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Sächsischer Landes-Anzeiger : 08.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188507080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18850708
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18850708
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-07
- Tag 1885-07-08
-
Monat
1885-07
-
Jahr
1885
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 08.07.1885
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Läglich,» U«terhal<m»g-blatt zum Sächsischen Landes Vnz-ige-. Die Antwort lautet« befriedigend — der Omnibus passirte dir dieiuudzwanzigstr Straße, in welcher da» Hau» der Familie Ruth«, ford gelegen war, und aufathmend nahm Milly in dem bescheidenen Gefährt Platz. Außer ihr bestaudeu die Fahrgäste nur au» Männern, welch« «eist der arbeitenden Classe auzugehSren schien« — e» war da» erste Mal, daß Milly mit solch« Leut« in näher« Berührung km» und halb lächelnd dachte sie darau, welch erstaunte» Gesicht Eüsabeth machen werde, wem, sie auf so ansprnch-lose Weise ihr« Einzug hielt. Endlich rief der Cooducteur die dreiundzwauzigste Straß« ab — Milly stieg au» und hatte bald Nr. IS gefunden. Sie schellte, der hell« Ton der Haurglocke schallte vernehmlich durch die still« Nacht, aber Niemand beantwortete da» Läuten. Besorgt blickt« Milly nach de» Frostern — sie war« sämmtlich dunkel und ziemlich zaghaft wiederholte fit da» Laut». Al» wiederum Alles still blieb, begaun Milly zu wein« — wa» sollte au» ihr werden, weuu »au sie hier auf der Straße steh« ließ? Sie schellt« noch etliche Male, aber daun setzte sie sich refiguirt ans di« Treppenstufen und machte sich darauf gefaßt, di« tirkalt« Nacht im Freien zu- zubriug« Wie lange sie auf d« Stuf« gesessen, wußte sie nicht, als plötzlich ein fester Schritt auf der Straße erklang, und im nächst« Augenblick stand ein Polizist vor ihr. Befremdet blickte er di« junge elegant gekleidete Dame au, die hier in später Nachtstunde allein ans den Thürstnfeu saß — wenige Worte Milly'» genügten, um ihu über ihre fatale Lage »ufznkläreu, und mit eherner Faust begaun der Beamte au die Pforte zu klopfen, nachdem sei» Laut« ebenfalls resultatlo» geblieben war. „Die Leute müssen einen wahr« Todteuschlaf Hab«,' meinte er dann, .oder sie find nicht zu Hause.' Erst jetzt kam e» Milly wieder in'» Gedächtmß, daß Elisabeth ihr vo» einem Maskenball geschrieben, welcher in diesen Tagen statt- fdldm werd«, und sie zweifelte nicht daran, daß diese Festlichkeit die Verödung de» Hause» verschuldet habe. Der Polizist rathschlagte eine Welle mit Milly und erbot sich daun, den Versuch zu machen, ei» Parterrefenster eiuzuschlagr» und die junge Dame auf diese Weise i»'« Hau» zu befördern. Milly war mit Allem einverstanden Der Beamte schob seine Hand behutsam durch die Spalten de» Jaloufie- ladm» uud öffnete den Riegel desselben mit einer Gewaudtbeit, welche eine» Einbrecher von Profession Ehre gemacht Hölle. Da» Einstoß« einer Scheibe bot nicht die genügst« Schwierigkeiten — der Beamte öffnete eia« breit« Fensterflügel, schwang sich auf di« Brüstung und hob dauu Milly mit leichter Mühe in » Zimmer. .So, weiter kann ich Nicht» für Sie thuu, Miß,' sagte er, sich eilig auf demselben Wege wieder entfernend; »ich muß mich sputen, wem» ich di« Ronde nicht versäum« will — hier Hab« Sie für alle Fälle meine Züudholzbüchse — Ihr Diener, Miß,' und damit verschwand der Mauu. Milly athmete auf — da» Schlimmste war jetzt überfiandeo. Ein Streichholz auzündend, eilte sie au die Thür, aber zu ihrem Schrecken war diesübe von außen verschloß«! Sie begann an der Thür zu rütteln — sie schlug mit ihren kleinen Händen gegen die selbe, aber umsonst — die Thür wich und wankte nicht! .... „Gegen sein Schicksal vermag Niemand anzukämpfen," murmelte Milly erschöpft uud dann zündete sie ein zweites Streichholz au, um sich zu orientireu. Offenbar war sie in eine Bibliothek geratheu — zahllose Reih« von Büche« füllten die Gestelle, welche an all« vier Wänden staub« — in der Mitte de» Zimmer» stand eia mit Papier« bedeckter Schreibtisch uud aus allen Stühlen und Sesseln lagen Bücher und immer wieder Bücher. Ein Sopha war nicht vorhanden — ebensowenig vermochte Milly eine Lampe zu entdecken uud dazu war es bitter kalt, denn obgleich sie den Lad« wieder geschloffen hatte, strich die frische Nachtluft ungehindert durch die zer brochene Scheibe. Beim Schein des letzt« Zündhölzchens endlich erblickte Milly iu einem Winkel ein« zusammengerollten Reiseplaid — denselven hastig auftollend, wickelte sie sich iu die warme Hülle, legte den müden Kopf auf ein rasch improvifftte» Kiffen aus mehreren großen Büchern und war im nächsten Augenblick fest eingrschlaf«. Der trübe Wintermorgen war schon ziemlich weit vorgeschritten, al» sich die Thür des Zimmers, in wAche» Milly noch immer schlief, »icht eben leise öffnete, und ein junger Mann wie erstarrt auf der Schwelle stehe« blieb. Wie träumend griff er au seine Stirn — vor chm, auf dem Boden seine» Zimmer», den Kopf aus seine Bücher gelegt, in seine Felddecke eiugehüll», lag das junge Mädchen, dessen Bild ihn seit gestern beständig verfolgt, in tiefem Schlaf — die gol den« Locken rahmte» das rosige Gefichtchen genau so eia, wie er t» zuletzt im Liseobahncoupe erblickt uud was er anfänglich für ein Blendwerk seiner aufgeregten Phantasie gehalten, zeigte sich bei näherer Betrachtung al» entzückendste Wirklichkeit. Aber wie kam sie hierher — in sein verschlossene» Arbeitszimmer uud wer mochte sie sein? All' diese Fragen drängten sich ihm zu gleicher Zeit auf, und während er noch überlegte, ob er sich zurück- ziehea, oder die Schläfer« wecken sollte, schlug Milly die Augen aus und blickt« verwirrt umher. Im nächsten Moment indeß flog es wie nicht, seine Kunst am Abend vor den Lampen üben zu dürfen. Er zeigt sie vielmehr zu jeder Stunde des Tages, und hat es nachgerade außerhalb der Bühne zu einer noch viel erstaunlicheren Fertigkeit in der Darstellung fremder Charaktereigenschaften gebracht, als auf der selben. An ihm ist Alles, außen und innen, eitel Komödie und Schau spielerei. Er trägt eine Perrücke, ein künstliches Gebiß und falsche Wad«; und so wenig Vorzüge sein äußerer Mensch auch auszuweisen hat, so wenig echt find auch alle die trefflichen uud liebenswürdigen Eigenschaften, welche er im persönlichen Verkehr mit seinen Bekannten so demonstrativ zu Tage treten läßt. Er sagt sehr selten die Wahrheit, und er hat es noch niemals mit einem Menschen gut gemeint. Er ist neidisch heimtückisch, boshaft und ränkesüchtig; und nicht mit Unrecht sagt mau ihm «ach, daß er willig die größten Opfer dringen würde, wenn er dadurch nur einem seiner College« empfindlichen Schaden zufügen könnte. Man ginge ihm gm« aus dem Wege; aber seine persönliche Liebenswürdigkeit ist von einer zwingenden Gewalt, und der wackere Mann ist über dies selbst gegen die unverblümtesten Anspielungen so wenig empfind lich, daß es völlig unmöglich scheint, das verbindliche Lächeln von seinem wohlwollenden Gesicht zu vertreiben, und ihm die Lust an vertraulichem Geplauder zu vertreiben. (Schluß folgt.) Thalia-Theater. Ls geht die Sage, Johann Strauß componire seine ewig jugendfrischen Melodien auf dem Teppich seines Salons ruhend und die begeisternden Tropfen feurigen Schaumweins dabei schlürfend Diese Sage wird vielleicht nichts alseine Sage sein, aber sie ist erklärlich; muthen uns doch die reizenden Melodien des zu so außerordentlicher Volks- thümlichkeit gelangten wiener Komponisten selbst an wie perlender, prickelnder Champagner, wie ein Melodienmärchen, dessen glanzvoller Zauber die Sinne gefangen nimmt. Johann Strauß ist jedenfalls der melodienreichfie Tondichter der Jetzt zeit. Wenn auch seine vorgestern zum ersten Male hier aufgcsührte und gestern wiederholte neue Lperclte »Eine Nacht in Venedig" zahlreiche «nklänge an frühere Werke des „Walzerkönigs" aufweist, so bringt sie doch wiederum eine solche Fülle neuer und reizender Melodien, daß man sie zu den besten Nummern unserer gegenwärtigen Lperettenrepcrtoirs rechnen kann. Es läßt sich heute über Johann Strauß kaum noch Wesentliches sagen; man könnte einige Kleinigkeiten bemängeln, aber im Allgemeinen weiß man schon im Voraus, daß man von ihm als Lperettencomponist nur Gutes Beifallswürdiges zu erwarten hat. Heller Sonnenschein über ihr Gesicht — sie hatte den jung« Mann erkannt, uud, hastig aufspringend, sagte sie lächelnd: .Gott sei Dank — «blich ein bekannte« Gesicht — hoffentlich find meine Irrfahrt« jetzt zu Ende. Sie köuum mir sicherlich sag«, ob ich hier im Haufe der Familie Rutherford bin?' — .Gewiß find Sie da». Miß,' antwortete der jung« Manu lebhaft; .erlaub« Eie »ft, mich Ihn« al» den Sohn de» Hause», Leutnant Georg Rüther ford, vorzustellen.' — Dnulle Sluth stieg iu Milly'« zarte» Gesicht — also die» war der bewußte Bruder ihrer Freundin? — .Mein Na»e ist Milly Thor».' sagte sie dauu leise; .ich —' — ,O, wie wird sich meine Schwester ft««.' rief der Leutnant, „sie hat sehn süchtig auf ein« Brief, der ihr Ihre Ankunft melden sollte, gewartet — ich werd« Elisabeth sofort ruf« uud —' — Milly legte die Hand auf deu Arm de» Davoneileuden. — .könnte ich »icht erst Etwa» zu eff« erhalt«?' fragte sie halb beschämt, .ich bi» halb verhungert." — Der junge Maun stürzte hinan» uud kehrte gleich darauf iu Begleitung einer Dimerin, welche eiu Tadlet mit Speis« und dampfendem The« trug, zurück. Während Milly ihr« Hunger stillte, theilte sie ihrem Gegenüber »ft, iu welcher Weise ihre Weiter reise verlauf« sei, «ud Beide lochte, herzlich darüber. Jetzt erschien Elisabeth, durch die Dienerschaft vou Milly'» Eiu treffen benachrichtigt, athemlos uud schloß die Freundin iu die Arme, zugleich auf d« Bruder schelteud, daß er nicht einmal daran gedacht, die Halberstarrte in ein warme» Zimmer zu führen. Bald saß Milly im behaglich durchwärmt« Zimmer an der Seite ihrer Freundin uud berichtete lachend ihre Erlebnipe; der Leutnant vergaß Zeit und Stunde und erhob sich hastig, al» sein Vater ihn fragte ob er hmt« überhaupt noch in'» Bureau geh« werde . Das Räthsel der Nacht löste sich in höchst natürlicher Weise — Elisabeth war mit ihren Elte« auf de« Balle gewesen uud die Dieustbot« hatten die Abwesenheit der Herrschaft benutzt, um sich gleichfalls auswärts zu amüfir«. Die zur Bewachung de» Hauses zurückgebliebene alle köchiu war fiockstaub, uud diesem Zusammen treffen von fatalen Umständen hatte Milly ihr Abenteuer zu danken. Als Leutnant Rutherford, welcher nach Beendigung des Krieges mit deu Südstaat« den Dienst quittirt hatte und wieder ins väterliche Bankgeschäft eingetreten war, am Abend mit der Familie gewü'hlich beim Thee saß, bat er Milly mit ernsthafter Miene, ihm eiu genaues Verzeichniß de» Inhalt ihres Taschenbuches zu geben, damit er eine diesbezügliche Annonce erlaffen könne. Milly ward verlegen — sie erklärte mit stockender Stimm«, sich der einzelnen Gegenstände nicht mehr genau entsinnen zu können und meinte schließlich, sie glaube gar nicht, daß da» Buch noch zur Stell« kommen werde. Der Leutnant zog seine eigen« Schlüffe aus ihrer Verwirrung — offenbar war das Bild, vou welchem der Manu gesprochen, da» seines glücklichen Nebenbuhlers uud er hatte sein Herz verloren, ohne Hoffnung, ein anderes für dasselbe zu gewinnen. Indeß wußte er sich durch Elisabeth nähere Kennzeichen de» Taschentuches zu verschaffen uud fest entschlossen, wenigsten» das Bild seine- Rivalen kenne» zu lern«, that er die nöthig« Schritte zur Wiedererlangung de» Buche». Eines Morgens, nachdem der Leutnant sich ins Geschäft begeben, saßen Milly uud Elisabeth plaudernd am Kamin, al» plötzlich der junge Mann iu» Zimmer stürzte und athemlos rief: .Miß Thorn — hier ist das Buch uud —' — „Georg — ich glaube Du bist närrisch geworden,' fiel seine Schwester ihm lachend in» Wort. — .Es sollte mich nicht erstaun«, w«u Du Recht hättest,' versetzte der Leutnant mit kaum unterdrücktem Jubel in der Stimme und, sich zu Milly wendeud, die stumm vor sich niederblickte, sagte er inuig: „Milly — Sie wissen, wa» mich beglückt hat — werden Sie mir Finderlohn gewähren? — .Ich — ich weiß nicht,' stammelte Milly erglühend und seinem Blicke ausweichend. — „Nun — so muß ich Ihn« zu Hülfe komm« und meine Forderung präcifiren,' ries der j nge Mann mit glücklichem Lächeln ; „hier diese Photographie befand sich in Ihrem Taschenbuch uud meine Bitte geht dahin, mir zu ge statten, das Conterfei zu vernichten und da» Original als Ersatz au- zubieteu!" Welche Antwort Milly dem Bittenden «theilte, muß dem Scharf sinn unserer Leser zu erratheu übeilaffen werden; die Verlobung-- Anzeige indeß. welche wen ge Tage darauf den Freunden der Familie Thorn und Rutherford zuging, berechtigt zu der Annahme, daß dieselbe nicht ungünstig ausfiel. Elisabeth meinte lachend, Milly habe auf der ersten Reis«, welche sie ohne Begleitung unternommen, so viel Fährlichkeiten zu bestehen gehabt, dag sie sich nicht den Muth zu getraut, die Lebensreise ohne Begleiter zu machen, und diesem Umstand verdanke Georg sein Glück. (.Franks. Ztg".) Ta et". Von H. L- Die griechische Sprache besitzt keinen Ausdruck, welcher unseren modernen Begriff: „Tact" vollständig deckte; ob aber die A len trotzdem das Wesen desselben nicht weit klarer erkannt haben, als wir, die wir hinter schönen Definitionen uud Fremdwörtern nur zu Etwas anders gestaltet sich die Sache bei seinen beiden Textdichtern. Auch bei den Herren Zell und Genee weiß man im Voraus, was man zu erwarten hat, aber gewöhnlich ist dieses eiwas Dummes, Albernes. In ihrer ganzen Herrlichkeit als dichterische Purzklbaumschläger zeigen sich die beiden Herren auch wieder in „Eine Nacht in Venedig", deren Text an Abgeschmacktheit wenig zu wünschen übrig läßt. Man weiß nicht, ob man mehr den Muth bewundern soll, mit der die Herren unter ihrer wesentlich im Ansehen gesunkenen Dichterfirma so schlechte Waare in alle Welt hinausgehen lassen, oder ob man bedauern soll, daß so elende Verse in ein so frühlingssrisches, melodisches Gewand gekleidet sind. Die Aufführung der Operette war im Ganzen eine vortreffliche. Herrn Beesü hätten wir als Herzog von Urbino etwas mebr Feuer und etwas weniger Besorgniß um seinen Schnurrbart gewünscht, mit dem die Hand des Künstlers sich, wie wir auch schon bei anderen Aufführungen bemerkten, regelmäßig zu schaffen macht; eine kleine Angewohnheit, die nur der Erinnerung bedarf. Herr Endtresser war ein recht wackerer Leibbarbier im Spiel, gesanglich konnte man wiederum die Bemerkung machen, daß seine Stimme wohl in den mittleren Lag?» voll, kräftig und abgerundet ist, daß sie aber für die höheren Lagen nicht ausreicht und wo sie der Künstler dazu zwingen will, unschön klingt. Vortrefflich war dagegen Frl. Brentano als Annina. Die wohlgcschulte, auch in hohen Lagen von ihrer Rundung, ihrer frilchen Kraft und Reinheit nichts verlierende Stimme ist für die Partie der Fischers tochter wie geschaffen; das Spiel war tadellos. Eine ergötzliche Figur wußte Herr Holm als Maccaronikoch Pappacoda zu schaffen; er und Frl. Denkhausen, Barbaruccio's Frau, spielten mit köstlichem Humor und milder selten versagenden Gewandtheit, die wir bei Beiden gewohnt sind. Frl. Deckmann gab die Köchin Ciooletta, wie sie berliner Köchinnen zu spielen pflegt; ob die Küchenfeen der alten Laaunenstadl mit ihre» berliner Colleginnen so große Sehnlichkeit haben, wissen wir nicht, doch ist diese jedenfalls eine größere, als die Verwandtschaft der drei venetianischen Senatoren der O. «rette mit den wirklichen Röthen der berühmten Venetia. Die Herren Zell und Gem-e haben die jedenfalls äußerst geistreiche Laune gehabt, jene drei Gewaltigen als Idioten zu charakterisiren und sie wurden als solche Schwachköpfe nicht ohne Geschick von den Herren Fischbach, Stoll- berg und Franck gespielt. Ob der Siebenmeilenstiefelschritr des letzten Herrn nicht gar zu arg carricirt, wollen wir dahingestellt sein lassen; die drei Senatoren sind schon so vollständige Carricaturen, daß man sich vor jeder weiteren Uebertrebung zu hüten hat. Tie übrigen kleineren Rollen wurden in lobenswerther Weise gespielt. Ganz vortrefflich ist die Operette dem Stadtmusilcorps durch Herrn Kapellmeister Hache einstudirt. Auch die Jnscenirung war vorzüglich; namentlich in den außerordentlich malerischen Bruppirungen, die vorzüglich in der Täubchenscene des letzten Actes von überraschender Schönheit sind, zeigte sich Herr Tirector Karl als ein ebenso erfahrener wie talentvoller Regisseur. Johannes korvey. oft »usere Trägheit, deu Dingen auf den Grund zu gehen, verbergen, möge folgmde Anekdote lehr«: .So wäre eS also am geratheuflen, i« deu meisten Fällen zu schweigen,' sagte, schnell ihm in die Rede fallend, zu Pythagoras sein bevorzugtester Schüler Antisthene», .wen« Ihr sagt, Meister, daß da» Schwelgen eine größer« Knust sei, al» da» Reden.' „Eine größere Wohl,' «tgeguet« der Weise, „ist da» rechtzeitige Schweigen, al» da» blose Sprech«, aber eine weitaus kostbar«« Kunst ist e», zu red«, wann es am Platze ist und e» sich ziemt.' .Wann?' erwiderte feurig der Schüler. „Nun, wann mau gefragt wird, und wie? Nur imm«, wie es der Wahrheit gemäß ist.' .Du bast Recht,' versetzt« der Lehrer, „wer Dich fragt, dem darfst Du Deine Antwort nie schuldig bleiben; wie aber, weuu Du nicht gefragt wirst? Wirst Du daun in allen Fällen schweigsam sein und immer erst wart«, bi» man Dich fragen kommt? Müßt« die Menschen nicht all« stumm werd«, wie die Fische, wenn sie Deinem Rothe folgten? Und wa» da» Wie betrifft, so ist da», wa» Du gesagt hast, nicht falsch, ob eS aber da» erschöpfende Richtige ist, wirst Du bald erfahren.' .Wie!' rief der Schüler au», ihm iu die Rede fallend, .die Wahrheit sollte nicht ausreichend sein? Wa» giebt e» denn Höhere» als sie? Habt Jbr nicht selbst gesagt, mein Meister, daß keine Musik schöner uud harmonischer klinge, als da» wahre Wort, daß kein—" „Gemach!' unterbrach ihn der Lehrer, .komm', wir wollten ja deu Thurm besteigen, nun find wir augelangt. Laß' uns geh«, dft Gelegenheit wird Dir bald zeigen, bis zu welchem Grade Du Recht hast' Sie stiegen nun Beide, auf d« breit« frei« Treppe neben einander einherschreitend, die Stuf« hinan. Der Lehr«, obzwar noch sehr rüstig, setzte langsam und bedächtig die Füße und ging vornübergebückt, so daß eS den Anschein hatte, al» bereite ihm da» Hiuauffchreiteu große Anstrengung. Zugleich mit den Beiden schritt« noch andere Bürger, ältere und jüngere, die Stufen hinan, und da, wie schon bemerkt, unsere Beiden sehr langsam in die Höhe stiegen, so geschah e», daß sie fortwährend besonders von Jünglingen über holt wurden, welche behenderen Schritte» der Spitze deS Thnrme» eutgegeneilten. Hört, junger Sohn des PifistratuS,' rief da Pythagoras einem Jüngling zu, welcher hurtig zwei bi» drei Stufen mit einem Schritte nahm uud durch wohlgenährte rothe Wangen sich auszeichnet«. „Ihr werdet eh« auf dem Thnrme sein als ich." Ja,' sagte der Angeredete, indem er ohne anzuhalten sich um- wandte, weil Ihr langsamer geht als ich ' „Ist da» nicht die klare Wahrheit?' wandte sich der Weise au seinen junge« Begleiter, ohne die Antwort abzuwarten. „Hört, junger Sohn des Antisthenes, redete Pythagoras einen Zweiten au mit langer Oberlippe uud stark hervortreteudem Unter lief«, welcher zwar eine Stufe übersprang, aber mit so steifem Nacken einherging, als wäre er eben zu Olympia mit dem erst« Preise ge krönt worden. .Hört, Jüugling, Ihr werdet eher die Spitze deS ThurmeS erreicht haben, al» ich.' Ja," erwiderte der Augeredete, indem er wohlgefällig lächelnd ich zur Seite wandte und d« Hals noch steifer hielt, .da» kommt daher, weil ich gewandter bin als Ihr.' Ist das nicht die klare Wahrheit?" sagte der Weise zu seinem Schüler, wiederum ohne dessen Antwort abzuwart«. Bei dem Sohne des Chrhsopowpo» und Agrfilaos wiederholte Pythagoras seine Anrede. Dn Erster« erwiderte: „Ja. Alt«, dafür bin ich auch ein Jüugling," während der Letztere, gntmüihig aber nicht sonderlich klug dreinschaurnd, die Antwort gab: „Ja, ja, daS Greisenalter hat Euch schon recht schwerfällig gemacht.' Siehst Du, mein Sohn,' begaun jetzt der Wte indem er steh« blieb: „Sagen sie nicht Alle die klare Wahrheit? Und doch — doch sieh', dort kommt Cleombrotos, der Sohn des Oeuonaos, sieh', wie bleich er ausfieht, er scheint ein Leid zu tragen." Bevor Pythagora» seine Anrede wiederhol« konnte, hatte der Heraufeilende den Alten bemerkt, der langsam weiter gestiegen war» uud indem er sogleich de« schnellen Schritt mäßigte, rief er ihm ent gegen : „Seht, seht, Alter, wie rüstig Ihr noch seid mit Euren Jahr«, wie mögt Ihr gespmngen sei», als Ihr noch Jüngling wäret!" — Wie tactvoll!" sag« Sie, meine verehrtest« Äserin; lasten Sit uns hör«, wie der Grieche, dem solch bequeme Worte fehlten, sich ausdrückte: — Freudig lächelnd drehte sich der Alte nach seinem Begleiter um, der mit wohlgefälliger Ueberraschung die Worte des Cleombrotos ge hört hatte und sprach: „Ist das Lüge, wa-Cleombrotos gesagt hat? Oder ist es blose Wahrheit?" Nein!" sagte der Schüler mit Begeisterung, „wahr ist e», was er sagte, aber nicht die kalte Wahrheit allein. Nein, was er sprach, war die Wahrheit, beseelt von dem warmen Hauch dn Menschenliebe." Wahrhaftigkeit, beseelt von Menschenliebe, das, meine verehrtest« Leserin, ist der Inhalt deS Begriffes, den wir mit dem Fremdworte Tact" bezeichnen Aus Kunst und Leben. — Das Gastspiel des Berliner Deutschen Theaters begann im Prager Deutschen Landes-Theater unter der Regie vvn Kainz und Kadelburg mit „Romeo". Der Vorstellung begegneten Schwierigkeiten, da die Damen Geßner und Jürgens wegen Erkrankung ausblieben. Ersatz wurde aus Wien und aus Hamburg geschaffen. Die Vorstellung hatte einen großartigen Erfolg. Kainz als „Romeo" wirkte besonders interessant durch seine Natürlichkeit und Leidenschaft- Er wurde zwanzig Mal gerufen. — Für las Weberdcnkmal sind, wie aus Eutin gemeldet wird, bis jetzt erst 6500 Mark eingegangen. — Ein Ledrer in Baiern, welcher von Bienen überfallen wurde, ist an den giftigen Verletzungen gestern gestorben. Der herbeigerusene Arzt entfernte aus seinem Körper 12lO Stacheln Es war eine Rettung des Verletzten nicht möglich. — „Quäle nie ein Thier zum Scherz." In den letzten Tagen verstarb in Potsdam eine Wiltwe, welche ihr Vermögen von etwa 60 000 Mk. an Leute vermacht hat, deren Treiben sie im Stillen ihren Beifall gezollt hat. Tie Beglückten sind meist Leute aus der Nachbarschaft, welche sie vom Fenster aus beobachtet hat. Außer ihrem Dienstmädchen, welches 15000 Mark und die Wirthschaft erhält, soll sie meist Legate vo» 1500 Mark auS- geietzt haben. Einem der von ihr Begünstigten hat sie daS Anfangs aus- gesetzte Erbe wieder entzogen, weil sie gesehen, daß er eine Katze miß handelt hat. — „Ich habe vor," sagte ein talentloser Schriftsteller, der hoch hinaus will, „jetzl irgend etwas zu schreiben, was noch nie Jemand geschrieben hat und was außer mir Niemand schreiben dürste." — „Dann kann eS nur eine günstige Kritik über Ihre Werke sein!" ries ein College boshaft. — „Ich begreife Ihre Unruhe nicht," sagte ein Kaufmann, der seinem Kommis schon eine Weile das Salair schuldig geblieben, „Sie wissen doch, daß Ihre Gage weilerläuft." — „Das ist es ia eben." erwiderte der Be fragte, „ich fürchte, sie nicht mehr einholen zu können." — Zu einem Frankfurter Arzte kam in voriger Woche ein Mann und ichel'te. Der siebenjährige Sohn des Arztes öffnete und fragte nach dem Begehren. „Ich wünsche den Herrn Doctor zu sprechen." — „Bedaure, er ist nicht zu HauS." — „Das thut mir sehr leid." — „Was fehlt Ihnen denn?" — „Ich bin heiser und habe Brustschmerzen." — „Ach, da kann ich Ihnen helfen," erwiderte tröstend der Knabe. „Ich leide auch öfter» daran Nehmen Sie, was ich selbst brauche: heiße Milch, Ihun Sie Emser Waffer dazu und trinken Sie das dreimal täglich. In acht Tagen kommen Sie wieder." — Ter Mann ging fort, gebrauchte das ihm von dem kleinen Arzte verordnet« Mittel und genas. Gestern kam er wieder und stattete dem kleinen Arzte seinen Tank ab. — An der Tablv ck'dSto in einem großen Hotel sitzt auch ein Bäuerlein- Ein ihm gegenüber sitzender Herr befestigt eben die Serviette an seinem Halse. Als der Bauer dies sicht, sagt er ganz erstaunt: „Min Jcscs, will hei sek denn erst rasiren laten?" Redacteu«: Franz Götze und Henry Wiethake-K orvey. (Für deu redaktionellen Theil verantwortlich: Franz Götze i» Ehnmitz.) — Dr;-ck und Verlag von Alexander Wiede in Lhrowitz. WM
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