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Sächsischer Landes-Anzeiger : 08.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188803083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880308
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-03
- Tag 1888-03-08
-
Monat
1888-03
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 08.03.1888
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Nr. S6. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de» folgende» Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische LandrS-Anzeiger" mit täglich einem besonderen Unter- baltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Duftiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Psg., bei de» Post-Anst. 75 Pf. (1868er ZtgS.-PreiSliste Nr. 5035.) , ««mer-kisenbahn!ahri,länhest fiir Sachsen. «later-Eisenbahnfahrvlauheft fiir Sachsen. Jllustt. lkalender des Sächsischen Landboten. JllnsttirtesJahresbuchdesLandes-SnzeigerS. SSchsischer §iuli»ts-Ailreij>kr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Donnerstag, 8. MLrz 1888. uederholung großer Annoncen Nab Bei Bestellungen von AuSwärt» wolle man ZnsertionSbetrag (tnBriesmarken) beifügen le 8 Silben TorpuSschrist bilden ca. 1 Zeile.) nnnoncenannahme nur bi» Vormittag. Ln!»: Aemdn Me. Bnchdrnckerei, Chemnitz. Theaterstraße k> (Fernsprechstelle Nr. IS Telegr -Adr.: LandeS-Anzeiger, Ehem»! Mit täglich einem besonderen 4 Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Illnsirirtes Unterhaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch« Telegraphische Nachrichten. Vom 6. März. Danzig. Gestern Abend stieß vor dem Bahnhof Hohethor der eben einlaufende Schnellzug aus Pommern mit einem Rangirzugc zusammen. Ein Heizer und der Lokomotivführer des letzteren wurden verwundet, die Lokomotiven, sowie mehrere Wagen etwas beschädigt. — Durch den in vergangener Nacht stattgehabten Schmesturm wurde neuerdings die Eisenbahnlinie Dirschcnl-Maricnburg gesperrt; auch sonst kamen einige kleinere Betriebsstörungen vor. Reichenberg. Seit gestern sind drei Baumwollspinnereien in der Umgebung abgebrannt, sicher infolge von Brandstiftung. Frankfurt a. M. Der „Franks. Ztg." wird gemeldet, der österreichische Kultusminister von Gautsch habe die Bischöfe Oester reichs aufgefordert, jede Agitation für die weltliche Papstherrschaft zu unterlassen. Wien. Heute begann hier unter Vorsitz des Kardinals Gangl- bauer die Bischofskonferenz, in welcher eine Petition an den Kaiser um Wiedereinführung der konfessionellen Schule beschlossen werden soll. Paris. Die „Repnbl. Franc." schreibt über den Brief Bou- langer's, daß man den Sinn desselben in Worte noch nicht zu- sammenfafsen könne. Nach diesem Briefe könne man nur dann an die Aufrichtigkeit Botilanger's glauben, wenn derselbe, falls er bei den nächsten Wahlen wieder als Kandidat ausgestellt würde, die Urheber seiner Kandidatur gerichtlich verfolgen würde. Cassagnac's „Aulorito" erklärt, der Brief sei korrekt, glaubt aber, daß nun die Manifestationen erst recht fortgesetzt würden. — In Senatskreiscn ist man der Ansicht, daß der Brief Boulanger's jede Interpellation über sein Verhalten bei den Ersatzwahlen überflüssig mache. „National" behauptet dagegen in einem heftigen Artikel, daß der Brief nichts ändere, da Boulanger seiner Entrüstung über das Wahlmanöver nicht Ausdruck gebe, vielmehr zwischen den Zeilen die Wähler aus spätere Zeit vertröste. Politische Rundschau. Chemnitz, den 7. März. Deutsches Reich. Der Erkältungszustand des' Kaisers (das alte Nierenleiden) hielt am Dienstag in der Hauptsache unverändert an, seine Bedeutung wird aber sehr übertrieben. Der Kaiser hat guten Schlaf, er erwachte Montag Nacht nur einmal, und das ist viel werth in Anbetracht des hohen Alters. Die Leibärzte hegen auch keine Besvrgniß. Am Dienstag ruhte der Kaiser durchgängig und verbrachte den größeren Theil des Tages im Bett. Vorträge und Meldungen wurden nicht entgcgeugcnoinmen. Das Befinden der Kaiserin ist sehr erfreulich. Prinz Wilhelm trifft heute Mittwoch früh aus San Nemo wieder in Berlin ein, wahrscheinlich beginnt jetzt die vorgesehene Unterzeichnung wichtiger Sachen in Vertretung des Kaisers, damit der Letztere größere Ruhe hat. — Zur Vertretung des deutschen Kaiscrpaares bei der am 10. März stattfindenbe» Hoch zeit des Prinzen von Wales ist Generalleutnant Fürst Anton Rad ziwill nach London gereist. — Die zum Besuch des Prinz-Regenten in München eingetrosfenen sächsischen Majestäten sind in der bayerischen Hauptstadt sehr herzlich empfangen und Gegenstand zahlreicher Ova tionen gewesen. — Prinz Wilhelm, der Sohn des deutschen Kronprinzen, hat, wie bereits kurz erwähnt, seinem Vater einen sehr liebevollen Brief unseres greisen Kaisers überbracht, in welchem dieser in rührenden Worten den Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen ausspricht, wo fern der Kronprinz ohne Nachtheil für seine Gesundheit die Reise zurücklegen könne. Es ist widersinnig, wenn mitgetheilt ist, die Ab reise sei bereits beschlossen gewesen, aber in Folge Widerspruches der Kronprinzessin und auf Andringen Mackenzie's zurückgenommen wor den. Der hohe Patient würde diesen Klimawechsel niemals ertragen haben. An der Riviera ist jetzt Maiwetter und nun denke man, der Kronprinz solle von dort in unsere Eis- und Schncclandschaften Vev Von Geschlecht zu Geschlecht. Erzählung von W. Widdern. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Ja, ja, es ist die höchste Zeit, daß Ihr wieder geht," sagte jetzt auch die Kranke freundlich und nickte dem schönen Paar liebevoll zu. „Begegnet Ihr Fräulein Lotte aber irgendwo in den Festräumen oder im Garten, so sagt ihr: Wenn es sie kein zu großes Opfer kostet, die Gesellschaft zu verlassen, so möchte sie nicht vergessen, daß hier ein armes Wesen liegt, dem sie mit ihrer Gegenwart Freude bereiten könnte." — Die Verlobten hatten sich entfernt. Die Thür hinter der schweren, dunkelrothen Sammetportiöre war in das Schloß gefallen, und Gitta befand sich wieder allein in dem reizenden, grünen, luft- durchströmten Raum, den eine rothe Ampel magisch erhellte. Die fieberisch glänzenden Augen der Kranken waren dem Brautpaar ge folgt, nun seufzte sie tief auf, und in die Polster zurücksinkend, hauchte sie, während Thränen ihren Blick trübten: „Angelicas Herz ist von süßen Hoffnungen erfüllt, — sie geht mit so vielen holden Erwartungen der Zukunft entgegen, und doch — I O, Gott, lieber, gnädiger Vater im Himmel, ich flehe Dich an, gieb, daß Mütterchens Ahnungen trügerisch sind — und auch die Gebilde des Schlafes lügen, welche mich selbst nun schon die dritte Nacht hindurch geängstigt haben!" Die Kranke hatte, nachdem das letzte Wort nur wie ein Hauch über ihre Lippen gekommen war, zu einem Gebetbuch gegriffen, das aufgeschlagen auf dem Marmortischchen vor der Chaiselongue lag. Ihre ganze Seele, all' ihr Denken und Fühlen konzentrirte sich nun auf die tröstlichen Worte von Glaube und Hoffnung, die sie in sich aufnehmen wollte. Bald rauschte es wieder zwischen den Falten der Portiere, und der Eintritt eines neuen Besuchers endete die An dacht der Schwergeprüften.* Seit vielen Jahren hauste in den Mansardenräumen de» alten Klostergebäudes eine Person, über die seiner Zeit in der Residenz des kleinen LändchenS viel gesprochen und gemuthmaßt worden war. Fräulein Lotte Gröning hatte eines Tages, von dem letztverstorbenen Rille von Görgenstein geleitet, unangemeldet in dem Klosterhofe Ein zug gehalten, und zwar zu einer Zeit, in der Graf Otto noch un sctzt werden. Er müßte dann Tag für Tag das Zimmer hüten und die Zimmerluft ist für ihn Gift. Naturgemäß kann die Uebersied- lung also dann erst erfolgen, wenn der Kronprinz sich im Freien hier bewegen kann. Die jetzt eingetretene Besserung ist nur eine Folge der Bewegung in freier Luft, wodurch die Körpcrkräfte des Patienten gehoben sind. Selbstverständlich ist die Kräfteznnahme von hohem Werth, weil sie das Hauptmiltel gegen schnelle Ausdehnung der Kchllopfgeschwüre ist. — Offizieller Aufschluß über den Zustand des deutschen Kronprinzen. Der Reichsanzeiger vom Dienstag publizirt folgendes Bulletin: San Remo, 6. März, 11 Uhr Vormittags. Gegenüber den in der Presse verbreiteten Gerüchten von Meinungs verschiedenheiten unter den behandelnden Aerzten Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen des deutschen Reiches und von Preußen erklären die Unterzcichneien, daß hinsichtlich der N.ckur nnd der Beurtheilung der Krankheit eine solche unter ihnen nicht besteht. Ebensowenig ist von ihnen die Nähe einer gefährlichen Wendung des Leidens behauptet worden. Die einheitliche, verantwortliche Leitung der Behandlung befindet sich wie vor der Operation in den Händen des mitunter zeichneten Sir Mvrell Mackenzie. An die Zeitungen des In- und Auslandes richten die Acrzte noch einmal im Interesse des hohen Kranken und der Völker, die ihn lieben, hochachten und verehren, die Bitte, sich jeder Diskussion über die Krankheit Höchstdesselben oder über die bei der Behandlung angewandten Methoden nnd Instrumente zu enthalten. Die örtlichen Störungen in und am Kehlkopf Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen haben sich wesentlich nicht verändert, die Wunde ist geheilt, die Kanülen liegen gut, die Lungen sind gesund, Husten und Auswurf wurden geringer. Der Kräftezustand ist ein befriedigender, der Appetit in Zunahme begriffen, Verdauungsstör ungen sind nicht vorhanden, ebenso wenig Schincrzen beim Schlucken, oder Kopfweh. Der Schlaf hält ununterbrochen stundenlang an. Da die Mission des Geheimen Ratbcs von Bergmann beendet ist, wird er demnächst abreisen. Mackenzie. Schräder. Krause. Hovcll. von Bergmann. Bramann. — Wir haben nun volle Klarheit. Denn die volle Ein- müthigkeit unter den Aerzten bedeutet nichts Anderes, alsdaß sie erkannt haben, daß das Leiden wirklich Krebs ist. Glücklicherweise ist es noch nicht sehr weit vorgeschritten, oder doch noch nicht so weit, daß eine unmittelbare Lebensgefahr vorhanden ist, wenn auch die Gefahr hoch- ernst ist. Hoffen wir, daß es den Aerzten noch gelingen möge, uns für manchen Tag das ihcure Leben des deutschen Kronprinzen zu erhalten. — Man hofft allgemein, der Reichstag wird, da nur noch kleinere Sachen vorliegen, am künftigen Sonnabend geschlossen werden können. Auch besondere Debatten sind nicht mehr zu erwarten, da die Stimmung zu sehr gedrückt ist. — Staatssecretär Graf Herbert Bismarck hat aus London die Rückreise nach Dentschkand angetreten. Er hatte mehrfache Unterredungen mit dem Ministerpräsidenten Lord Salisbury, die wohl der bulgarischen Frage gegolten haben dürsten. — Preußisches Abgeordnetenhaus. Am Dienstag wurde der nationallibcral-konservative Antrag auf Einführung fünfjähriger Wahl perioden in der verfassungsmäßig vorgeschricbencn zweiten Abstimmung definitiv gegen die Stimmen von Ccntrum und Freisinnigen ange nommen. In der ziemlich animirtc» Debatte spielte das Wahlrcsnltat in Grcifcnberg-Kammin eine große Rolle. Abgg. Rickert, Träger, Meyer-Breslau (freist), Windtlivrst sprachen gegen den Antrag, weil derselbe eine Verkürzung der Bolksrechte darstellc; Abg. von Min- nigerodc, von Erffa (konst), von Eyner», Gneist (natlib.) bestritten das entschieden und führten ans, es liege nur eine Zweckmäßigkeits maßregel vor. Mittwoch 11 Uhr wird die Berathung des Kultus- Etats fortgesetzt. — Das bayerische Abgeordnetenhaus bewilligte am Dienstag einstimmig 1>/g Millionen Mark zu Gehälteraufbesscrungen. — Aus dem Reichslande wird berichtet: Vom 1. April werden an allen Grenzbahnhöfen besondere Pvlizeikommissariate errichtet werden Die betreffenden Beamten werden mit gewissen Befugnissen in poli tischen Angelegenheiten ausgerüstet. Eine ähnliche Einrichtung besteht schon in Frankreich. — Die aufrührerischen Rufe: Vivo In. I'runco, a, bas la ?rr>88ö! sind in Straßburg ein Sport für schlecht erzogen Leute geworden. Dieser Tage wurde ein Wirth badischer Abstam mnng, der solche Rufe ausstieß, in den Straßen Straßburgs verhaftet. Nach zwei Tagen wurde er wieder freigelassen, nachdem er angegeben hatte, die Rufe in der Trunkenheit und scherzweise ausgestoßen zu haben. — Der deutschen Witu-Gesellschaft sind auf Grund ihres Sta tutes vom 17. Decembcr 1887 durch königliche Ordre vom 20. Fe bruar 1888 die Rechte einer juristischen Person verliehen worden. — In dem Reichstagswahlkreise Greiffenberg-Kammin (Pommern) wurde bei der an, Freitag vvrgenommenen Ersatzwahl für den bis herigen konservativen Vertreter v. Köller der deutsch-freisinnige Sun- dicuS Kohli aus Stettin gegen den conservativen Candidaten v. Köller, einem Bruder des bisherigen Vertreters, mit ungefähr 200 Stimmen Mehrheit gewählt. Dieses Resultat hat bei allen Parteien einen tiefen Eindruck hervorgerufen, da der betr. Wahlkreis stets als streng konservativ galt und noch hei der letzten Wahl ein liberaler Candidat cs nur auf 1470 gegen mehr als 6000 konservative Stimmen brachte. Dieser Wahlausfall läßt für die bevorstehende Ersatzwahl im Reichs lagskreise Altena-Iserlohn, wo Freisinnige und Nationalliberale in erster Reihe einander gegenüberstehen, einen äußerst scharfen Wahl kampf erwarten. Die nationalliberale Mehrheit bei den Scptennats- wahlen war in Altena-Iserlohn beträchtlich, aber noch lange nicht so groß, wie die konservative Mehrheit in Greiffenberg-Kammin. Bon den gegnerischen Parteien wird Alles aufgeboten werden, den Sieg an ihre Fahnen zu fesseln, denn die Erfolge bei den Ersatzwahlen üben auch bedeutenden Einfluß auf die nächsten Hauptwahlen aus. Oesterreich-Ungarn. Die nächste ordentliche Session der österreichisch-ungarischen Delegationen wird in der zweiten Hälfte de- Mvnats Mai eröffnet werden. Schweiz. Wie aus Bern mitgetheilt wird, ist der Schweizer Negierung bisher nichts von dem in Basel vertheilten skandalösen Hetzblatt gegen Deutschland bekannt gewesen. Die Sache wird in dessen untersucht werden und werden die Urheber des Vorfalles in geeigneter Weise zur Rechenschaft gezogen werden. Irgend welche diplomatische Actio» wird daraus nicht entstehen. Frankreich. Gestorben ist in Paris General Millot, der eine Zeit lang in Tonlin die französischen Truppen, und zwar nicht mit besonderem Glück, befehligte. — Die Pariser Kammer überwies Dienstag die Vorlage betr. Ernennung von fünf Armeeinspcctoren einer Kommission. Die Inspektoren erhalten die Oberaufsicht über alle Armeecorps. — General Boulanger ist und bleibt der alte Neklamemann! Gegen seine Candidatur bei den vorwöchigen Wahlen hat er keine Silbe gesagt, und daher kam's, daß er fast 60,000 Stimmen auf sich vereinigte. Rn» er bi- N-klam- fort hat, wehrt er sich gegen neue Candidatiircn, die ebenso ungesetzlich wie die früheren sind, die man aber trotzdem ihm zugedacht hat. Er sträubt sich natürlich nur, damit die Regierung keinen Anlaß findet, ihn vom Commandv zu entfernen. Ucbrigens wird trotz des Protestes auch künftig noch manche Stimme für Boulanger abgegeben werden, denn es giebt in Frankreich gar zu viel Leute, welche das Absonderliche lieben. — Ein altes Leiden in der französischen Armee ist die Schwäche des Compagnicstandcs. Der frühere Kriegsminister Ferron hatte schon den Versuch gemacht, durch Verminderung der Compagnie zahl den Stand zu vermehren. Der jetzige Kriegsminister, General Logerot, hatte indessen die sehr vernünftige Anordnung seines Vor gängers wieder umgestoßen, um mit so und so viel Compagnien mehr prunken zu können. Nun hat aber die Schwäche der Com pagnien Anstoß erregt, und der General hat deshalb in der Kammer versprochen, die Compagniestärke auf 125 Mann zu erhöhen. Wie er das machen will, ist ihm selbst wohl nicht recht klar. — Im Hafen von Toulon liegt jetzt das französische Uebungsgeschwader zum Aus laufe» bereit. Es zählt 12 Panzerschiffe, 2 Avisos, 3 Torpedoboote und 1 Transportschiff. Italien. Aus Rom wird berichtet, daß die Abcssynier von Asmara ans gegen die italienische Truppenaufstellnng bei Saati vor- vermählt war. Ein auffallend kleines, nicht mehr ganz junges Per sönchen, nahm dieselbe sofort von den Zimmern in den Mansarden Besitz. Hier verblieb sie auch nnd verbrachte, unbekümmert um die ganze Welt, ihre Tage. Als Graf Otto dann Mathilde von Wald kirchen als Gemahlin heimführte in das Schloß seiner Väter, geleitete er die reizende junge Frau auch nach dem Klosterhofe und hinauf in die Mansarden des alten Gebäudes, wo Lotte Gröning die liebens würdige Gräfin mit vieler Freude empfing. Als aber Frau Mathilde heimlich den Gatten fragte: „Aber, lieber Otto, wer in aller Welt ist denn eigentlich diese Person?" zuckte der Graf mit der Achsel und erwiderte: „Ein Blaustrumpf, na'arniö, — ganz entschieden ein Blaustrumpf! Ihr Vater war einer unserer größten Gelehrten, und mein lieber verstorbener Papa muß ihn wohl näher gekannt haben, denn er beauftragte mich noch wenige Sekunden vor seinem Tode, die Waise Professor Grönings aufzu- suchen und ihr, da sic in dem Rufe ungewöhnlichen Wissens stände, den Antrag zu machen, auf dem Klosterhofe in die Stellung des verstorbenen Bibliothekars zu treten. Ein wunderliches Amt für eine Frau, nicht wahr?" setzte der junge Graf ein wenig gezwungen lachend hinzu. Er brach dann von diesem Thema ab und leitete die Unterhaltung mit seiner Gemahlin in andere Bahnen. — Die Zeiten rauschten dahin, sie brachten bedeutungsvolle Ver änderungen, aber Fräulein Lotte Gröning wohnte nach wie vor in ihrem Mansardenstübchen neben dem mächtigen Bibliothekzimmer, das eine Sammlung der trefflichsten Werke enthielt. Es waren zum größten Theil gelehrte Bücher, in fremden Sprachen geschrieben; aber die kleine Person wußte in allem Bescheid» und die ältesten Folianten waren ihre besonderen Lieblinge. Freilich ging Lotte Gröning nicht so vollständig in ihrer ver- wundcruchen Bücherweisheit auf, daß sie nicht auch ein Herz gehabt hätte für die Menschen. Im Gegentheil, sie liebte Frau Mathilde mit vollster Hingebung, und den Kindern derselben widmete sie zu allen Zeiten eine echt weibliche Zärtlichkeit. Besonders Comtesse Brigitte lebte unter ihrem Schutz, die Hilflosigkeit der armen Kranken erregte das innigste Mitleid Lottes. Und da Gitta, nachdem sie den Kinderschuhen und dem Unterricht des Hauslehrers entwachsen war, sich auch noch von ganzer Seele für die wissenschaftlichen Forschungen des weiblichen Bibliothekars interessirte, so gab es zu Beginn unserer Erzählung keine intimeren Freundinnen als die junge, herzleidende, gelähmte Comtesse und das alte, gelehrte Fräulein in der Mansarde. Es verging kein Tag, an dem Lotte Gröning nicht mit Büchern und Scriptnren beladen in dem grünen Nestchen Brigittas erschien, um der Leidenden Unterhaltung, Belehrung und Gesellschaft zu gewähren. Auch heute, an diesem Festabend auf dem Klosterhofe, war da- Fräulein sofort bereit gewesen, die Gesellschaft zu verlassen, um Gittas Wünsche zu erfüllen. Aber Lotte Gröning mochte auch schon recht hinfällig geworden sein im Laufe der Jahre, trotzdem sie sich gerade hielt wie eine Siebzehnjährige; denn es hatte eine geraume Zeit gewährt, ehe sie bei der Kranken erschien und so auch dem freund lichen Leser Gelegenheit gab, ihre persönliche Bekanntschaft zu machen. Das alte Fräulein mußte auf Jedermann einen eigentümlichen Eindruck machen, trotz der einfachen Eleganz, in der sie sich zu kleiden liebte. Aber es hätte Niemand zu sagen vermocht, wie alt diese seltsame Person mit der auffällig kleinen, schmalen Figur eigentlich war. Das winzige gelbe, aber klassisch edel geschnittene Gesicht zeigte bereit- unendlich viele Furchen; aber das Haar, welches in schweren Flechten auf dem kleinen, schöngeformten Kopfe lag, war noch tief-, beinahe blauschwarz, und die großen, dunklen, geistvollen Augen halten einen strahlenden jugendlichen Glanz. „Da bin ich, mein Herzblatt!" rief unsere neue Bekannte jetzt mit einer Stimme, die man schwerlich in diesem winzigen Körperchen vermuthet hätte. Fräulein Lotte hatte nämlich ein merkwürdig sonores Organ, und wer sie sprechen hörte, ohne sie zu sehen, stellte sich in ihr eine Riesin vor. Und es lag auch ein bezaubernder Wohlklang in dieser Stimme nnd eine Frische, die ebenfalls nicht zu den un zähligen Furchen in ihrem Gesicht paßte. Ein unartikulirter Freudcnlaut kam über Gittas Lippen, und beide Arme der Eintretenden entgegenstreckend, erwiderte sie: „Gott sei Dank, daß Sie endlich wieder hier sind. So — und nun setzen Sie sich auch zu mir. Sie wissen gar nicht, wie angst voll mir heute zu Muthe ist," fuhr die Kranke fort, als Lotte Gröning einen Sessel an das Lager gerückt und ihre kleine Gestalt sich in die weichen Polster geschmiegt hatte. „Der Festjubel tödtet mich fast! Mir geht es wie Mama, die vorhin bei mir gewesen und sich hier ausgeweint hat, — da» heißt, Fräulein Lotte, mich plagen die trübsten Ahnungen und — und, aber schelten Sie mich nicht, — ich hatte auch wieder einen so abscheulichen Traum. — Denken Sie nur," fuhr fie hastig fort, „mir war's, als wenn jene
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