Suche löschen...
Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 06.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189612066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18961206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18961206
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-06
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 06.12.1896
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
284. Freiberger Anzeiger «nd Tageblatt. Seite S. — 6. Dezember. LSSS. Christ, was diese Leute gethan haben; denn wenn sie ihren Kaiser vor Augen haben, so haben sie auch ihren Gott vor Augen; sie haben da an ihre Obrigkeit gedacht, die ihnen von Gott gesetzt war" — da brachen die Sozialdemokraten in ein wüstes Lachen aus, und Abgeordneter Schippel verflieg sich sogar zu dem Aus fall, die Worte des Admirals „blasphemische Aeußerungen" zu nennen. In der sozialdemokratischen Presse hat man den traurigen Muth gehabt, den Bericht über den todesmuthigen Ausgang der Jltisbcsatzung überhaupt in das Gebiet der Fabel zu verweisen. Gerade jetzt ist einer der Geretteten, der Matrose Habeck, in Bremen angekommen, und er bezeugt von Neuem, daß der Kom mandant des „Iltis", Kapitän-Lieutenant Braun, im letzten Augenblick thatsächlich ein dreifaches Hurrah auf den Kaiser aus brachte, in das die Mannschaften einstimmten, obgleich schon einige über Bord gespült waren. Er bestätigte auch, daß Oberfeuer werksmaat Nehr darauf das Flaggenlied angestimmt hatte, das von den Mannschaften noch mitgcsungen wurde, obwohl beim zweiten Vers das Hintertheil des Schisses auscinanderbarst und der Großmast im Fallen die Kommandobrücke mit sämmtlichen Offizieren in das Meer schleuderte. Solcher Heldcnmuth ist für die vaterlandslose Sozialdemo kratie allerdings ein unfaßbarer Begriff. Aber seine Größe wird rechnung von zwei Tagen dem Kranken materiell Schaden erwachsen; der Fall sei nicht selten, daß am Tage des Zu gangs gar keine Verpflegung zu gewähren sei. HerrStadt- rath Eberhardt erklärt darauf, daß ja die Zeit des Zu ganges eine ganz verschiedene sei, daß aber die Entlassung eines Genesenen nach dem Mittagessen erfolge. Herr St.»V. Witt entgegnet, daß auch an Vormittagen Entlassungen vorgekommen seien. Herr St.-V. Matthes meint, Ent lassungen am Vormittage geschähen nur auf besonderen Wunsch der Genesenen. Er ist im übrigen der Ansicht, daß eine Erhöhung des Tarifs in Rücksicht auf die Unkosten, welche das Krankenhaus verursacht habe, vollkommen ange bracht sei. Am Schluß der Debatte zieht Herr St.-B. Witt seinen Antrag zurück. Dem Tarif Mrd sodann einstimmig beigetreten. — Ein Theaterdirektor Steinert beabsichtigt, im Freiberger Stadttheater einen zweiwöchentlichen Opern» cyklus zu absolviren. Da die Spielperiode unseres hiesigen Ensembles am 27. Dezember vorläufig schließt, soll die Auf führung der Opern am 28. Dezember beginnen. Herr Steinert hat sich an den Rath um miethfreie Ueberlassung des Stadttheaters auf die Dauer von zwei Wochen gewendet. Der Stadtrath hat beschlossen dem Gesuche unter der Be dingung stattzugeben, daß die hiesige Theaterleitung keine Einwendungen gegen das Unternehmen macht und daß Herr Steinert die Beleuchtungs- und Heizungskosten des Theaters trägt. Das Kollegium tritt dem Rathsbeschluß debattelos und einstimmig bei. — Zum Schluß berichtet Herr St -B. Wächtler noch über einige Rechnungen aus den Jahren 1894 bezw. 1895. Sämmtliche Rechnungen erhalten Juchftratlvn. — Schluß der öffentlichen Sitzung Uhr. geheime Sitzung, der sich eine vertrauliche Besprechung mich nicht im Mindesten beeinträchtigt durch den Geifer, den die Maulhelden dafür haben. Admiral Hollmann hat dem deutschen Volke aus der Seele gesprochen in den Worten: „Was war das Große an der That jener Matrosen ? Es war nicht anzunehmen, daß eine Kunde davon in die Welt drang; trotzdem fetzten die Leute ihre Todesfurcht hintenan und dachten an den Kaiser!" In der That, an die Erhabenheit dieser Heldenschaar reicht sozialdemokratische Niedrigkeit nicht heran. Das Andenken dieser Männer wird erhalten bleiben im deutschen Volke treu durch die Jahrzehnte, denn sonst müßte man, um mit dem Admiral Holl mann zu sprechen, „wirklich an der Menschheit verzweifeln." — Eine Million Darlehn will die sächsische Regierung aemäß einem konservativen Anträge im Landtage dem sächs. Ver band landmirthschaftlicher Genossenschaften geben. — Das Aschestreuen, um der auf den Bürgersteigen herr schenden Glätte zu begegnen, wird vielfach recht mangelhaft be sorgt, so daß man in der beständigen Gefahr schwebt, zu Fall zu kommen. Auf dem Trottoir haben sich durch das Wasjerhole» Parole berichtet — aus dem Munde eines Landoffiziers gehört , haben. Der letztere erzählt: „Ich fand mich ihm von Angesicht , zu Angesicht gegenüber auf der Teufelsinsel; er hat mich nicht , erkannt, und ich habe ihn nicht erkannt. Und doch habe ich früher- lange mit ihm zusammen gelebt. Das Individuum, das sich dort befindet, ist wenigstens 7—8 Jahre älter als Dreyfus: er hat ein jüdisches Gesicht, aber das ist auch die einzige Aehnlichkeit, > die er mit dem Verräther besitzt. Ich habe mein Erstaunen dar über seinen Wächtern ausgcdrückt. „Ihr Sträfling ist nicht Dreyfuß," sagte ich ihnen. „Alles was ich weiß," entgegnete der ehrliche Mann, „ist, daß er dasselbe Individuum ist, das hierher als Dreyfus gebracht worden." Und der Offizier schließt mit den Worten: „Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, Drcy- fus befindet sich nicht mehr ans der Teufelsinsel." Gleichzeitig bemerkt das Blatt, daß der eigentliche Dreyfus an verschiedenen Orten in Belgien und Amerika gesehen worden sei. Die Lage in Aegypten ist gespannt. Auf englischer Seite ist man bemüht, einen Konflikt zwischen der Kasse der Schuld und den Gerichten zu schaffen. Zu diesem Zwecke wird be hauptet, die Dclcgirten der. Kasse widersetzten sich der Voll streckung des Urtheilsspruches. Die Note Lord Cromers hat im Ministerium Aufregung verursacht; dasselbe hat noch keinen end- ailtigen Beschluß gefaßt. Man spricht von einer Krise. Die England freundliche Presse greift den Urthcilsspruch heftig an und spricht von der Nothwendigkeit, daß England die thatsächliche Herrschaft in Aegypten ergreife. Die leitenden englischen Kreise sprechen dieselbe Ansicht aus. Vereinigte Staaten. Der Bericht der amerikanischen - Einwanderungs-Kommission ist interessant. Das Jahr, über welches er berichtet, erstreckt sich vom 30. Juni 1895 bis zum 30. Juni 1896. Während dieser Zeit langten in den Verein. Staaten 343 267 Einwanderer an. 2799 wurde die Landung nicht gestattet. Sie wurden auf Kosten der Dampfschiffe, welche - sie gebracht hatten, in ihre Heimath zurückbefördert. Der General kommissar sagt, daß jetzt Keiner von den Neulinge» der Ge- «einde oder den PrivatwohlthätigkeitSanstalten zur Last falle. Die jetzige Einwanderung bestehe auS kräftigen Arbeitern, welche gesonnen seien, mit harter Arbeit ihr Brot zu verdienen. Die Einwanderer haben m dem Jahre mindestens 5 000 000 Dollar nach den Ver. Staaten gebracht, wahrscheinlich aber viel mehr. Die AuSländer-Bevölkerung der Ver. Staaten hat sich kaum ver mehrt. Denn viele von den Einwanderern sind in ihre Heimath zurückgekehrt. Von den Einwanderern im Alter über 14 Jahren konnten 5066 nicht schreiben und 78 000 weder schreiben noch lesen. Von den letzteren kamen 31374 von Italien, 12 876 vom eigentlichen Rußland, 12154 von Ungarn, 6107 von Böhmen und Mähren und 5281 von anderen Theilen Oesterreich-Ungarns, 2473 von Irland und 1566 von Arabien und Spanien. Der Generalkonsul von Liberta meldet, daß der Präsident von Liberia, Cheseman, am 11. November gestorben ist, und daß der bisherige Vizepräsident Coleman am 13. November den Diensteid alS Präsident geleistet hat. EolontalpoMifche». Die Ernennung deS Obersten Liebert zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika ist jetzt, wie wir hören, vollendete Thatsache. Damit ist diese wichtige Frage nach langem Hin und Her endlich entschieden worden. Oberst Liebert hat seit langen Jahren in engen Beziehungen zu seinem Vorgänger, dem Herrn v. Wißmann, gestanden. AlS Wißmann im Jahre 1888 zum Reichskommissar für Ostafrika ernannt wurde und eine eigene Schutztruppe bildete, schloß sich ihm Liebert, damals Major im Großen Generalstabe, an nno wurde zum Stellvertreter deS Reichskommissars ernannt, der die Schutztruppen-Angelegenheiten hier in Berlin besorgte. Im Herbst 1889 erhielt Liebert den kaiserlichen Auftrag, sich nach Ostafrika zu begeben, um sich an Ort und Stelle von der Lage der Dinge zu unterrichten und darüber Bericht zu erstatten. Er traf im Februar 1890 mit einer Schaar von Offizieren und Unteroffizieren an der Küste Ostafrikas ein. Unmittelbar darauf hatte er Gelegenheit, mit dem Major von Wißmann dem Angriffe auf die befestigte Stellung Bana Heri'S bei Palamakaa im Hinterlande von Saa- dani beizuwohnen. Danach bereiste er mit dem Reichskommiffar zunächst die sämmtlichen Stationen im Norden des Schutzgebietes, um auS eigenem Augenschein die nächste Vorlage für die Schutz truppe im Reichstage Vertheidigen zu können. Bei Lewa hinter Pangani hatte er Veranlassung, mit vr. Bumiller zusammen gegen einen unbotmäßigen Häuptling einzuschreiten. In Zanzibar konnte Liebert bald darauf noch einen Transport neu ange worbener Sudanesen besichtigen und machte mit dem Reichs kommiffar auf dem Dampfer „München" eine Fahrt nach den südlichen Stationen Kilwa, Lindi, Mikindani u. s. f. Vom Sultan Sejid Ali von Zanzibar erhielt der damalige Major Liebert die 1. Klaffe des OrdenS „Vom strahlenden Stern" ver liehen. Ende April traf er wieder in Berlin ein, erhielt aber schon Ende Juni einen längeren Urlaub zu einer Reise nach Rußland und legte darauf die Stelle als Stellvertreter des Reichskommiffars nieder. Im nächstfolgenden Jahre wurde der Oberstlieutenant Liebert zum Chef des Generalstabes im zehnten Armeecorps zu Hannover ernannt und sodann unter Beförderung zum Oberst, Kommandeur des Grenadier-Regiments Prinz Karl Nr. 12 in Frankfurt a. O. Auch nachdem er wieder in die Armee zurückgetreten war, hat sich Liebert eingehend mit kolonialen Fragen, darunter namentlich den ostafrilanischen, be schäftigt. Die Heldevschaar des „Iltis". Zu den unerquicklichsten Erscheinungen bei den diesjährigen Reichs-Haushalts-Debatten gehört wiederum das Verhalten der Sozialdemokratie. Man ist von dieser Seite her schon an große Leistungen der Selbsterniedrigung durch die Verleugnung aller vaterländischen Empfindungen gewöhnt. Nichtsdestoweniger be rührt die sozialdemokratische Niedrigkeit immer wieder peinlich, die sich bei der Etatsberathung an die heldenmüthige Haltung der Besatzung des „Iltis" beim Untergang des Schiffes heranmagte. Schon bei den anerkennenden Worten, die ein nationalliberaler Redner diesen todesmuthigen Mannschaften widmete, machten sich die Sozialdemokraten durch Zwischenrufe bemerkbar; diese stei gerten sich, als der Staatssekretär deS Reichsmarineamtes, Admiral Hollmann, aus Grund des Zeugnisses der Ueberlebenden bestä tigte, daß die Besatzung mit musterhafter Disziplin dem Tode ins Auge gesehen, mit einem Hoch auf den Kaiser noch beim sinken den Schiss den Eidesschwur der Treue besiegelt und so vorbildlich für alle Kameraden, aber auch nachahmenswerth für alle Christen, ihr Leben zum Ruhme des Kaisers und des Vaterlandes preis- gegeben habe. Als Admiral Hollmann äußerte: „DaS kann nur ein wahrer OertlicheS und Sächsische. Freiberg, den S. Dezember. — Gtadtverordnetensitzung, am 4. Dezember. Der Vor sitzende, Herr Stadtverordnetenvorsteber R.-A. Täschner be richtet zunächst über die Revisionen der Kassen des Melde amtes, der Einnahmestelle für JnvaliditätS- und Altersver sorgung und des Standesamtes. Bei sämmtlichen Revisionen war nichts zu bemerken. — Eingegangen sind ein Dank schreiben des Herrn Vizevorstehers Braun für die seitens des Kollegiums während seiner Krankheit bezeugte Theil» nähme und ein Dankschreiben des Herrn RathsassessorS 0r. Richter für die ihm bewilligten Umzugskosten. — Von Be wohnern der Berthelsdorferstraße ist eine Petition an die städtischen Kollegien gelangt, in welcher um den Weiterbau der Straße 0. und zwar unter Benutzung deS von der Stadt neuerdings angekauften Winter'schen Gärtnerei-Grund stückes gebeten wird. Der Stadtrath hat beschlossen, der Petition für das nächste Jahr keine Folge zu geben. Herr St.-V. Matthes bittet das Gesuch anzunehmen im Hinblick darauf, daß durch die Herstellung der Straße 6. ein? Ver kehrsentlastung der alten Frauensteinerstraße herbeigeführt werden würde. Seitens der Fleischer-Innung werde ebenfalls noch eine Petition zu diesem Gegenstand eingchen, da die Erschließung jenes Stadtviertels dringend nothwendig sei. Der Bau der Straße 6. werde eine Förderung der Bau« thätigkeit sein. Herr St.-Vizevorsteher Braun meint, es sei schwierig, sich jetzt für die Sache zu entscheiden, nachdem der Rath einen ablehnenden Standpunkt eingenommen habe. Wenn der Haushaltsplan vorliegen werde, vermöge man ein klares Bild über den Kostenpunkt der Ausführung zu er halten. Er beantragt, die Sache bis zur Berathung deS Haushaltsplans auszusetzen. Herr St.-B. Stölzner hält die Herstellung der Straßen um die Nikolaikirche herum, der Ritter« und Färbergasse, im nächsten Jahre für sehr noth- wendig und schließt sich im übrigen den Ausführungen des Herrn Braun an. Herr St.-B. Butze steht der Angelegen heit nicht unsympathisch gegenüber, hält aber die Herstellung der Straße 0. nicht für so dringlich. Darauf wird der Antrag Braun einstimmig angenommen. — Der Rath hat beschlossen, dem Frauenverein den großen Kaufhaussaal zur Abhaltung einer Weihnachtsbescheerung unentgeltlich zu überlassen. Das Kollegium beschließt debattelos und ein stimmig in gleichem Sinne. — Dem Rathsbeschluß in Bezug auf die Entnahme der für den Umbau des kleinen Hospitals verwilligten 3000 Mk. auS dem Substanzialvermögen wird gegen 8 Stimmen beigetreten, nach einer Debatte rein fach licher Natur, an der sich die Herren St.-B. Seim, Braun und Wächtler und Herr Stadtrath Rößler betheiligen. — Drei weitere Rathsbeschlüsse, betreffend 1. den Vertritt zu einer an den Reichstag zu richtenden Petition wegen Herab setzung der Fernsprechgebühren, 2. Gewährung eines Zähl« geldeS von 10 Mk. an den Kaffenboten beim Gas- und Wasserwerk, 3. Verwilligung von 175 Ml. für Herstellung einer Schleuß« im neuen Aichamtsgebäude, finden ein stimmig und debatteloS Annahme. — Sodann gelangt ein Rathsbeschluß bezüglich eines neuen Tarifs für das Krankenhaus zur Berathung. Die Angelegenheit hat schon früher den Gegenstand von Erörterungen gebildet. Der vorliegende Tarif ist nunmehr von der zuständigen Deputation genehmigt, bezw. befürwortet worden. Herr St.-V. Witt wünscht, daß der Tag des Zu- und Abganges eines Kranken im Krankenhause den Krankenkassen nicht wie bisher als zwei Tage, sondern als ein Tag berechnet werde, und stellt einen diesbezüglichen Anttag. Herr Stadtrath Eberhardt hält eine derartige Vergünstigung aus Rücksicht auf Kosten und Lage der Sache nicht für angängig. Bei allen Kranken häusern der mittleren und großen Städte Sachsens, mit Ausnahme von Leipzig, werde der Tag der Aufnahme und Entlassung eines Kranken als zwei Tage gerechnet. Herr St.-V. Seim meint, unter Umständen könne durch die Be wenn aber die Vertrauensmänner sich erdreisten, ihn (v. Marschall), seine Beamten und das Auswärtige Amt zu verleumden, so fluchte ' er sich in die Oeffentlichkeit und brandmarke dies Treiben. (Be- . wegung.) v. Tausch bestreitet die Richtigkeit der Angaben Lützows daß er (v. Tausch) Freude über den Artikel ausgedrückt habe. Borsitzender: „Glauben Sie, daß Lützöw sich so etwas rein aus dem Finger gesogen haben könne?" von Tausch: „Jawohl!" Freiherr von Marschall dazwischenwerfend: „Ah, nun auf einmal!" v. Tausch behauptet, er habe im Gegentheil gesagt, wie Lützow solchen Unsinn schreiben könne. Er selbst habe nur den Artikel der „Welt am Montag" dem Botschafter Grafen zu Eulenburg nach Wien zugeschickt, den er in Abbazia kennen gelernt und dem er zu Danke verpflichtet sei. Der Vorsitzende macht den Zeugen darauf aufmerksam, daß er unter dem Eide stehe und dem Zuchthause verfalle, wenn er falsche Aus sagen mache. Was die Aussagen Lützows anbelangt, so erklärt Zeuge die Erklärung Lützows für erlogen. Oberstaatsanwalt Drescher erinnert daran, daß die im Auftrage des v. Tausch vor genommene Haussuchung nur ein geringes Ergebniß gehabt habe; damit stehe doch im Widerspruch, daß heute in Lützows Wohnung eine ganze Reiye von Schriftstücken vorgefnnden sei. Im weiteren Verlaufe erklärte v. Tausch, es sei unwahr, daß er Angst gehabt habe; unwahr sei auch die Darstellung des Angeklagten, wie die Quittung Kukutsch zu stände gekommen. Präsident: „Bitte nicht einen so hohen Ton anzuschlagen! Sie haben nur auf meine Fragen zu antworten, soweit Sie nicht als Anstifter einer Fälschung zur Zeugnißverweigerung berechtigt sind. Der Präsident fragt v. Tausch, ob Lützow öfter Quittungen mit anderen Namen unterschrieb. Zeuge: »Nein!" Präsident: „Er soll auch Quittungen mit dem j Namen Maschke unterschrieben haben?" Zeuge: „Ach ja, wenn er selbst Geld erhielt, schrieb er Maschke, bekam ein Anderer Geld ourch ihn, dann schrieb er dessen Namen." Der Vetheidiger Lützows bittet in dessen Namen den Zeugen Kukutsch um Ver zeihung, daß er ihn als des Meineides fähig hingestellt habe. - Der Präsident drückte seine Freude auS, daß der Angeklagte dem Zeugen diese Genugthuung gebe. Auf das Bemerken des Ober staatsanwalts, daß man die ictzigen Geständnisse Lützows nicht so ohne weiteres rückhaltlos glauben dürfe, da sie doch wohl nur unter dem Eindrücke der drohenden Anklage wegen Urkunden fälschung abgegeben seien, erklärt der Vertheidiger Lützows, er könne zeugeneidlich versichern, daß Lützow schon bei der ersten Unter redung gesagt habe, er wolle v. Tausch solange halten, wie cs an gängig sei; wenn es nicht mehr gehe, gebe er ihn preis. Ebenso habe der Angeklagte schon vor drei Tagen ihm gesagt, daß v. Tausch die Seele der ganzen Jntrigue gegen v. Marschall sei, der alle Fäden dirigire. Die vom Kriminalkommissar v. Tausch eingcholte dienstliche Er mächtigung, seinen Gewährsmann in der Angelegenheit des Artikels der „Köln. Ztg." zu nennen, wurde vom Polizeipräsidenten v. Windheim abgclehnt. In der Angelegenheit Kukutsch erklärte Lützow: Als der Artikel in den „Münchener Neuesten Nachrichten" erschien, sagte v. Tausch zu ihm, Lützow, der Kriegsminister Bron- fart v. Schellendorf hätte zu v. Tausch geäußert, daß er, der Kriegsminister, den Minister v. Köller für den Informator des Artikels halte, v. Tausch müßte sich bemühen, das heraus zubekommen und dafür den Beweis liefern, v. Tausch beauftragte Lützow, die Angestellten deS litterarischen Bureaus auszuforschen. Lützow versuchte ungefähr 14 Tage lang, Kukutsch für die Sache zu mteressiren. Fast täglich sagte v. Tausch, der Kriegsminister habe das größte Interesse, es könne kosten was eS wolle, daS bei Kukutsch herauszubekommen, v. Tausch veranlaßte Lützow, einen anoymen Brief an das Kricgsministerium zu schreiben, besagend: „Wollen Sie wissen, wer gegen Sie hetzt, so fragen Sie Homann, Eckart und Kukutsch." Diesen Brief erhielt Bronsart v. Schellen dorff. Lützow ließ den Brief vom Hausdiener schreiben. Er erzählte dann, es sei eine Untersuchung gegen „Unbekannt" ein geleitet worden, worin drei, eigentlich vier Zeugen vernommen würden. Hierüber gerieth v. Tausch in große Augst, weil dadurch der Minister Köller von der Sache erführe. Um nun seine Aus kunft bezüglich Kukutsch gegenüber Bronsart aufrechtzuerhalten, fordert v. Tausch Lützow auf, ihm die Quittung mit dem Namen Kukutsch zu geben, was Lützow that, da im Laufe der Jahre er wiederholt aus Wunsch v. Tauschs eine Quittung mit falschem Namen gegeben und v. Tausch ihm gesagt hatte, es sei ihm gleich- giltig, welcher Name darauf stünde. Ter Oberstaatsanwalt er klärte hierauf, daß heute eine so große Menge neuer Gesichts punkte in die Beweisaufnahme hineingczogen worden seien, daß die Betheiligten kaum in der Lage sein werden, alle Näthsel zu lösen. Es müsse v. Tausch Gelegenheit gegeben werden, sich zu Vertheidigen. Es könne sich auch fragen, ob v. Tausch nicht wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung und Anstiftung wegen Be leidigung des Grasen Eulenburg zur Verantwortung gezogen werden müsse. Schließlich wurde die Verhandlung auf Montag 9 Uhr vertagt. Frankreich. Daß Dreyfus sich schon lange nicht mehr auf der Tcufelsinscl befinde, will eine Marine-Offizier — wie Libre
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)