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Nr. 177. — 8. Jalirnarifl. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgende» Tages) zur Beriendmig gelangende „Sächsische LauvcS-Viizcigcr" mit täglich einem besonderen Unter» Haltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich70Psg., bei de»Post-Anst. 7b Ps. (1888er Ztgs,.Preisliste Nr. 5035.) rSbonnenten erschelntjecinmal imJahr: ,omuier-Ciskubuhufahrl>laii>>eft für Sachse». WInter.Eiscubahnfnhriilaubeft für Sachsen. Jllustr. Kalender des Sächsische» Landboten. IllustrirlcsJahresbuchdeSLandes-ilnzeiaer-. SSchsischer Miies-An-riM mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Mittwoch, 1. August 1888. «izelgenpreisder.,Stichs.' Kaum einer schmalen To. Bevorzugte Stelle (Isvalt. BeiWiederholnng großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle matt Jnsertionsbetrag (in Briefmarken) beifügen ne 8 Silben Corpnsschrift bilden ca. 1 Zeile.) Nnuoncenannahme nur bis Vormittag. Nck«: stltllickl Witte. Buchbrnckerei. Chemnitz. Theaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr. 1 Telegr.-Adr-: Landes-Anzeiger, Tl Mit täglich einem besonderen Unterhnltnngsblatt: i. Kleine Botschaft - 2. Sächsischer Erzähler - 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 5. Illnsirirtes Unterbaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lnsiiges Bilderbuch« Amtsgerichtliche Bekantttmachttttaen. Das im Grnndbnche auf den Namen Carl August Ferdinand Edel eingetragene Grnndstäck, Haus und Feld, Nr. 60 und 101 des Flurbuchs, Nr. 1711(1511) des Braudkatasters, Foliuni 126 des Grundbuch; für Eiben» barg, geschätzt auf 6050 Mk., soll im hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werden und ist der l4. August 1883 Vormittags 10 Uhr als Verstcigerungs- termiu, sowie der 22. August 1888 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Ver kündung des Vertheiluugsplaus anbcraumt worden- Eine Uebersicht der auf dein Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann in der Gerichtsschreibcrci des Unterzeichneten Amtsgerichts cingesehen werden. Chemnitz, am 21. Juli 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichtea. Vom 30. Juli. Wien. Der preußische Gesandte am Vatikan, Herr v. Schlözer, setzt vvn hier ans in wenigen Tagen seine Reise nach Berlin fort. — Am Hofe des Primas Timor von Ungarn ist eine förmliche Palastrevolution ansgebrochen. Paris. Heute wurden neue Exccsse seitens der Streikenden befürchtet; cs ist auch ein Streik der Abbruch-Arbeiter angekündigt. Der Stillstand mehrerer Bauten hat die gezwungene Arbeitslosigkeit vieler Maurer zur Folge. Kopenhagen, 31. Juli Mittags. Bei dem gestern Abend zu Ehren der Anwesenheit des Kaisers Wilhelm i„i Palais Christian VII. abgchaltenen Gala-Diner saß der Kaiser zwischen dem dänischen Königspaar. Der König dankte für den ehrenvollen Besuch und trank auf das deutsche Kaiserpaar und das Kaiserhaus. Kaiser Wilhelm dankte für den herzlichen Empfang und irank auf das dänische Königspaar und Königshaus. Beide Trinksprüche wurden in deutscher Sprache ausgebracht. Nachts 11 Uhr begab sich der Kaiser an Bord der „Hohenzollern", welche heute bei Tagesanbruch »ach Kiel abscgelte. Kopenhagen, 31. Juli, 1 Uhr 10 Min. Das deutsch' Kaiser-Geschwader passirte heute früh 5^ Uhr, die Yacht „Hohen zollern", auf welcher sich Kaiser Wilhelm befand, 7-/2 Uhr auf der Fahrt von Kopenhagen nach Kiel den dänischen Küstenort Dragör. Politische Rundschau. Chemnitz, den 31. Juli. Deutsches Reich. Der Kaiser in Kopenhagen. Der Kaiser ist Montag Vormittag V2I2 Uhr mit dem deutschen Geschwader glücklich in der dänischen Hauptstadt angekommcn, König Christian hatte seinen hohen Gast mit einer Kriegsflottille persönlich eingeholt. Als sich aus der See das deutsche und das dänische Geschwader einander näherten, salntirte ersteres, worauf das letztere antwortete. Sodann begab sich der König in Begleitung des Kronprinzen auf einer Schaluppe von seinem Schiffe „Dancbrvg" zu der „Hohenzollern". Um 9 Uhr Bormittags legte die Schaluppe an die Fallrcepstreppe der „Hohenzollern" an, wo Kaiser Wilhelm erschien, worauf die dänischen Herrschaften die Kaiserhacht bestiegen. Die Begrüßung erfolgte unter Kuß und Umarmung, während gleichzeitig die dänische Flagge am Fockmast des „Hohenzollern" cmporsticg. Nach einem kurzen Aufenthalt begaben sich der König und der Kronprinz wieder auf den „Danebrog", welcher »ach Kopenhagen zurücküampfte. Während der Begegnung der beiden Geschwader führten alle deutschen Schiffe die dänische Flagge am Großmast und Paradirten auf beiden Flotten die Mannschaften unter Hochrufen. Bei der Landung in Kopenhagen wurden der Kaiser und Prinz Heinrich vvn der ge- sammten dänischen Königsfamilie herzlich begrüßt, während die Musik der Ehrenwache das „Heil Dir im Sicgerkranz" spielte. Auch die Königin Louise, die Kronprinzessin und die Prinzessin Waldemar von Dänemark waren bei der Begrüßung zugegen, außerdem die Hofstaate», Minister, städtische Behörden rc. An der Landestclle war ein prächtiger Pavillon und eine Ehrenpforte errichtet. Nach dem Abschreiten der Ehrenkompagnie erfolgte unter der Eskorte vvn Husaren die Fahrt durch die Straßen der Hauptstadt nach dem Schlosse Amalienborg. Einem späteren Telegramm entnehmen wir: Der Kaiser und Prinz Heinrich sahen stark gebräunt ans. Bei dem Einlaufen des deutschen Geschwaders wurden die Kanonen gelöst und die Zuschauer brachen in Hurrahrufe ans. Der Kaiser, der Marine-Uniform nnd das Band des Elephanten-Ordens trug, fuhr in einer dänischen Kricgsschaluppe ans Land. Der König Christian, mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens, der seinem Gaste voransgccilt war, begrüßte ihn ans das Herzlichste; der Königin küßte der Kaiser zweimal Hand und Wange. Die Herr schaften traten darauf unter das roth und weiß ausgeschlagene Empfangszclt, wo die Begrüßung sich erneuerte. Dem Kommandeur der Ehrenwache drückte Kaiser Wilhelm nach dem Abschceiten der Front die Hand. Nun erfolgte unter anhaltenden Zurufen der Menge die Fahrt in die Stadt. Den Zug eröffncte eine Hnsareneskorte, dann folgte ein Sechsspänner mit den Majestäten, ein zweiter Wagen mit dem Prinzen Heinrich, dem Kronprinzen nnd dem Prinzen Waldemar von Dänemark, ein dritter mit dem Grafen Herbert Bis marck und dem dänischen Minister des Auswärtigen, sodann das Ge folge. So ging es durch die dicht gedrängte, jubelnde Menschen menge. Die Damen waren vorausgefahren. Schloß Amalienberg besteht aus vier einzelnen Schloßgebänden mit alterthümlicher Fahnde, deren eines die Winterresidenz des Königs bildet. In dem Palais Christians VII. »ahm Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen Heinrich Wohnung. Die Räume liegen parterre. Sie umfassen ein Vorzimmer, ein Kabinet, Salon, Rauchzimmer, Schlaf- und Toilettcuzimmer. Auch Prinz Heinrich und Graf Herbert Bismarck wohnten parterre. Mittags fand nach der Vorstellung im Schlosse Dejeuner im Ritter saal des Nesidcnzpalais statt. Nachmittags wurde eine Ausfahrt unternommen, bei welcher die Majestäten von der Bevölkerung auf das Herzlichste begrüßt wurden. Abends 7^ Uhr war Galadiner im Palais Christians VII., bei welchem der König auf die Gesund heit seines Gastes trank, worauf der Kaiser dankend antwortete. Nach der Tafel findet die Rückfahrt nach dem Hafen statt, da der Kaiser die Nacht an Bord des „Hohenzollern" zubringen will, um Dienstag mit Morgengrauen die Neise nach Kiel fortzusetzcn, Ivo die Ankunft -»m Abend erfolgen soll. Der Kaiser besteigt unverzüglich den Zug, mit welchem er am Mittwoch wieder in Potsdam cintrifft. — Die persönliche Erscheinung des Kaisers hat ans die Dänen einen recht gute» Eindruck gemacht. Die am Sonntag noch etwas reservirtc Stimmung ist recht theilnehmcnd geworden, auch die meisten Blätter äußern sich in diesem Sinne. Großer Fremdcnzuflnß war bemerkbar. — Nach den bisherigen Dispositionen wird Kaiser Wilhelm nun doch heute Dienstag Spätabend von Kiel beim Fürsten Bismarck in Fricdrichsrnhe eintrcffen und dort die Nacht verbleiben. Am nächsten Morgen erfolgt dann die Fahrt nach Potsdam. Im Laufe des August gedenkt der Kaiser auch seine vier Söhne in Oberhof in Thüringen zu besuchen. — Bei dem Verinählungsprojecte einer prenßischcn Prinzessin mit dem russischen Thronfolger soll es sich nicht um die Prinzessin Margarethe, die jüngste Schwester des Kaisers, sondern um die zwcitjüngste, Prinzessin Sophie, handeln. Prinzessin Margarethe soll die künftige Braut des Kronprinzen von Griechen land sein. — Aus der Umgebung der Kaiserin Friedrich wird kategorisch erklärt, daß alle die Geschichten von verschwundenen Papieren Kaiser Friedrichs einfach Lügen sind, rein gar nichts ist wahr. Der Ver kehr der Kaiserin mit ihrem Sohne ist so herzlich, wie er nur je gewesen ist. Der Kaiser telegraphirte seiner Mutter häufig von seiner Reise. — In München wird die Eriiincrungsfeier an König Ludwig I. vvn Bayern, die bekanntlich um 2 Jahre verschoben worden war, unter ungeheuerem Andrang gefeiert. Am Sonntag Abend fand die Aufführung eines von Hans Hopfen gedichteten Festspieles statt, zu welchem der gesammte Hof mit dem Prinz-Regenten erschienen war. Die im Stücke vorkommenden Worte „Ein guter Bayer ist auch ein echter Deutscher" wurden mit lebhaftem Beifall ausgenommen, ebenso am Schluß die Apotheose. Das übervolle Haus sang stehend die Nationalhymne. Am Montag früh wurde von allen Kirchen der Stadt geläutet, Militärkapellen bliesen von den Thürmen herab. In der Basilika, in welcher König Ludwig I. begraben liegt, legten der Regent, die Mitglieder der königlichen Familie, zahlreiche Depu tationen im Beisein des päpstlichen Nuntius, des diplomatischen Corps und des Festcomitees prachtvolle Kränze am Grabmal des Gefeierten nieder. Hierauf hielt der Erzbischof ein Hochamt, wobei die Musik von der königlichen Kapelle ausgesührt wurde. Die Stadt prangte im herrlichsten Festschmuck, das Wetter war prächtig, der Festjubel großartig. ( — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine kaiserliche Verord nung betr. die Rechtsverhältnisse im Schutzgebiete von Neu - Guinea. Italien. Die italienische Regierung hat den europäischen Mächte» in offizieller Weise erklären lassen, daß sie cndgiltig von dem Gebiet von Massauah Besitz ergreife. Sie beruft sich vornehm lich ans das Vorgehen der anderen Staaten, welche der Türkei zur „Anfrechterhaltung der Ordnung" Gebietstheile abgezwackt haben Alle diese Ausführungen beweisen aber nicht das Recht Italiens, sondern constatiren nur, daß, wer die Macht hat, gegenüber der Türkei auch Recht hat. Wenn etwa ein Staat zur „Anfrechterhaltung der Ordnung" Irland besetzen wollte, was es dann wohl für ein Geschrei gäbe. Und doch liegen die Dinge hier ebenso, wie bei der französischen Annectivn von Tunis, der englischen von Egypten und der italienischen von Massauah. Die Sache ist und bleibt Länderraub. Frankreich. Aus Anlaß der Enthüllung der Statue des Generals Mcunier fand am Sonntag im Theater zu Tours zu Ehren des anwesenden Ministerpräsidenten Floquet ein Bankett statt, an welchem 350 Personen theilnahmen. In der Antwort auf die Be grüßung des Maires von Tours toastete Floquet auf die alte Armee, welche Frankreich den Ruhm erworben habe, ebenso wie auf die neue, welche Frankreich Zuversicht einslöße und ihm den Frieden sichere. Auf den von dem Präsidenten des radicalen Clubs in Tours aus gesprochenen Wunsch bezüglich der Trennung von Kirche und Staat ersuchte Floquet die Zuhörer, der Regierung Vertrauen zu schenken. — Der Arbeiterstreik dauert infolge der Aufstachelung der Anarchisten noch immer fort. Es herrscht große Erregung. Die Regierung hat die Militär- und Polizeiposten wesentlich verstärken lassen und scharfe Befehle gegeben. Montag Abend kam es auch zu mehrfachen Zu sammenstößen, bei denen abermals eine ganze Anzahl von Arbeitern und Beamten verletzt wurden. — In Crispi's neuestem Rundschreiben betr. Massauah führt derselbe sehr bittere Klagen über Frankreich, das Italien Steine in den Wcg zu werfe» suche. Die Pariser Blätter sind darüber sehr aufgebracht und fordern eine scharfe Ant wort. — Minister Frcycinet will die Ersatzarmee gleich der Linien- armee in 18 gänzlich selbständige Armeccvrps ordnen, die im Kriegs fall dieselbe Organisation und Verwendung hätten, wie das Linien heer. — Die französischen Schildwachen müssen, damit das neue Lcbelgewehr nicht verrathen wird, mit dem alte» Grasgewehr auf- ziehcn! Orient. Zwischen Serbien und Bulgarien ist der Vertrag über die Grenzregulirung unterzeichnet worden. — Französische Blätter verbreiten die Nachricht, ein Fainilienrath des Hauses Coburg habe dem Fürsten Ferdinand empfohlen, Bulgarien zu verlassen. Möglich ist das schon! Ob der Fürst aber danach handelt, ist abzu- warten. Leidenschaftliche Herzen. Roman von Karl Zastrow. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Sie wissen vielleicht nicht einmal," fuhr Werner fort, „daß ich gänzlich ohne hinreichende Mittel bin, eine solche Lebensstellung zu begründen, wie sie einer jungen Dame aus anständiger Familie ge ziemt. Leider zwingen Sie mich zu der rücksichtslosen Offenheit, es, wenn auch beschämt, cinzugcstehen." „O, sprechen Sie doch nicht von solchen kleinlichen Dingen, wo es sich um so Großes handelt, wie die Vereinigung zweier für einander bestimmter Herzen." „Und wo bleibt Ihre Logik, mein Fräulein? Erinnern Sie sich, waS Sie mir vor einigen Tagen sagten? Es sei nicht immer wohl getha», seinem Herzen zu folgen. Man müsse auch der Vernunft das Wort gestatten. Nun gutl Welch eine Bezeichnung haben Sie dafür, wenn ein Mann, der nichts weiter hat, als seinen ehrlichen Namen, nnd nichts weiter ist, als ein unbedeutender Buchhalter, es wagt, seine Augen zu der gefeierten Tochter eines der namhafteste» Bankiers z» erheben?" „Das kann hier nicht in Betracht kommen," erwiderte sie, leicht erröthend. „Onkel Wendling hatte längst die Absicht, Sie zu seinem Compagnon zu machen. Ich habe das aus einem Gespräch ent nommen, welches meine Taiite mit Papa hatte. Der Oheim soll sich oft dahin geäußert haben, daß ein Man» von Ihren Kenntnissen und Ihren kaufmännischen' Talenten die umfangreichsten Capitalien aus wiege." Werner sah aus diesen Worten die Nichtigkeit seiner Vcrmuth- ung, daß er seine gegenwärtige Stellung dem Einfluß und der Für sprache seines früheren Prinzipals zu verdanken habe. Er hatte schon die Absicht, zu fragen, ob und wodurch dieser Kcnntniß von seiner traurigen Lage erlangt hatte, besann sich aber eines Besseren. Für jetzt konnte ihm nur daran liegen, Ottilie über sein Vorhaben aufzu klären, um sich nicht falschen Beurtheilungen anszusetzen. „Ich verdanke Herrn Wendling bereits zu viel, Fräulein Ottilie, sls daß ich, ohne zu erröthcn, seine Güte noch ferner aiinchmen könnte," sagte er in bestimmtem Tone. „Denken Sie sich in meine Lage, Fräulein. Ich bin durch eigenes Verschulden in meinen Ver hältnissen znrückgckommcn, und wenn man dies auch inimerhl» mit den Worten „Jrrthum des Herzens" entschuldigen wird, — ich kann doch nicht so frei und sicher, so selbstbewußt und mit gutem Gewissen vor Herrn Wendling hintretcn und meine Werbung anssprechcn, wie es sich gehört. „Es ist mir unmöglich, Fräulein!" fuhr Werner fort, „ich kann es nicht. Glauben Sie mir, daß es für den armen Mann nichts Peinlicheres gicbt, als den Gedanken, sich mit den Mitteln seiner Frau fortzuhelfen, Alles, was man ist, seiner Gattin zu verdanken. Nur den leisesten Widerschein eines solchen Gedankens im Auge Der jenigen, die ich über Alles liebe, und — es läge etwas zwischen unseren Herzen, was niemals weichen würde. Ja, ich dürste ähnliche Bemerkungen selbst nicht vvn meinen vertrautesten Freunden sprechen hören. Ich bin sehr stolz, mein Fräulein, und das Urtheil der Welt gilt mir viel. O, wären die Verhältnisse nicht ungleich, wäre Emmy arm nnd mittellos, wie ich, und wüßte sie nichts von Glanz und Ueberfluß, — mit welchem freudigen Muthe, mit welchem Feuereifer wollte ich für sie sorgen und schaffen, und welches reine, wahre Glück läge in diesem Schaffen. Nie würde ein Conflict die Eintracht unserer Herzen stören. Wie die Sache jetzt liegt, kann ich für eine vollkommene Harmonie nicht einstehen!" „Sie nehmen die Sache viel zu ernst und tragisch," wandte Ottilie ein; „Ihrem Principe »ach dürfte also nie ein geistvoller, verständiger und verdienstvoller Mann ein reiches Mädchen hcirathen ?" Er zuckte die Schultern. „Wie ernst man es mit der Ehe nehmen muß, wie schwer es sich oftmals rächt, wenn die äußeren Verhältnisse beider Theilc nicht auf gleicher Seite stehen, wie »ach theilig ein einziger mißverstandener Blick, ein einziges unüberlegtes Wort auf die Harmonie zweier Herzen einwirkcn kann, die sonst i» vollständiger Uebercinftiinnuiiig in einander schlagen, davon haben Sie in Ihrer Unschuld und Nnerfahrenheit bis jetzt wohl noch keine Ahnung. Ich aber habe bereits tiefere Blicke ins Leben gethan, und deshalb muß ich als Mann von Charakter handeln und einem Um gang entsagen, von dem ich überzeugt bi», daß er zum Heile Der jenigen, die ich liebe, nicht führen kann. Je höher ich ein Herz verehre, desto inehr habe ich die Verpflichtung, seinen Frieden zu wahren. Fräulein Emmy wird — ich hoffe »nd wünsche cs, — auch ohne mich glücklich werden. Sie wird einen ihrer würdigen Gatten finden, der ihr Alles zu bieten im Stande ist, was einem Frauenhcrzen die vollste Befriedigung gewähren muß. Ich bi» hier her gekommen in der Absicht, i»ir einen vierwöcheittlichen Urlaub von I Ihrem Herrn Vater zu erbitten, und schon morgen beabsichtige ich, die Stadt zu verlassen. Glauben Sie mir, Fräulein Ottilie, es ist für uns Beide am besten so." Ottilie, welche während der energischen Rede des jungen Mannes kein Auge von seinem Antlitz verwandt hatte, suchte ihre Bewunder ung unter einem unwilligen Kopfschütteln zu verbergen. „Das ist ei» Stolz, ein Hochmuth, der durch nichts sich rechtfertigen läßt!" versetzte sie in empfindlichem Tone. „Wenn Sie die Emmy wirklich liebten, wie es sich gehört, dann würden Sie diesen lächerlichen Eigensinn Ihrer Liebe zum Opfer bringen. Und selbst wenn der artige Conflicte, die Sie in so schwarzen Zügen malen, eintreten sollten, was zu glauben ich weit entfernt bi», dann müßte Eure Liebe stark genug sein, um Euch Beiden darüber hinwegzuhelfen." „So stark ist keine Liebe, mein Fräulein, daß sie nicht wanken sollte, wenn ihre mächtigste Säule, die Achtung, erschüttert wird. Das, was Sie an mir tadeln, mein Stolz, entspringt aus der Achtung, die ich vor mir selber habe, gewiß die edelste Art von Stolz, die ein Mensch haben kann. Wenn ich der Selbstachtung entbehrte, wenn ein einziger leiser Zug in meinem Charakter läge, demzufolge ich erröthen müßte, wie soll das Weib mich achten, das meinen Namen trägt? Und wenn die Achtung fehlt, wo bleibt die Liebe? Und wenn die Liebe fehlt, wo bleibt das Glück der Ehe?" „Sie sind extrem in Ihren Ansichten," sagte Ottilie beleidigt. „Ich sehe, daß ich mich getäuscht habe. Sie sind nicht der Mann, ein Wesen, wie Emmy ist, glücklich zu machen. Wer es nicht wagt, ein weibliches Herz sein eigen zu nennen, ist auch nicht Werth, eS zu besitzen. Ha. wäre ich ein Mann, ich würde mir die Geliebte erobern mit jeder Waffe, deren ich habhaft werden könnte. Ich würde sie mein nennen, der ganzen Welt zum Trotz." „Sie thun mir sehr Unrecht, mein Fräulein!" entgcgnete Werner. „Ein Herz, das wahrhaft liebt, ist stets besorgt und zaghaft in Allem, was die geliebte Person angcht. Kurz und gut, mögen Sie über die Sache denken, wie Sie wollen, jedenfalls erleidet mein Entschluß durch Ihre Worte keine Aendcrung. Ich habe Alles, ich habe auch de» Fall bedacht, der ja so leicht eintreten kann. Wenn nämlich das Glück meine Unternehmungen nicht krönen sollte, wenn ich trotz meines Fleißes, meiner Anstrengungen das Geschäft, welches ich mit den Mitteln meiner Gattin begründet, nicht so vorwärts bringen könnte, wie man es vielleicht erwartet; Verluste können ja vielfach eintrcten: wenn vielleicht, — doch nein, — brechen wir ab von solchen trüben Bildern. Nur das Eine sage ich Ihnen noch, cs würde mein Tob Der heutigen Nummer des Sächsische» Laudes-Anzeigers liegt dei das Betblatt ..Sächsischer Erzähler".