertionSbetrag (in Brief»,arken) beifügen »e v Silben CorpuSschrist bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahme nur bi» Bonnittag. Perl«: fllkkVfn M«. Bnchdriickcrei. Clicmuil». Theaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr. 138). Telegr.-Adr-: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. ' Mit täglich einen! besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung b. Illnftrirtes Unterbaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. An der Kruft Kaiser Wilhelms. Zum 22. März 1888 von Reinh. Ortmann. Wie sollten uns're Fahnen rauschen Ihn wird kein Blümlein mehr beglücke«, Doch auch das Grab noch überdauert So hoch und stolz im Frühlingssturm! Das Lenzeskuß zum Leben ruft, Die Liebe, die er hier erwarb. Wie wollten wir so freudig lauschen Und die Cyanenkränze schmücken Der Herrliche, um den ihr trauert — Dem Glockenklang von Thurm zu Thurm! Nur eines stillen Schläfers Gruft. O glaubet nimmer, daß er starb! Was Lieb' ersinnt und Liebe spendet Erloschen sind die sanften Sterne, Er weilt verklärt bei seinen Treuen, Dem Kaiser hätten wir's geweiht; Die sorgend über uns gewacht — Er ist bei uns, wenn Jahr für Jahr Und nun hat Alles sich gewendet Die treuen Augen, die so gerne Lobpreisend wir den Ruf erneuen: In allgemeines Herzeleid! Beim Volkesjubel mit gelacht. — „Heil «ns, daß er der Uns're war!" Nun grüßten die Glocken mit ehernem Schall Den Helden, den Sturm nicht und Fährniß erschreckt,^ Den mächtigen Hort in den Tagen der Noth, / Und ob sich in Marmor und blinkendem Erz, Dumpf klagend das dämmernde Morgenroth! Das ragende Standbild des Großen erhebt, Nun rauschten die Fahnen allüberall, Nun hat ihn ein Stärk'rer dahin gestreckt, ! Ein köstlicher' Denkmal doch birgt unser Herz! — Die Fahnen der Trauer! — Der Kaiser ist todt! Den nimmer Besiegten! — Der Kaiser ist todt! Drum weinet nicht fürder! — Der Kaiser — er lebt! Zum 22. März. Ein unsagbar wehmüthiges Gefühl erweckt in diesem Jahre der 22. März, der Geburtstag Kaiser Wilhelms. Schon waren an ver schiedenen Stellen Vorbereitungen zur Feier des 91. Geburtstages eingeleitet worden, schon trug man sich mit den Gedanken an Ovationen für den kaiserlichen Herrn, da kam die Nachricht von der Erkrankung, der nur zu schnell die Todcsbotschaft gefolgt ist. Noch nicht zwei Wochen vor der Vollendung seines 91. Lebensjahres ist Kaiser Wilhelm sanft zu seinen Vätern entschlafen, und aus dem weihevollen deutschen Feiertage ist ein Trauertag geworden, an welchem wir von Neuem unsere Gedanken auf die traurigen Ereignisse der letzten Wochen richten. Warum mußte der hochverehrte Herrscher so schnell dahinscheiden? I», vorigen Jahre feierte er unter unbe schreiblichem Enthusiasmus seinen 90. Geburtstag, auch damals waren ans allen Ländern des Erdballes Fürsten und Vertreter herbeigeeilt, dem beste» Monarchen zu huldigen, und All-Deutschland beging einen Freudentagl Tief gerührt dankte damals Kaiser Wilhelm für die zahllos ihm dargebrachten Beweise der Liebe und Verehrung. Vielfach wurde damals auch darüber gesprochen und geschrieben, ein Wie hohes Alter der greise Herr wohl erreichen werde. Allerlei Prophezeihungen wurden berichtet, welche Kaiser Wilhelm ein Alter von mindestens 96 Jahren versprachen. Und was man wünschte und hoffte, das glaubte man gern. Jedenfalls hat im Laufe des ganzen vorige» und zum Anfang dieses Jahres Niemand an ein so schnelles Ende gedacht. Kaiser Wilhelm zeigte nicht nur eine außerordentlich lebhafte Thcilnahme für die Regierungsgcschäfte und widmete sich den zahlreichen militärischen Fragen, welche gerade im vorigen Jahre zur Discnssion standen, mit der peinlichsten Sorgfalt, er zeigte auch sonst keine besorgnißcrrcgendc Abnahme seiner Kraft. Er wohnte mit den königlichen Prinzen der Grundsteinlegung zum Nordostseekanal bei und machte bei dieser Gelegenheit auf offenem Deck in einem wahren „Hundewetter" sogar eine Seefahrt. Die Folgen blieben freilich nicht aus. Nach Berlin zurückgekchrt, erkrankte der Kaiser, aber erholte sich wieder zu voller Kraft. Er besuchte, wie gewöhnlich, Bad Ems, die Insel Mainau, hatte in Bregrenz mit dem Prinz-Regenten Luit pold von Bayern, in Gastein mit dem Kaiser Franz Joseph eine Zusammenkunft und kehrte frisch und gesund heim nach Berlin. Ein Unfall hinderte ihn dann, die Kaiscrmanöver in Ost preußen zu besuche», wohl aber erschien er und verblieb während der ganzen Dauer der Manöver zu Stettin in letzterer Stadt. Und alle diese Reisen bei der hochgradigen politischen Aufregung, während des Kriegsgeschreies, welches auch die deutsche Reichsregierung lebhaft beschäftigte! Nach längerer Ruhepause in Baden kehrte der Kaiser Wilhelms Geburtstag. Zum 22. März 1888 von C. Eltzeik. Nachdruck verboten. .... „dann werden die Fahnen aufgesteckt, die Soldaten tragen bunte Fedcrbüsche auf den Helmen und des Abends dann gehst Du mit mir auf die Straßen, und in allen Häusern, großen und kleinen, brennen Lichter und viele Menschen sind draußen und alle freuen sich über unseres Kaisers Geburtstag." . . Es ist ein schwaches heiseres Stimmchen, das aus dem Bett zu der lauschenden Mutter klingt, aber die großen Augen in dem blassen Gesichtchen strahlten voll kindlicher Begeisterung und Erwartung. Die Mutter hört des Lieblings Worte, aber mit schwerem, schmerzstarrem Herzen, denn wenige Tage noch und das Stimmchen wird verklungen sein, die leuchtenden Augen werden nicht mehr strahlen und über ihren, der Mutter, stolzen Hoffnungen wird sich ein kleiner Hügel wölben . . . . o Gott. . . Sie legt den Kopf auf den Bettrand und die^Sinne wollen ihr schwinden. „Mutter", fragt der Kleine wieder — „Mutter, schläfst Du? Sprich doch mit mir. Wie lange ist es noch bis zu Kaisers Ge burtstag ?" Die Mutter richtet sich auf: „Acht Tage, mein Kind". „So viele Tage", sagt der Knabe enttäuscht. . . . „Aber dann bin ich auch schon gesund, nicht? Und wir können ausgehen und Du zeigst mir alles und erzählst mir wieder von unserm Kaiser, wie er klein war und wie gut er ist und wie viel wir ihm zu danken haben. . ." Die Mutter nickt. . . . „Mutter, weiß er eS eigentlich, wie lieb wir ihn haben?" „Gewiß, mein Kind. Besinnst Du Dich nicht, wie die Leute alle vor seinem Fenster standen, als wir im vergangenen Jahr in Berlin waren? Da kam er heran und alle jubelten, wie er freund lich nach allen Seiten grüßte. Da mußte er sehen, wie ihn sein Bolk liebt." ^ „Auch die kleinen Jungen. . . Mutter, Mutter, weißt Du Wohl, Du nahmst mich auf den Arm und ich schwenkte meine Mütze und schrie „Hurrah" so laut ich konnte, und da hat er mir zuge- »ickt, ganz gewiß, der Kaiser hat mir zugenickt." Kaiser gestärkt nach Berlin zurück. Und gleichsam, als wolle er be weisen, welche hohe Körperkraft ihm noch innewohne, entwickelte er eine Thätigkeit, die mit allgemeinem Erstaunen beobachtet wurde. Selbst der Hvfjagd bei Wernigerode wohnte der Kaiser noch bei. Und so blieb es auch de» ganze» Winter hindurch bis in die aller letzten Tage vor seinem Tode- Da ergriffen ihn aber die momentan ungünstigeren Nachrichten aus San Nemo, die Kunde vom Hinscheiden des Prinzen Ludwig von Baden mit zermalmender Kraft, Trauer und Kummer nahmen überhand und ihnen war der greise Körper nicht mehr gewachsen; die Kräfte wichen und das alte Leide», welches der Kaiser so oft siegreich übelstanden, vollendete das Werk, welches die seelische» Eindrücke begonnen. Der greise Kaiser hätte wohl noch manchen Tag in unserer Mitte zubringen können, wenn nicht der Kummer zuletzt ihn zu schwer bedrückt hätte. Aber ein freundlicher Geist erleichterte ihm doch die Tage der Krankheit. Fieberphantasieen ließen ihn den schweren Sorgendruck weniger merken und sanft wie ein Kind entschlummerte der Kaiser in das ewige Leben; und ewig wird sein Bild und Gedächtniß unter uns sortleben, ein Beispiel, eine Mahnung, eine Kräftigung. Telegraphische Nachrichten. Vom 20. März. Wien. Die meisten Morgcnblätter besprechen die gestrigen Botschaften des Kaisers Friedrich in derselben herzlich zustiinmcnden Weise wie das erste Manifest und den Erlaß an den Fürsten Bis marck, sie heben dabei hervor, daß die Botschaften des Kaisers aber mals dessen unverbrüchlich konstitutionelle Gesinnung bekunden. — Die officiösen Organe polemisiren gegen die russische Presse, welche von dem deutschen Thronwechsel eine Aenderung der deutsch-österrei chischen Beziehungen erwartet. — Aus vielen Orten Ungarns kommen trostlose Nachrichten über die Verheerungen des Hochwassers. In Szatmar sind über zweihundert Häuser eingestürzt; in Bekes-Csaba sind ebenfalls einige Hundert Gebäude verwüstet, die ganze Stadt ist vom Untergang bedroht. — Die Bauern von Gyula wollten den Damm durchstechen, um das Hochwasser abzulenken. Es wurde des halb Militär requirirt und es fand ein Zusammenstoß mit den Bauern statt. Aus Galizien, Bezirk Tarnobrzeg, werden Verluste von Men schenleben gemeldet. Bern. Künzle verlas im Nationalrath den Commissions- Rapport über die Frcmdeiipolizei. Dieser tadelte einige Schmäh schriften gegen Deutschland und auch die Indiskretionen von Jour nalisten über diplomatische Beziehungen, womit hauptsächlich einige Artikel über Savoyen gemeint sind. Von dem Minister v. Puttkamer Die Mutter streichelte die langen blonden Locken. Wie oft hat sie das schon von dem Knaben gehört, — und mit immer gleicher Begeisterung erzählt er es nach Kindcrart stets wie etwas Neues. Und dann kommen dieselben kindlichen Fragen, in deren Beantwort ung sie alle ihre stolzen Pläne mit ihrem Knaben und zugleich ihre Begeisterung für Kaiser und Vaterland legen kann. Der Knabe weiß es schon, wie stolz er sein muß, ein deutsches Kind zu sein; in seinem warmen, kleinen Herzen lebt, durch die Mutter angefacht, die Liebe zum Vaterland, dem einst sein ganzes Leben gehören, dem er mit Gut und Blut dienen sollte, wenn es dazu käme. Die Mutter hat jede Gelegenheit wahrgenommen, den Sinn in dem Knaben zu wecken, in dem er nach ihrem innigsten Wunsch als Mann einst Großes wirken soll, den Sinn grenzenloser Vaterlandsliebe,' der ihr selbst eigen. Und wie in ihr glühende Ver ehrung für den greisen Kaiser lebt, der uns ein einiges Vaterland gegeben, so in ihrem Knaben, dessen ganzes Sein die kindliche Be geisterung für „unfern Kaiser^ durchdringt. Der Kaiser, den er ein mal in Berlin gesehen, hat die Hauptrolle in seinen Spielen; von ihm träumt er, von ihm muß die Mutter ihm wieder und wieder erzählen, und die schönsten Märchen sind ohne Inhalt für ihn, wenn der Kaiser nicht darin vorkommt. . . . „Mutter, und wenn ich groß bin und es sollte ein großer Drachen kommen und den Kaiser. . Da klingelt es draußen. Ein Extrablatt. Die Mutter steht von dem Bettchen des Kindes auf und nimmt es in Empfang. Beim Lesen füllen sich ihre Augen, mit den Thränen, die sie vorhin vergebens ersehnt. „Der Kaiser ist krank wie Du, mein Liebling," sagt sie dem Knaben, der nun mit fieberglühenden Wangen und glänzenden Augen cha liegt. Nun richtet er sich mit einem Ruck in die Höhe. „Er wird doch zu seinem Geburtstag gesund sein, wie ich, Mutter?" fragt er gespannt .... Die Mutter nickt mit schmerzlichem Lächeln und nimmt den alten Platz am Bettchen wieder ein. „Schlafe, mein Liebling, schlafe. . ." Und das Kind schläft. Aber eS ist kein Schlaf, der zur Genes ung führt, und die Mutter weiß es nur zu gut. Der Arzt tritt ein, — er legt die Hand auf den heißen Kopf des Kindes, er hört die abgebrochenen Worte vom Kaiser, von den Kanonen, die an seinem wird erwartet, daß er die geheimen Agenten abschaffe, nachdem er die Folgen des Spitzelthums wahrgenommen. Dieses wird als eine große Plage für die Schweiz erklärt. Die Commission nennt die internationale Lage der Schweiz schwierig, verlangt deshalb eine sorgfältige Beobachtung der internationalen Pflichten und hofft zu versichtlich, trotz der Hetze deutscher Blätter, auf die Wiederherstellung des freundschaftlichen Verhältnisses zu Deutschland. Petersburg. In den baltischen Provinzen wurde angeblich eine geheime deutsche Post entdeckt, die deutsch-nationale Schriften verbreitete. Politische Rundschau. Chemnitz, den 21. März. Deutsches Reich. Kaiser Friedrich hat die Nacht zum Dien-- tag, nachdem der Montag befriedigend verlaufen war, gut verbracht. Zur großen Freude seiner Aerzte vermochte er auch schon am frühen Vormittag aufzustehen, und er zeigte sich bald nach 10 Uhr in großer Frische am Schloßfenster und wurde lebhaft begrüßt. Der Tag blieb gut. Zur Vorsicht ruhte der Kaiser aber Nachmittags ein wenige Vormittags besuchten den Kaiser seine drei Töchter, die Prinzessinnen Sophie, Margarethe und Victoria. Dann arbeitete der Kaiser 1^ Stunden mit dem Kri'egsminister, später noch mit dem Chef des. MilitärcabinetS. Gegen Abend trafen noch mehrere Besuche in Char lottenburg ein. Mackenzie schrieb, der „Magdeb. Ztg." zufolge, an einen englischen Freund, ec hoffe zuversichtlich, daß Kaiser Friedrich'» Leben auf eine ganze Reihe von Jahren erhalten werden würde, wenn auch an eine Heilung nicht zu denken sei. Die Kaiserin Victoria ist von ihrer Erkältung wieder hergestellt. — Der Reichskanzler stattete dem Kronprinzen Wilhelm einen Besuch ab. — Offiziell wird jetzt bestätigt, daß der Oberstkämmerer Graf Stolberg-Wernigerode die Führung der Geschäfte im Ministeriup>.de» königlichen Hauses behält. General von Los soll commandirsnder General des Gardecorps, dessen Commandeur, General von Pape, Oberstcommandirender in den Marken werden, der neue Obersthof marschall Graf Radolinski hat sein Amt bereits angetreten. , — In dem im Reichsamte des Innern ausgearbeiteten Entwurf eines neuen Genossenschaftsgesetzes ist eine regelmäßig wicderkehrende Revision der gesammten Genossenschaftsverhältnisse vorgesehen, und zwar sollen, soweit die Genossenschaften einem Verbände angehören, die Revisoren seitens des letzteren angestellt und unterhalten werden. Wie verlautet, gehen die neuerdings mehrfach gegründeten Sparkassen verbände aus eigener Initiative dazu über, den, ihnen angehörenden Geburtstage abgeschossen werden sollen, von Drachen und Franzosen, die den Kaiser angreifen wollten, aber er beschützte ihn ... . Der Arzt reicht der verzweifelnden Mutter theilnahmsvoll die Hand. „Hochgradiges Fieber," sagt er gesenkten Blicks, „bei so weit vorgeschrittener Abzehrung ... Sie wissen übrigens doch, daß auch unser Kaiser... ." Er kann nicht Weiler sprechen. Das leise aber verzweiflungsvoll« Schluchzen der Mutter, der er nicht helfen kann, drängt ihn zur Thür hinaus. Und dann noch ein Tag und noch eine Nacht, und dann ist eS Morgen. Der Schnee treibt in dichtem Geriesel gegen das Fenster, der Wind pfeift leise und die Dohlen auf den kahlen Bäumen drüben krächzen. ... Mit verwachten und verweinten Augen starrt die Arme hinaus. „Mutter," tönt es da vom Bett des Knaben. Mit klarer Stimme, in die sich ein seltsam fremder, lauter Ton mischt. Sie fliegt zu dem Kinde, das in seinem Bettchen aufrecht steht. Es legt die abgezehrten Arme um ihren Hals. „Mutter, ich wünsche mir etwas . . ." „Was, was denn?" „Reise wieder mit mir nach Berlin zu Kaisers Geburtstag, dann möchte ich ihm einen Vers sagen, und daß ich ihn lieb habe, und dann . . WaS ist das . . Wie ein Schrei klingt daS letzte Wort, nun zuckt der kleine Körper, die Aermchen fallen herab, die Augen öffnen sich weit, weit, nnd dann .... die Mutter hört und sieht nicht» mehr. Sie hält ihr Kind fest, fest in den Armen, — und weiß doch, daß ein anderer, der mächtiger ist als ihre Liebe, eS ihr entrissen hat und es davonträgt in ferne Gefilde ... „Der Kaiser ist um halb neun Uhr gestorben," meldet das nicht» ahnende Mädchen hinein. Da faßt sie noch einmal ihren Knaben, und in der Vergessen heit ihres Schmerzes flüstert sie ihm zu: „Nun kannst Du ihn, sagen, wie lieb Du ihn gehabt, mein Liebling, — und grüße mir meinen Kaiser.^ Und der 22. März wird kommen, dem sonst Millionen entgegen jubelten . . . Wohl werden die Fahnen flattern, aber halbgeseutt, die