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Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser unternahm am Freitag Morgen einen längeren Spczierritt in die Umgegend von Potsdam und erledigte nach der Rückkehr von demselben Regie- rungsangelegenheiten. Später empfing der Monarch den badischen Geh. Hofrath Professor Or. Kraus. ! Am Nachmittage wohnte Se. Majestät dem Adlerschießen l beim 1. Garderegiment z. F. mit der Kaiserin und den königlichen Prinzen und Prinzessinnen bet. Heute Sonnabend wird sich der Kaiser über Berltu nach Cunnersdorf begeben und auf dem dortigen Artillerie schießplätze Schießversuchen beiwohnen. Bon dort zu rückgekehrt, wird derselbe den Nachmittag über in Berlin verbleiben und im Schlosse Vorträge entgegen nehmen. Man spricht erneut von einer Höflichkeits begegnung zwischen dem Kaiser und Fürst Bismarck. Der Chef des großen Generalsstabes der Armee, Generallieutenant Gras Schliessen, ist zum General- adjutanten des Kaisers ernannt worden. Die in den Ahlwardtschen „Judenflinten" er hobene Anklage finden durch eine Unterredung, welche ein Mitarbeiter der „Hart. Ztg." mit dem Vorsitzen den der sächsischen Gewehrprüfungscommisfion, Oberst Thierbach, hatte, eine bemerkenswerthe Beleuchtung. Nach dem genannten Blatte erklärte bei dieser Unter redung Oberst Thierbach: „Die Löweschen Gewehre find durchaus gut. Unsere Armee ist völlig schlag fertig. Richtig ist es, daß einige Flinten (nicht Löwesche) gesprungen sind. Das lag aber nicht an den Waffen, sondern an einem geringen Fehler bei der ersten Her stellung der Munition. Da ist es vorgekommen, daß einzelne Patronen nicht gut schossen und Pulver ver loren. Natürlich hatte nun der Schuß nicht die nöthige Kraft; das Geschoß blieb im Lauf stecken und dieser mußte springen, sobald der zweite Schuß abgegeben wurde. Dazu genügt auch eine bloße Platzpatrone. Daß die Büchsenmacher In der Löweschen Fabrik Arbeits- Material mit nach Hause nahmen, daß einzelne Herren Gewehre geschenkt erhielten, kurz, alle jene „Thatiachen", welchen die Ahlwardtschen Zeugen so große Wichtig keit beilegen, sind von gar keinem Belang. All' das ist überall, auch in den staatlichen Werkstätten, gang und gäbe und hat mit Bestechung nichts zu thun. Selbstverständlich versuchen auch überall die Arbeiter, welche im Stücklohn stehen, kleine Fehler zu verbergen. Jndeß ist allenthalben die Controlle so streng, daß der artige Versuche mißglücken. Die Hauptsache ist und bleibt, daß unsere Gewehre gut und kriegstüchtig sind. Wir haben hier in Sassen nach dem Erscheinen der Ahlwardtschen Broschüre sofort einen Theil der Löwe schen Gewehre nachgeprüst, dieselben aber durchweg für gut befunden. Die anfänglichen Mängel unserer Muni tion sind nunmehr beseitigt. Em Fehler bei einer größeren Anzahl von Gewehren, der sich bet der Ab nahme herausstellte, ist gehoben. Es hatten nämlich eine Anzahl Flinten zu scharfe Ränder, welche den Siechmantel des Geschosses beschädigtem. Dieser Man gel beseitigt sich zwar von selbst dadurch, daß ein paar Schüsse aus dem Gewehr abgegeben werden. Jndeß wurden doch die Gewehre der Fabrik zurückgeliefert unv es wurde ausdrücklich angeordnet, daß dem Uebel stand durch Schmiergeln abgeholfen werden sollte. Die Ahlwardtschen Zeugen haben aus diesem Umstande un geheures Kapital geschlagen, ebenso aus der anderen Thatsache, daß dergleichen beschädigte Geschosse im Ge wehrlauf leichte „Kritzel" veranlaßten. (Ahlwardt und seine Gewährsmänner haben Sprünge daraus gemacht.) Es ist aber, wie gesagt, das Alles von gar keiner Be deutung und nicht geeignet, die Güte der Gewehre irgendwie in Frage zu stellen." In dem Beschluß, durch den die 5. Strafkammer des Berliner Landgerichts I die Freilassung Ahl- ward t'S gegen Bürgschaft von 10,000 Mk. verfügt, heißt es: „Nach dem bisherigen Ergebniß der Vor untersuchung ist ein wesentlicher Theil der Behaup tungen des Angeschuldigten — (nach denen Kühne und Löwe wissentlich dem Kriegsministerium minderwerthige Gewehre in großer Anzahl geliefert haben sollen) — wenigstens insoweit für wahrscheinlich gemacht anzu sehen, daß zur Zeit und vor Abschluß der Vorunter suchung sich jene Beschuldigungen keineswegs als nicht erweislich wahr bezeichnen lassen. Es wird vielmehr unter allen Umständen dem Angeschuldigten zugegeben werden müssen, daß er schwerwiegende Gründe halte, jene Angaben für wahr zu halten und dieser Annahme entsprechend zu handeln." Die deutsche Ansiedlungscommtssion in Posen erwarb von dem Grafen Leo von Skorzewski dessen tm Kreise Schweiz gelegene Herrschaft Bukowiec mit den Vorwerken Branitz und Franzdorf und dem Rit teraute Schewienko. Die GesammibodenfläLe umfaßt 2253 Hektar. Der Kaufpreis beträgt 930,000 Mk. Die Retchscommisfion zur Reform der Börsen- Einrichtungen wird zunächst ohne Unterbrechung In Berlin ihre Arbeiten sortsetzen. Ein Abschluß ist Indessen bis jetzt noch nicht abzusehen, und der Gedanke, den letzteren erst im Herbst herbeizuführen, scheint noch nicht aufgcgeben. Jedenfalls erscheint es zweifel haft, ob die Ergebnisse der Erhebungen schon für die nächste Reichstagssesfion gesetzgeberisch zu verwerthen fein möchten. Nach telegraphischer Meldung aus Ostafrika vom 3. Juni ist Emin Pascha wohlbehalten in Bukoba, der deutschen Station am Btctorta-See angekommen. Wenn auch die Meldung des Berichterstatters Eugen Wolff von dem angeblichen Tode Emins erst vom 8. Juni datirte, so stammt sie doch sicher aus einer be- deutend früheren Zett, denn sie kam nach Zanzibar vnn Mombassa. das keine so rasche Verbindung mit dem Victoria-See besitzt, wie Bukoba mit Dar-eS- Salaam. Der Gesammtvorstand des Allgemeinen Deutschen Verbandes nahm am Donnerstag eine Resolution zu Gunsten einer Weltausstellung in Berlin an, von der er eine Steigerung des deutschen Selbstbewußtseins und eine Stärkung des deutschen Nationalgefühls erwartet. Der geschäftsführende Ausschuß wurde wieder gewählt, darunter Or. Mehnert-Dresden. Das preußische Herrenhaus berteth am Freitag den aus dem Abgeordnetenhause herübergekommenen Ent wurf betr. die Lehrergehälter an den nichtstaatltchen höheren Lehranstalten und nahm mehrfache Aenderungen vor. Der Entwurf muß also an das Abgeordneten haus zurück.) In der Freitagssitzung des preußischen Abge ordnetenhauses wurde das Tertiärbahngesetz in dritter Lesung berathen. Abg. Rickert (freis.) erklärte, seine Partei werde für die.Vorlage stimmen. Redner ersuchte den Minister um sachliche und praktische Aus führung des Gesetzes. Eisenbahnmtnister Thielen gtebt diese Versicherung bereitwilligst ab. Auch die Abgg. von Bismarck (cons.), Or. Hammacher (natl.), vr. Bödicker (Ctr.) sprachen sich für das Gesetz aus und hoffen von demselben heilsame Wirkungen. In der Specialberalhung werden alle Paragraphen im Wesent lichen nach den Beschlüssen der zweiten Berathung an genommen und darauf einstimmig das ganze Gesetz. Hierauf werden noch Petitionen erledigt, und zwar meist solche lokalen Characters. Nächste Sitzung: Sonnabend 11 Uhr. (Berathung der vom Herren hause obgeänderten Gesetzentwürfe betr. die Militär- anwärter und die Lehrergehälter an den nichtstaatlichen höheren Lehranstalten. t^enerreich-Urigaru. Aus Wien wird bezüglich der bevorstehenden Ankunft des Fürsten Bismarck berichtet: der aus Reichsdeut schen bestehende Verein „Niederwald" erhob beim dortigen Polizeipräsidenten Vorstellungen wegen des er folgten Verbotes korporativer Theilnahme beim Empfange des Fürsten Bismarck; dem Ansuchen wurde aber keine Folge gegeben, weil der Perron überhaupt abgesperrt bleiben wird. Frankreich. In Savoyen sollen strategische Etsenbahnbauten vorgenommen werden. Die Dahomeykrteger werden den Franzosen jetzt in ihren westafrikanischen Besitzungen verzweifelt un angenehm. Es soll jetzt eine Blokade der ganzen Küste beginnen, um die Lieferung von Waffen an den Dahomeykönig unmöglich zu machen. Italien. Das italienische Königspaar ist Freitag Abend nach Schloß Monza zwischen Mailand und Como ge reist, von wo am Sonntag Nachmittag 3 Uhr die Reise nach Potsdam angetrcten wird, wo die Ankunft bekanntlich Montag Abend erfolgt. Die Rückreise nach Monza von Potsdam erfolgt am 25. Juni. Rufflaud. Kaiser Alexander von Rußland bleibt vorläufig noch in Dänemark, wo er sich immer sehr behaglich, und auch sicher, fühlt. Seine Ankunft in Petersburg wird erst in zwei Wochen erwartet. Der Thronfolger Nikolaus ist dorthin schon vorausgeretst. Nach einer Meldung aus Warschau erließ der General gouverneur von Polen eine Verfügung, daß alle Meister und Obermeister in den Fabriken fortan des Russischen mächtig sein müssen. Wer es nicht ist, muß seinen Posten spätestens am 1. Januar 1893 niederlegen. Es zeigt sich, daß die ohnehin schon ziemlich trägen russischen Bauern in einzelnen Gegenden kaum noch zu bewegen find, den Acker zu bestellen. Die Leute find tm vorigen Nothjahr außerordentlich verwildert. Minister von Giers unternimmt demnächst eine längere Erholungsreise ins Ausland. Montenegro. Fürst Nikolaus von Montenegro scheint zur Zett etwas zu forsch zu regieren, denn es ist außer Zweifel, daß in dem kleinen Lande die Unzufriedenheit mit dem väterlichen Regiment des „einzigen Freundes des Czaren" zu einer recht bedenklichen Höhe gediehen ist. Es werden ganz tolle Geschichten erzählt, die doch wohl stark über trieben zu sein scheinen, wenn auch tm Orient bekannt- ! ltch mancherlei möglich ist, die aber auf böse Ereignisse I htndeuten, wenn auch nur ein geringer Thetl wahr ist. Eine Revolution in den schwarzen Bergen ist bisher allerdings noch nicht dagewesen, aber darum kann fie doch kommen. Portugal. Der scharfe Protest des deutschen Vertreters gegen die portugiesische Bankerottmacherei hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Man sagt, es werde erwogen, ob nicht den Gläubigern etwas mehr zugestanden werden könne. Hoffentlich kommt bet diesem Erwägen auch wirklich etwas heraus. Asien. Der ungeheuren Feuersbrünste in Tokio und anderen japanischen Städten ist man endlich Herr geworden, allein da die angestellten Untersuchungen nachgewtesen haben, daß die Brände von Frevlerhand veranlaßt worden, fürchtet man weitere verheerende Brandstiftungen und das Vorhandensein geheimer Verschwörerban den, deren Umtriebe gegen die bestehende Ordnung und Regterungsform gefährlichere Ausdehnung annehmen dürften. Der Geist abendländischen Kulturfortschrittes, den die Regierung begünstigt, ohne daß sie selbst auf Willkürsschrttte ihrerseits verzichtet, ist der noch immer Gährung erzeugende Sauerteig, der besonders die unteren Volksschichten in Spannung erhält und noch auf lange hin die Abklärung aller Verhältnisse des neuen Japans verhindern wird. Zu allen politischen Verwicklungen und Unruhen treten nun auch die Aus geburten abendländischen Speculationsfiebers, wie Bör senspiel und Monopolgelüst. Amerika. Die schon so häufig in die Erscheinung getretene Erbitterung zwischen italienischen und nord- amerikanischen Arbeitern hat sich wieder einmal bemerkbar gemacht: In Seattle tm Staate Wa shington wurde ein Werkmeister Nelson, welcher bei der Monte-Christo-Eisenbahn die Aufsicht über die italie nischen Arbeiter führte, von vier Italienern mit einer eisernen Stange todtgeschlagcn. 60 Freunde Nelsons ergriffen hierauf die vier Schuldigen und knüpften fie an den nächsten Bäumen auf. Einzelne Zeitungen hatten aus Chicago sich melden lassen, dort fei bereits die Nachricht etngegangen, daß der deutsche Kaiser die Weltausstellung besuchen werde. Von diesem Gerede ist nlHls wahr. Die argentinische Republik gedenkt ebenfalls ihren Gläubigern die Zinsen zu kürzen. Es sollen zwei Prccent gewährt werden. Auch von den Papieren dieses edlen Staates ist eine Masse tm deutschen Reiche unter- gebracht. Aus dem Muldenthale. *Waldt«burg, 18. Juni. Schon mehrfach haben wir von Unglücksfällen zu berichten gehabt, die durch Radfahrer, welche den Glauchauer Berg hinabfuhren, verursacht wurden. Jener Straßentheil wird mit Vor liebe von Radfahrern benutzt, um sich im schnellen Fahren zu zeigen, obwohl erhebliche Gefahr auch für den Radfahrer selbst damit verbunden ist. Auch heute Mittag hat sich an jener Stelle wiederum ein Unglücks fall ereignet. Ein Radfahrer aus Limbach fuhr mit großer Schnelligkeit den Berg hinab und, da er da» Rad nicht zu halten vermochte, in eine Schaar spielender Kinder hinein. Einem Knaben fuhr er hierbei über Oberschenkel und Unterleib und einem 3jährigcn Mäd chen über die Beine. Das Mädchen blutete an meh reren Stellen. Ein Hinweis, den Glauchauer Berg hinab nicht mit dem Rade zu fahren, wäre im Interesse der Fahrer selbst, die schon ost dort von ihren stählernen Rossen geflogen sind, sehr am Platze. *— Im Inte reffe unserer Kinder, welche in Gärten und öffentlichen Anlagen umherstreifcn und gar oft der Aufsicht junger, unerfahrener Wärterinnen unterstellt sind, die sie Kränze winden und Blumen pflücken lassen, weisen wir wiederholt auf den so häufig als Zierstrauch vor kommenden Goldregen bin, dessen goldgelbe Trauben jetzt überall ihre volle Pracht entfalten. Dieser farben- schöne Busch ist in allen seinen Theilen giftig, und zwar in so erheblichem Maße, daß Kindern, wie es schon oor- gekommen ist, das Spielen mit Blüthen, Blättern oder unreifen Früchten leicht schädlich werden kann. Gleich den Akazienblütben enthalten auch die Blüthen des Gold regens viel Honig und werden von Kindern gern ausge sogen. In allen Theilen des Goldregens ist eme der stärksten Pflanzenbasen, das Cytisin, enthalten, welches scharf giftig ist. Die halbreifen Samen enthalten dieses Gift, Io daß schon der Genuß einiger Körner genügt, um erhebliches Unwoblsein zu veranlassen; größere Mengen wirken sogar tödtlich. Wenn auch in den Schulen die größeren Kinder auf giftige Pflanzen hingewiesen werden, so dürsten im Interesse der kleinen immerhin besondere Vorsichtsmaßregeln am Platze sein. *— Der Stand der Saaten im Königreich Sach sen ist nach den jetzt vorliegenden amtlichen Berichten fast überall befriedigend. Die Mehrzahl der Berichte I giebt der Meinung Ausdruck, daß nach dem jetzigen I Saaienstande eine reiche Mittelernte zu erwarten ist. Auch die Kartoffeln haben sich sehr schön entwickelt und versprechen eine gute Ernte. *— Der 27. öffentliche Bezirkstag des Bezirksver- bandes Glauchau findet Dienstag, den 28. Juni e-, nachm. 3 Uhr im Verhandlungssaale der kgl. Ämts- hauptmannschaft Glauchau, Königstraße 3 daselbst, statt.